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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hubschrauberflug mit Folgen



RS-USER-Anonym
21.12.2006, 01:13
Ich habe lange überlegt ob ich diesen Fall schilder soll.
Auch wenn ich ihn hier unter dem Pseudonym "Anonym" verfasse - der Rettungsdienst ist ein Dorf - aber eigentlich stehe ich zu dem Fehler den ich begangen habe...

Nunja, ich schiess einfach mal los was sich zugetragen hat...

Es begab sich zu einem Wochentag, morgens gegen 11 Uhr. Einsatz für den RTW. Ich, als verantwortlicher RettAss, mit einem RAiP ( 4 Wochen vorm Abschlussgespräch ) und einer RAiP ( als 3. Frau um sich in ihre Anerkennungszeit einzuarbeiten ) an Bord.
"Internistischer Notfall" lautete die Meldung "kein bodengebundener Notarzt frei, ich schicke dir den Hubschrauber!"

Am Einsatzort angekommen ( Arztpraxis ) fanden wir eine vollversorgte Dame vor. Arrhytmie bekannt - jedoch seit 14 Tagen erst in D und hier noch keine medikamentöse Einstellung. Da es zu Verständigungsschwierigkeiten kam und der Hausarzt die Patientin nicht kannte bestellte er einen RTW/NEF zur Abklärung ins KH.

Der Hubschrauber landete derweil ca 1km von der Praxis und wurde mit der Polizei zu uns gebracht. Der NA des Hubschrauber übernahm die Patientin.

Jetzt aufgepasst...

Der NA stellte fest, dass wir zu dritt sind und fragte ob/wer von uns im Hubschrauber ins 3km entfernte KH fliegen möchte.
- Mein Hirn schaltete auf "geil Hubschrappschrapp" -
Der NA wurde über die Qualifikationen der Bestzung aufgeklärt und sagte "die beiden Azubis wollen ja noch was lernen..." Also, ich durfte mitfliegen. Der NA meinte "wenn ich eh schon hier bin, begleite ich mal, auch wenn es nicht nötig ist...! Also: NA und die beiden RAiP mit Pat. im RTW - meiner einer mit dem FlugRettAss und Pilot im Heli...

Gesagt getan wurde die Patientin in den RTW verbracht und die Hubschraubercrew mit mir zum Heli gebracht. Dort angekommen kam nochmal die Frage von mir an den RAiP "Du kennst den Weg?" - "Klar! Außerdem ist ja die XXX dabei und die kennt sich ja auch aus!"

Ich stieg also in den Hubschrauber und noch bevor wir abhoben fuhr der RTW mit normaler Fahrt in Richtung KH.

3 Minuten später landeten wir dann schon wieder... Doch wo bleibt der RTW???
Ganze 40Min später kam der RTW an. Der RAiP hatte sich verfahren und war nicht Manns genug die Kollegin zu fragen ( aber das ist ein anderes Blatt ).

Wie auch immer, diese Aktion kam heraus... Folgen:
- fristlose Kündigung ( Velassen des Arbeitsplatzes RTW )
- Hausverbot in allen Gebäuden dieser HiOrg im gesamten Umkreis
- Bußgeldverfahren des Landkreises ( RTW ohne RettAss KEIN RTW... )

Tja, da denkt man, dass der NA als "Einsatzleiter" sein OK gibt und alles richtig ist und dann baut man den größten Bockmist ever! Es folgte lange Arbeitslosigkeit, Hohn und Spott und und und...

In dem Moment war mir die Tragweite dieser Aktion auch NULL bewußt. Abgesehen davon, das der Kollege der sich verfahren hat in der Stellungnahme sagte er habe von der Aktion gar nichts mitbekommen "auf einmal war er weg...!", war es MEIN Fehler und MEIN Bockmist...

Die Frage ob es auch eine Abmahnung hätte getan oder oder oder stellte sich mir damals und auch jetzt noch manchmal andererseits bin ich froh, denn wie hätte mich die HiOrg unterstützt, wenn mal wirklich was "schlimmes" passiert wäre :confused:

Ich wünsche euch allen, dass ihr NIE in eine Situation kommt in der ihr denkt richtig zu handeln und euern Job, die Zukunft und evtl das Leben mit einer solchen Aktion versaut!!!

In diesem Sinne grüßt
Anonym...

RS-USER-Rippenspreizer
21.12.2006, 15:37
Großen Respekt vor diesem Posting!

Genau das war mit dem CIRS unser Ziel; Du hast sehr selbstkritisch den damaligen Einsatz reflektiert und etwas daraus gelehrt. Auch wenn zahlreiche Faktoren zu dem outcome geführt haben, so hattest Du damals die Hauptverantwortung und musstest mit den Konsequenzen leben. Obgleich ich in ähnlicher Situation auch ganz schnell mitgeflogen wäre...

Dies ist glaube ich ein gutes Beispiel dafür, dass wir Impulsentscheidungen treffen, für die wir uns hinterher am liebsten in den Hintern treten möchten. So haben jetzt hoffentlich eine Menge anderer "Fahrzeugführer" die Möglichkeit, im Hinblick auf Deine Erlebnisse ähnliche Entscheidungen zweimal zu überdenken.
Hättest Du zum Zeitpunkt des Einsatzes von diesem Kasus gewusst, hättest Du vermutlich einem Auszubildenden die Chance eines RTH-Fluges ermöglicht und wärst beim Patienten geblieben.