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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Tod oder nicht Tod



RS-USER-Hoffi
03.05.2007, 08:32
Hier ein recht interessanter Artikel aus der Newsweek

http://www.msnbc.msn.com/id/18368186/site/newsweek/

Ich bin mal gespannt, wann und vor allem wie sich das in die Richtlinien auswirkt.

RS-USER-Hoffi
03.05.2007, 08:33
Für alle nicht anglophilen eine Übersetzung ohne Anspruch auf 100%ige Richtigkeit:


"Behandlung der Toten" ----------------------
(Jerry Adler, Newsweek, Ausgabe vom 7. Mai 2007) Stellen sie sich vor, jemand stirbt gerade an einer Herzattacke. Seine Organe sind intakt, er hat kein Blut verloren. Lediglich sein Herz hat aufgehört zu schlagen ("klinischer Tod") und das Gehirn hat sich abgeschaltet, um Sauerstoff zu sparen. Aber was genau ist hier eigentlich gestorben? Noch 1993, als Dr. Sherwin Nuland den Bestseller "Wie wir sterben" ("How we die") schrieb, lautete gewöhnlich die Antwort, dass es die Zellen sind, die sterben. Der Patient kann nicht wiederbelebt werden, weil das Gewebe von Herz und Gehirn irreversible Schäden durch den Sauerstoffmangel davongetragen hat. Man dachte, dass dieser Prozess schon nach vier bis fünf Minuten beginnt. Wenn der Patient nicht in dieser Zeit reanimiert wird und sein Herz nicht kurz danach wieder zu schlagen beginnt, stehen die Chancen einer Heilung schlecht. Dieses Dogma wurde nicht hinterfragt, bis Wissenschaftler einmal tatsächlich Zellen unter dem Mikroskop betrachteten, die von jeglicher Sauerstoffzufuhr abgeschnitten waren. Was sie dort sahen faszinierte sie. Dr. Lance Becker, Experte für Notfallmedizin der Universität Pennsylvania, sagt: "Nach einer Stunde konnten wir noch keinen Hinweis auf das Sterben von Zellen feststellen". Tatsächlich starben Zellen, die von der Blutzufuhr abgeschnitten waren, teilweise erst nach Stunden.. Wenn aber die Zellen doch noch leben, warum können Ärzte dann nicht jemanden wiederbeleben, der für eine Stunde tot war? Zellen, wenn sie erst mal länger als 5 Minuten ohne Sauerstoff waren sterben erst dann, wenn ihnen Sauerstoff wieder zugeführt wird. Diese verblüffende Entdeckung verschaffte Becker laut eigener Aussage den Posten als Leiter des Penn's Center für Wiederbelebungswissenschaften, einem neu entstandenen Forschungsinstitut dass sich in einem neuartigen Grenzbereich der Medizin bewegt: Die Behandlung der Toten. Biologen sind noch immer dabei die Folgen voll zu erfassen, die sich aus dieser neuen Sicht auf den Zelltod ergeben – kein passives ausgehen wie etwa bei einer Kerze, die zunächst flackert wenn man sie mit einem Glas bedeckt, sondern ein aktives biochemisches Ereignis welches durch Wiederdurchblutung, die Wiederversorgung mit Sauerstoff, ausgelöst wird. Die Suche nach der Ursache führte sie [die Forscher] tief in die Abläufe in der Zelle, zu den winzigen membran-umgebenen Strukturen, die man Mitochondrien nennt, in denen Zellbrennstoff verbrannt wird um Energie zu gewinnen. Mitochondrien steuern einen Prozess, die sogenannte Apoptose, die den kontrollierten Zelltod abnormaler Zellen auslöst und damit die wichtigste Waffe des Körpers gegen Krebs ist. "Für uns sieht es so aus", so Becker, "als ob der Mechanismus nicht zwischen einer Krebszelle und einer Zelle, die nach einer Minderversorgung wieder mit Sauerstoff versorgt wird, unterscheiden kann. Irgendetwas, das den Schalter umlegt, bringt die Zelle zum Sterben." Mit dieser Erkenntnis kam eine weitere dazu: Der momentane Notfallablauf in Notaufnahmen ist genau verkehrt; wenn jemand irgendwo auf der Straße mit einem Herzanfall zusammen bricht, wird er mit Glück sofort reanimiert, der Kreislauf wird aufrecht erhalten bis er im Krankenhaus schließlich stabilisiert wird. Hat er aber Pech, werden 10 bis 15 Minuten ganz ohne Herzschlag vergangen sein, wenn er in der Notaufnahme eintrifft. Und was passiert dann? "Wir geben ihnen Sauerstoff", so Becker. "wir schocken das Herz mit dem Defi, wir pumpen es voll mit Adrenalin um es zum Schlagen zu bringen, so dass es noch mehr Sauerstoff aufnimmt." Der mit Sauerstoff unterversorgte Herzmuskel wird plötzlich mit Sauerstoff geflutet - genau das führt zum Zelltod. Anstelle dessen, sagt Becker, sollten wir lieber darauf abzielen die Sauerstoffaufnahme zu minimieren, den Stoffwechsel zu verlangsamen und die chemische Zusammensetzung des Blutes auf eine langsame, sichere Wiederdurchblutung anpassen. Forscher arbeiten noch immer heraus, wie man das wohl am besten anstellt. Eine Studie, die letztes Jahr von der University of California veröffentlicht wurde und an der vier Kliniken beteiligt waren, zeigte erstaunliche Erfolgsquoten bei der Behandlung von plötzlichem Herztod. Dabei wurde unter anderem eine Infusionslösung verabreicht, die das Herz in einen Zustand sehr geringer Aktivität brachte. Die Patienten wurden dann an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen um die Durchblutung des Körpers aufrecht zu erhalten, bis man das Herz wieder sicher zum Schlagen bringen konnte. An dieser Studie nahmen nur 34 Patienten teil, aber 80 Prozent konnten das Krankenhaus lebend verlassen. In einer Studie mit herkömmlichen Methoden lag die Rate bei 15 Prozent. Becker begrüßt auch Hypothermie - das Senken der Körpertemperatur von 37 auf 33 Grad, welches die chemischen Reaktionen, die durch die Wiederversorgung ausgelöst werden, verlangsamen soll. Er hat ein einspritzbares Gemisch aus Salz und Eis entwickelt, mit dem man das Blut schnell herunter kühlen kann, und hofft nun, dass selbiges Einzug in jedes Notfall-Kit halten könnte. "In einer Notaufnahme arbeitet man eine halbe Stunde wie verrückt an einem Patienten, dessen Herz aufgehört hat zu schlagen. Irgendwann sagt jemand 'Ich glaube nicht, dass wir es schaffen,ihn zurückzuholen.' und dann hört man einfach auf.", so Becker. Der Körper auf der Trage ist tot, aber seine Billionen von Zellen leben alle noch. Becker will diesen Widerspruch ein für alle Mal aus der Welt schaffen - zugunsten des Lebens.

Hörbird
03.05.2007, 08:50
Bis sich das auf die Richtlinien auswirkt, wird es dauern. Bisher scheinen dies ja nur Ansätze zu sein - ne Lösung hat man ja noch nicht gefunden.
Interessant aber allemal - scheint als würden in ein paar Jahrzehnten der Mensch doch beinahe unsterblich werden.

RS-USER-Hoffi
03.05.2007, 09:08
Ach was, wir pfeifen einfach auf die Richtlinien *gg*

Ab sofort gibt es keinen Sauerstoff mehr :D :D :D

[Warnung! Das obrige Posting könnte Ironie enthalten]

RS-USER-blacksheep
03.05.2007, 09:17
Original geschrieben von Hoffi
Ab sofort gibt es keinen Sauerstoff mehr :D :D :D


Würd auch Kosten reduzieren ;) (Im doppelten Sinne :))

RS-USER-Claudi
03.05.2007, 12:38
Das ist ja mal interessant und zeigt - wie so oft - das wir längst nicht alles wissen.

RS-USER-Bärentöter
03.05.2007, 15:04
der Gedanke hat was und verdient, weiterbeforscht zu werden.
Aber unsterblich isnich!

RS-USER-DerDings
03.05.2007, 15:09
schade das der artikel nicht aus nature o.ä. stammt, da hätte man mehr erfahren können. zellen sterben auch ohne reperfusion, aber hypotherme pat die erst sekundär einen stillstand erleiden (also erst kalt, dann tot) können noch nach 6h erfolgreich - incl sauerstoff - wiederbelebt werden...
im text wird der eindruck erweckt (mMn) das nur das Herz mit apoptose (?) reagiert, da die pat ja an herz lungen maschinen landen um das hirn weiterzuversorgen, was dem restlichen artikel mit der allgemeinen haltung "die zelle" irgendwie widerspricht...

vielleicht ist das ein meilenstein, aber ich genieße solche bahnbrechenden entdeckungen eher mit vorsicht, zu AIDS/HIV gibt's ja auch genug wissenschaftlich belegte theorien die beweisen wollen das es KEIN virus ist - nur um noch ein beispiel für medizinische "verschwörungstheorien" zu nennen...

serial2k
03.05.2007, 19:10
Original geschrieben von DerDings

im text wird der eindruck erweckt (mMn) das nur das Herz mit apoptose (?) reagiert, da die pat ja an herz lungen maschinen landen um das hirn weiterzuversorgen, was dem restlichen artikel mit der allgemeinen haltung "die zelle" irgendwie widerspricht...
Genau das ist mir auch sofort aufgefallen! Aber wer weiß, wenn an der These was dran ist wird man sicherlich bald noch mehr darüber lesen können, bestimmt auch in den einschlägigen Fachjournalen.

RS-USER-Claudi
03.05.2007, 19:13
Original geschrieben von Bärentöter

Aber unsterblich isnich!
na hoffentlich.
Mal ehrlich - will wirklich jemand unsterblich sein??

Oder wie ein kluger Mensch mal sagte:
Wir wollen lange leben - aber alt werden, will keiner. :-p

Sanibär
03.05.2007, 20:19
Ein wirklich interressanter Artikel...
da würde ich mir sogar eine Vorlesung antun ;D
Das mit dem Sauerstoff ist schon so ne Sache, denn wäre er für uns nicht so lebensnotwendig, würden wir ohne ihn viel länger leben.
Soweit ich mal gehört habe:
Sauerstoff ist nach FLuor das 2. reaktivste Element, und jeder natürliche Tod durch Altersschwäche wird Sauerstoff ausgelöst, der dann quasi die Zellen zerstört.
Klingt komisch, soll aber so sein!
Ob das nun so ist sei dahin gestellt.

Das im Artikel beschriebene Phänomen ist aber das gleiche wie das mit dem Einfrieren von Lebewesen.
Man schafft es heutzutage ohne Probleme einen lebenden Organismus OHNE Schädigungen einzufrieren... man kriegt ihn nur nicht schnell genug wieder warm um ihn zum laufen zu bringen.

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
03.05.2007, 21:20
Spannender Artikel! Aber es stimmt schon, erst mal abwarten, was wirklich dabei für die Praxis rumkommt. Ich stelle mir nur gerade die Zukunft vor, wenn statt des RTW der mit SoSi ausgerüstete Kühllaster zur Einsatzstelle fährt und der Patient erst mal schockgefrostet wird...schöne neue Welt!:(

RS-USER-Katja
03.05.2007, 21:31
Wenn mir wieder einfällt, in welchem fachlich fundierterem Artikel ich was über den Professor und seine Forschung gelesen habe, werde ich es auch posten... ich weiß, daß auf Spiegel.de irgendwann auch mal ein Artikel darüber war, der auf die Orginalie verwies, aber die dortige Suchfunktion will leider Geld sehen, also zurück zum schlechten Gedächnis. Oder den Suchmaschinen (eigentlich sitze ich hier ja an der Quelle ;) )

Dass das Hirn viel empfindlicher ist als das Herz oder sonstwas kommt in dem Artikel auch viel zu kurz... wir wissen ja alle, daß man den Körper noch eine ganze Weile erfolgreich "wiederbeleben" kann, ohne daß man jemals wieder den Geist in den Wiederbelebten zu bekommen. Soviel zum Thema "das Krankenhaus lebend verlassen". Kein Wort über das neurologische Outcome. Ziemlich viel halbgares Zeug über eine eigentlich wohl sehr erfolgreiche Forschung.

@Sanbaer: Verständnisfrage: Woher weiß ich, daß ich ein Lebewesen schadfrei einfriere, wenn ich es nicht lebendig aufgetaut bekomme?

Sauerstoff an sich reagiert zwar schon gern, aber das "Böse" und reaktive sind die deutlich reaktiveren Sauerstoffradikale, die inzwischen auch die kosmetische Industrie und die Anti-Aging-Bewegung entdeckt haben.
Und daß zu viel Sauerstoff schlecht ist, kann jeder Neonatologe und Intensivmedizinier bestätigen ;) Aber die 21% in der Raumluft brauchen wir schon (ja, ich weiß, auch die 18% in der Ausateluft reichen eine Weile), sonst sind freien Radikale unsere kleinste Sorge.
Ich habe das Gefühl, daß sich die Neugeborenenreanimationsguidelines in absehbarer Zeit auf Raumluft statt Sauerstoff umstellen werden, aber das wird sich erst noch festklopfen lassen müssen.

RS-USER-Bärentöter
04.05.2007, 00:48
Original geschrieben von Katja
ich weiß, daß auf Spiegel.de irgendwann auch mal ein Artikel darüber war, der auf die Orginalie verwies,
ja, kann ich mich auch erinnern! Pathophysiologisch ist der Ansatz zumindest nicht so schlecht, daß man ihn nicht weiterverfolgen sollte.

Sanibär
04.05.2007, 05:57
Man hat einfach die Zellen der Frostmäuse oder womit auch immer man das getestet hat unterm Microscop angeschaut, da kann man ja dann erkennen ob diese durch Eiskristalle zerstört oder verletzt wurden.

Ich meine ich hätte auch schonmal irgendwo einen Bericht über eine eingefrorene und wieder aufgetaute Maus gesehen...

Die Forschung hat uns schon viel undenkbares ermöglicht, z.B. eine Atembare Flüssigkeit, irgendwann wird es bestimmt eine Maßnahme geben auch länger "tote" wiederzubeleben.

RS-USER-Katja
29.05.2007, 00:17
Original geschrieben von Sanibär
Man hat einfach die Zellen der Frostmäuse oder womit auch immer man das getestet hat unterm Microscop angeschaut, da kann man ja dann erkennen ob diese durch Eiskristalle zerstört oder verletzt wurden.

Der Auftauvorgang verläuft aber auch nicht unbedingt schadfrei (besonders dadurch, das man bei einer Maus relativ schnell im ganzen Körper gleiche Temperatur bekommen kann, bei einem großen Organismus das aber aus vielen Gründen viel schwieriger ist - Temperaturdifferenzen können da einiges kaputt machen, selbst wenn die Zellen nicht durch die "Eis"kristalle gesprengt wurden.


Was mich stutzig macht: Herr Professor L. Becker publiziert sonst jeden quersitzenden Pups, aber zu seinen bahnbrechenden Wiedererweckungsstudien finde ich keinen Artikel in Pubmed oder sonstwo. :confused: Und die University of SF, die zur University of CA gehört, hat in ihrem hauseigenen System auch nichts zu der Studie. Hm.... wir werden sehen.

RS-USER-emergency doc
29.05.2007, 09:00
Hmmm....
also ich bin da eher skeptisch...
Das Problem ist wohl weniger das Herz sondern das Gehirn...
Wir sollten uns immer daran erinnern, das es "Wiederbelebung" und nicht "Wiederauferstehung" ist, die wir machen...


<ed>

RS-USER-Küchenhexe
30.05.2007, 22:12
Original geschrieben von emergency doc
Hmmm....
also ich bin da eher skeptisch...
Das Problem ist wohl weniger das Herz sondern das Gehirn...
Wir sollten uns immer daran erinnern, das es "Wiederbelebung" und nicht "Wiederauferstehung" ist, die wir machen...


<ed>

Stimmt.

"Lebend das Krankenhaus verlassen" ist ja schön und gut, aber in was für einem Zustand? Ich hab' mich dieses Wochenende mal wieder damit auseinandergesetzt - Appalliker ist für mich keine Traumkarriere (Vorsicht, Ironie! :eek: )

We should - but can we?
We can - but should we?