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RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 15:39
So, es ist ein gemütlicher Nachtdienst auf der Vorstadtwache, ihr liegt auf der Couch, der Melder geht und ihr sollt dringend auf Funk in den Nachbarort.
Auf dem Navi lest ihr die Adresse und das Stichwort "Sturz".
Ihr fahrt mit eurem RTW und dem schon ein wenig weichgenervten Kollegen also dringend zu der angegebenen Adresse und findet nach einigem Suchen auch die entsprechende Hausnummer knapp 4Minuten nach Alarm.
Ihr kommt in ein, nennen wir es "rustikales" Haus und denkt euch auf dem Weg in den ersten Stock bereits "Ade Stuhl, das wird ein Spass". Oben angekommen empfängt euch die Ehefrau:
"Meinem Mann war so schwindlig, da musste er auf Toilette, und ist gestürzt." Auf die Frage, wo denn der Mann sei, kommt eine Stimme aus dem Toilettenraum:"Lasst mich in Ruhe!"

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
15.05.2007, 15:54
Mitten in der Nacht wäre man versucht, mit "okay, ich zeig ihnen nur kurz, wo sie unterschreiben müssen" zu antworten.

Aber im Ernst, ich würde freundlich versuchen, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen und falls die Tür zu ist, fragen, ob ich kurz reinkommen kann. Mit Sätzen wie "ich möchte nur kurz schauen, ob mit ihnen alles in Ordnung ist. Wenn ihnen nichts fehlt, sind wir ja gleich wieder weg" bin ich bisher immer gut gefahren. Und wenn man dann erstmal im Gespräch ist, werden die Patienten meist ja etwas kooperativer.
Der Kollege könnte so lange schon mal genauere Details von der Frau erfragen.

serial2k
15.05.2007, 16:06
Ich schließe mich in meinen Maßnahmen Häuptling weiße Wolke an, in den meisten Fällen bin ich mit dieser Schiene auch sehr gut gefahren, sollte das nichts bringen kommt die moralische Keule: "Aber ihre Frau macht sich doch Sorgen um sie, lassen sie uns wenigstens versuchen, die aus der Welt zu schaffen".

Wenn er dann ein bisschen kooperativer ist kann man die Anamnese anfangen: was für Beschwerden zur Zeit, was für Beschwerden bevor er gestürzt ist, wie ist er überhaupt gestürzt (irgendwo aufgeschlagen, offene Wunden?), Näheres zu der von der Frau angegebenen Schwindelattacke, kam das pötzlich, sowas schon mal gehabt, was für ein Schwindel, verändert der sich?

Dann Vorerkrankungen & Dauermedikation erfragen, Puls, Blutdruck & BZ messen, auf EKG und SpO2 kann IMO zum jetzigen Zeitpunkt noch verzichtet werden, das kann bei Bedarf nachgeholt werden wenn er aus dem vermutlich engen Bad raus ist.

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 16:06
Ihr schluckt ein "Ok, dann sind wir wieder weg...!" runter und fragt was denn eigentlich Sache ist.
Der Mann ist auf dem Klo und k... verrichtet gerade ein großes Geschäft, die Frau erzählt euch: " Also mein Mann hat bereits seit 2 Tagen Fieber und die Grippe, der Nooddarzt (Ärztliche Bereitschaftsdienst) war vor knapp ner Stunde da und hat Antibiose und Novalgin verordnet. Als er eben auf Klo wollte ist er gefallen und hat ne ganz dolle Wunde am Kopf."

Die Frage nach Vorerkrankungen und regelmässige Medikamente wird verneint.

Der Kollege wirft ein Blick ins Klo, der Mann sitzt unwirsch auf der Toilette, er ist Mitte 40, recht dünn, hat irgendeinen Ausschlag am ganzen Körper und eine kleinste Schürfung am Kopf. Er hat es nicht bis zur Toilette geschafft und ein wenig eingekotet.

serial2k
15.05.2007, 16:09
Gut, die riesige Kopfverletzung kann dann wohl erstmal vernachlässigt werden, ansonsten siehe oben.

Edit: Natürlich darf der Gute erstmal sein Geschäft verrichten, ich wollte nicht beim kacken die Werte ermitteln ;)

Ach ja, wie lange ist dieser Ausschlag denn schon da?

RS-USER-Rippenspreizer
15.05.2007, 16:11
- Seit wann den Ausschlag?
- Urlaub in komischen Ländern?
- weitere Symptome?
- Übelkeit/Erbrechen?
- Vorerrkankungen/aktuelle Medikation

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 16:19
Gut, der Ausschlag ist komisch, also nachgefragt: Seit wann?

Antwort von ihm: "Schon immer"
Und sie ergänzt: "Jaja Schuppenflechte oder sowas, hat er schon immer...Er muss ins Krankenhaus"

Aber sonst wären ganz sicher keine Vorerkrankungen+Medikamente bekannt.
Im Urlaub war man die letzte Zeit nicht.
Der mittlerweile vorgelegte Kurzarztbrief vom ÄBD (einem guten, Anästhesist) gibt ausser der Novalgin/Antibiose Therapie und "gripp Infekt" sowie normalen Kreislaufwerten auch nichts besonderes her.

Der Mann hat irgendwie immernoch keinen Bock sich untersuchen zu lassen, die Frau will ihn ins Krankenhaus haben.

Temperatur ist bei ca. 39,5°C

Nachtrag: Weitere Symptome hätte er keine, er wäre halt schlapp.
Über die ÄBD Zentrale lasst ihr euch mit dem Arzt verbinden, der den Einsatz vor ner Stunde gefahren ist. Er ist in nem "NEF" Einsatz und recht kurz angebunden, sagt aber er wollte ihn eigentlich einweisen, er wollte aber nicht, wenn wir ihn nicht mitnehmen, würde er in 2-3 Stunden noch mal vorbeischauen.
Beide Ärzte wären gut eingebunden, der übliche "Sofortbesuch" ist nicht möglich.

RS-USER-Rippenspreizer
15.05.2007, 16:35
Okay, an dieser Stelle würde ich den Patienten über die Verdachtsdiagnose "GI-Infekt" aufklären und ihm seine Optionen aufzeigen. Tendenziell würde ich mich bemühen, ihn zum Transport zu überreden bzw. ihm die deutliche Symptomlinderung bei Therapie durch uns/das KH schmackhaft machen.
Also wahlweise Transport oder aber zu Hause verbleiben, dann aber gegen Unterschrift plus Info an den ÄBD.

Vor der Abfahrt natürlich noch ´n bisschen Notfalldiagnostik: RR, HF, SO2, ggf. EKG, BZ und etwas detailiertere klinische Untersuchung (Augen, Mund, Hände Bauch/Thorax) um nix Dramatisches zu übersehen.

serial2k
15.05.2007, 16:40
Also so ganz ohne Werte möchte ich ihn nicht zu Hause sitzen lassen. Wir müssen irgendwie versuchen, ihn zur Kooperation zu kriegen, der Moralkeuleansatz klappt auch nicht? ("Ihre Frau möchte unbedingt, dass sie ins Krankenhaus mitkommen aber sie wollen das nicht, dann lassen sie uns doch wenigstens eben gucken ob alles in Ordnung ist und dann sehen wir weiter.")

Sieht der Hautausschlag denn aus wie eine "gewöhnliche" Schuppenflechte, also Lokalisation Kopfhaut, Hand- und Fußflächen, Beugeflächen, Genitalbereich?

Und dann weiter versuchen zu überreden.

Edit:

@Daniel, wie kommst du auf den GI-Infekt? Wegen dem einkoten?

@DMM: Außer der Schlappheit hat und hatte er keinerlei andere grippale Beschwerden?

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 16:46
Die Frau will auch das er ins Krankenhaus geht und somit ist die Entscheidung gefallen, mit seiner Frau will er sich nicht anlegen.

Bei dem Versuch mit dem guten Mann bis ins Treppenhaus zu kommen (und eigentlich auch die Treppe runter) setzt er sich plötzlich unsanft auf die Treppenstufe, ihr könnt ihn gerade noch am Arm halten.

Also doch den Stuhl hochholen (der weichgenervte Kollege hat den Rucksack schon zum Autó gebracht).

Ihr bringt den Patienten ins Auto, legt ihn auf die Trage und jetzt hat er auch keine Lust mehr, sich gegen irgendwelche Massnahmen zu wehren.

Mal schnell DDs durchgesprochen:

Anaphylaxie auf Novalgin ?
SHT nach Sturz (wegen der "aggression")
Kreislaufdysregulation bei gripp Infekt (Synkope)

Werte

RR 80 / aufgrund der Haut keine genaueren Werte, nix zu hören

HF 140

EKG auf den ersten Blick, schnell, Sinusrhythmus, unauffällig.

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 16:48
@serial

Sieht schon aus wie eine Schuppenflechte, ohne Dermatologe zu sein.
Er hat sich eingekotet, weil der Weg zu weit war.

serial2k
15.05.2007, 16:53
Ich meine es gäbe auch eine Form der Schuppenflechte, die mit Fieberschüben verläuft bzw. sich mit Fieberschüben manifestiert, darum fragte ich, das würde ich unter Umständen mit in die DDs packen, nur so als Hintergedanke.

Ansonsten d'accord zu den DDs, wie weit ist denn das nächste aufnahmefähige KH entfernt?

Der Kollege kann in der Zeit schonmal 2 venöse Zugänge + Ringer vorbereiten, irgendwie hab ich ein ungutes Gefühl...

RS-USER-Rippenspreizer
15.05.2007, 16:54
Nunja, er hat Fieber, Schwindel, ist hypoton und tachykard - das sieht mir sehr nach einer akuten Infektsituation aus.

Vor der Diagnose steht immer die Therapie! :-p

Also:

- großlumiger iv-Zugang, Ringer-Laktat 500-1000 ml, evtl. Haes
- Sauerstoff
- bei anhaltender Hypotonie Akrinor oder sogar Katecholamine (MAD > 80 mmHg)

Im Verlauf:

- Vitalwerte kontrollieren
- Vigilanz überwachen
- Pupillenkontrolle
- evtl. nach entzündlichem Focus suchen
(Lunge abhören, Lymphknoten begrabbeln, Hals inspizieren...)

Fahrt in die Klinik, optional mit SoSi unter V.a. septischem Schock. Ja, ich finde, das kann man so sagen...

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 17:04
So, man hätte es eigentlich auch unter "Critical Incidents" aufführen können, ich dachte aber wir brauchen mal wieder etwas interaktion. ;)

Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus: 10min
Fahrzeit zum nächsten Krankenhaus mit möglicher Neurologie (irgendwie wollten wir das nicht ausschliessen) 13min

Also haben wir mal jeder ne Jono fertiggemacht, den Tragetisch auf "Beine hoch gestellt" und ein wenig Waldluft angelegt.

Dann schauten wir nach Zugängen. Beim Versuch einen 16G in den Handrücken zu jagen, schob sich der Plastikmandrin an der Haut zurück... bei anderen Stellen am UA ebenfalls.

Da wir keinen Patienten mit einem Druck unter (jetzt) 70 ohne Arzt irgendwo reinschieben wollten, haben wir zwischendurch ein NEF bestellt. Alle NEF's besetzt, ÄBD kommt als NEF, selber Arzt wie der der den Besuch gemacht hatte.

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
15.05.2007, 17:07
Die körperliche Untersuchung vor Abfahrt, damit man was hören kann. Also Auskultation Lunge, Herz und Abdomen. Außerdem kurzer Neurostatus wegen Sturz (Da er ja zunächst noch gelaufen ist v.a. Pupillen und Meningismus).

Die weiteren Maßnahmen wie oben bereits vorgeschlagen.


Ooops, ich war zu langsam!

serial2k
15.05.2007, 17:14
Die Maßnahmen klingen gut, ja nachdem aus welcher Richtung der ÄBD kommt könnte man dem vielleicht entgegenfahren, natürlich nicht wenn man sich damit noch weiter vom Krankenhaus entfernen würde.

Ansonsten Monitoring, warten bis der Onkel Doktor kommt, bewundern wie er da eine bis zwei Viggos reinkriegt, Infusionen dranhängt. Dann tun was er möchte, vermutlich mit "Kreislaufdysregulation bei gripp. Infekt" ins Krankenhaus fahren.

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 20:53
Ich schliesse mal schnell ab, da ich weg muss:

Nachdem wir diskutiert haben, ob der Kollege die Jugularis anpiekst (kurz:Er kann das), oder die letzte evtl. mögliche Vene im Bereich Ellenbeuge zersticht und uns entschieden: Soll's doch der Doc zerbröseln, kam dieser.

Neurologie war übrigens unauffällig ausser halt leichte "Verhaltensauffälligkeit, die sich im Auto aber auch gab... da wurde er eher somnolent ;)

Der Doc schaffte es tatsächlich mit viel Liebe und Gewalt die Ellenbeuge zu punktieren, unter Druck während der Fahrt in die Klinik 2 Jonos.

Desweiteren schlossen wir einen Perfusor Aterenol an, aus der Hand lief so irgendwas um die 10.
Im EKG zeigten sich zwichenzeitlich Extrasystolensalven.

Wir lieferten den Patienten mit nem 80 Druck auf der Internen Notaufnahme ab.

Diese warf uns wieder raus (Perfusor= Intensiv).
Der dort aufnehmende Doktor verwies auf den Ausschlag und das Novalgin, schaute uns abschätzend an und sagte:
Anaphylaxie auf Novalgin (...ihr Luschen...) SoluDec und Tavegil.

Wir zogen uns hier zurück.

Der Patient wurde wieder in die Interne Notaufnahme geschoben, um sich von der Anaphylaxie zu erholen.

Diese verlegte ihn aber noch in der selben Nacht zurück auf Intensiv, um den Druck vielleicht doch wieder in einen messbaren Bereich zu bringen.

Und von dort ging es mit Hubi in die Herzklinik zur Frühstücks-OP

Myokarditis war die Lösung des Dramas

serial2k
15.05.2007, 21:44
Schönes Fallbeispiel mit (zumindest für mich) unerwarteter Lösung, danke DMM!

RS-USER-DocMezzoMix
15.05.2007, 21:53
War für mich auch unerwartet ;)

RS-USER-fruehgriller
16.05.2007, 08:24
Original geschrieben von DocMezzoMix


Wir lieferten den Patienten mit nem 80 Druck auf der Internen Notaufnahme ab.

Diese warf uns wieder raus (Perfusor= Intensiv).
Der dort aufnehmende Doktor verwies auf den Ausschlag und das Novalgin, schaute uns abschätzend an und sagte:
Anaphylaxie auf Novalgin (...ihr Luschen...) SoluDec und Tavegil.

Wir zogen uns hier zurück.

Der Patient wurde wieder in die Interne Notaufnahme geschoben, um sich von der Anaphylaxie zu erholen.

Diese verlegte ihn aber noch in der selben Nacht zurück auf Intensiv, um den Druck vielleicht doch wieder in einen messbaren Bereich zu bringen.

Und von dort ging es mit Hubi in die Herzklinik zur Frühstücks-OP

Myokarditis war die Lösung des Dramas


Kann mir bitte mal einer der hier anwesenden Doc´s erklären, warum zum Teufel immer wieder dieses "Verschiebespiel" auf Kosten der Patienten passiert???


Die Aufnahme lehnt ab, wg Perfusor. Ok, hört sich schlüssig an. Und waruum verweigert dann der ITS Doc die Aufnahme???

Mann sollte doch meinen, das in einem KH s etwas abgeklärt ist, bzw der Aufnahme doc mal bei der ITS anruft, bevr er den Pat wegschickt. Und selbst wenn nicht, MIT WELCHEM RECHT verweigert die ITS die Aufnahme????
:mad: :mad:

In einem unserer KH (Maximalversorgungsklasse) geht das Spiel auch so.
Zum Beispiel:
Pat Z.n Sturz aus innerer Ursache, mit multiplen Wündchen im Gesicht, auch Nase betroffen.

Zuerst zur Inneren (war ja aus Innerer Ursache) Von dort gleich weitergeleitet zur Chirurgie, hat ja schließlich Wunden.

Von dort sofort weiter (alles ohne großes Anschauen durch die Doc´s) auf die HNO, schließlich hat ja die Nase was... AAAAAAAARRRRRRRRRGGGGGGGHHHHHHHH!!!!!!!!

Und was macht die HNO???? Ratet mal!!! Schickt uns zur Inneren!!!!

Da platzt selbst mir der Kragen!!!!!

Ist das denn noch normal????

haben alle zu oft "House of God" gelesen??? ( Oberstes Ziel ist die Verlegung...)

Oh Mann.

Hoffentlich hats der Pat aus dem Beispiel überlebt!!!!