PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : assistierte Maskenbeatmung oder Sedierung und Intubation



Seiten : [1] 2

erdwurm
06.06.2007, 09:35
Hallo Kolleginnen und Kollegen!

Ich hab vor Kurzem einen eigentlich sehr interessanten Einsatz erlebt, welcher jedoch aufgrund diveser Umstände bezüglich der durch das Rettungsfachpersonal in Anspruch genommenen Kompentenzen etwas "erweitert" war.
Da ich bei diesem Einsatz der verantwortliche RA auf dem RTW war, würde ich meine Therapie bzw. das Handeln unseres Teams gern zur Diskussion stellen.

Ich wurde zusammen mit meinen Kollegen (1 RA/ 1 RA i.P.) als RTW-Besatzung zu einem Notfalleinsatz (OHNE Notarzt) ca. 10 km von unserem Standort entfernt alarmiert.
Meldebild laut RLSt "unklar intern - kuckts euch mal an - vermutlich Hyperglykämie"

Am Einsatzort finden wir einen Patienten im Wohnzimmersessel sitzend vor, Beine auf einen Hocker hochgelagert, tief zyanotisch und auf den ersten Blick bewusstlos - jedoch auf Ansprache verzögert reagierend.
Hier erfolgte unsererseits bereits die unverzügliche Nachalarmierung des Notarztes aufgrund der somnolenten Vigilanz.

Im Zuge der Anamneseerhebung wird der Patient intermittierend komplett bewusstlos.

Zusammenfassend ergibt sich nach kurzer Diagnostik folgendes Bild:
67-jähriger männlicher Patient, nach Arbeiten im Garten im Wohnzimmer von Ehefrau beobachtet kollabiert (da der Pat. Typ I-Diabetiker ist, erfolgte nach Alamierung des RD eine Blutzuckerkontrolle durch die Frau welche einen Wert von ca. 230 mg/dl ergab -> daher das Meldebild Hyperglykämie!?!), Pat. ist kaltschweißig, tief zyanotisch, neurologisch somnolent, intermittierend komplette Bewusstlosigkeit, RR nicht messbar, keine zentralen Pulse tastbar, SpO2 nicht ableitbar, EKG zeigt bei Ableitung über die Defi-Elektroden einen agonalen Rhythmus mit einer Frequenz von ca. 15 bpm welcher sich in der 4-Punkt-Ableitung bestätigt; Pulmo auskultatorisch unauffällig, keine gestauten Halsvenen

Paralell zu den diagnostischen Maßnahmen erfolgt die Applikation von O2 15 L/Min bei suffizienter Spontanatmung, Vorbereitung eines venösen Zugangs und Infusion sowie der Intubation;

Nach problemloser Anlage eines venösen Zugangs (17 G, Unterarm links) erfolgt die zügige Infusion von 500 ml Vollelektrolytlösung sowie die sofortige Applikation von 0,5 mg Suprarenin sowie 3 mg Atropin i.v.
Da sich sowohl bezüglich der Herzfrequenz und -rhythmus als auch des RR nicht die erhoffte Wirkung zeigt, werden weitere 0,5 mg Suprarenin fraktioniert i.v. verabreicht.
Da der Pat. immer mehr dekompensiert (mittlerweile assistierte Maskenbeatmung mit FiO2 ca. 1,0 mittels Demand-Ventil) und eine Reanimationspflichtigkeit zu erwarten ist, der Pat. jedoch noch bedingt ansprechbar ist (GCS 10), entschließe ich mich zu einer Sedierung mit Dormicum um eine Intubation zu ermöglichen.

Nach Verabreichen von 8 mg Dormicum i.v. (1 mg/kg KG) und weiterhin assistierter Maskenbeatmung toleriert der Pat. die problemlose Intubation (Spatel Gr. 3, Tubus ID 7,5 mm) unter Sicht bei insuffizienter Spontanatmung (Tubus-Endlage 21 mm Zahnreihe). Nach Fixierung des Tubus erfolgt die assistierte Beatmung durch den RA i.P.

In der Zwischenzeit weitere fraktionierte Applikation von 1 mg Suprarenin i.v.
Kurz vor Eintreffen des NA unternehmen wir den Versuch des transthorakalen externen Pacings (Lifepak 12) bei weiterhin agonalem Rhythmus, Frequenz ca. 15 bpm.
Nach Einstellen des Pacers (Frequenz 70 bpm, Amplitude 90 mA) antwortet der Patient mit einem zentral tastbaren Puls sowie einen palpatorisch gemessenen RR 110 mmHg und einer pulsoxymetrisch nun gut ableitbaren Sättigung von 99 %.

Nach Eintreffen des Notarztes wird die Narkose mit Fentanyl 200 yg vertieft und der Patient mit 10 mg Norcuron relaxiert, was eine kontrollierte Beatmung (AMV 10 L, Frequenz 12 /Min, Pmax 35 mbar, FiO2 1,0) ermöglicht.
Unter stabilen Kreislaufverhältnissen (bei laufendem externen Pacer) wird der Patient in den RTW verbracht.

Während des Transport erfolgt weiterhin eine RR-Stabilisation mit Suprarenin fraktioniert i.v. und die Unterhaltung der Narkose mit Dormicum.
Nachdem der Pat. einen Eigenryhthmus (Sinusrhythmus, Frequenz ca. 90 bpm) entwickelt, wird ein 12-Kanal-EKG angelegt welches neben einem Schenkelblock deutliche ST-Strecken-Hebung in V3 bis V5 zeigt.

Nach einem weiterhin problemlosen Transport wird der Patient kreislaufstabil (RR 120/60 mmHg, HF 90 mmHg, SR), beatmet (AMV 10 L, Frequenz 12 /Min, Pmax 35 mbar, FiO2 0,5), sediert an das Intensiv-Team übergeben.

In einem kurzem Debriefing lobt der NA das sehr kompetente Vorgehen unseres Teams und die hervorragende Zusammenarbeit.
Da ich jedoch vor allem wegen der Entscheidung zur Atemwegssicherung mittels Intubation eine Narkose mit Dormicum einzuleiten mittlerweile von ein paar Kollegen kritisiert worden bin, da diese eine assistierte Maskenbeatmung bis zum Eintreffen des NAs durchgeführt hätten, um eure Meinung zu unserem Vorgehen!?!

SEHR ERFREULICH ist es abschließend sagen zu können dass ich mich am folgenden Tag nach dem Pat. erkundigt habe und er mir selbst mitgeteilt hat dass er froh ist noch zu leben -> keine neurologischen Defizite!!!
Eine am selben Tag durchgeführte Coronarangiographie bestätigte die Verdachtsdiagnose Hinterwandinfarkt.
Daraufhin erfolgte eine Revaskularisation mittels Stent.

RS-USER-DoktorW
06.06.2007, 09:39
interessanter Fall, wenn auch sehr mutige Vorgehensweise!!!

Back to life machine
06.06.2007, 10:25
Meine erste Reaktion : Respekt
Aber dann fehlt mir doch eine ganz zentrale Maßnahme: Die banale Herzdruckmassage . Der Patient befindet sich im Kreislaufstillstand (keine normale Atmung und zusätzlich noch keine zentralen Pulse palpabel).
Also retrospektiver Klugschei**modus an:
Also muss man kritisch anmerken: Glück gehabt, insbesondere da der Kreislaufstillstand offensichtlich primär kardial und nicht primär respiratorische ausgelöst war. Daher ist hier meiner Ansicht nach nicht die Intubation die zentrale Maßnahme gewesen (und hätte vielleicht auch durch den RA unterbleiben können) sondern eben die Maßnahmen für den Kreislauf (wie eben auch die HDM).
Retrospektiver Klugschei**modus aus

Aber, wer heilt hat recht: Gratuliere zu dem engagierten Eingreifen und dem guten Verlauf.

RS-USER-Rettungsente
06.06.2007, 10:34
Hut ab! Guter Ablauf!
Es gibt immer wieder Einsätze, bei denen man vom Standart in der Therapie abweicht um das Zeil zu erreichen. Leider fehlt mir bei solchen Einsätzen immer die entsprechende Sicherheit, das alle Maßnahmen vom Notarzt wirklich als entsprechend richtig eingestuft werden. Der eine klopft anerkennend auf die Schulter, der andere sucht nach Wegen sich beim Dienstherren über dich zu beschweren...
Ich fände es in solchen Fällen wesentlich sicherer, eine Rücksprache mit dem Notarzt zu machen und mit Ihm das weitere Vorgehen abzustimmen.
Eine weitere Frage in diesem Zusammenhang wäre für mich, ob Ihr Euch auch auf Komplikationen eingestellt hattet? Probleme bei der Intubation, bei insuffizienter Respiration des Patienten, alternative Techniken zur Atemwegssicherung, wie den Combitubus oder ähnliches?


VG Rettungsente

erdwurm
06.06.2007, 10:49
Vielen Dank für euren Kommentar!

Wie beschrieben wurde ja auch die Sedierung mit Dormicum genau deshalb durchgeführt, da der Pat. noch bedingt ansprechbar war und die Intubation auch anders nicht toleriert hätte, da er auch schon während der Maskenbeatmung keinen Guedl-Tubus toleriert hat.
Somit hätte der Pat. auch sicher keine Herzdruckmassage toleriert.
Wäre der Pat. bereits vollkommen bewusstlos gewesen, hätten wir selbstverständlich sofort mit der Herzdruckmassage begonnen und die Intubation im Rahmen des Reanimations-Algoritmus durchgeführt.
Offenbar hat ihm der Auswurf mit einer Frequenz von 15 bpm noch ausgereicht, um zwischendurch wieder für wenige Sekunden "aufzuklaren", weshalb für uns zugegebenermaßen eine möglichst baldige Atemwegssicherung zu diesem Zeitpunkt im Vordergrund stand, da eine komplette Dekompensation und eine Asystolie natürlich zu erwarten waren.
Als Möglichkeiten zum alternativen Atemwegsmanagements halten wir in unseren Notfallkoffern Larynx-Tuben vor, die uns auch in der Situation zur Verfügung gestanden hätten.
Ebenso waren wir uns natürlich auch darüber klar dass der Intubationsversuch hätte frustran sein können und eine Alternative ebenso wenig effektiv hätte sein können.
Auch war uns eine eventuelle Kreislaufdepression durch Dormicum bewusst, jedoch war diese ohnehin zu erwarten und wie beschrieben hat der Pat. das ganze Geschehen teilweise durchaus noch bewusst miterlebt und uns immer wieder mit Aussagen wie "ich sterbe" auf seinen schlechten Zustand "hingewiesen"!

RS-USER-DoktorW
06.06.2007, 11:01
dann wäre doch der Larynxtubus die bessere Alternative gewesen. Oder hast du so viel Intubationsroutine?

erdwurm
06.06.2007, 11:40
Ich bin hauptberuflich als Krankenpfleger auf einer herzchirurgischen Intensivstation tätig und habe bereits ein paar Rotationen in der Anästhesie hinter mir!
Ich würde nicht behaupten SEHR routiniert zu sein was die Intubation anbelangt (aber wer kann das im Rettungsdienst schon wirklich - kann man wohl auch erst behaupten wenn man ein paar Jahre als Anästhesist tätig war), jedoch habe ich durchaus schon mehrere klinische und präklinische Intubationen durchgeführt.
Zumindest muss ich zugeben dass ich schon öfter intubiert als einen Larynxtubus angewendet habe...
Da die Intubation ja nach wie vor der Goldstandart in der Atemwegssicherung ist, ist diese auch nach Expertenmeinung so früh wie möglich anzustreben.
Wäre die Glottis nicht eindeutig einsehbar und eine Intubation somit nicht sicher möglich gewesen, hätte sich der Larynxtubus zudem mit dem Laryngoskop auch besser positionieren lassen.

RS-USER-Influenza
06.06.2007, 11:45
Goldstandard hin oder her. Du bist Rettungsassistent und kein Arzt. Ich halte deine Aktion für zu mutig! Das ist nicht dein Aufgabengebiet. :-meinung

Wäre ein Kontakt zum NA möglich gewesen?

erdwurm
06.06.2007, 13:04
Ein Kontakt zum Notarzt war über Funk möglich, der uns zu dem Zeitpunkt als wir uns für die Sedierung und Intubation entschieden haben auch mitteilte dass er sich noch ca. 10 km vom Einsatzort entfernt befindet.

Ich sehe mein Aufgabengebiet als Rettungsassistent allerdings durchaus darin den Patienten nach bestem Wissen und Gewissen zu versorgen!
Immerhin gibt es für professionelles Rettungsfachpersonal auch sowas wie eine Garantenstellung wo mir vor allem in Bezug auf die Intubation rein theoretisch durchaus auch eine Körperverletzung durch Unterlassung vorgeworfen werden könnte sofern mir nachzuweisen ist dass ich die Maßnahme erlernt habe und "Übung" darin habe.

Was die Intubation als Maßnahme der "Notkompetenz" (ein Wort dass es ja eigentlich nicht gibt...) anbelangt waren alle Voraussetzungen gegeben um sie im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) zu ergreifen:
1. der Notarzt war unterwegs
2. die Dringlichkeit der Maßnahme war gegeben da der Pat. kurz vor der Reanimationspflichtigkeit war und der Notarzt nicht innerhalb eines adäquaten Zeitrahmens verfügbar war
3. jedes Mitglied im Team hat die Maßnahme erlernt und hat Übung darin, außerdem bestanden Möglichkeiten zum Management von Komplikationen durch alternatives Atemwegsmanagement
4. die Maßnahme wurde entsprechend dokumentiert

Wie hättest Du dann an meiner Stelle gehandelt?

Rescuerambo
06.06.2007, 14:04
Original geschrieben von erdwurm
Was die Intubation als Maßnahme der "Notkompetenz" (ein Wort dass es ja eigentlich nicht gibt...) anbelangt waren alle Voraussetzungen gegeben um sie im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) zu ergreifen:
1. der Notarzt war unterwegs
2. die Dringlichkeit der Maßnahme war gegeben da der Pat. kurz vor der Reanimationspflichtigkeit war und der Notarzt nicht innerhalb eines adäquaten Zeitrahmens verfügbar war
3. jedes Mitglied im Team hat die Maßnahme erlernt und hat Übung darin, außerdem bestanden Möglichkeiten zum Management von Komplikationen durch alternatives Atemwegsmanagement
4. die Maßnahme wurde entsprechend dokumentiert

Wie hättest Du dann an meiner Stelle gehandelt?

Ich sehe das genauso....

Wo fährst du denn?
Heidelberg?

Aber mal was anderes, wo fährst du denn?

erdwurm
06.06.2007, 15:42
Nein, in meiner niederbayerischen Heimatstadt!

Habe am Rande bemerkt gerade eben ein Rundschreiben der Landesgeschäftsstelle von Herrn Prof. Dr. Sefrin erhalten, dass das von mir eben geschriebene nochmals bestätigt.
Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen dass die Maßnahmen im Rahmen der "Notkompetenz" (ich hasse dieses Wort) bei besonderem Wissen oder Qualifikation über die "klassischen" Notkompetenz-Maßnahmen hinaus gehen können WENN die beschriebenen Voraussetzungen gegeben sind!

RS-USER-DoktorW
06.06.2007, 15:52
der Herr Sefrin hat dir seinen Segen zu deinen Maßnahmen schriflicht gegeben? Wow!

erdwurm
06.06.2007, 17:37
Nein, das habe ich nicht gemeint!

Nur was die Voraussetzungen für die Ergreifung von ärztlichen Maßnahmen im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes betrifft.

Hier ein Ausschnitt:

Die Rettungsassistenten haben, wie jeder Bürger, der Pflicht zur Hilfeleistung nach § 323 c
StGB zu genügen. Darüber hinaus haben sie aufgrund ihrer Rettungsdiensttätigkeit eine Garantenstellung,
da sie sich planmäßig dem Rettungsdienst widmen und somit höhere Ansprüche
an ihre Fähigkeit zur Hilfeleistung gegen sich gelten lassen müssen. Trotz einer
flächendeckenden notärztlichen Versorgung sind im Einzelfall für die Rettungsassistenten
Situationen denkbar, in denen sie nach eigener Entscheidung, ohne ärztliche Delegation und
Weisung und damit in voller eigener Verantwortung überbrückende Maßnahmen zur
Lebenserhaltung und Abwendung schwerer gesundheitlicher Störungen durchführen müssen,
die ihrer Art nach ärztliche Maßnahmen sind (Notkompetenz). Für den objektiv
gegebenen Verstoß gegen den Arztvorbehalt des § 1 Heilpraktikergesetzes können die
Rettungsassistenten in dieser Situation den rechtfertigenden Notstand nach § 34 StGB für
sich in Anspruch nehmen. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine Handlung, die den
Tatbestand eines Strafgesetzes (im vorliegenden Fall den der Körperverletzung) erfüllt, dann
nicht rechtswidrig und somit nicht strafbar ist, wenn sie – unter Abwägung der betroffenen
Rechtgüter – notwendig ist, um ein höherwertiges Rechtsgut (also Leben bzw. Gesundheit
des Notfallpatienten) zu schützen.

2. Voraussetzungen für die Durchführung von Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz

Ein Handeln unter Berufung auf die Notkompetenz setzt voraus, dass

- der Rettungsassistent/die Rettungsassistentin am Notfallort auf sich alleine gestellt ist
und rechtzeitige ärztliche Hilfe, etwa durch An- oder Nachfordern des Notarztes, nicht erreichbar
ist.
Es muss eine Situation vorliegen, bei der ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig erreichbar ist
und auch ein Abwarten auf das Eintreffen eines an- bzw. nachgeforderten Notarztes
nicht verantwortet werden kann, ohne dass gravierende Schäden für das Leben oder die
Gesundheit des Patienten drohen.
Unbedingt erforderlich ist somit bei einem Tätigwerden im Rahmen der Notkompetenz
das An- bzw. Nachfordern des Notarztes.

- die Maßnahmen, die der Rettungsassistent/die Rettungsassistentin aufgrund eigener
Beurteilung und therapeutischer Entscheidung durchführt, zur unmittelbaren Abwehr von
Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des Notfallpatienten dringend erforderlich
sind (Unaufschiebbarkeit der Maßnahme)

- das gleiche Ziel durch weniger eingreifende Maßnahmen nicht erreicht werden kann
(Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Mittel).
Vor Ergreifen einer ärztlichen Maßnahme müssen alle anderen Basismaßnahmen und
Erste Hilfe-Maßnahmen der Rettungsdienstausbildung angewandt werden und dürfen
nicht zum Erfolg geführt haben bzw. müssen offensichtlich nicht Erfolg versprechend
sein. Das Rettungsdienstpersonal muss somit immer zunächst alle anderen, weniger invasiven
Maßnahmen durchführen, die den gleichen Erfolg versprechen.

- der Rettungsassistent/die Rettungsassistentin die Maßnahme entsprechend beherrscht,
denn nur dann liegt ein geeignetes Mittel zur Gefahrenabwehr vor.

Auch im Rahmen der Notkompetenz erfolgt die Bewertung der vorgenommenen Maßnahme
ausschließlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Dies bedeutet, dass eine
Notkompetenzmaßnahme nur dann durchgeführt werden darf, wenn der Handelnde diese
auch sicher beherrscht. Die Maßnahme muss sowohl erlernt, als auch regelmäßig
geübt werden.

- die Hilfeleistung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles für den Rettungsassistenten/
die Rettungsassistentin zumutbar ist.
Im Rahmen des § 34 StGB ist auch zu prüfen, ob die Hilfeleistung nach den besonderen
Umständen des Einzelfalls für das Rettungsdienstpersonal zumutbar ist. Diese Zumutbarkeit
ist im Hinblick auf die ärztlichen Maßnahmen in jedem Fall dann gegeben, wenn
diese Maßnahme im Rahmen der Ausbildung erlernt und fortwährend in Praxis und
Fortbildung geübt wird. Dies muss unter ärztlicher Aufsicht geschehen, da eine ärztliche
Maßnahme immer nur unter der Verantwortung eines Arztes erlernt bzw. geübt werden
kann.

Dies sind die rechtlichen Voraussetzungen für ein Tätigwerden im Rahmen der Notkompetenz.

3. Konkrete Maßnahmen im Rahmen der Notkompetenz
Welche Maßnahmen konkret vom Rettungsdienstpersonal durchgeführt werden sollen bzw.
können, richtet sich nach dem Stand der Wissenschaft bzw. der Technik und vor allem nach
dem Ausbildungsstand des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin. Nach der Stellungnahme der Bundesärztekammer
kommen zur Abwehr von Gefahren für das Leben oder die Gesundheit des
Notfallpatienten folgende spezifisch ärztliche Maßnahmen zur Durchführung für den Rettungsassistenten/
die Rettungsassistentin im Rahmen einer Notkompetenz in Betracht:

- die Intubation ohne Relaxantien
- die Venenpunktion
- die Applikation kristalloider Infusionen
- die Applikation ausgewählter Medikamente
- die Frühdefibrillation

Im Einzelfall kann es aufgrund besonderer Ausbildung und Kenntnisse auch weitere Notkompetenzmaßnahmen
geben.

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
06.06.2007, 19:32
Ich denke, Du hast die rechtliche Situation sehr schön beschrieben. Allerdings ist die Frage, wie das Ganze von einem Richter oder auch vom Notarzt gewertet worden wäre, wenn eben nicht alles gut gegangen wäre. Ihr bewegt Euch leider in einer rechtlichen Grauzone, und wenn Ihr Euch zu erweiterten Massnahmen entscheidet, geht Ihr immer ein hohes Risiko ein. Außerdem habt Ihr das Problem, dass Ihr auf Grund der Rechtslage eine insuffiziente Therapie gewählt habt, denn Eure Narkoseeinleitung war sicherlich nicht optimal. Wenn es jetzt zu Problemen gekommen wäre, könnte das für Euch auch nach hinten losgehen, weil Ihr Euch eben nicht an die ärztlichen Standards gehalten habt. Außerdem frage ich mich, wie Du den externen Pacer mittels Notkompetenz rechtfertigen willst.

Ich denke, Dein Post hier zeigt auch, dass Du Dir nicht zu 100% sicher bist.

Leider wird sich das für Euch nicht ändern, solange nicht der Beruf des Rettungsassistenten einen anderen Status bekommt.

Ganz wichtig!!! Ich kann Eure Entscheidung, dem Patienten mit allen Mitteln zu helfen, gut verstehen, hätte das Meiste (Ausnahme bei den Medis, aber ich darf halt auch alles) genauso gemacht und wenn Ihr das bei mir so gemacht hättet, hätte ich Euch auch auf die Schulter geklopft und zur guten Arbeit gratuliert. Aber ich bin auch kein Richter

RS-USER-blacksheep
06.06.2007, 20:04
Original geschrieben von erdwurm
- das gleiche Ziel durch weniger eingreifende Maßnahmen nicht erreicht werden kann
(Prinzip der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Mittel).
Vor Ergreifen einer ärztlichen Maßnahme müssen alle anderen Basismaßnahmen und
Erste Hilfe-Maßnahmen der Rettungsdienstausbildung angewandt werden und dürfen
nicht zum Erfolg geführt haben bzw. müssen offensichtlich nicht Erfolg versprechend
sein. Das Rettungsdienstpersonal muss somit immer zunächst alle anderen, weniger invasiven
Maßnahmen durchführen, die den gleichen Erfolg versprechen.

Ich mag hier vielleicht einen Stein werfen, aber die Intubation war nun nicht die Maßnahme der geringsten Invasivität. Klar hast du bei Beutel/Maske keinen gesicherten Atemweg, aber solange er sich gut bebeuteln lässt.

Hm .. die Stimmen sind hier ja nun doch sehr verhalten. Ein Ex-Forenmitglied wär bei gleicher Geschichte bereits enthauptet worden.

RS-USER-DerDings
06.06.2007, 21:36
Original geschrieben von blacksheep
Ein Ex-Forenmitglied wär bei gleicher Geschichte bereits enthauptet worden.

an den katheter-klemmen john wayne mußte ich auch denken, allerdings glaub ich eher nicht das der tatsächlich mal intubiert hat :-p

ich sehe keinen grund steine zu werfen, so ein gesetzestreuer bürger bin ich nicht. was war die alternative? zu warten bis der pat endgültig aufhört zu schnaufen - "jetzt haben wir einen algorythmus"?
ich halte nichts von rettungsrambos - aber in dieser story sehe ich auch keinen. erdwurm scheint ganze arbeit geleistet zu haben. anstelle des pat/der angehörigen wäre ich froh das er da war...

RS-USER-Katja
07.06.2007, 00:18
Original geschrieben von blacksheep

Hm .. die Stimmen sind hier ja nun doch sehr verhalten. Ein Ex-Forenmitglied wär bei gleicher Geschichte bereits enthauptet worden.
Das ist zwar richtig, aber besagtes Exmitglied vermittelte nie den Eindruck, dass er sich fuer und wider in einer Situation so ueberlegt hat oder dass er das mit entsprechendem Wissen haette untermauern koennen. Er haette die Geschichte auch anders erzaehlt
;)

Ich stehe auch so ein bisschen unentschieden - wenn die Intubaton schlecht gegangen waere, waert ihr in Teufels Kueche gekommen. Das muss man klar sagen. Ein Patient, der einen Guedel nicht toleriert (sollte man bei Patienten, die noch wacher sind, auch besser nicht probieren, denn das reizt jeden zum K*** - der Wendel ist eher das Mittel der Wahl), da muss man schon sagen - ist ziemlich wach in dem Moment.
Laesst sich gut assistiert bebeuteln, wird rosig darunter - fein. Hat einen tastbaren Puls und redet intermittierend, Doktor ist in geschaetzt fuenf Minuten hier - mit Ueberhalten in den Status waere denke ich auch jeder zufrieden gewesen.

Pacing durch schlichtes energisches Klopfen auf das Brustbein des Patienten (auch "Percussionpacing" fuer den Hobbydrummer) klappt hier mal ganz gut. Befoerdert nicht ganz so schnell Mageninhalt zutage wie eine echte CPR und irritiert das Reizleitungssystem weniger als der Pacer.

Okay, Ihr wusstet, Doktor ist unterwegs, ihr habt Euch schon ordentlich verhalten und abgesichert und es ist alles gut gegangen. Ihr habt nicht einfach den Hut in den Ring geworfen :) aber eben auch Glueck gehabt. Nur angesichts der Tatsache, dass der Patient intermittierend wieder Bewusstsein zeigte, ist es eben anders zu bewerten (das siehst Du selbst ja auch so) als bei einem Bewusstlosen - und Dormicum ist nicht so schnell wieder weg wie Etomidate...

Interessierte Frage: Was fuer alternative Methoden des Atemwegsmanagements haettet ihr denn gehabt?

Rescuerambo
07.06.2007, 08:42
Original geschrieben von blacksheep
IEin Ex-Forenmitglied wär bei gleicher Geschichte bereits enthauptet worden.

An den musste ich auch denken :D

Aber der konnte es nicht fachlich Begründen :rolleyes:

RS-USER-apoplex
07.06.2007, 09:42
Original geschrieben von Katja Interessierte Frage: Was fuer alternative Methoden des Atemwegsmanagements haettet ihr denn gehabt? [/B]
Steht auf der Seite davor:

Als Möglichkeiten zum alternativen Atemwegsmanagements halten wir in unseren Notfallkoffern Larynx-Tuben vor, die uns auch in der Situation zur Verfügung gestanden hätten.

erdwurm
07.06.2007, 14:12
In der Überschrift meiner Beschreibung habe ich bewusst die Bezeichnung der Sedierung anstatt der Narkoseeinleitung gewählt, da bei dieser "Narkose" weder Opioide noch Relaxans verwendet wurden.
Auch habe ich mich für Dormicum entschieden, da ich aufgrund meiner hauptberuflichen Tätigkeit mehr Erfahrung im Umgang mit diesem Medikament habe als mit Dormicum.

Was den transthorakalen Pacer und seine Rechtfertigung im Rahmen der "Notkompetenz" (ich hasse dieses Wort noch immer):
Hier möchte ich nochmal auf den letzten Satz in dem Ausschnitt aus dem Rundschreiben der Landesgeschäftsstelle des BRK von Herrn Prof. Sefrin verweisen.
Als ERC-zertifizierter ALS-Provider wurde ich nachweislich in dieser Therapie-Methode ausgebildet und habe wiederum aufgrund meiner hauptberuflichen Tätigkeit regelmäßige Übung darin (nebenbei erwähnt lasse ich mir sowas wie auch jeden venösen Zugang, jede Intubation oder sonstiges in einem Nachweisheft von einem Arzt gegenzeichnen um diese regelmäßige Übung nachweisen zu können).
Die anderen Voraussetzungen zur Ergreifung der Maßnahme im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes waren ebenfalls gegeben.
Wie beschrieben wurde dieser externe Pacer angewendet da der Patient KEINEN tatsbaren Puls mehr hatte, und auch wenn er aufgrund des geringen Auswurfs intermittierend noch kurzzeitig ansprechbar war, würde ich das bei einer HF von 15 bpm keine optimale und vor allem suffiziente Hämodynamik nennen.
Außerdem habe ich im Bezug auf den Pacer nach international geltenden Richtlinien gehandelt, auf die ich mich im Gegensatz zu der Empfehlung der Bundesärztekammer jederzeit berufen kann.
Da ich wie gesagt ALS-Provider bin und mich somit auch (meistens) streng an die Guidelines halte, habe ich ehrlich gesagt noch nicht mal an das sogenannte "Fist-Pacing" gedacht, da dieses im Gegensatz zum präkordialen Faustschlag in der aktuellen Guidelines keine Erwähnung bei der Therapie von bradykarden Rhythmusstörungen findet.

Wie bereits gesagt habe ich mich gleich zur Intubation entschlossen, da ich darin mehr praktische Übung habe als in der Anwendung von Larynx-Tuben.
Zwar sagt man immer "Übung macht den Meister", doch wähle ich in solchen Situationen doch lieber die Maßnahme in der ich mich sicherer fühle und übe solche Techniken (so schlau bin ich ja dann doch :-) ) lieber in der Anwesenheit und Aufsicht eines erfahrenen Notarztes.
Für mich persönlich war in der Situation die Wahrscheinlichkeit durch eine Intubation einen sicheren Atemweg zu schaffen höher, als durch einen Larynxtubus.
Ultima ratio wäre bei einer "can not ventilate - can not intubate"-Situation (und nur bei dieser) noch eine Not-Koniotomie in Frage gekommen, bzw. das Material dafür vorhanden gewesen.
Gleich als Rechtfertigung für alle "Notkompetenz'ler":
Habe ich erlernt (kann ich das InTech-Seminar der Sektion Notfallmedizin am Uniklinikum Heidelberg nur sehr empfehlen), habe ich regelmäßige Übung darin (jährliche Fortbildung), usw.

Eine persönliche Bitte von mir:
Ich bitte euch bei allen Fragen zu erweiterten Maßnahmen, vor allem was die rechtfertigung im Rahmen der "Notkompetenz" anbelangt, nicht immer nur an die Empfehlung der Bundesärztekammer zu den "klassischen" Maßnahmen zu denken!
Dies ist lediglich eine Empfehlung!
Die Ergreifung einer ärztlichen Maßnahme und damit der Verstoß gegen § 1 Heilpraktikergesetz ist immer durch den § 34 StGB zu rechtfertigen wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die ich bereits mehrmals beschrieben habe.
Egal ob das nun ein venöser Zugang, eine Intubation oder Koniotomie ist!
Es gibt mittlerweile im Notfallmedizinischen Bereich ausreichend Angebote zur Qualifizierung bei den einzelnen Maßnahmen.
Zwar sind diese eigentlich meist nur für Ärzte gedacht, doch bei genauerem Nachfragen habe ich bereits mehrmals als Antwort bekommen dass diese Seminare auch für Rettungsassistenten sehr gut geeignet sind (und wenn es sogar ein Kurs zur fiberoptischen Intubation ist).
Wenn neben den Voraussetzungen der Dringlichkeit der Maßnahme und der Verhältnismäßigkeit der Mittel die Maßnahme nachweislich erlernt wurde und durch regelmäßige Übung beherrscht wird, sind die erweiterten Maßnahmen nicht nur auf die in der Empfehlung der BÄK genannten Maßnahmen beschränkt.

Und auch nur so am Rande erwähnt:
Wir wussten welcher Notarzt zu uns unterwegs ist und wir wussten deshalb auch dass kein Problem geben wird wenn wir bezüglich unserer Kompetenzen und ergriffenen Maßnahmen etwas "über die Stränge schlagen"!
Er war auch sehr froh darüber dass unser Team Kenntniss über die Therapie mit dem externen Pacer hatte, da er selbst zugegeben hat noch nie damit gearbeitet zu haben und er auch nicht gewusst hätte wie er ihn einstellen würde.
Und wie in meiner Beschreibung erwähnt lobte er in einem kurzen Debriefing unser Vorgehen auch mit den Worten "besser hätte ich es selbst nicht machen können"! :-)