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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Molekularbiologisches Wissen & Größen/Einheiten in der Medizin



chrissitier
07.07.2007, 15:30
Halli Hallo. Eine kleine Biologin & RS muss den ganzen Doctores mal einige Fragen stellen, die eher weniger medizinischer Natur sind, sondern sich eher auf Konventionen & wissenschaftliche Bildung unter Ärzten beziehen.

Als Mitglied einer Forschungsgruppe werde ich in absehbarer Zeit einige Vorträge zu unseren Ergebnissen halten müssen. Konkret forschen wir an praktischer medizinisch-technische Anwendbarkeit biosynthetischer und/oder edelmetallbedampfter coated vesicles zum gezielten Einbringen von Substanzen in einzelne Zellen (was fürn Satz...).
So, und bevor ich jetzt referieren muss, hab ich jetzt noch einige kleinere Einstellungen an meinen Vorträgen vorzunehmen. Dabei kommt mir dummerweise in die Quere, dass ich keine Ahnung habe

a) von welchem Kenntnisstand in Cytologie/Molekularbiologie/Physik der Makromoleküle bei praktisch arbeitenden Ärzten (Klinik, Praxis, keine Akademiker oder Laborratten!) ich ausgehen kann

b) welche Größen und Einheiten ich verwenden kann, damit die Herren & Damen Doctores eine praktische Vorstellung davon haben, wovon zum Henker ich rede

Einfach den Dr. med unseres Projektteams fragen ist nicht drin, der arbeitet seit 20 Jahren im Labor, hat sich in die Materie eingearbeitet und den Wissenschaftlern um ihn herum angepasst.
Kann ich einfach mal davon ausgehen, dass ein seit 10 Jahren praktizierender Onkologe sich noch an seine Biochemie- und Molekularbiologie-Vorlesungen erinnert?
Soll ich mit meinen Vorträgen bei Adam und Eva (bzw. Charles Overton) beginnen und nochmal generell Biomembranen und Membrantransport erläutern, oder direkt in die Vesikel einsteigen?
Nichts ist langweiliger, als nochmal vorgekaut zu bekommen, was man eh schon weiß, aber wenn mich alle nur verständnislos anstarren, bringt das ja nu auch nix.

Das liest sich jetzt, als würde ich praktizierende Ärzte für dumm und ungebildet halten, aber ich frage mich wirklich, wieviele theoretische Grundlagen man behält, wenn man sie jahrelang ins seiner praktischen Arbeit nicht braucht. Ich merke ja selber, wie dieThermodynamik langsam aus meinem Hirn tröpfelt und sich in Nichts auflöst.

Dann weiß ich auch nicht, ob in der molekularen Medizin englische oder lateinische Bezeichnungen für makromolekulare Strukturen üblich sind. In englischsprachigen Papers lese ich i.d.R. nur Tight Junction, in deutschen gelegentlich auch mal Zonula occludens. Als internen Standard sind wir hier bei Latein, obwohl das für unseren Wissenschaftsbereich sonst nicht gängig ist - klingt halt so schön intellektuell :cool:

Bezüglich des Problems mit den Einheiten: Wissen Mediziner Jahre nach ihrem Studium sofort vorstellungsmäßig und greifbar etwas mit K, hPa usw. anzufangen, oder sollte ich auf SI-Einheiten scheißen und alles schön in °C, mmHg usw. umrechnen?
Außerdem habe ich mal wieder in irgendeioner obskuren Quelle gelesen, dass in der theroretischen Medizin im allgemeinen das Angeben der Osmolalität anstelle der Osmolarität üblich ist. Stimmt das, und wenn ja: ist es nicht analytisch totaler Schwachsinn?


Jo, soviel zu Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Wissenschaft und Medizin :o

RS-USER-Katja
07.07.2007, 16:24
Erstmal ist Medizin keine exakte Wissenschaft (laß Dir das von einer auf Medizin umgeschwenkten Biologin sagen :D) und hat in der Regel mit SI-Einheiten wenig am Hut. In diesem Punkt wirst Du um Umrechnungen in den Doktores gängige Einheiten (also im Zweifelsfall auch Torr) nicht herumkommen, weil die es nicht anders gewohnt sind und in der Regel nicht Kilopascal oder sonstwas im Kopf in mmHg umrechnen werden.

Zweitens sind auch praktische Ärzte Akademiker (zumindest mal gewesen), tritt da nicht auf Zehen ;)

Drittens bezweifle ich, daß es einheitliches Wissen in der Gruppe der niedergelassenen Ärzte gibt - da sitzt der 58jährige, der seit Jahren kaum Neues an sich rangelassen hat, neben dem gerade frisch aus der Klinik rausgekommenen, noch hochmotivierten "Neuniedergelassenen". Und alle werden sich daran erinnern, mal Biochemievorlesungen gehabt zu haben, aber wieweit deren Inhalt verfügbar ist... frag doch mal, ob sie Dir spontan den Citratzyklus an die Tafel malen können ;)
Ein kurzer Abriß über Membranen ist nicht schlecht, weil er eine gemeinsame Basis bringt (nimm mal ein Buch wie Bio für Mediziner und schau da rein, damit Du eine Idee über den Stand hast, den Du maximal erwarten kannst - die sollen da ja keine Habil drüber schreiben, sondern nur verstehen, was Du im Verlauf erzählen wirst), walz das aber nicht weiter aus. Sie können ja fragen, wenn sie was nicht wissen.

Mir ist Tight junktions aus allen Medizinbüchern näher als Zonula occludens, die Sprache der Medizin ist im Zweifelsfall (d)englisch.

Wenn Du uns sagst, was in dem Vortrag so an Einheiten vorkommt, sagen wir Dir, welche Einheiten in der Medizin dafür gängig sind :)

RS-USER-Schädelspalter
08.07.2007, 14:09
Ich stand bei Tagungen mit meinem Poster auch schon zwischen Beiträgen, bei denen ich auf den 1. Blick keine Ahnung hatte, was die Autoren überhaupt wollten - und das, obwohl es in der gleichen Sektion publiziert wurde... (und die meisten meiner Kollegen nicht viel von meinem Thema). Man kann also alles so darstellen, dass es niemand versteht.
So gesehen, freue ich mich über die Nachfrage.

1. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass die Kenntnisse bei praktisch tätigen Ärzten in Histologie und allg. Zytologie gut
in Molekularbiologie mäßig
und in Physik schlecht (so Physik-Prüfungskurs im Abi)
sind.

Den Zitratzyklus kriege ich auswendig auch nicht mehr hin, weiß aber, was reingeht und was rauskommt ;)

2. SI-Einheiten sind o.K., sowas wie mmHg oder mg/dl ist wegen der Anschaulichkeit und Gewöhnung nicht aus dem klinischen Alltag wegzukriegen. Die SI-Einheiten sind alle bekannt, aber gehören nicht unbedingt zum "aktiven Wortschatz", d.h. bei manchen Größen solltest Du sie in einen Zusammenhang sellen. Der Mischmasch von SI-Einheiten und traditionellen Einheiten muß aber kein Problem sein, zumal die SI-Einheiten alle bekannt sein dürften (und irgendwo als mehr oder weniger passives Wissen schlummern). Was ein Mol ist, wissen sicher alle, dass hPa was mit Druck und K mit Temperatur zu tun hat, ist auch sicher bekannt, was genau das ist aber nicht.
Wenn Du statt "bei einem delta K von xyz verändert sich delta Q so dass...." sagst: "bei einem Temperaturunterschied von xyz Kelvin,..." dürfte das o.K. sein.

Gib` uns doch eine Liste der Einheiten, die Du verwenden willst.

3. Wie Katja sagte: im Zweifelsfall englisch / denglisch. Bei erster Nennung kannst Du das lateinische Synonym ja auch zusätzlich nennen, wenn es den Vortrag stilistisch nicht stört.

4. Den allgemeinen Aufbau einer Zellmembran sollte auch noch ein Kieferchirurg nach 35 Berufsjahren kennen. Wenn es um irgendwas Spezielles geht, dann wäre eine Grafik hilfreich. Aber nicht eine mit 1000 Transmembranproteinen, Vesikeln usw., sondern eine auf da Wesentliche reduzierte, die am besten auch noch Schritt für Schritt entwickelt wird.

5. Es gibt genug Leute, die die Medizin (nicht ganz zu Unrecht) für eine Wissenschaft halten (oder zumindest teilweise für sowas). Die solltest Du nicht unbedingt verärgern, indem Du erklärst, dass die Medizin ein Handwerk ist, das nur von den Früchten der "richtigen" Wissenschaften profitieren darf :-p

6. Für wen ist der Vortrag eigentlich? Für niedergelassene Ärzte, ausschließlich in der Patientenversorgung in der Klinik tätige Ärzte, Ärzte die nach Feierabend an ihrer Uniklinik selber forschen...?

RS-USER-FataMorgana
08.07.2007, 15:32
Original geschrieben von chrissitier
Außerdem habe ich mal wieder in irgendeioner obskuren Quelle gelesen, dass in der theroretischen Medizin im allgemeinen das Angeben der Osmolalität anstelle der Osmolarität üblich ist. Stimmt das, und wenn ja: ist es nicht analytisch totaler Schwachsinn?

Ja, das stimmt. Und nein, es ist analytisch kein Schwachsinn. Im medizinisch-diagnostischen Labor wird die Osmolalität und nicht die Osmolarität bestimmt. Dies hängt im Prinzip mit der verwendeten Methode zusammen (Gefrierpunkterniedrigung). Vorteilhaft an der Osmolalität ist auch, dass sie unabhängig von der Temperatur ist.

chrissitier
12.07.2007, 00:11
Original geschrieben von Katja
Erstmal ist Medizin keine exakte Wissenschaft
Also, wenn ich in drei Jahren Rettungsdienst eines gelern habe, DANN DAS! :D


Original geschrieben von SchädelspalterEs gibt genug Leute, die die Medizin (nicht ganz zu Unrecht) für eine Wissenschaft halten (oder zumindest teilweise für sowas). Die solltest Du nicht unbedingt verärgern, indem Du erklärst, dass die Medizin ein Handwerk ist, das nur von den Früchten der "richtigen" Wissenschaften profitieren darf.
Hmm, naja, irgendwie ist die Medizin mehr eine Ingenieurwissenschaft - sie beschäftigt sich damit, eine verdammt komplexe Maschine zu warten, zu repariern und solange wie möglich am laufen zu halten. Die meisten Ingenieure haben Ahnung von Materialwissenschaft und Thermodynamik und arbeiten auf dieser Grundlage, aber manchmal hilft auch ein Tritt vor's Gehäuse (bitte nicht 100% ernst nehmen) ;)

Ich danke auf jedenfall schonmal für die Anregungen hier - ich werd mal versuchen, dass ganze möglichst verständlich und dabei nicht langatmig zu halten. Sprich: Ich setze die grundlegende Biologie voraus (den Grundaufbau einer Zelle kann man ja wohl von jedem Realschüler erwarten) und erläuter das ganze physikalisch-chemischen BlaBlaBlubb kurz.

Bzgl. der Zielgruppe: Den Anfangsvortrag vor den genzen geladenen Life-Science-Leuten (wahrscheinlich nem ganzen Haufen Biochemiker, Pharmazeuten und geladenen Ärzten) wird Cheffe persönlich halten, wo ich mich dann ranwagen darf werden öffentliche Vorträge mit Ankündigungen in einschlägigen Zeitschriften sein. Ich darf also niedergelassene Ärzte die es interessiert & diverses Klinikpersonal erwarten. Dem Thema angemessen wohl Onkologen, Chirurgen und-man höre und staune- Dermatologen (jawoll, vonwegen erstes Anwendungsgebiet Epithelzellen).
Das ich bei immunologisch Tätigen jede Menge Biochemiekenntnisse erwarten kann, ist mir klar, aber insgesamt dürfte das ziemlich heterogen aussehen.

Naja, ihr habt mir auf jeden Fall schonmal geholfen. Sobald ich im Fortschritt meiner Planung hier noch Fragen zu einzelnen Einheiten habe, komme ich nochmal auf euer Angebot zurück. Gerade komme ich mit Wikipedia und Büchern ganz gut zurecht.
Evtl. hab ich auch noch Monate Zeit, es ist noch kein einziger Vortrag angekündigt (die ganze Sache stand solange so auf so wackligen Füßen, dass wir noch nichtmal auf der Institutswebsite erwähnt werden ^^).

Achja:


Wenn Du statt "bei einem delta K von xyz verändert sich delta Q so dass...." sagst: "bei einem Temperaturunterschied von xyz Kelvin,..." dürfte das o.K. sein.
Achwas, dann hätte ich meine Unsicherheit wegen der unterschiedlichen gebräuchlichen Einheiten so geäußert:

RS-USER-Küchenhexe
12.07.2007, 00:19
Original geschrieben von chrissitier
Hmm, naja, irgendwie ist die Medizin mehr eine Ingenieurwissenschaft - sie beschäftigt sich damit, eine verdammt komplexe Maschine zu warten, zu repariern und solange wie möglich am laufen zu halten. Die meisten Ingenieure haben Ahnung von Materialwissenschaft und Thermodynamik und arbeiten auf dieser Grundlage, aber manchmal hilft auch ein Tritt vor's Gehäuse

Du hast ja so recht...Vitalwertemechaniker... aber: die Besten! :D


Original geschrieben von chrissitier
Achwas, dann hätte ich meine Unsicherheit wegen der unterschiedlichen gebräuchlichen Einheiten so geäußert:
*ROFL*