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RS-USER-Häuptling weiße Wolke
09.07.2007, 19:05
Hallo,

aus gegebenem Anlass (Thread im CIRS + eigene Erfahrung) wollte ich mal Eure Erfahrungen zum Thema Schockraummanagement sammeln.

Bei uns im Haus ist das ein riesiges Problem! Vor kurzer Zeit hatte ich mich mit einem Fahrradfahrer nach Unfall mit zumindest höhergradigem SHT noch nicht intubiert und nach Therapie leidlich kreislaufstabil angemeldet. Aus Erfahrung hatte ich meinem NEF-Fahrer gebeten, den Neurochirurgen und den Orthopäden/Unfallchirurgen in die Notaufnahme zu bestellen (Anästhesie war ich selber) und ein Sonogerät zu holen.
Als wir dann ankamen, war außer dem Pfleger keiner anwesend. Der Neurochirurg kam dann nach einigen Minuten, wir einigten uns dann darauf, den Pat. zunächst ins CT zu fahren und dort erst nach CT ins Bett umzulagern. Leider war der Orthopäde immer noch nicht zu bekommen, daher mußte der Pat. später für spezielle Aufnahmen noch mal ins CT. Der Neurochirurg beschäftigte sich derweil mit Computereingaben...
Ein Sonogerät bekam ich erst nach massivem Druck, da das eine Gerät gerade in der Gefäßchirurgischen Ambulanz benötigt wurde, das andere gerade mit dem intern. Konsiliararzt unterwegs war. Da wir zur Zeit noch 2 Standorte haben und die Innere am anderen Standort ist, gibt es nur 2 Geräte.

Insgesamt habe ich mich mehr Zeit damit beschäftigt, irgendetwas oder irgendjemanden zu organisieren als am Patienten zu arbeiten. Der EInsatz fand nicht etwa mitten in der Nacht sondern zur Hauptarbeitszeit statt. Und das war nicht das erste Erlebnis dieser Art, und auch nicht das erste kleinere Haus, in dem ich solche Erlebnisse hatte.


Also, auf zur Diskussion:

1. Wie läuft das denn bei Euch (kleines Haus/Uniklinik...)?
2. Habt Ihr Erfahrung, wie man ein vernünftiges Schockraummanagement etablieren kann?
3. Was für eine technische Ausstattung haltet Ihr vor?
4. Leitlinien? Empfehlungen von Fachgesellschaften? Habt Ihr gutes Material?

Nachdem das Thema "alternative Atemwegssicherung" bei uns durch ist, wird dass das nächste Thema sein, mit dem ich meinem Chef jetzt auf den Geist gehen werde :D

Hörbird
09.07.2007, 20:34
Hi,

Probiere es mal damit:

Schockraummanagement Heidelberg (http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Schockraummanagement.8239.0.html)

Bei uns ist es so, das es für jeden Tag ein Schockraumteam gebildet wird.
Wenn die Leitstelle ein Polytrauma anmeldet, dann werden die entsprechenden Ärzte sofort angewählt, die dann sofort an den Traumaplatz kommen.

Da auch das Haus so ziemlich ein Neubau ist, ist der Traumaplatz genau im selben Gang wie das CT - genauer gesagt gegenüber.
Die Wege sind da zum Glück sehr klein.

Für kleinere Häuser wird es schwierig - warum werden diese überhaupt angefahren?

Gruß
HörBird

Tante Edit: Hatte nen ruhigen Tag in der Notaufnahme und konnte mal kurz im PC nach den Leitlinien stöbern.
Also: Bei Anmeldung Polytrauma z.B. per Hubi Anruf der Leitstelle bei dem diensthabenden Oberarzt, der darauf in einer Telefonkette sämtliche Ärzte und Pfleger benachrichtigt. Das gesamte Team geht dann an den Landeplatz, erwartet die Hubimannschaft und geht gemeinsam an den Traumaplatz, wo dort dann erst die Übergabe und Sichtung stattfindet.

Am Helilandeplatz ist ebenfalls nochmals ein kleiner Schockraum untergebracht, falls es beim Transport zu Komplikationen kam, sokann gleich dort oben reagiert werden.

RS-USER-Katja
09.07.2007, 22:12
Original geschrieben von Häuptling weiße Wolke

1. Wie läuft das denn bei Euch (kleines Haus/Uniklinik...)?
2. Habt Ihr Erfahrung, wie man ein vernünftiges Schockraummanagement etablieren kann?
3. Was für eine technische Ausstattung haltet Ihr vor?
4. Leitlinien? Empfehlungen von Fachgesellschaften? Habt Ihr gutes Material?


Ich schreib's bezogen auf Gö, denn wie es hier läuft, ist durch die Vorhaltung der ER-Mediziner sicher anders.
Es gibt einen Haupt-SchockOP und zwei NotOPs, die dafür genutzt werden können, wobei die letzteren nicht so weit aufgebretzelt sind. Aber man kann darin arbeiten.

1. Uni. Die Chirurgen kommen primär aus deren Notaufnahme, die direkt an den SchockOP grenzt, NCH ist der Konsilardienst. Ein OA wird ggf dazugeholt, nachts sind die aber zu Hause, wenn sie nicht operieren. Aus der chirurgischen Notaufnahme kommen auch die Pflegekräfte der Chrurgie.
Daß die Qualifikationen und die Qualität als Entscheidungsträger nicht immer gleichbleibend ist, ist zwar menschlich, aber trotzdem manchmal anstrengend.
Anästhesie: Einer der älteren Assistenten hat den SchockOP-Pieper, es wird in der Regel drauf geachtet, daß man einen Saal hat, der leicht übergeben werden kann (Regionale...), außerdem löst der Pieper des OA Anästhesie für den Unfallchirurgischen Bereich mit aus; der Oberpfleger auch, aber der delegiert meist den Job ;)

2. Etablieren ist eine harte Schlacht. Weil sich jeder irgendwie dazu berufen fühlt, klarzumachen, daß seine Abteilung ja das Sagen im SchockOP hat. Mix das mit zwei oder drei chirurgischen Chefärzten... nein, ich kann keine gute Lösung bieten (bei uns versuchen sie gerade ein Stufenschema ähnlich der Heidelberger Läsung zu etablieren, das ist wie aus Beton mit der Nagelfeile einen David rausarbeiten).

3. CT nebenan, Sono in der Ambulanz kommt automatisch mit rein, Röntgenplatte in den Tisch integrierbar für's Thoraxbild. Kleines chirurgisches Notbesteck (da soll auch eine Sternumsäge sein), Drainagen, MRT ist etwa 300m den Gang runter.
Anästhesieseitig alles an Zugängen, alles für die Airwaykatastrophe außer einer Fiberoptik, 10EKs, 10FFPs als Notfalldepot, Gerinnungsfaktoren Notfalldepot (wie ich das hier vermisse :heul: ) um die Ecke. Ein Oxylog 3000 für den Transport. Cellsaver und Level1 werden aus dem OP mitgebracht.
Daß das gute, schnelle SpiralCT auf Ebene 2 ist und nicht neben dem SchockOP, so daß man manchmal mit Traumen durch's halbe Haus fahren darf, verdanken wir den Chefradiologen, der dafür hoffentlich mal in der Hölle schmoren wird.

4. Empfehlung von Fachgesellschaften etc.: Siehe ATLS (http://www.atls.de/) oder die von Hörbird empfohlene Webseite von Heidelberg.
Das ist eine Diss (http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=983602565&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=983602565.pdf) zu dem Thema und die Charité hat natürlich auch was dazu beizutragen: http://www.medizin.fu-berlin.de/trauma/ertel/site.php?object=87

RS-USER-Katja
09.07.2007, 22:20
Original geschrieben von Hörbird
Für kleinere Häuser wird es schwierig - warum werden diese überhaupt angefahren?

Weil's manchmal nicht anders geht, weil man in anderen Häusern schon andere Traumen untergebracht hat, weil es direkt vor deren Tür passiert ist, weil der Patient die Fahrt in das 40min entfernte KH der Maximalersorgung ohne Zwischenversorgung nicht überlebt, weil...
Es gibt viele Gründe, auch wenn wir als "Zulieferer" alle wissen, daß es u.U. für den Patienten nicht ideal so ist.
Was mich dann echt den Baum raufjagt sind große Krankenhäuser der Maximalversorgung, die sich Freitags nachmittags immer "abmelden"...

RS-USER-emergency doc
10.07.2007, 07:09
Original geschrieben von Katja
Was mich dann echt den Baum raufjagt sind große Krankenhäuser der Maximalversorgung, die sich Freitags nachmittags immer "abmelden"...
Hat mich nie gestört... Wenn die nicht schon mit 'nem Polytrauma im OP sind fahr ich die trotzdem gnadenlos an... Betten kann man beschaffen, Beatmungsgeräte auch und nach Versorgung woanders hin verlegen ist ja nun auch keine besondere Schwierigkeit.

Also ich kenne sowohl die Maximalversorgung (traumhaft) als auch die Grund- und Regelversorgung.
Im Moment bin ich an einem Haus mit ca. 300 Betten. Bei Trauma-Schockraum Alarm ist der Chirurgie-Assistent da, eine Ambulanz-Pflegekraft, eine Anästhesie-Assistent oder -Facharzt mit Pflegekraft und sobald verfügbar ein Chirurgie-Oberarzt.
Oft wird im Gespräch gesagt: "Wenn Dr. X im Schockraum ist dann läuft es aber echt gut" oder "Dr. Y hat immer alles gut im Griff" aber ich muss mit meiner Erfahrung aus einer Maximalversorgungsklinik sagen: Eigentlich läuft es Sch***e bei uns.
Da wird ein Polytrauma nicht intubiert, kreislaufinstabile Patienten mit sonografisch freier Flüssigkeit im Bauch gehen erst noch ins CT, bei jungen Menschen wird trotz 5er oder 6er Hb kein Blut gegeben ("der ist doch noch jung"), die Versorgungszeiten stimmen einfach nicht (1,5 bis 2 Stunden bei kreislaufinstabilen Patienten bis zum OP), man muss sich mit unsinnigem Bürkratismus rumschlagen ("ich kann noch kein Röntgen machen, ich weiss doch gar nicht wo der versichert ist", oder "wenn ich den mit dem Notfall-Dummy-Patientennamen aufnehme krieg ich Ärger, weil die morgen in der Verwaltung wieder alles ändern müssen"). Prioritäten werden falsch gesetzt ("Ich hol dir gleich die Thoraxdrainage, ich such nur grad noch ein Bett für den" oder "schick doch den in Kabine C eben noch zum Röntgen bevor du in den Schockraum gehst")

Naja... in manche Häuser fährt man eben besser kein Polytrauma, aber als Notarzt weiss man glaub ich, wo man in seinem Bezirk was hinfahren kann...

[ed]D:-)

Hörbird
10.07.2007, 13:45
Original geschrieben von Katja
Weil's manchmal nicht anders geht, weil man in anderen Häusern schon andere Traumen untergebracht hat, weil es direkt vor deren Tür passiert ist, weil der Patient die Fahrt in das 40min entfernte KH der Maximalersorgung ohne Zwischenversorgung nicht überlebt, weil...
Es gibt viele Gründe, auch wenn wir als "Zulieferer" alle wissen, daß es u.U. für den Patienten nicht ideal so ist.
Was mich dann echt den Baum raufjagt sind große Krankenhäuser der Maximalversorgung, die sich Freitags nachmittags immer "abmelden"...

Klar - war in meinem Ausbildungskrankenhaus nicht anders. Das nächste größere Haus war zar nur 20min entfernt, aber nachts kamen trotzdem die Schwerstverletzte ins Haus - allerdings nur nachts und wenn es anders nicht ging ( REGA nicht verfügbar etc.)

Tagsüber sah es anders aus - da ging alles ind die nächsten größeren Häuser, was von unserem Haus nicht versorgt werden konnte. Da die Ärzte das Haus alle kannten, wußten sie, was bei uns möglich ist und was nicht.

In HWW's Fall verstehe ich daher nicht so ganz, warum ihm das aufregt. Kleinere Häuser sind das eben nicht gewohnt - die Versorgung eines Poytraumas im Schockraum braucht Erfahrung und ein eingespieltes Team so wie ich das hier in der Praxis mitbekomme.

Gruß
HörBird

krumel
10.07.2007, 13:59
Hm.

Kenne die Schockraumteamgeschichte nur aus einem Maximalversorgenden Haus mit angebundenem RTH

Kurz: läuft es gut. Der Schockraum wird von einer Pflegekraft der Chirurg. Nothilfe mitbetreut, dieser hat auch das "Schockraumtelefon" (DECT) bei sich. Dieser Pfleger ist für den Schockraum, sein Material und die Sicherstellung der Organisation alleinverantwortlich und im kleinen Rahmen auch Weisungsbefugt (z.B. dem CT, Blutdepot, Personal der Nothilfen usw. gegenüber).
Sämtliche Schockraumrelevanten Bereiche müssen sich ihm gegenüber ggf. abmelden (z.B. bei CT-Defekt, belegung beider NotOP's, Versorgung auf dem chirurg. Intensiv Notfallplatz).
Dieser Pfleger nimmt den Schockraumalarm durch die Leitstelle entgegen, bei Einsätzen durch den Hubschrauber wird tlw. auch durch diesen bereits per Satellitentelefon eine kurze Vorabinfo weitergegeben.
Prinzipiell unterscheidet man verschiedene Stufen:
- Schockraum normal (1x Unfallchiurg (mind. Facharzt, meist OA), 1x Anästhesist (mind. Facharzt, meist OA), 1x Allgemeinchirurg, 1x Nothilfepfleger, 1x RTA, 1x Anästhesiepflege, 1x Pfleger -Werktags auf Chirug. Noth., WE aus der internistischen Notauf.)
- Schockraum NeuroTrauma (s.o. + Neurochir.)
- Schockraum Kind (s.o. + Kinderarzt, wenn verfügbar Kinderchirurg, Arzt der Kinderintensiv)
- Schockraum ALLES (s.o., + Neurochir, + Internist + intensivarzt... Warum es diese Stufe gibt weiß ich noch net so recht)

"Teamleader" ist immer der Unfallchirurg, außer bei kind oder rein neurochirurgischen Geschichten.
Die Leute werden per eigene Piepserschleife gesammelt alarmiert, gleichzeitig werden Intensiv und OP über die bevorstehende Aufnahme informiert.
Funktioniert alles recht gut, da ein hohes Aufkommen herrscht und der Chef recht dahinter ist. (Gab z.B. schon Abmahnungen weil zu lange Reaktionszeit auf den Alarm).
Der Schockraum selber ist Teil der chirurgischen nothilfe, darf aber nicht anderweitig verwendet werden. Er ist ausgestattet mit Röntgen analog (inkl Tischplatte), Sono, BGA, großem OP Set (da auch als "ultima ratio- MANV OP" vorgesehen), ANästhesiemaschine, volles monitoring (transportabel) und Oxylog 2000.

Als Probleme haben sich die Zugänglichkeit von CT/MRT und Gastro herausgestellt, während sich letztere weiterhin sperren wurde beim ersten das Konzept des "Schockraum STOP" eingeführt. Sobald der Schockraumalarm reinkommt wird per Anruf das CT informiert, diese stoppen auf dem betreffenden Gerät ALLE untersuchungen bis der Schockraum das Gerät wieder freigibt. Die entstehenden Budgetausfälle werden durch einen zentralen Kliniktopf ausgeglichen.
Die Gastros weigern sich leider weiterhin bei entsprechender Alarmierung (z.B. GI Blutung intubiert beatmet) einen Platz freizumachen...*rolleyes*

Nunja...
Man muss aber dazu sagen, dass in dem Haus pro Woche auch durchaus 5-7 Alarme vorliegen, da der RTH ganz gerne "heim" fliegt.
Grüße,
Phil

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
11.07.2007, 05:25
[i]
In HWW's Fall verstehe ich daher nicht so ganz, warum ihm das aufregt. Kleinere Häuser sind das eben nicht gewohnt - die Versorgung eines Poytraumas im Schockraum braucht Erfahrung und ein eingespieltes Team so wie ich das hier in der Praxis mitbekomme.

Gruß
HörBird [/B]

Mich ärgert, dass unser Haus den Anspruch hat, Polytraumen versorgen zu können, da wir eine Neurochirurgie mit relativ großem Einzugsbereich haben. Zur Zeit streiten sich die Chefs der Orthopädie und der Allgemeinchirurgie darum, wer von beiden den zu höherem berufen ist und daher Cheffe bei den Polytraumen ist. Die einen finden, seit UCH und Orth. zusammengehören, müssen sie es machen, die anderen haben es jahrelang gemacht :rolleyes:
Naja, vielleicht kann ich bei dem neuen orthop. Oberarzt Unterstützung finden, der ist Unfallchirurg und ziemlich fit.
Den zweiten Krieg liefern sich unsere Neurochaoten und die Orthopäden, auch da können sich die Chefs nicht so richtig riechen (Ja, unser Ortho-Cheffe ist ein wenig schwierig, an den guten Tagen).
Die einzigen, die zur Zeit wirklich auf entsprechendem Niveau arbeiten könnten, sind glaub ich wir Anästhesisten.

RS-USER-Rettungsente
11.07.2007, 12:11
Ich muss leider sagen, bei uns sind wir von einer effektiven Arbeit weit entfernt!
1 Schwester wartet auf die Patienten und muss alle anfallenden Arbeiten allein druchführen und kann sich einen Arzt "heranpiepen", gut wenn sich dann auch noch einer findet. Es besteht für uns als Rettungsdienst grundsätzlich die Möglichkeit vorab zu informieren, was wir auch tun. Jedoch ist die Reaktion meist "0" keine Info an den Chirurgen oder das Röntgen...oft vergehen wirklich viele Minuten, bis die entsprechend benötigten Fachkräfte da sind. Man muss dazu sagen, es ist ein kleines Haus und Röntgen und CT sind unmittelbar an der Notaufnahme!
Wenn ein akut erkrankter Patient in dieses Haus kommt, dann fehlen solche Maßnahmen wie z.B. ein initiales Ultraschall um freie Flüssigkeit im Abdomen zu finden...man macht eine Bauchübersichtsaufnahme im Röntgen ...

Ich würde es sehr gut finden, wenn die Angestellten dieser Rettungsstelle, welche leider schon mit 2 leichten Fällen überfordert sind einmal die Chance hätten, was Schockraummanagement ist...

VG Rettungsente

RS-USER-Katja
12.07.2007, 05:43
Original geschrieben von krumel

"Teamleader" ist immer der Unfallchirurg, außer bei kind oder rein neurochirurgischen Geschichten.

Ich hätte da ja nicht mal was gegen, aber das würde eins voraussetzen: Daß der weiß, was die Anästhesie eigentlich macht und zuhört, wenn andere arbeiten. Allzuoft sehen die nämlich nur ihre kaputten Knochen, aber nicht den kaputten Kopf (und verstehen nicht, daß der Patient jetzt nicht 5 Stunden lang in Bauchlage sein Becken versorgt kriegen kann, wenn er einen dicken Bums mit dem Kopf gemacht hat) oder ähnliche Dinge oder hören schlicht nicht zu, wenn man ihnen mehrfach sagt, daß der Patient zzunehmend instabil wird.
In einem Haus, in dem sich die meisten kennen, kristallisiert sich in der Regel allerdings auch ziemlich schnell heraus, wer tatsächlich den Ton angibt (das ist meist schlicht der mit der breitetsten und meisten Erfahrung, welcher Fachrichtung auch immer). Schwieriger sind die chirurgischen Disziplinen untereinander, weil die in der Regel (außer CUNF und CALL in den Notaufnahme) praktisch nicht zusammen arbeiten.

Eure "Schockraum Alles"-Stufe möchte ich nicht erleben, mehr als 10 Leute gehören nicht in einen SchockOP, das führt nur zu Konfusionen und Gerangel... (kann man im SF General gut ausprbieren, wir haben neue Residents, so daß überall ein Schwanz von ganz frischen Doktors mitgezogen wird... Hilfe!)

PS: Wieso bei Kind nicht? Das ist eine wirkliche Verständnisfrage von mir, denn ein kindliches Polytrauma bleibt ein Polytrauma. Ich betrachte Pädiater als Internisten und/oder Neurologen für Kinder, die Wenigsten die ich kenne können was mit Bauchtraumen, Gefäßeinrissen und Knochenbrüchen anfangen. Kinderchirurg kann ich verstehen, aber Pädiater? Aber das mag anderswo anders sein. Erleuchte mich :)

krumel
12.07.2007, 09:57
Haha...
Nein, da kann ich nicht wirklich erleuchten, dass war damals auch meine erste eigene Frage.
Aber ich kann den Hintergrund erklären.
Es handelt sich bei der betreffenden Klinik um eine Klinik mit angeschlossener Kinderklinik jedoch OHNE Kinderchirurgie.
Die Kinderchirurgie erfolgt entweder mittels "ausgeliehenen" Ärzten vom Partnerkrankenhaus (mit Kinderchirurgie), die normalen Unfallchirurgen oder wohl durch nen Belegkinderchirurgen.
Und da hat man sich halt wohl gedacht*rolleyes* bevor wir GAR niemanden mit Kindererfahrung da haben, bestellen wir uns eben nen Kinderarzt.:D
Davon haben sie ja genug. (außerdem fahren die Kinderdocs, hier KinderNEF, da haben sie erfahrungen mit Brüchen;) ;) )

Wobei Gerüchten zur Folge das ganze jetzt wohl zur Folge hat, dass sie aus dem Versorgungsschema "Kind Polytrauma" und der entsprechenden Bettenzuweisung rausgeflogen sind.
Nix sicheres weiß man net, wundern würde es nicht, wir haben genug "richtige" Kinderkliniken:D
:D
Die Unfallchirurgen gehen da eigentlich echt,dadurch, dass nur Schockraum "Manager" sein darf, wer auch Hubschrauber fliegt, sind die alle etwas anästhesistisch angehaucht:D

Ein Beispiel wunderbaren Schockraummanagements habe ich (mal wieder) in einer der Unikliniken erlebt. (Insider wissen bald gleich welche).
Verlegung Patienten vom Hubschrauberlandeplatz vom Hubschrauber zum Schockraum.
Patient intubiert beatmet, Thoraxdrainagen am Laufen, auf gut bayrisch: "a gscheiter Stoß".
Wir kommen hin, Schockraum, keiner da, Raum zu.
Auf zögerliches Nachfragen in der Nothilfe kommt ein PFleger angetapst, schließt uns auf, währenddessen kommt ein PJ den Gang runtergerannt und will uns scheinbar die Versorgung des Patienten abnehmen.

Der Endeffekt war dann: Versorgung im eigenen Schockraum mit RTW Mannschaft, Hubschrauber RA/intensivpfleger, Hubschrauber NA(Neuroch.), PJ, zufällig anwesendem NAW NA (Internist) versorgt, bis nach 10 Minuten mal ein Anästhesist (mit Kaffeetasse ;) ) angeschlurft kam.
Und das in einem Unihaus mit JEDER erdenklichen Fachdisziplin.

Habe übrigens mal bei uns im KreisKH nachgefragt wie es ausschaut mit Schockraum und so. (Faktisch bin ich da noch nie hingefahren "Schpckraummäßig"...Das geht alles per RTH nach MUC rein)
Es kommen je ein Unfallchirurg und ein Anästhesist sowie der Internist zusammen (sprich alle Ärzte die das KH z.B. Nachts hat;) ), zusätzlich eine OP Pflegerin, der Anästhesiepfleger und eine Schwester der Nothilfe dazu.
Ggf. falls im Haus oder "nah dran" noch der Unfallchirurgische OA.
Der Patient wird je nach Befund aber nur erstversorgt und dann direkt weiterverlegt (nach MUC oder Rosenheim), außer es stehen lebensrettende OP's an.

Technisch ist der Raum mit Sono, Röntgen, Defi, Anästhesieautomat ausgestattet. CT ist den Gang runter...

Grüße,
Phil

RS-USER-Katja
12.07.2007, 23:41
Danke für die Aufklärung :)

Einmal den American Way of Trauma, Version General Hospital:
Es gibt einen Trauma-Loop, der auf den entsprechenden Pagern aufläuft (Anästhesie hat insgesamt 3 Traumapager, einen hat tagsüber der D1, also der OP-organisierende Anästhesist, einen der E4-Resident, der genau das Traumamanagment lernen soll und einen der Resident, der den Kreissaal und den Schmerzdienst macht). Es kommt von jeder Fachrichtung - Traumasurgeon, Anästhesie, Neurochirurgie, was auch immer man noch ruft - ein Resident (= Assistenzarzt) und ein Attending (= Oberarzt).
Dazu kommt: EIn Respiratory technican mit Beatmungsgerät, mobil, eine "i.v.-nurse" für peripere Zugänge (ja, so habe ich auch geguckt), einer steht da und schreibt an einem Pult minutiös alles mit, ein MTRA und die halbe Belegschaft des ER hopsen da noch rum.
Wenn man Pech hat, bringt irgendwer noch Studenten oder Interns mit. Die Polizei bleibt glücklicherweise normal auf dem Flur.
Ja, das ist voll.
Aber irgendwie kriegt man trotzdem die Arbeit getan ;)

RS-USER-Linda
13.07.2007, 08:58
Der am Pult ist hauptberuflich Choreograph, oder??

krumel
13.07.2007, 10:18
"Isch will eusch defibrillieren sehen, wir brauchen POWER, Baby, POWER!"

:D :D :D :D :cool: :cool: :cool: :cool:

silver tabby
13.07.2007, 11:24
Also ich kenne nur den schockraum Essen.
Wenn ein Trauma angemeldet wird werden der zuständige Anästhesist, Unfallchirurg, neurochirurg vorinformiert (die Qualität der Aussagen differiert allerdings etwas mit den "Notfallpförtnern").
Wenn der Patient ankommt, drückt der Pförtner auf einen roten Button, der die Schockraumschleife aktiviert, d.h. es werden auf jeden Fall der Unfallchirurgische Ambulanzarzt, der UC Intensivdoktor (zur Doku), der UC-Pfleger, der Anästhesist (i.d.R. zusätzlich zum normalen Anästhesie-Team in der UC oder der Diensthabende), die Anästhesie-Pflege, der Neurochirurg, der Radiologe und ein bis zwei radiologische MTAs alarmiert.
Im Schockraum gibt es ein Narkosegerät, ein Sonogerät, eine konventionelle Röntgenanlage mit frei beweglichem und schwenkbarem Arm (so können alle Extremitäten, WS, Becken, Thorax etc. geröntgt werden) und ein Befundungsterminal der Radiologen. Nebenan Not-OP. Der Patient kommt nach Eintreffen auf die s.g. Schockraumtrage mit röntgendurchlässigem Brett, auf dem der Patient bis zur endgültigen Versorgung (Intensivbett oder OP) verbleibt. Zum Transport steht eine zusätzliche Rolltrage zur Verfügung mit Oxylog und Monitoring.
CT ist leider ca. 100m entfernt den Gang runter, ist aber ok. MRT theoretisch nebenan, wird aber selten benötigt.
i.d.R. sind alle alarmierten Personen bei Eintreffen des Patienten im SR.
Ach ja, Blutjogger wird auch mitalarmiert, der für die Dauer zur Verfügung steht für Kreuzblut, Labor und EK/ FFP.
Level steht im SR, BGA-Gerät mit HKT

Manchmal nervt der SR zwar, wenn die Patienten sich als nicht so schlimm rausstellen, aber wenn`s rund geht, macht das schon einen ganz guten Eindruck.
Lg,
die Katze

hypophysis
14.08.2007, 00:18
Nach meinen eher mäßigen Schockraumerfahrungen in meiner früheren Klinik (mittlere Kleisklinik), arbeite ich nun in einem Krankenhaus der Maximalversorgung (keine Uniklinik).

Hier haben wir es ziemlich luxuriös:
Der Schockraum ist groß, voll ausgestattet und beinhaltet ein "Sliding Gantry" 16 Zeilen Spiral CT. Die CT-Liege besteht aus Carbon und kann von einer Lafette aufgenommen werden. Daran kann dann noch eine fahrbare Beatmungs- / Monitoring- / Perfusor-Einheit eingerastet werden.
Da Traumapatienten bei uns fast nur von der Anästhesie gebracht (RTW + RTH am Krankenhaus) werden, sind sie meistens schon ordentlich versorgt.
Vor Ort sind zumindest ein Anästhesist (meistens FA), Unfallchirurg und Neurochirurg.
Der Patient wird auf die CT Liege umgelagert, Monitoring angeschlossen, kurzer Body Check, Blutabnahme aus der V. femoralis. Sono wird nur bei prallem Bauch gemacht. Falls kreislaufstabil (Freigabe durch Anästhesie), springen alle in den CT Kontrollraum, das CT fährt über den Patienten und nicht der Patient durchs CT und man hat nach wenigen Minuten einen fertigen Trauma-Scan mit entsprechender Aussage.
Danach geht es direkt in den OP oder auf Intensiv. Die Lafette wird unter die CT Liege geschoben und eingerastet. Nun kann man den Patienten ohne erneutes Umlagern abtransportieren. Die Anästhesie-Einheit wird noch eingerastet und ab geht's.
Wenn es wirklich schnell gehen muss wird der Patient im OP direkt auf dieser Carbon-Liege operiert.
Spielereien wie ZVK-Anlage werden nur bei dringender Indikation im Schockraum durchgeführt.
Sicher läuft nicht immer alles perfekt, aber ich bin von der Geschwindigkeit der Versorgung mit so einem Schockraum und entsprechender Choreographie ziemlich beeindruckt.

RS-USER-Katja
14.08.2007, 01:41
Um das CT beneide ich Euch...
Das "Sono nur bei dickem Bauch" kann und wird aber irgendwann zu einer bösen Sache werden, denn eine schnelle Ultraschall-Erstuntersuchung (und dann bitte noch eine zweite in einem gewissen Abstand) sind Goldstandard für eine Traumaversorgung.

Davon ab: Wenn ich in die Leiste steche, um da Blut abzunehmen, kann ich in der gleichen Zeit (okay, mit Annähen zwei Minuten mehr) da auch einen dicken Zugang reinlegen. Doppelzwölf ahoi. Vorrausgesetzt es ist kein Bauchtrauma natürlich ;)