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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Atemnot



RS-USER-Katja
12.07.2007, 21:05
Eure Alarmmeldung ist Atemnot weiblich bei Meier in der Woauchimmerstraße 1234.
Zu Eurer Überraschung findet Ihr bei Betreten der Wohnung nicht die erwartete ältere Raucherin, sondern eine 24jährige junge Frau zusammen mit ihrer Mutter vor, im Nebenzimmer schreit ein Baby. Die junge Frau ist die Patientin.
Sie wirkt deutlich atemnötig, sitzt im Bett mit aufgestützten Armen. Atemfrequenz etwa 34.

Bitteschön :)

RS-USER-Blaumeise
12.07.2007, 22:04
Fragen um Fragen....

Vorerkrankungen?, Kürzliche Geburt? eigene Medis/Allergien?allg. Mobilität? Wie hat sich das Ganze zugetragen?-> Mutter

plötzliche Atemnot? (atemabhängige) Thoraxsz?- ?, Zyanose? Stridor?

Sp O2? Auskultation? BD/P/T?

so, das ist jetzt noch ziemlich unvollständig - habe jetzt leider keine Zeit mehr- ich überlasse das Feld jetzt anderen.

Lg Bm

RS-USER-Pyro
12.07.2007, 22:33
Dann wollen wir mal.

Erstmal artig vorstellen, und sich die Dame ansehen.

Dabei achte ich vor allem auf Anzeichen einer Zyanose oder eine Pfötchenstellung. Wie richt es den in dem Zimmer? Was liegen den hier so für Medikamente rum?

Als Fragen stelle ich:
Wie lange hat sie schon die Atemnot? Gab es einen Auslöser? Irgendwo Schmerzen oder Kribbeln? Schon einmal so etwas gehabt? Vorerkrankungen?

SpO2? RR? Puls? BZ?

Wenn eine Hyperventilation ausgeschlossen werden kann, dann kann man der Dame etwas Sauerstoff spendieren. Zu Anfang mal 4l/min, wenn das Pulsoxy mehr verlangt, dann soll sie das auch bekommen.

Wie alt ist das Baby? Bei einem Neugeborenen wäre es interessant ob es zu Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt gekommen ist.

Die Mutter der Patientin soll mal ihren Enkel abstellen, das Schreien stört meine innere Ruhe.:peace:

Bei der Gelegenheit kann der Kollege die Mutter im Nebenraum ein wenig zur Familiengeschichte befragen. Schwiegermütter wissen ja bekanntlich alles :D

pyro

RS-USER-Katja
12.07.2007, 22:43
SaO2 ist 94%, RR ist 100/50mmHg, Hf ist 120bpm. BZ 129

Keine Pfötchenstellung, das Zimmer ist sauber, keine Medis die herumliegen. Keine eindrückliche Zyanose, aber die Dame ist ehrlich gesagt sowieso sehr dunkelhäutig; immer schon, weil as Zimbabwe ;).

Sie ist ansonsten gesund, zwar leicht übergewichtig, aber sonst ist nichts bekannt. Keine Allergien, von denen sie wüßte.
Nein, sonst hat sie sowas ncoh nicht gehabt.

Das Baby ist 4 Tage alt. Sie hat seit der Geburt "irgendwie Beschwerden beim Luftholen" (vorher auch, aber da war sie ja schwanger), aber heute ist es viel schlimmer geworden, nachdem sie ein bißchen herumgelaufen ist mit dem Kind. Vorher hat sie sich nicht viel bewegt. Kompliakationslose Schwangerschaft, Hausgeburt. Ist das vierte Kind insgesamt.

Kein Stridor, aber feucht klingende RGs. Sie hustet oft.

RS-USER-Katja
12.07.2007, 22:46
Original geschrieben von Pyro

Die Mutter der Patientin soll mal ihren Enkel abstellen, das Schreien stört meine innere Ruhe.:peace:

Bei der Gelegenheit kann der Kollege die Mutter im Nebenraum ein wenig zur Familiengeschichte befragen. Schwiegermütter wissen ja bekanntlich alles :D

Oma kümmert sich also ums Kindelein, das schaut auch normal aus. Sie kann dazu nur sagen, daß ihre Tochter schon kurzatmig ist, was seit der Geburt aber ncht besser (wie erwartet), sondern schlimmer geworden ist. Nicht auf enmal, aber so nach und nach. Sie kann auch nur mit vielen Kissen unterm Kopf schlafen.

silver tabby
13.07.2007, 11:29
Beruhigen, Sauerstoff, Überwachung vitalzeichen, Auskultation (Herztöne?), Beine untersuchen (rot/ geschwollen, schmerzen?
Blutung vaginal? Schleimhäute (trocken, livide, blass?)
EKG (S1Q3?)

Mein erster Tip wäre LE mit rechtsherzversagen, zweiter versuch blutung.
Mal schauen...

RS-USER-Neal
13.07.2007, 12:00
Ich weiß, es ja nicht ob ich mich damit jetzt ein wenig weit aus dem Fenster lehne, aber vll. überreste eines SIH??

RS-USER-Brummel
13.07.2007, 12:05
Hm, bin ja nur San-C'ler, aber kann es sich dabei nicht evtl auch um eine Lungenembolie handeln, die noch relativ gut (zumindest von der Sättigung her) kompensiert ist?

Frage als was bin ich eigentlich da? Und ist das NEF/NAW auch alarmiert, ansonsten das mal schnell nachalarmieren.

Asthma schließ ich mal aus, da es ja schon so lange geht, ausserdem die Atemgeräusche.

Puls geht ja auch in die Richtung angestrengtes Atmen bei schlechtem Gasaustausch und die bemerkung mit der wenigen Bewegung ist da doch auch symptomatisch, oder irre ich?

Dann würde ich auf jedenfall mal unaufällig Absaugung, Beatmung, Intubation, Zugang richten.

Geduldsbalken-Träger
13.07.2007, 13:17
Hallo!

Ich gehe mal einfach davon aus, dass wir der RTW sind - und die Leitstelle bei Meldebild "Atemnot" das NEF direkt dabei packt...

Ich würde aufgrund der genannten Umstände mich dem Verdacht der (noch) gut kompensierten Lungenebolie anschliessen - vermutlich hat die Gute ein nicht zugewachsenes Foramen Ovale (Loch in der Herzwand - schreibt man das so?).

Findet sich vielleicht ein Hinweis im Mutterpass, was die Atemnot angeht? Keine Ahnung ob sowas eingetragen wird...

Ich wäre auf jedem Fall der Ansicht, dass wir die Pat. zügig in den RTW packen und solange sie unter O2 stabil ist, dem NEF entgegenfahren.
Intubationsbereitschaft kann nicht schaden - ansonsten zusehen, dass man wegkommt.

RS-USER-Neal
13.07.2007, 13:20
Ich finde die Idee Mutterpass sehr gut. Bei der Intubationsbereitschaft gehe ich auch mit. Mal eine andere ganz doofe Frage wie sieht es denn mit dem Sprachverständnis aus, weil wegen aus Zimbawe... Sonst die Mutter der Patientin noch einmal interviewen...

RS-USER-Katja
13.07.2007, 17:58
Sie spricht hervorragend deutsch, sie ist hier geboren :)

NEF kommt.

Unter 8l O2 geht die SaO2 auf 99% hoch.
Herz: SR im EKG, 2-3/6 Systolikum mit PM über Erb. Kein S1Q3, aber leicht erhöhter Sokolov-Index. Linkstyp.
Skleren sind rosig, Kapillarfüllung etwas langsam, kein Anhalt für Blutung nach außen.
Temperatur 36,4°C

Der Mutterpaß gibt nichts her, aber mitnehmen schadet nicht :)

RS-USER-Daniel1979
13.07.2007, 18:37
RGs, progrediente Atemnot, Oberkörper hoch zum schlafen klingt im ganzen nach Herzinsuffizienz mit Lungenödem.

Also Anamnese vervollständigen: Dicke Beine, nächtliches Wasserlassen, kardiale Vorerkrankungen, positive Familienanamnese? Ist eine Ursache für das Herzgeräusch bekannt? Fortleitung in die Carotiden oder die Axilla.

Wenn ich mich recht erinnere neigen Herzinsuffiziente Frauen post partum zu einer deutlichen Verschlechterung, vieleicht liegt ja eine jetzt dekompensierende Mitralinsuffizienz vor.

PE sollte man natürlich im Hinterkopf behalten, erklärt aber nicht wirklich die RGs (sind die eigentlich auf beiden Seiten?) und das Systolikum.

Also erstmal Lasix i.v., Morphin gegen die Atemnot, Nitro scheidet bei dem DRR eher aus.
Wenn technisch möglich CPAP, bei weiterer Verschlechterung auch Intubation.

Als Zielklinik würde ich ein Haus mit ordentlicher Kardiologie anstreben, Herzchirurgie wäre natürlich noch besser wenn in vertretbarer Entfernung, vieleicht liegt ja ein nur operativ zu behebendes Problem vor.

RS-USER-apoplex
13.07.2007, 18:57
Spätestens bei den vielen Kissen unter dem Kopf klingelt auch das kardiale Glöckchen bei mir.


Ich würde aufgrund der genannten Umstände mich dem Verdacht der (noch) gut kompensierten Lungenebolie anschliessen - vermutlich hat die Gute ein nicht zugewachsenes Foramen Ovale (Loch in der Herzwand - schreibt man das so?).
Ein Thrombus aus der unteren Extremität landet auch ohne Loch in der Lunge.

Was du mit dem offenen Foramen meinst, ist die paradoxe Embolie und beschreibt ein Geschehen, bei der ein Thrombus aus z.B. Bein statt wie üblich in die Lunge in den Körperkreislauf kommt und beispielsweise einen arteriellen Verschluss einer Extremität, Mesenterialinfarkt oder Apoplex auslöst (vgl. Emergency Room, Schlaganfall bei "Ames gegen Kovac" :D )

RS-USER-Katja
13.07.2007, 19:21
Original geschrieben von Daniel1979

Also Anamnese vervollständigen: Dicke Beine, nächtliches Wasserlassen, kardiale Vorerkrankungen, positive Familienanamnese? Ist eine Ursache für das Herzgeräusch bekannt? Fortleitung in die Carotiden oder die Axilla.

Wenn ich mich recht erinnere neigen Herzinsuffiziente Frauen post partum zu einer deutlichen Verschlechterung, vieleicht liegt ja eine jetzt dekompensierende Mitralinsuffizienz vor.

Sie war immer gesund, sie hat keine kardiale Vorgeschichte. Da fast alle schwangeren Frauen zum Ende der Schwangerschaft hin Wasser einlagern: Ja, dicke Beine im letzen Monat im Vergleich zu sonst. Ähnliches gilt für das nächtliche Wasserlassen ;) Aber weg ist es noch nicht - nun, die Geburt ist noch keine Woche her, sagt sie.

Die RGs sind beidseitig. Das Systolikum wird nicht in die Karotiden oder die Axilla fortgeleitet.

Familienanamnese ist laut Frau und ihrer Mutter nur Diabetes bei ihrem Vater, ein BronchialCA beim Opa und Herzinsuffizienz bei einer Oma bekannt.

CPAP ist technisch möglich - bei SaO2 von 99% unter 8l gewünscht? Wenn ja, mit welcher Einstellung?

Andere Medikamentenvorschläge? NEF-Doktoren ;) ?

PS: ja, Insuffizienzen (und auch Stenosen) aller Art dekompensieren gern nach Geburt, weil das Volumen, das in Plazenta und Uterus war, dann plützlich dem mütterlichen Kreislauf zugeführt wird, aber das ist ein Phänomen der ersten Stunden postpartum.

PPS: Hatte ich überlesen, aber Apoplex hat natürlich recht: Das "rechte" Herz schießt die Thromben in die Lunge, da braucht es kein offenes Foramen ovale. Das sorgt vielmehr für Hirninfarkte oder sonstige Organinfarkte, weil durch das Foramen Thromben oder sonstwas in den Körperkreislauf gelangen können.

RS-USER-Elektro-Dengel
14.07.2007, 10:39
Da ich ein Freund von Schüssen ins Blaue bin, werf ich jetzt einfach mal den Begriff HOCM in die Runde. Wenn mir das Probleme mit den Klappen macht, hab ich eine Erklärung für die Insuff und das Systolikum. Und der Linkstyp bei so ner jungen Pat. würde auch dazu passen.

RS-USER-Katja
15.07.2007, 20:55
Scheint ja nichts weiter zu passieren, also löse ich mal auf:

Ja, sie hat tatsächlich ein beginnendes Lungenödem bei Pumpversagen des linken Herzens. Das ganze nennt sich Peripartale Cardiomyopathie (PPCM) oder Schwangerschaftsassoziierte Cardiomyopathie und ist im Endeffekt eine Ausschlußdiagnose, wenn die üblichen Gründe für eine Cardiomyopathie nicht vorliegen und die Patientin schwanger ist oder kürzlich schwanger war.

Die Inzidenz soll irgendwo um 1:4000 bei Lebendgeburten liegen, die Risikofaktoren scheinen Mehrlingsschwangerschaft, Multiparität, schwarze Hautfarbe und evtl. Präeklampsie zu sein, hohes und niedriges Alter der Mutter werden genau so genannt wie Übergewicht (in anderen Worten: Man weiß es nicht). Es ist auch unklar, ob der Krankheit ein unerkannter Herzfehler zu Grunde liegt oder ob es eine ieigenständige, irgendwie mit der Schwangerschaft assoziierte Erkrankung ist (Infektion, Immunsuppression...).
PPCM kann sowohl während der Schwangerschaft - dann wird zur zügigen Entbindung geraten - als auch mit der Geburt als auch einige Wochen nach Geburt des Kindes auftreten.

Behandlung läuft genau so wie bei jeder Herzinsuffizienz auch (Lasix etc. war also nicht übel :) ), viele Frauen erholen sich über ein paar Jahre komplett wieder (etwa die Hälfte), man sieht aber teils auch welche, die mit einer EF von 15% plötzlich durch's Leben kommen müssen. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei über 90%. Das Risiko in weiteren Schwangerschaften ist davon abhängig, wie weit sich die Frau wieder erholt hat (20% für die, die sich wieder auf normale EF erholt haben, 50% bei denen, die mit eingeschränkter Herzleistung die nächste Schwangerschaft angegangen haben - dann auch mit einer Mortalitätsrate von etwa 15%).
PPCM ist leider etwas, das relativ unbekannt ist und daher oft nicht oder spät diagnostiziert wird. Aufhorchen lassen sollten einen Husten und Atemnot bei den ansonsten ja doch meist jungen, gesunden Patientinnen, die Klage, daß alltägliche Verrichtungen plötzlich nicht mehr geschafft werden können, weil die Kraft fehlt und schlußendlich dann auch Atemnot und Ödeme.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und verweisen auf weitere Folgen der Sendereihe ;)