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Dr.Benni-Baer
24.07.2007, 11:38
Werte Rippenspreizer,

wie bereits angekündigt möchte ich dieses Forum nutzen ein paar typische Kindernotfälle mit Euch zu beleuchten. Da ich in Oberhausen in der Kinderklinik auch die Notfallambulanz mitbetreue treffe ich immer wieder auf sich wiederholende Ereignisse und Paniksituationen. Uns allen rutscht das herz ja umso schneller in die Hose, je jünger unsere Patienten sind. Demnach soll sich dieser Thread damit beschäftigen, wie man in Notfällen mit Kindern umgehen sollte!
Ich versuche so viel wie möglich mit einzubringen, bin aber auch guter Hoffnung, dass mir Andere tatkräfitg zur Seite stehen werden.:knuddel: D:-) :knuddel:

Ich beginne dann mal direkt mit einem Klassiker zum Warmwerden:
Eine Mutter hat den Notarzt gerufen, weil Ihr Kind (Mädchen, 7 Jahre) für ca. 15 Minuten ganz apathisch gewesen sei. Sie habe vor sich hin gestarrt und habe auf Ansprache nicht reagiert. Sie habe im Bett gelegen, da sie seit 3 Tagen eine Gastroenteritis habe. Die Mutter gibt ferner an, dass die Kleine ihre Arme ganz fest gemacht habe.
Bei Eintreffen deutlich schläfriges Kind. RR 110/65mmHg, Puls 100/min. Sättigung bei 98%.
Was tun?

RS-USER-Brummel
24.07.2007, 12:52
hm, für mich als einfacher Sani hört sich das nach einem Z.n. Krampfanfall an, vermutlich aufgrund von Wasser und / oder Salzverlusten aufgrund der Gastroenteritis an. Ich vermute mal der Notarzt gibt nach dem Blut für das Labor erstmal eine Elektrolytlösung. Vitalwerte sind ja erstmal ganz in Ordnung. Zur Abklärung natürlich ins Krankenhaus vorzugsweise in eins mit ordentlicher Kinderstation.
Ach ja, Betreuen und beruhigen beider Betroffener (Mutter & Kind) ist natürlich ganz wichtig.

RS-USER-Bärentöter
24.07.2007, 13:02
Original geschrieben von Brummel
Elektrolytlösung

pädiatrische Lösung, keine Voll-EL!
Schaut das Kind nach Exsikkose aus? Tiefliegende Augen und so? Die "harten Arme" sind eher nicht zerebral, sondern elektrolytbedingt.
Absolute Kinderklinikindikation!

RS-USER-Brummel
24.07.2007, 13:08
Entschuldigt mein unwissendes Fragen, aber wo liegt der Unterschied zwischen Voll Elektrolylösung und der Pädiatrischen?

RS-USER-Bärentöter
24.07.2007, 13:28
die für Erwachsene sind für Kinder zu hoch konzentriert und würden mehr schaden als nutzen.
Zur Not gibt man sie im Wechsel mit G5.

Dr.Benni-Baer
24.07.2007, 13:52
Also... Flüssigkeit klingt schonmal gut... Nicht zu viele Elektrolyte, bevor wir keine BGA haben klingt auch gut...

Unglücklicherweise hat das Kind keine klinischen Zeichen für Exsikkose. die Schleimhäute sind feucht, der Turgor ist gut gefüllt und auf Nachfrage gibt die Mutter an, dass Ihre Tochter auch gut getrunken habe und "nur" sechs Mal am Tag Durchfälle habe...

Aber:
was sollten wir ganz akut machen und messen? Sofort Zugang und in die Klinik? oder vorher noch was tun? und was sollte in der Klinik als Nächstes erfolgen?

PS: muss leider jetzt los, aber bin spätestens morgen früh wieder hier... evtl. sogar heute abend noch!

RS-USER-Brummel
24.07.2007, 14:29
Da fällt mir doch ganz akut noch der BZ auf, wie ist denn der?

RS-USER-Elektro-Dengel
24.07.2007, 14:38
Und ganz wichtig, Temperatur rektal!! Stichwort Fieberkrampf!
Gleich anschließend mal die Frage, ob das den schon mal vorgekommen is. Gibt genug Kinder die öfters nen Fieberkrampf schieben! Bei Bedarf dann Paracetamol geben. Aber vorher mal nachfrage ob Mami da nicht schon schneller war. Ich hatte letztens einen 11-jährigen mit ner saftigen Peritonitis 2 Tage nach Entlassung aus der Chirurgie (nach Appendektomie), den Mutti mit diversen 1000mg Benuron Zäpfchen vollgepumpt hat.

RS-USER-Medi-Fischi
24.07.2007, 19:16
Hui...da wart ihr schneller. Mich würd auch BZ und Temperatur interessieren.

RS-USER-Schädelspalter
24.07.2007, 22:05
Sofern beurteilbar bei einem hoffentlich leidlich kooperativen Kind, würde mich noch ein Meningismus und ein Blick in die Augen interessieren.
BZ und Temperatur wurden schon genannt.
Hauterscheinungen wären auch noch interessant und ein Blick in den Mund wegen Atemwegen, Erbrochenem usw.
Selbstverständlich bleibt das Kind nicht zuhause, Klinik mit Kinderabt. wäre gut.

Ich werfe mal 2 Gedanken zum Diskutieren in die Runde:
- Krampfanfall, postiktale Erschöpfung (das Kind war nicht ansprechbar, "harte Arme" klingt nach einem tonischen Krampf) entweder durch Fieber oder Elektrolytstörung (geht auch ohne Exsikkose)
- Meningitis, die Diarrhoe wäre dann nicht das Hauptproblem

Kolibris / Zebras können wir später noch abklopfen

krumel
24.07.2007, 22:19
Schädelspalter war schneller.
Ansonsten bitte ggf. noch vorgeschichte, sowas schon mal mal vorgekommen? Evtl. neurologische Riskofaktoren?
Hinweise auf Meningismus?

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
25.07.2007, 06:15
Zur Arbeitshypothese ist eigentlich schon alles gesagt.

Weiteres Vorgehen: Sollten die erbetenen Parameter Temp und BZ nicht in Ordnung sein, ggf. behandeln mit Glucose bzw Paracetamol supp. Ansonsten je nach Zustand Kind Zugang (bei stabilen, wachen und eh schon panischen Kindern verzichte ich schon mal auf den Zugang), Monitoring mit Pulsoxy und ab in die nächste Pädiatrie. Da ich kein Pädater bin betreibe ich bei Kindern wenn möglich ein klassisches Load-and-run.

Dr.Benni-Baer
25.07.2007, 12:31
Schönschönschön...

Also haben wir uns auf zwei Differentialdiagnosen eingeschränkt. Fieberkrampf, DD Elytentgleisung.

Sehr richtig. Die kleine war postiktal. Sie hat laut Anamnese früher schon einmal ein ähnliches Ereignis gehabt, aber das war nach ein paar Sekunden vorbei, so dass die Mutter nicht zum Arzt gegangen ist.
Temperatur: 39,9°C rektal. Die Mutter sagt, sie habe vor einer Stunde ein PCM supp gegeben (btw: FAUSTREGEL: bis zum vollendeten 6. Lebensjahr bitte nur 250mg, es sei denn der Patient ist wirklich groß und kräftig!!!). Kurz danach habe die Kleine aber Stuhl bgesetzt und jetzt weiß sie nicht, ob es wieder rausgekommen ist. Das war das Dritte 500mg supp an diesem Tag (in 24h) bei einem Körpergewicht von 23kg.
Der Blutzucker liegt bei 98mg%.
Langsam klart die Patientin auf, kann sich an das Ereignis selber nicht erinnern, ist sonst neurologisch soweit beurteilbar bei der Temperatur aber unauffällig.

Was nun? Fieber senken? Sofort los? Andere Medikamente geben?

Xaxis1
25.07.2007, 14:30
Ich denk dass das Paracetamol überdosiert ist und unangenehme Wirkungen freisetzt...

RS-USER-Elektro-Dengel
25.07.2007, 14:44
Original geschrieben von Xaxis1
Ich denk dass das Paracetamol überdosiert ist und unangenehme Wirkungen freisetzt...

Da ich ja (wie schon erwähnt) erst kürzlich damit zu tun hatte, hab ich mal eben die lebertoxische Dosis des PCM auswendig parat. Die beträgt nämlich 150mg/kgKG (hatte vorher auch nur die 8g beim Erwachsenen als grobe Marke im Kopf). Bei 23 kg wären das also 3450 mg. Da sind wir mit 3x 500 mg noch drunter.

Wenn ich den begründeten Verdacht hab, dass der Großteil dessen, was Mami gegeben hat, sich den Weg schon wieder nach draussen gebahnt hat, könnte man nochmal was geben (soll aber mal der Doc entscheiden).

RS-USER-Schädelspalter
25.07.2007, 22:05
Fieber senken kann man übrigens auch mit Metamizol. Bei oraler oder rektaler Verabreichung bei Erwachsenen habe ich übrigens noch nie eine der berüchtigten Blutdrucksenkungen gesehen (und wir schütten das Zeug hier hektoliterweise aus ;) ), bei i.v.-Gabe schon.
Ich weiß nur nicht, ob Metamizol (z.B. Novalgin) im Koffer oder der Hausapotheke ist.
39.9°C sollte man so nicht lassen, wenn es dem Kind dabei relativ gut geht und es Kontraindikationen für eine Fiebersenkung gibt (z.B. schon zuviel PCM im Kind), kann man es wohl vertreten, zügig in eine Klinik zu fahren. Dann hätte ich aber auch gern einen Zugang oder wenigstens eine Intraossärnadel bereitgelegt.
Die Sepsiskriterien bei Erwachsenen kann ich sofort aufzählen, wenn man mich um 3 Uhr nachts aus dem Tiefschlaf holt, bei Kindern sind die aber nicht so ohne Weiteres anwendbar (deshalb bin ich für solche Beiträge im Trainingscenter sehr dankbar)

Dr.Benni-Baer
26.07.2007, 00:02
Also mal ganz wichtig: Ich bitte darum NICHT AN DIE TOXISCHE GRENZE HERANZUTHERAPIEREN! Als Faustformel sollte gelten: MAXIMAL 100 mg/kgKG pro Tag...

Metamizol zur Fiebersenkung klingt als Alternative gut! Gibt es ja auch im NAW... was sonst noch sehr gut vertragen wird ist Ibuprofen! Haben viele Eltern auch zuhause... Ansonsten ist die Kurze nicht exsikkiert, deshalb sollte es mit einem Zugang funtkionieren! ;)

So... stellen wir uns vor, wir haben es bis in die Klinik geschafft und die Patientin ist wieder völlig klar.

Was könnte und sollte man denn in der Notfallpraxis und ggf. Klinik danach mit Ihr anstellen? Andere Medikamente? Weitere Diagnostiken?

RS-USER-Katja
26.07.2007, 01:04
Fieber senken mit den genannten Medis, Ursache des Fiebers finden und behandeln.
Externe Kühlung (Ommas Wadenwickel ;) ) bringt die Temperatur auch runter, Flüssigkeit wird sie bei der Temperatur brauchen, wenn sie gut trinkt fein, dazu iv-Gabe nach Bedarf.

Zur Überwachung dabehalten, Eltern aufklären (Fieberkrampf kann wieder auftreten, Notwendigkeit des frühzeitigen Senkens von Fieber bei Kindern mit vorausgegangenem Fieberkrampf), Bedenken zum Thema Epilepsie ausräumen, denn die Frage kommt nach Fieberkrampf immer :)

Ich kenne Pädiater, die am liebsten jedes dieser Kinder ins MRT legen würden, ich kenne Pädiater, die beim zweiten Fieberkrampf die Epilepsie-Diagnostik anwerfen... was Standard ist, weiß ich aber nicht, weil ich die Kids dann aus den Augen verliere.

Frage: Ist die Kleine mit 7 nicht schon fast ein bißchen "alt" für ein typisches Fieberkrampf-Kind?
Und gebt ihr da wirklich Pädi-Lösungen? Das ist doch kein Säuger... und nach dem, was Du schreibst, ist sie ja nicht völlig trocken wegen 3 Tagen Gastroenteritis, sondern gut beeinander abgesehen vom Fieber und vom Fieberkrampf.

Dr.Benni-Baer
26.07.2007, 10:17
Es muss natürlich keine Päd-Lösug sein... Eine Ringer tut es auch... Und - liebe Katja - Du hast allen Nägeln die Köpfe platt gehauen!

Ja, dabehalten und überwachen.

Ja, Ursache des Fiebers sicher abklären und wie beschrieben therapieren.

Ja, die Patientin ist tatsächlich per definitionem ein wenig zu alt für einen Fieberkrampf. Dennoch hatte sie einen. Alle Krämpfe bei Fieber von Kindern zwischen einem und sechs Jahren, die nicht länger als 15 Minuten dauern werden als unkompliziert bezeichnet. Eine Indikation zur Bildgebung ist da bei Erstauftreten nicht zwingend empfohlen. Im fieberfreien Intervall (mittlerweile wird nicht mal mehr das FIEBERFREI unbedingt benötigt, macht die Diagnostik aber einfacher) wird ein ambulantes EEG durchgeführt - kann ja durchaus sein dass eine Veranlagung zur Epilepsie besteht, die durch das Fieber getriggert wurde.
In unserem Fall haben wir durch die Dauer und das Alter der Patientin einen zweifach "grenzwertig" komplizierten Fieberkrampf. Wir würden die Patientin beim Pädneurologen vorstellen und in Absprache mit ihm ggf. doch noch weitere Diagnostik betreiben... hängt dann vom Einzelfall ab - und dem Chef!;)

Als letzte Frage bleibt noch folgende: Prophylaxe mit Diazepam oder nicht?

RS-USER-Schädelspalter
26.07.2007, 20:56
Original geschrieben von Dr.Benni-Baer
Als letzte Frage bleibt noch folgende: Prophylaxe mit Diazepam oder nicht?
Als Pädiatrie-Stümper würde ich das davon abhängig machen, wie gut sich das Fieber senken läßt.
Mein Vorschlag: Blutkultur, Metamizol Supp (wieviel? vielleicht so 250mg?) und dann ein Penicillin mit Lakamasehemmer evtl. mit einem Makrolid.