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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : KINDERNOTFÄLLE 2



Dr.Benni-Baer
26.07.2007, 23:34
Also:
Eine Mutter will das Krankenhaus direkt nach der Entbindung mit Ihrem Neugeborenen verlassen... Sie wolle zum Kinderarzt gehen und dort die Vorsorgeuntersuchung vornehmen lassen... Kurz bevor sie geht werdet Ihr zu einem kurzen "Alles-in-Ordnung-Check" gerufen.
Befund: leicht dunkles Hautkolorit, wirkt ein wenig hypoton (Muskeltonus), 2/6-Systolikum (ist recht häufig bei Neugeborenen).
Was sollte man noch machen, bevor man die Mutter gehen läßt?
Kleiner Tipp: Natürlich versteckt sich da was...:D... Und kommt aus dem echten Leben!

RS-USER-Bärentöter
27.07.2007, 09:19
Original geschrieben von Dr.Benni-Baer
leicht dunkles Hautkolorit,

gelblich?

Dr.Benni-Baer
27.07.2007, 12:01
Ist ein Kind türkischer Eltern und somit etwas dunkleres Kolorit... Irgendwie kann man schlecht unterscheiden ob gelblich oder doch etwas livide. Bei der Untersuchung macht das Kind auch nicht so richtig mit, reflexe funktionieren, jedoch wird der Zwerg einfach nicht ganz wach.

RS-USER-fruehgriller
27.07.2007, 21:03
Ich probiers mal, mehr als blamieren kann ich mich ja nicht;)

Wie sieht denn die Mama aus??? Adipös??? Irgend ein Anhalt auf "Zuckerbaby" d.h. Diabetes von Mama "geerbt"???
BZ ok???

Sättigung??? Atmet das Kind evtl nicht ausreichend genug?? Evtl ein Pulmonales Problem?
Atemgeräusche??? Wenn ja welche?

Ansonsten die von Bärentöter angesprochene Gelbsucht ist auch ne gute Idee.

Dr.Benni-Baer
27.07.2007, 22:32
Original geschrieben von fruehgriller
Ich probiers mal, mehr als blamieren kann ich mich ja nicht;)



Eben... und das läßt sich ja schonmal ganz gut an:

Mutter ist tatsächlich etwas adipös, erster Blutzucker des Kindes ist bei 63mg% (für ein NG ist das nicht schlcht!!!) Kein Diabetes in der Anamnese.

Sättigung ist eine sehr gute Idee: 73%, stabil. Pulmo-Befund: seitengleich und gut belüftet, keine Rasselgeräusche... Kind atmet gut und ruhig...

Aber der Weg ist schonmal eingeschlagen! Auf jeden Fall stationäre Aufnahme! Und was weiter?

:knuddel:

RS-USER-Schädelspalter
27.07.2007, 23:44
Auskultation des Herzens muß sein, obwohl das bei den Kleinen nicht so einfach ist.
Echokardiographie und BGA sollten uns auch noch weiterhelfen.

BTW:
es wäre m.E. besser, die Kindernotfälle zu numerieren und für jeden Fall einen Thread aufzumachen, das wird sonst unübersichtlich.

RS-USER-fruehgriller
28.07.2007, 13:53
Danke Herr Präsident:D

Herzaktionen wäre auch mein nächster Schritt gewesen.

Ist das Septum geschlossen?? (ist ductus der richtige Ausdruck??)

Also Sono, bzw Echo vom Herz.

Als Primärtherapie (SpO² von 73%!!!) O² & evtl Intubation

RS-USER-Katja
28.07.2007, 15:44
Original geschrieben von fruehgriller

Ist das Septum geschlossen?? (ist ductus der richtige Ausdruck??)

Jetzt wird er kompliziert :D Das Vorhofseptum (bzw. das Foramen ovale) ist in dem Alter wenn dann nur funtionell verschlossen, soll heißen es wird durch die Flußrichtung des Blutes und die Druckverhältnisse geschlossen gehalten, ist aber nicht zugewachsen.
Der Ductus Botalli ist in dem Alter ebenfalls noch nicht endgültig zu, sondern nur "zusammengezogen" und kann sich auch bei sonst herzgesunden Kindern unter unglücklichen Umständen (Hypoxie) wieder öffnen. Oder an sich offen bleiben, wenn ein Herzfehler es so "vorgibt" - oder medikamentös offen gehalten werden, wenn ein Pädiater es so vorgibt ;)

Das dunkle Hautkolorit beschränkt sich bei Babys ja glücklicherweise auch auf die Haut... wie sehen die Skleren aus, die Augäpfel, wie sieht das Nagelbett aus, wie die Mundschleimhaut?

Intubieren würde ich den Zwerg nicht, wenn er streßfrei atmet - wenn sich da ein Vitium versteckt (wonach es aussieht), kann ich ihn je nach Vitium durch Wegnehmen des peripheren Widerstandes bei Narkoseeinleitung sauber umbringen... und die SaO2 würde eh nicht besser werden. Bißchen Sauerstoff vorlegen ist mir lieber, auch wenn es hier wohl "Laborkosmetik" ist, wenn der Kleine entspannt atmet. Ggf NasenCPAP, das geht ohne Narkose ;)
Apropos Widerstand, ändert sich was, wenn der Kleine schreit oder wenn man ihm die Beine in den Bauch drückt?

Wie schlapp ist der denn? Trinkt er gut, wenn er trinkt? Turgor?

Herzecho. Ich bin nicht gut im Hören kindlicher Vitien - da fällt die 58%ige Hörminderung dann doch ins Gewicht...
Und wie nah sind die Eltern verwandt?
Sonstige Stigmata? Trisomie 21?

RS-USER-gnuff
28.07.2007, 16:35
wegen der schon angesprochenen Übersichtlichkeit habe ich mal getrennt, ich hoffe das findet die Zustimmung von El Presidente...

RS-USER-Katja
29.07.2007, 05:16
Sehr gute Idee :)
Ich schiebe mal noch ein paar Differentialdiagnosen hinterher, die ich eher unwahrscheinlich fand:
Zwerchfellatresie ist bei entspannt atmendem Kind und seitengleichen Atemgeräuschen unwahrscheinlich.
Ähnliches gilt für für meisten Lungenfehlbildungen oder die häufigeren Formen der Broncho-oesophageale Fistel - wenn die einmal getrunken haben, fällt das in der Regel schon auf, weil die Milch nicht im Magen landet, sondern in der Lunge.

Etwas aus der Kategorie Sichelzellanämie o.ä. würde uns eine normalere Sättigung zeigen.

Nebenbemerkung: Für eine "normale Säuglingsgelbsucht" ist es am ersten Tag nach Geburt oder am Tag der Geburt noch ein bißchen früh, da fängt der Umbau der Hämoglobine doch erst an... oder erinnere ich mich da falsch?

Was mich für meine persönliche Verdachtsdiagnose ein bißchen stört, ist das "normale" Systolikum... ist da nichts anderes zu hören?

Dr.Benni-Baer
29.07.2007, 06:41
Oha... Ein ganzer Haufen Thesen die es zu kommentieren gibt. Vorneweg: ja, natürlich gibt es miene Zustimmung! Danke Gnüffchen! :D

Zweitens: Copy and Paste was die Aussagen unserer werten Katja angeht.

Ein paar wichtige Informationen zu unserem Kind werden also eingefordert:
Mehr als ein Systolikum können wir aktuell nicht hören... Leise ist es aber bei genauerem Zuhören nicht. Korrekt ist, dass man bei einer konstanten Sättigung von über 70% bei einem Neugeborenen nicht sofort einen Tubus plazieren sollte. Tatsächlich handelt es sich bei dem vorliegenden Fall um ein kardiales Problem - aber auch eine Sepsis hätte ein ähnliches Bild machen können... [Ein Echo wäre hier sehr gut - unglücklicherweise ist dem Kollegen grade sein Kaffee über das Sonogerät gelaufen und wir müssen noch etwas warten, bis die Internisten Ihr Sono "kindertauglich" gemacht haben...:D]

Was machen wir in der Zwischenzeit? Wir nutzen die uns weiteren möglichen Untersuchungsmethoden:
Der Kleine hat nicht miteinander verwandte, türkische Eltern, äußerliche Stigmata finden sich nicht. Er trinkt momentan 6 x 20 ml Muttermilch bei einem Geburtsgewicht von 2655g in der vollendeten 38. Schwangerschaftswoche. Die Schliemhäute sind livide, wie die Haut, und feucht. Turgor gefüllt.

An welche kindertypischen Differentialdiagnosen denkt Ihr? [kleiner Tipp: wenn die Mutter das Kind mit nach Hause nimmt, wird sie in 3-4 Tagen wiederkommen... dann mit NAW, wahrscheinlich unter Reanimationsbedingungen.]

PS: Ein Neugeborenenikterus wäre in diesem Falle in der Tat nicht "NORMAL". In jedem Falle müßte man hier genauer nachsehen - ich denke in einem späteren "Notfall" werden wir uns mal darum kümmern, ok?

RS-USER-Schädelspalter
29.07.2007, 09:57
Spricht etwas dagegen. dass die Sättigung so in etwa plausibel ist? Mit Methämoglobinbildnern hat das Kind wohl niemand behandelt, oder? Zentralisation?
Was für Medikamente hat die Mutter denn vor der Entbindung genommen, von denen wir vielleicht noch nichts wisen? NSAIDs vielleicht? Irgendwas Pflanzliches, das trotzdem in die Prostaglandinsynthese eingreift?
Bis der Internist die Sache klärt (dazu gibt es sie ja ;) ), hätte ich auch gern ein EKG.


Eine zentrale Zyanose (sieht man an den Schleimhäuten) kann verschidene Ursachen haben:
- erhöhte periphere Sauerstoffausschöpfung (z.B. im Schock jeglicher Genese), Fieber hat das Kleine aber wohl nicht, RR & Puls sind ja hoffentlich o.K..
- die Lunge nimmt nicht genug Sauerstoff auf, z.B. bei Pneumonien oder irgendwelchen Diffusionshindernissen.
- es wird Blut an der Oxygenierung vorbeigeschleust, z.B. bei Vitien oder einem Perfusionsausfall der Lunge (z.B. Embolie)
Letzteres scheint am Wahrscheinlichsten.
Angenommen, die großen Blutgefäße sind am richtigen Platz und es gibt keine zusätzlichen "Kurzschlüsse" aber der Druck im Lungenkreislauf wäre höher als im "großen Kreislauf", dann würde der Ducus arteriosus und wahrscheinlich auch das noch nicht verschlossene Foramen Ovale Blut an der Oxygenierung von "rechts" nach "links" vorbeibringen (bei normalem Druck im Lungenkreislauf ergibt sich ein Links-Rechts-Shunt mit Kreislaufbelastung aber nicht typischerweise eine Zyanose).
Angenommen, die großen Gefäße liegen richtig, aber es gibt eine Vermischung arteriellen und venösen Blutes durch einen großen Septumdefekt (oder einen gemeinsamen Ausflußtrakt, der sich später erst in Aorta und Pulmonalarterie trennt). Dann sollte man mehr hören können als "nur" ein 2/6 Systolikum, wobei Shunts sehr leise sein können, vor allem wenn sie groß sind.
Angenommen, die Aorta und A.Pulmonalis entspringen nicht regelrecht aus den Ventrikeln. Bei einer kompletten Transposition (Aorta aus dem rechten Ventrikel) hätte man quasi 2 getrennte Kreisläufe und das Kind wäre nur bei einem großen Shuntvolumen lebensfähig; der Shunt muß so groß sein, dass oxygeniertes Blut nicht sofort wieder in die Lunge gepumpt wird, sondern in ausreichender Menge (vermischt mit nicht oxygeniertem Blut) in den großen Kreislauf geschwemmt wird. Das Foramen ovale bleibt offen und der offene Ductus arteriosus erhöht das Shuntvolumen, oft liegt zusätzlich ein Ventrikelseptumdefekt vor. Wenn sich der Ductus schließt, gibt es ein Problem...
Ein ähnliches Prinzip gilt bei den Störungen der Fallot-Gruppe. Auch hier gibt es durch falsch angelegte oder "verschobene" große Gefäße und zusätzliche Shunts eine Zyanose.

Dr.Benni-Baer
29.07.2007, 10:52
Original geschrieben von Schädelspalter

Angenommen, die Aorta und A.Pulmonalis entspringen nicht regelrecht aus den Ventrikeln. Bei einer kompletten Transposition (Aorta aus dem rechten Ventrikel) hätte man quasi 2 getrennte Kreisläufe und das Kind wäre nur bei einem großen Shuntvolumen lebensfähig; der Shunt muß so groß sein, dass oxygeniertes Blut nicht sofort wieder in die Lunge gepumpt wird, sondern in ausreichender Menge (vermischt mit nicht oxygeniertem Blut) in den großen Kreislauf geschwemmt wird. Das Foramen ovale bleibt offen und der offene Ductus arteriosus erhöht das Shuntvolumen, oft liegt zusätzlich ein Ventrikelseptumdefekt vor. Wenn sich der Ductus schließt, gibt es ein Problem...


Astrein mein Herr! Ein ganzer Haufen tadelloser Argumentationen... Und siehe da: Das Echo funktioniert wieder und zeigt uns eine TGA (Transposition der großen Arterien). In den ersten Lebenstagen fällt das nicht unbedingt auf. Die Kinder sind auch verhältnismäßig unauffällig, solange der Ductus sich nicht schließt - im Mutterleib müssen sie ohnehin 9 Monate mit einer Sättigung zwischen 60 und 70% auskommen... das kennen die Zwerge also. Nach ein paar Tagen sinkt aber der Prostaglandinspiegel im Blut, so dass sich der Ductus zusammenzieht! Somit kennen wir auch die wichtigste Primärtherapie: Prostaglandine! Nächster Schritt ist die zügige Verlegung in eine (Kinder-)Kardiochirurgie und eine folgende Switch-OP mit Austausch der großen Arterien und Verschluss der Vitien... Sehr gut! Kind gerettet!
(Btw: Es heißt korrekterweise nicht Ductus arteriosus BOTALLI... der hat ihn nur in einen Atlas gemalt... der Kinderkardiologe grummelt sonst!:D)
Fall ist tatsächlich passiert - in unserem Haus! Das Kind lag nicht in der normalen geburtshilfe weil 12 kinder an einem tag geschlüpft sind, sondern auf der "Normalen" Gyn und die Mutter wollte unbedingt vorzeitig heim... Gott sei Dank haben die Schwestern auf einem pädiatrischen Konsil bestanden! D:-)

RS-USER-emergency doc
29.07.2007, 11:24
Original geschrieben von Dr.Benni-Baer
...wenn die Mutter das Kind mit nach Hause nimmt, wird sie in 3-4 Tagen wiederkommen... dann mit NAW, wahrscheinlich unter Reanimationsbedingungen....

Aber dann versteh ich DAS nicht... wenn der Ductus sich verschließt ist das Kind doch praktisch verloren... Reanimation nützt nix und so schnell kann man die Gefäße doch auch nicht transponieren oder? Wer hat schon das Glück, als Notarzt eine Kinderkardiochirurgie um die Ecke zu haben...

:confused:

Dr.Benni-Baer
29.07.2007, 12:14
Richtig... Chancen hat das Kind dann kaum mehr... es sei denn es hat noch weitere Vitien... Nicht desto trotz wird wohl ein Jeder versuchen zu reanimieren... Dass dies hier wohl erfolglos geblieben wäre stimmt leider!

RS-USER-fruehgriller
29.07.2007, 12:44
Original geschrieben von fruehgriller
Ich probiers mal, mehr als blamieren kann ich mich ja nicht;)


Na, dann habe ich mich ja doch nicht so sehr in die Nesseln gesetzt als übergeleiteter;)

Cardiales Problem habe ich ja vermutet, das es allerdings ein "Fehlanschluß" der großen Gefäße ist, daran hätte ich erst später gedacht. Ist ja glaube ich recht selten.

Aber ich denke mal als RTW Besatzung vor Ort war die Arbeitsdiagnose brauchbar.

Mehr davon Herr Doktor!!!

Wenn das nächste Rätsel gelöst ist, hätte ich evtl auch einen Fall. Nix dramatisches, aber ein nicht sehr bekanntes Erkennungsbild unter Sanis.

RS-USER-Katja
29.07.2007, 14:47
Original geschrieben von Dr.Benni-Baer

(Btw: Es heißt korrekterweise nicht Ductus arteriosus BOTALLI... der hat ihn nur in einen Atlas gemalt... der Kinderkardiologe grummelt sonst!:D)

Der grummelt nicht mehr als der Anästhesist, wenn die Pädiater immer "PDA" für Persistierender Ductus Arteriosus hinschreiben und der Großteil der Medizinmänner was ganz anderes darunter versteht :D

Netter Fall :)

(auch wenn Du mit dem "in 3-4 Tagen unter Reanimationsbedingungen" es eigentlich verraten hast :-p - was für ein Glück, daß die Schwestern auf dem Konsil bestanden haben, sonst wäre das ein klassischer Fall von Durch-die-Lappen-gegangen gewesen *schwitz*)