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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kolloidale Infusionen und Niereninsuffizienz ?



RS-USER-Elektro-Dengel
19.09.2007, 17:49
Bei mir herrscht grade etwas Unklarheit, wie mit Kolloidalen Infusionslösungen bei niereninsuffizienten Patienten zu handhaben ist.

Ich hatte heute einen Einsatz bei einem Dialysepatienten (Pflegeheim) mit einer akuten oberen GI-Blutung. Sehr schwacher Puls, kein messbarer RR, Hb bei Aufnahme 7,0.

Der Kollege hatte die Idee, ihm ne HAES anzuhängen. Davon habe ich ihm allerdings aufgrund der Nierenprobleme abgeraten. Folglich hat der Pat. dann auch kein HAES bekommen, nach 1000ml Kristalloiden war der RR bei 100 syst. Der klinische Zustand besserte sich sichtbar.

Im KH haben wir dann mal nachgefragt. Der aufnehmende Arzt meinte, dass ein Dialyse Patient im Schock genauso zu behandeln sei, wie ein nierengesunder. Er hätte dem Pat. evtl. schon HAES gegeben.

Eben hab ich das ganze noch mal nachgeschlagen und festgestellt, dass das ganze scheinbar doch nicht so unproblematisch ist.

im M. Bastigkeits "Medikamente in der Notfallmedizin", S+K Verlag 6. Auflage, 2003 steht geschrieben, dass ein "Nierenversagen mit Oligurie oder Anurie" sehr wohl eine Kontraindikation für den Einsatz von HEAS darstellt. Ein "Nierenversagen mit Anurie" stellt eine Kontraindikation für den Einsatz von HyperHAES dar.

Beim HAES sei die Stärke (wird renal eliminiert) das Problem, beim HyperHAES das viele Natrium.

So und wer hat jetzt recht?

RS-USER-blacksheep
19.09.2007, 20:08
Nur mal kurz am Rande bevors ins Medikamentenfachliche geht ..

HAES als RA/RS? Versteh ich das richtig?

RS-USER-Katja
19.09.2007, 20:11
Erstmal ist das bei HyperHAES eine relative Kontraindikation... bevor der Patient das Zeitliche segnet, ist ein Therapieversuch mit HyperHAES sicher nicht kontraindiziert ;)

Dann zum Rest:
Die Frage beim Nierenversagen und Kolloiden ist immer de nach der Ursache. Ein akutes Nierenversagen wegen mangelnder renaler Preload (Patient ist intravasal leer) läßt sich sogar via Haes und Gela beheben...
Warum sind die Kolloide überhaupt eine Frage? Erstmal werden alle Kolloide (auch das in den USA aus mir unklarer Ursache geliebte Albumin) aus dem Primärharn resorbiert und in die Nierenepithelzellen eingelagert, was zur sog. osmotischen Nephrose führt. Das passiert auch bei Gabe von Mannitol oder Glucose und ist an sich reversibel. Die Reabsorption und damit die Einlagerung ist abhängig von der Menge Primärharn - soll heißen, man muß Kolloide besonders bei "trockenen" Patienten immer (!) mit genügend Kristalloiden kombinieren, um dieses Problem zu minimieren.
Dextrane machen eine Zunahme der Urinviskosität, die zu "Ausfällungen" in den Lumen der Nephrone führen kann, was dann einem zusätzlichen Strömungshindernis führen kann und eine Oligurie weiter verstärken kann; in geringerem Maß ist das auch für HES beschrieben, nicht für Humanalbumin oder Gela. Auch das gilt um so mehr, je dehydrierter der Patient ist.

HES kummuliert mit zunehmender Niereninsuffizienz (auch Dextran, nicht Gela, was auch biliär und über den Darm ausgeschieden wird). Deshalb sollte man in der Regel bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz die Gabe von hochsubstituierten HES-Präparate unterlassen (das wäre Voluven als höchstsubstituiertes HES-Präparat z.B.). Im Stadium der kompensierten Retention kann man nehmen was man will (Glaubensfragen außen vor gelassen und gewisse Operationen auch).

Sowohl HES als auch Dextrane lassen sich bei Anurie mit Hämofiltration eleminieren, mit Hämodialyse dauert es etwas länger, aber sie kommen auch raus. Das zu den dialysepflichtiegn Patienten.

Alles in allem muß man sagen, sind das Fragen die die Anästhesieführung und die Volumentherapie weit mehr umtreiben als die Rettung... denn wenn es um einmalige Gaben oder akut lebensbedrohliche Situationen geht, wird das alles ganz zügig wenig relevant.

Das Natrium im HyperHAES ist bei allen Patienten ein theoretisch bestehendes Problem, aber es gibt bisher meines Wissens keinen beschriebenen Fall mit wirklich aufgetretenen natriumassoziierten Problemen nach Gabe von HyperHAES. Es wird ja teils auch intraoperativ genutzt (HLM etc.). Auch hier gilt: Der Patient hat eh Dialyse, die kann angepaßt werden.

Zusammenfassung: Ich zumindest stimme mit dem Aufnahmearzt überein... ob wir recht haben, wissen wir aber erst in 20 oder 30 Jahren ;)

RS-USER-Elektro-Dengel
20.09.2007, 11:33
So, Katja... Musste deinen Post zwar 2 mal lesen, aber ich glaub jetzt hab ichs einigermaßen kapiert, danke schon mal!

@sheep:
Ich sag mal so....Wir habens ja schlussendlich nicht gegeben, daher stellt sich die Frage im Nachhinein nicht mehr. Bei uns wirds gemacht, aber ich will hier jetzt bitte keine Grundsatzdiskussion darüber!

RS-USER-Katja
20.09.2007, 14:10
Original geschrieben von Elektro-Dengel
So, Katja... Musste deinen Post zwar 2 mal lesen, aber ich glaub jetzt hab ichs einigermaßen kapiert, danke schon mal!

Sorry, mein Fehler, ich habe hier leider ein Kolloidmangelsyndrom und neige dann bei Gelegenheit dazu, darüber ins Schwallen zu kommen... :-blush

RS-USER-Feife
20.09.2007, 14:23
Original geschrieben von Katja
...auch das in den USA aus mir unklarer Ursache geliebte Albumin

Gab neulich eine Fortbildung zu dem Thema bei uns.
Albumin wird in den USA so geschätzt, weil es im Gegensatz zu den synthetischen Kolloiden als "klinisch sicher" gilt. Es gibt große Studien die die Langzeit-Überlebensrate nach Anwendung von synthetischen Kolloiden (HAES, Voluven, Gelafundin) und Albumin vergleichen. Die synthetischen Kolloide verbessern wohl deutlich das 3-5 Tage Outcome, aber haben danach einen negativen Einfluss, während Albumin initial nicht so "deutlich" das Outcome verbessert, aber dafür langzeit (30/60/90) Tage keine negativen Auswirkungen hat.
Kritisiert wird in dieser Studie u.a. dass zum Beispiel die endgültige Elemination bestimmter Stärken ungeklärt ist.

Die Studien die aufgeführt wurden waren große, randomisierte, multizentrische Studien. Ich suche jetzt gleich mal den Namen der Studien

Edit:
Vermutlich ist der Streit über Albumin vs. synthetische Kolloide nur eine Fortsetzung der Kolloid vs. Kristalloid-Debatte.
Wie auch immer, die Studien die hier relevant scheinen:
Die große Studie ist die SAFE study (http://www.mja.com.au/public/issues/181_05_060904/fin10425_fm.html), die in Australien lief nachdem wohl verschiedene andere Studien Albumin eine erhöhte Mortalität zugeschrieben hatten (welche Studien das nun wieder waren weiß ich nicht).
Im BMJ (http://www.bmj.com/cgi/content/full/316/7136/961) ist eine systematische Rezension diverser K vs. K Studien veröffentlicht worden, die Kolloiden eine 4% höhere Mortalität zuschreibt.

RS-USER-Katja
20.09.2007, 20:57
Wenn wir das tatsächlich diskutieren wollen, sollten wir uns mal auf'n Kaffee treffen, denn diese Diskussion sprengt locker den Rahmen des Forums, da kann ich ein Faß zu aufmachen :D

RS-USER-Feife
21.09.2007, 15:54
Ich hatte es vermutet... darum die Vorwarnung dass diese alles-ausser-Albumin-Hass mehr eine Fortsetzung der anderen Debatte ist. Und woher ich das weiß? Der OA, der diese Fortbildung gehalten hat, hat auch ein paar Fässer im Keller stehen.

Wir arbeiten hier im Prinzip nur mit Gelafundin und Kristalloiden (hier bevorzugt Ringer/Hartmann's). Ich habe Voluven oder HAES nie groß in der Praxis kennen gelernt und kann daher nur sagen: auch mit begrenzter Auswahl aus den Fässern lässt sich prima Notfall- und Intensivmedizin betreiben.

RS-USER-Katja
21.09.2007, 16:21
Hier gibt es nur Albumin oder dieses zugegebenermaßen furchtbare Hetastarch - und Albumin ist wegen Krieg nicht immer ausreichend zu bekommen. Ich würde schon für Gela tanzen gehen...
Ende vom Lied sind in der Regel übertransfundierte Patienten; wenn das so läuft wie heute nacht (gleichzeitig kommt ein Sturz aus 60 Fuß Höhe rein und jemand mit einer thorakalen Schußverletzung torkelt aus vielen Löchern blutend in die Notaufnahme) ist der Blutnachschub u.U. auch schon mal eingeschränkt.
Wie gesagt, Weiteres gerne mal mündlich, wenn wir beide auf dem gleichen Kontinent/Insel sind ;)

krumel
21.09.2007, 18:40
Sammeln wir im Forum?
Für einen Kartoon HAES kriegen wir ein Dancing-Video von Katja?
:cool: :D ;)

RS-USER-Katja
21.09.2007, 21:37
Original geschrieben von krumel
Sammeln wir im Forum?
Für einen Kartoon HAES kriegen wir ein Dancing-Video von Katja?
:cool: :D ;)

:-p :-p :-p :-p :-p
(an der Rutschstange der Feuerwehr oder was? ;) )

Hilft mir ja nicht, Du mußt die Food and Drug Administration dazu kriegen, es zuzulassen :rolleyes:

RS-USER-gnuff
22.09.2007, 18:42
Original geschrieben von Katja
Hilft mir ja nicht, Du mußt die Food and Drug Administration dazu kriegen, es zuzulassen :rolleyes:

Naja, dann muß Luigi halt mal bei der FDA anrufen...

krumel
23.09.2007, 12:56
Und denen das Video gleich mitschicken:D
:D