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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die "Todesdroge" Fentanyl...



Der Altnoob
27.10.2007, 17:35
...so steht es jedenfalls in der Zeitung...

Echo Online-Bericht über eine Drogentote (http://www.echo-online.de/suedhessen/template_detail.php3?id=527582)

In Kurzform: In der Nähe von Bad König hat man eine Drogentote gefunden, die an einer Fentanyl-Überdosis gestorben ist. Lässt man die reißerischen bis teils schon haarsträubend unrichtigen Aussagen, die man bisher über den Fall gelesen hat, mal beiseite, ergibt sich folgendes Bild: Ein Dealer hat Fentanyl hergestellt, welches von dieser Frau konsumiert wurde und welches sie auch umgebracht hat.

Was mich nun interessieren würde, wäre folgendes: Wenn Fentanyl ein so stark wirkendes Betäubingsmittel ist, wie kann man sich dann die erwünschte "Rauschwirkung" vorstellen? Immerhin wirkt es ja auch in geringer Dosierung sehr schnell und vor allem ja auch atemdepressiv - in Wikipedia steht ja was von "100x so potent wie Morphium" (und es wird auch dieser Drogenmißbrauch erwähnt, sehe ich gerade....). Ist es überhaupt "sinnvoll" (aus Sicht des Drogenkonsumenten gesehen), Fentanyl als Droge zu konsumieren? Als interessierter Laie, der halt schon mal was von Fentanyl als Medikament und nicht (nur) als Droge gehört hat, interessiert mich diese Fragestellung schon ein wenig...

RS-USER-emergency doc
27.10.2007, 17:41
Also ich habs mal gekriegt für Narkose... War ein Holzhammer... und zwar wirklich fast wörtlich zu nehmen... Wenn das so reinknallt, und mir dann auch noch meine Heroin-Entzugssymptome weg macht... ich würds nehmen...

RS-USER-pille
27.10.2007, 17:56
Original geschrieben von emergency doc
Also ich habs mal gekriegt für Narkose... War ein Holzhammer... und zwar wirklich fast wörtlich zu nehmen... ...

Kann es sein, daß Du einen schlechten Draht zum Gasmann hattest ;)

Ich zitiere mal:
AMK-Meldung vom 13.02.07:
Infolge der missbräuchlichen Verwendung von Fentanylpflastern trat bei einer jungen Frau der Tod ein. In der Vorgeschichte lag der Missbrauch von Benzodiazepinen und Cannabis vor. Eine Alkoholaufnahme lag zum Zeitpunkt der Fentanylaufnahme nicht vor.
Die Wirkstärke von Fentanyl beträgt ungefähr das 100fache des Morphins. Die Angaben über die Freisetzungsraten von Fentanyl im Mikrogrammbereich aus therapeutischen Pflastern lassen in der Praxis offenbar vergessen, dass im gesamten Pflaster je nach Stärke die großen Mengen von 4-16 Milligramm Fentanyl enthalten sind. Werden solche Fentanylmengen in missbräuchlicher Absicht zugeführt, ist aufgrund der atemdepressiven Wirkung mit tödlich endenden Vergiftungen zu rechnen.

man beachte: 13. FEBRUAR.2007 !!!

->
Über allem steht die atemdepressive Wirkung, sich die daraus ergebenden Folgen vorzustellen, fällt nicht schwer...
offensichtlich heftet sich das Fenta gerne an die κ-Rezeptoren...

RS-USER-Elektro-Dengel
27.10.2007, 18:58
Letzendlich haben alle Opioide die Potenz zentral nicht nur dämpfend, sonder neben auch euphorisierend zu wirken. Die einen tun das besser (z.B. Morphin), die anderen etwas schlechter. Ich kann da jetzt nur aus Erfahrung sprechen. Die Patienten die bei uns Fenta bekommen, kommen, so seh ich das zum. von aussen, nich auf so nen schönen Tripp, wie die Mo-Patienten.

Aber wer das Zeug braucht um durch den Tag zu kommen, dem is der Tripp reichlich egal.

Um bei einer entsprechenden Toleranz, die sich nach einem gewissen Zeitraum einstellt, noch mehr, als bloss Linderung der alltägl. Schmerzen zu bekommen, muss man als Junkie schon ne Menge Geld ausgeben, bzw. ne Menge Schwänze lutschen (ums jetz mal provokant auszudrücken).

RS-USER-Katja
27.10.2007, 21:39
Herrje...

Ja, Fentanyl wirkt 100mal stärker als Morphin bei gleicher "Menge" (und Sufentanil 1000mal, wenn wir schon dabei sind, Alfentanil nur 10mal).
Alle Opiate machen, besonders bei i.v.-Gabe, weniger bei subcutaner oder oraler Gabe, einen "Kick", aber Mo ist sicher weiter vorn damit als Fentanyl. Und die Pflaster machen alle keinen wirklich meßbaren Effekt in diese Richtung, weil keine Spitzenspiegel erreicht werden.

Gewöhnung macht viel Unterschied (ich habe die Woche einen Junkie mit gebrochenem Fuß gehabt, der für eine anderthalb Stunden-Narkose 1,25mg Fentanyl bekommen hat und 20mg Mo zum Aufwachen und Ketorolac, also NSAR- und nein, der war nicht eine Spur sediert oder atemdepressiv), das ist nicht anders als bei Benzos oder Barbituraten. Jemand, der "opiatnaiv" ist, wird von Fentanyl als mißbräuchlich angewendeter Droge am ehesten eben das Schnaufen einstellen und diese Karriererichtung ein für alle mal beenden. Oder er weiß, wie man es verdünnt und in einer für ihn nicht akut bedrohlichen Dosierung nimmt (die gesammelten Abhängigen in den entsprechenden medizinischen Bereichen sprechen da eine deutliche Sprache).

"Todesdrogen" sind in den falschen Händen alle Anästhetika. Deswegen steht z.B. auch auf Pancuronium "Darf nur von Anästhesisten oder in der Anästhesie erfahrenen Personen eingesetzt werden" - alles, was die Atmung anhält, ist auf Dauer ohne Intervention nicht zu überleben; Umstellen auf Hautatmung ist nicht im evolutionären Programm ;)

krumel
27.10.2007, 23:02
Original geschrieben von Katja
Herrje...
Umstellen auf Hautatmung ist nicht im evolutionären Programm ;)
Hmm..Nachdem ich gerade an Genetik sitz....Hmmm...Man könnte da ja was züchten:D :D

RS-USER-Pyro
27.10.2007, 23:08
Original geschrieben von krumel
Hmm..Nachdem ich gerade an Genetik sitz....Hmmm...Man könnte da ja was züchten:D :D

Die natürliche Auslese ist schon am arbeiten. Einfach mal ein paar zehntausend Jahre warten und sich überraschen lassen. :grins:

RS-USER-emergency doc
28.10.2007, 14:02
Original geschrieben von Katja
...Umstellen auf Hautatmung ist nicht im evolutionären Programm ;)
Aber wie war das noch bei "Goldfinger"... ? Schon erstaunlich, daß das der Stand der Wissenschaft vor kaum 40 Jahren war...

krumel
28.10.2007, 17:05
Es braucht da keine 10.000 Jahre... Neuere Studien zeigen, dass das Genom wesentlich wandlungsfähiger ist als bisher gedacht.... Teilweise genügen bereits 3-5 Generationen um eine Spezies an neue Umweltbedingungen massiv anzupassen.
Grüße,
Phil

RS-USER-pille
28.10.2007, 18:03
Original geschrieben von krumel
Teilweise genügen bereits 3-5 Generationen um eine Spezies an neue Umweltbedingungen massiv anzupassen.


Moin,
klingt ein bischen, wie "selber Hand" an der Evolution anlegen, was bedeutet "massiv" in diesem Zusammenhang?
Beispiel?

:confused:

krumel
28.10.2007, 18:12
Ratten die ganze biochemische Prozesse umstellen um weniger anfällig für Schadstoffe zu sein, usw.

RS-USER-emergency doc
28.10.2007, 18:16
Original geschrieben von pille
Moin,
klingt ein bischen, wie "selber Hand" an der Evolution anlegen, was bedeutet "massiv" in diesem Zusammenhang?
Beispiel?

:confused:

Naja, ist für Evolution nicht immer ein massiver Selektionsdruck notwendig? Z.B., wer in der Lage ist, Milch zu trinken, muss seine Rinder nicht schlachten, und überlebt trotzdem, während die anderen nach der Kuh nix mehr zu futtern haben... oder so...

RS-USER-pille
28.10.2007, 18:16
Original geschrieben von krumel
Ratten die ganze biochemische Prozesse umstellen um weniger anfällig für Schadstoffe zu sein, usw.

Okay, Danke für's Beispiel.

nun wieder BTT :)

RS-USER-emergency doc
28.10.2007, 18:27
BTW, die Russen haben doch auch bei dieser tragischen Geiselnahme in der Oper ein fentanyliges Gas verwendet oder?

Obs wohl weniger Tote gegeben hätte, wenn die ein paar hundert Anästhesisten mit Rucksäcken voll von Tuben und einen Trupp Ambubeutelbediener reingeschickt hätten?:rolleyes:

RS-USER-Bärentöter
28.10.2007, 21:36
Original geschrieben von emergency doc
BTW, die Russen haben doch auch bei dieser tragischen Geiselnahme in der Oper ein fentanyliges Gas verwendet oder?


die Russen sind da irgendwie... äääh... härter!

Der Altnoob
28.10.2007, 21:58
Könnte man also sagen (wenn ich ElektroDengels und Katjas Beiträge richtig interpretiere), dass Fentanyl als Heroinersatz eher etwas für langjährige Junkies ist (in Bezug darauf, dass es diesen Leuten eher darum geht, den Entzug zu vermeiden als den Rausch zu "genießen")? Immerhin ist es anscheinend noch nicht so weit verbreitet wie Heroin oder andere Drogen - also spricht das doch eher dafür, dass Fentanyl als Droge eher ungewöhnlich bleiben wird...

RS-USER-Bärentöter
28.10.2007, 22:15
ich denke mal, ein kurzwirksames Mittel ist für die Kunden nicht so interessant.
Aber da wissen die Anästheten wie Katja sicher mehr!

RS-USER-Katja
28.10.2007, 22:40
... da wissen die Psychiater in den Entzugskliniken wahrscheinlich praktisch besser Bescheid drüber :)
Aber Fentanyl ist nicht kurzwirksam, das "Problem" ist für den normalen Junkie eher, daß er es nicht gewohnt ist und es nicht dosieren kann. Weil die Herstellung reinen Fentanyls eben mehr Prozesse erfordert als die mäßig reinen Heroins. Und aus der 100fachen Überdosis lernt man meist nichts mehr...
Nein, Fentanyl macht auch den Kick, wäre - und ist es leider ja auch für den einen oder anderen im medizinischen Bereich tätigen, der da Abhängigkeiten entwickelt hat :( - dem Mißbrauch genau so zugänglich wie die Straßenopiate. Für die Basisentzugsunterdrückung der Langzeitjunkies eigenen sich andere, oral verfügbare Präparate wie Methadon um Längen besser (muß man nicht spritzen, hält einen relativ verläßlichen Spiegel über mehrere Stunden).
Fentanyl wird für den Junkie auf der Straße ungewöhnlich bleiben - die Dosierungsproblematik zum einen und die Beschaffungsproblematik (kann man nicht gut im Hinterhof in zwei Erlenmeyerkolben zusammenköcheln, für die Herstellung von Crack braucht man dagegen echt kein Chemiediplom...) zum anderen werden das so lassen.

Zum russischen Gasangriff im Theater hatten wir irgendwo mal einen Thread, aber da die sicher nicht sagen werden, was sie da genau eingeleitet haben, ist die Diskussion da glaube ich auch auf Grundeis gelaufen ;) :o Sicher hätten mehr überlebt, wenn man da Beutelquetscher in Atemschutz reingejagt hätte, nach dem, was man so gehört hat, aber nicht Genaues weiß man nicht.