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RS-USER-emergency doc
28.01.2008, 19:55
Alarm NEF und RTW Wochentags um 13:42 zu einer Hausarztpraxis mit dem Stichwort "Herz"

Bei unserem (NEF) Eintreffen (13:50) sitzt in der Praxis auf der Untersuchungsliege ein 61jähriger adipöser Patient, kreidebleich, kaltschweissig in sehr schlechtem AZ. RTW-Besatzung und Hausarzt traktieren ihn mit Nadeln, Sauerstoff läuft auf Maximum über Maske.

Laut Patient und Ehefrau bestehen die Beschwerden seit Punkt 13:00. Der Patient beklagt stärkste Thoraxschmerzen mit Ausstrahlung in den linken Arm und Unterkiefer (NAS 8-9).

Ich bekomme vom Hausarzt ein Infarkt-EKG gezeigt, wir leiten aber trotzdem nochmal ein eigenes 12-Kanal EKG ab. Hier zeigt sich eine deutliche ST-Hebung in II, III und aVF.

HF 100, RR 140/70, SpO2 97%

Nach Anlage einer Viggo, 2 Hub Nitro, Morphin, ASS, Heparin und Beloc kommt von der Leitstelle ein OK für einen Katheterplatz (ca. 15-20min Fahrt).
Aufgrund des sehr schlechten AZ des Patienten erfolgt der Entschluß zur präklinischen Lyse. Der Patient erhält nach Ausschluß von Kontraindikationen (Checkliste) um 14:05 Uhr gewichtsadaptiert 10.000IE Metalyse. anschließend Verbringng in den RTW und Transport (14:10).

Während des Transportes deutliche Befundverbesserung, der Patient bekommt eine rosige Gesichtsfarbe, die geklagten Thoraxschmerzen nehmen ab (NAS 5), der Patient ist nicht mehr kaltschweissig. In der Liegendanfahrt nochmalieges 12-Kanal-EKG mit persistierenden ST-Hebungen (14:22).

Der Patient wird dort umgehend ins Katheterlabor durchgeschleust, Befund hab ich leider nicht mehr eruiren können.

Was ist eure Meinung dazu? Haltet ihr meine Entscheidung zur Lyse für gerechtfertigt, insbesondere bei der kurzen Anfahrt? Offensichtlich hat der Patient ja davon sehr profitiert. (Achja, war meine erste Lyse...)

RS-USER-Elektro-Dengel
28.01.2008, 20:22
Also nachdem wir hier in München erst seit kurzem die Lyse auf den NEFs drauf haben, hab ich mich mal ein bisschen bzgl. der Indukationen umgehört. Die einhellige Meinung hier ist: "Keine präklinischen Lsye beim STEMI, wenn ich in unter 30 min. ein Haus mit Lyse und Kathetermöglichkeit erreiche. Da ich das hier aufgrund der Krankenhausdichte von jedem Winkel der Stadt aus schaffen müsste, ergibt sich für uns also eher selten die Möglichkeit zu sowas.

Ansonsten würd ich zu deinem Fall sagen: "Wer hilft, hat Recht!"

RS-USER-Rettungsente
29.01.2008, 07:40
Moin,
wir lysieren schon seit 1998 und ich habe ebenfalls schon viele positive Erfahrungen gemacht. Sicher sollte immer die Verfügbarkeit eines Katheterplatzes eine Rolle spielen, aber leider ist ein Notfallkatheter bei uns auch nur mit weiteren Wegen direkt verfügbar > 30 km Fahrt.
Gerade am Wochenende und in der Nacht ist die Lyse dann der Weg & wenn der Zustand des Patienten so schlecht ist, dann ist der Weg manchmal selbst wenn er auch nur kurz ist zu weit.


LG Rettungsente

RS-USER-Schumifan
29.01.2008, 10:16
Streng genommen ist das nicht wirklich ein Kandidat für eine Lyse, da bis 45 Minuten zur PCI akzeptiert werden, aktuell diskutiert werden auch bis 90 Minuten.
Ich selbst habe auch schon die eine oder andere eigentlich nicht indizierte Lyse gemacht, da ich inzwischen meine Krankenhäuser ein wenig kenne und bei einigen Häusern weiss, dass die Patienten nicht sofort zum Katheter kommen.

Ein besonders krasser Fall war ein Patient, der uns innerhalb von 10 Minuten nach Schmerzbeginn gerufen hat, wir waren weitere 10 Minuten später bei ihm und konnten ein Erstickungs-T begutachten, welches im weiteren Verlauf in Hebungen überging. Etwa 75 Minuten nach Schmerzbeginn war er mit Voranmeldung! in einem Krankenhaus mit Katheterplatz, dort wollte man dann erst einmal die Herzenzyme aus unserer Blutprobe abwarten und nur bei positiven Enzymen kathetern. Wenn man jetzt weiss, dass die Enzyme erst nach einigen Stunden positiv werden kann man die Folgen ausrechnen: Am späten Abend wurde kein Katheter gemacht, weil die Enzyme negativ waren, bei der Blutentnahme am nächsten Morgen kam der grosse Schreck, und da war alles schon gelaufen...

Back to life machine
30.01.2008, 13:42
Na, das ist doch mal was für mich :jump:

Ich hätte es wahrscheinlich fast genauso gemacht:
In der Aktualisierung der STEMI-Guidelines der AHA vom 14.1.2008 wird ein deutlicher Schwerpunkt auf die diversen Zeitintervalle gelegt und dann ggf. deutlicher als früher die Lyse empfohlen:
Als maximale Zeitverzögerung zwischen Ansetzen der "Lysespritze" und dem Eibringen des Ballons in des Infarktgefäß werden max. 60 min akzeptiert. Wobei selbst unter optimalen Bedingungen (das Katheterteam ist vorinformiert unde steht bereit) door-to-ballon Zeiten von 30 min zwar gefordert werden, in der Realität aber gerade mal so zu schaffen sind. Die publizierten Zeiten liegen so bei ca. 60 min. ("keiner hat Probleme mit der door-to-needle bzw. door-to-ballon-Zeit bis er sie misst").
Wobei zu berücksichtigen ist, dass das Zeitintervall bei ganz frischen Infarkten besonders entscheidend ist, 1. weil hier der Thrombus noch frisch ist, 2. weil in der frühen Phase auch noch Patienten erwischt werden, die von einer besonders früher Reperfusion besonders profitieren, weil sie ggf. zu denen gehören, die einige Stunden später nicht mehr leben.
Weiterhin spricht hier für die Lyse das rel. geringe Alter sowie die offensichtlich bedrohlische Situation einerseits und das rel. geringe Blutungsrisiko (gegenüber Alten, Frauen, schweren Diabetikern etc.) andererseits.
Allerdings hätte ich bei Planung einer sog. facilitated PCA entsprechend den (neuen) Empfehlungen nur mit der halben Dosis lysiert.

Alles klar?

RS-USER-emergency doc
30.01.2008, 17:06
Original geschrieben von Back to life machine

Allerdings hätte ich bei Planung einer sog. facilitated PCA entsprechend den (neuen) Empfehlungen nur mit der halben Dosis lysiert.


Naja, aufgrund der wirklich kurzen Zeit zwischen Symptombeginn und Lyse sowie dem schlechten AZ des Patienten hab ich halt eine volle Lyse gemacht. Ich hoffte einfach, das Gefäß wieder aufzukriegen, gut hat nicht ganz geklappt, aber dem Patienten wahrscheinlich trotzdem eine PTCA unter Reanimationsbedingungen erspart...
D:-)

RS-USER-Schädelspalter
30.01.2008, 23:17
Kann man machen (Lyse 1 h nach Symptombeginn ist o.K.), muß man aber nicht unbedingt (20 Min. bis zum Katheterplatz).

Nachdem von Back to life machine schon zusammengefaßt wurde, möchte ich nur noch betonen, dass ich es richtig finde, sich am Zustand des Patienten zu orientieren.

Z.B. habe ich trotz Checkliste einen Patienten wegen der Lyse verloren:
STEMI (ca. 45 jähriger Mann)
-> präklinische Lyse
-> trotzdem Reanimation
-> intubiert gleich zum Katheterplatz
-> erfolgreiche Intervention (1 Gefäß KHK)
-> immer noch sehr schockig auf IPS, erste BGA bei mir zeigt Hb 14,x und Lactat ca. 20-fach erhöht. Labor: Nierenversagen
-> Ballonpumpe, Hypothermie
-> BGA direkt nach Ballonimplantation: Lactat steigt, Hb ca. 9 g/dl
-> Tod wenige Minuten später an gastrointestinaler Blutung



Original geschrieben von Schumifan
...Ein besonders krasser Fall ... Erstickungs-T ... Hebungen ... erst einmal die Herzenzyme aus unserer Blutprobe abwarten und nur bei positiven Enzymen kathetern. ... bei der Blutentnahme am nächsten Morgen kam der grosse Schreck, ...
:eek: :-keule

Back to life machine
30.01.2008, 23:59
Original geschrieben von Schädelspalter
Kann man machen (Lyse 1 h nach Symptombeginn ist o.K.), muß man aber nicht unbedingt (20 Min. bis zum Katheterplatz).
´

Ja, 20 min zur Klinik mit Katheter, aber wie lange noch von der Pforte bis zum Ballon im Gefäß????
Ist ja nun mein tägliches Brot, und das dann in 40 min hinzubekommen ist nicht ganz einfach (War der Einsatzt vielleicht Tagsüber? ist dann der Tisch auch sicher frei? Oder nachts? wann urde das Katheterteam informiert? die brauchen auch mal locker 20min is in die Klinik, dann ist nichts vorbereitet ? )



Original geschrieben von Schädelspalter
Z.B. habe ich trotz Checkliste einen Patienten wegen der Lyse verloren:
STEMI (ca. 45 jähriger Mann)
-> präklinische Lyse
-> trotzdem Reanimation
-> intubiert gleich zum Katheterplatz
-> erfolgreiche Intervention (1 Gefäß KHK)
-> immer noch sehr schockig auf IPS, erste BGA bei mir zeigt Hb 14,x und Lactat ca. 20-fach erhöht. Labor: Nierenversagen
-> Ballonpumpe, Hypothermie
-> BGA direkt nach Ballonimplantation: Lactat steigt, Hb ca. 9 g/dl
-> Tod wenige Minuten später an gastrointestinaler Blutung
:eek: :-keule

Ist er gestorben:
-wg der Lyse?
oder
-wg den 7000IE Heparin?
-wg 500 Aspisol?
-wg 300-600mg Clopidogrel?
-wg GPIIb/IIIa-Antagonisten?

Also, es gibt genügend Gründe, nach einer Akut-PCI zu bluten, da brauchts keine Lyse (die wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Intensivstation kaum noch wirksam war).

Back to life machine
31.01.2008, 00:04
Original geschrieben von emergency doc
Naja, aufgrund der wirklich kurzen Zeit zwischen Symptombeginn und Lyse sowie dem schlechten AZ des Patienten hab ich halt eine volle Lyse gemacht. Ich hoffte einfach, das Gefäß wieder aufzukriegen, gut hat nicht ganz geklappt, aber dem Patienten wahrscheinlich trotzdem eine PTCA unter Reanimationsbedingungen erspart...
D:-)

Die AHA sieht das halt anders. Das Konzept einer full-dose-Lyse vor dann geplanter PCI war halt in allen Studien vom Ergebnis (Mortalität) ungünstig im Gegensatz zu Halb-Dosis-Varianten.
In der Kombination reicht es wohl eben aus, mit halber Dosis zu lysieren, wenn der Rest im HKL weggemacht wird.

RS-USER-fruehgriller
31.01.2008, 11:12
mal von der Sani Seite aus gesehen ein sehr interessanter Fall.

Die Lyse hatten wir auf unserem NAW Anfang der 90er Jahre als Feldversuch mit der Doppelblindstudie. Bekamen dazu sogar extra das erste 12er EKG aufs Fzg, und Telemetrie.

Ergebnis:

Im Stadtbereich mit Transportzeiten von Haustür Pat > Klinikum Med Intensiv von max 10 Min rentierte sich die Lyse nicht. Anders bei Pat aus dem Landkreis, der damals auch vom NAW versorgt wurde. Hier waren auch teilweise Besserungen beim AZ des Pat zu bemerken. Da war man dann auch sicher, das er die Lyse und nicht das Placebo bekommen hatte;)

Leider führen wir keine Lyse mehr präklinisch durch. Bei uns ist der Standard 500mg ASS, 5000IE Heparin, bei Bedarf MO. Bei erkanntem HI mit Hebungen direkt zum Kathederlabor auf den Tisch. Mit Vornameldung geht das sogar Nachts sehr flott.
Bei anderen Vd.a. HI erstmal Med Intensiv, dort nochmals kurze Diagnose, dann wird weiter geschaut..

Hubschrauberfanatiker
12.05.2008, 14:40
Die Frage die sich hier stellt ist ja im ländlichen Gebiet mit Anfahrtzeiten von 20min kommt man ja fast nicht mehr um die Lyse herum oder? Da sind locker 60min rumm bis man überhaupt in der Klinik ankommt. Oder wie handhabt ihr das bei euch?
Dazu gibt es bei uns eine Klinik die sich weigern Nachts das Katheterteam zu rufen da dem Notarzt nicht zugetraut wird ein EKG zu interpretieren. Da geht man erst auf die Intensiv und je nach Arzt dort muss auch der erst dem OA ein EKG faxen bevor die in die Klinik kommen. Da kann man getrost lieber ins andere Bundesland fahren oder lysieren. Ich sage nur es handelt sich um eine große Uniklinik. :confused: :confused:

RS-USER-Katja
12.05.2008, 17:18
... das ist eigentlich Aufgabe des ÄLRD, denen in den Ar...m zu treten und klar zu machen, daß sie dann eben gar nicht angefahren werden, wenn sie sich so unprofessionell verhalten (und andererseits die Ärzte im RD so zu schulen, daß sie einen Infarkt, so er im EKG zu sehen ist, auch erkennen...). Sonst gibt es ja auch diverse Möglichkeiten zur Datenübermittlung des EKGs inzwischen.
So lange sollte niemand auf seinen Herzkatheter warten müssen nur wegen irgendwelcher internen Streitigkeiten.

oegi
12.05.2008, 20:03
Das sehe ich genauso!!!

Ist ja fast schon reif fürs Fernsehen!

Morbus X
13.05.2008, 05:46
Was ist nochmal NAS? Komme gerade nicht auf die Auflösung dieser Abkürzung.
Ist damit die Schmerzskala von 1-10 gemeint?

Ansonsten bin ich der Meinung daß jeder Notarzt das tun soll von dem er meint daß es richtig ist! Wofür hat man denn sonst so lange studiert?

RS-USER-emergency doc
13.05.2008, 18:35
Original geschrieben von Morbus X
Was ist nochmal NAS? Komme gerade nicht auf die Auflösung dieser Abkürzung.
Ist damit die Schmerzskala von 1-10 gemeint?

Ja genau... Nummerische Analogskala



Ansonsten bin ich der Meinung daß jeder Notarzt das tun soll von dem er meint daß es richtig ist! Wofür hat man denn sonst so lange studiert?

Hmmm... das wäre ja furchtbar, wenn jeder machen würde, wie er meint... bei den Ärzten gibt es mindestens genausoviele Idioten wie in jedem anderen Beruf (außer Lehrer)

Morbus X
13.05.2008, 18:39
Original geschrieben von emergency doc

Hmmm... das wäre ja furchtbar, wenn jeder machen würde, wie er meint... bei den Ärzten gibt es mindestens genausoviele Idioten wie in jedem anderen Beruf (außer Lehrer)

Ich sprach ja auch von Notärzten :D

Da hab ich auf jeden Fall noch nie einen Fachidioten erwischt, die sind allen beim ABD. ;)
Vielleicht weil gerade da das Studium noch komplett abrufbar ist...

RS-USER-emergency doc
13.05.2008, 18:50
Original geschrieben von Morbus X
Vielleicht weil gerade da das Studium noch komplett abrufbar ist...

Also bei mir ist das Studium garantiert NICHT mehr komplett abrufbar...:D D:-)

RS-USER-blacksheep
13.05.2008, 20:15
Vor kurzem (oder längeren - Mensch ist mein Gedächtnis ein Sieb) war in der AINS ein Artikel, der auch die präklinische Lyse vor PCI behandelte. Dunkel in der Erinnerung habe ich eine in diesem Zusammenhang erwähnte Studie die auf Grund der signifikant höheren Sterblichkeit im Lyse-Arm abgebrochen wurde.
Wenn Interesse besteht suche ich mal raus welche Ausgabe das war.

RS-USER-emergency doc
14.05.2008, 20:50
Ja aber.... in diesen Studien (CAPTIM, GUSTO, PRAGUE-2 etc.) wurden viel laxere Einschlußkriterien für die Lyse- und Lyse+PTCA-Gruppen geduldet, teilweise bis zu 12 Stunden Symptomzeit. Durchgehend ist aber in allen Studien eine möglichst frühe Lyse in den ersten zwei bis drei Stunden in Kombination mit PTCA die erfolgreichste Untergruppe.

Maulwurff
15.05.2008, 20:52
interessantes Thema. Ich habe erst gestern Nacht einen Einsatz gehabt wo unser NA die Metalyse unverdünnt 10 000 IE eingesetzt hat.

Wir kamen zu einer 28 jährigen Patientin, die plötzlich kollabiert ist und schon bei unseren Eintreffen von Laien reanimiert wurde.
Es stellte sich der Verdacht auf eine Lungenembolie, da sie plötzlich vor dem Kollaps über starke Atemnot klagte und sofort tief zyanotisch wurde.
Trotz Atropin, Supra, Dopamin und Calcium und Lysegabe blieben alle therapeutischen Maßnahmen erfolglos und die Patientin verstarb.

Hier wo ich jetzt arbeite haben wir die Metalyse seit 2 wochen auf dem nef. An meiner Heimatwoche schon mehrere Jahre, dort habe ich es aber noch nicht erlebt das sie eingesetzt wurde.

Viele liebe Grüße Maulwurff