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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Thoraxtrauma......?



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Back to life machine
30.01.2008, 13:44
Aus aktuellem Anlass mal ein Fall von mir:

Ihr werdet mit dem RTW (Sonderrecht) ohne NEF in das "Spassbad" der Stadt geschickt. Meldung: Kollaps nach Thoraxtrauma beim Rutschen, männlich, 37 Jahre alt.

Viel Spass

RS-USER-AliCa
30.01.2008, 13:51
Ich hoffe mal, er sitzt schon irgendwo im Trockenen und wir müssen ihn nicht erst noch aus dem Wasser fischen. :D

Dann wäre mal eine Anamnese nicht schlecht (was ist passiert, wie ist's passiert, was genau tut weh, ...), außerdem hätte ich gerne mal RR, HF und Sp02. Ist schon irgendein medizinisches Personal vor Ort (Bademeister mit weitergehender medizinischer Ausbildung oder so was)? Der kann uns dann ja vielleicht auch noch ein bisschen was zu unserem Pat. sagen, bzw. Werte von vor einiger Zeit geben, dann haben wir schon mal eine grobe Entwicklung.

RS-USER-Schumifan
30.01.2008, 13:52
Original geschrieben von Back to life machine
Jungs, vergesst die Koffer nicht!
Gutes Stichwort! Also: Koffer, EKG und Sauerstoff geschnappt und rein.
Anamnese? Untersuchung nach ABCDE?

Back to life machine
30.01.2008, 16:47
Also:
Anamnese (teilw. auf Überwachungskameras beobachtet): Pat war mit der Familie (Frau, 2 Kinder) im Spassbad. Auf dem Weg zur Umkleide (die 3h waren um) Schwächegefühl, Schwindel und Kollaps, keine sichere Bewußtlosigkeit. Auf forciertes Nachfragen durch die Bademeister berichtet er, sich irgendwann während des Besuches beim Rutschen (übrigens geile Dinger ;) ) etwas aus der Bahn gekommen zu sein und den Brustkorb gestoßen zu haben. Jetzt tut ihm aber nichts wirkliche weh.

Somnolent, aber auf Ansprache orientiert. Spontanatmend.
Puls fast nicht palpabel, RR 60 (?) systolisch, HF 72/min, regelmäßig, SaO2 wenn Signal 100%.

Da ich jetzt mal nach Hause geh (Seit gestern 7:30 nur mit kurzer Unterbrechung in der Klinik) noch ein paar Standard-Details:
Lunge beidseits belüftet, kein Kompressions- oder Klopfschmerz, Extremitäten frei beweglich, keine sonstigen Verletzungszeichen, Puls überall gleich schlecht, keine fokale Neurologie.
EKG: nichts besonderes

RS-USER-Brummel
30.01.2008, 16:54
Also erstmal Handy raus (oder Funk bei wem es geht) und NEF nachfordern.

Infusion vorbereiten, wenn ich darf legen.

Edith:

Ach ja, weil ich gebranntes Kind bin: Flüssigkeitszufuhr/Nahrungszufuhr in den letzten 24h, ich geh jetzt mal davon aus, dass er sich sonst nicht krank fühlt; sonst wäre er ja nicht ins Bad gegangen, oder???

Irgendwelche Vorerkrankungen?

RS-USER-emergency doc
30.01.2008, 17:27
Bin ich schon da?

Also, Schocklagerung, zwei große Zugänge (wenn geht links und rechts orange), HAES und Ringer gleichzeitig aber langsam laufen lassen.
Bauch abtasten: Druckschmerz im Oberbauch? Thoraxkompressionsschmerz?

Voranmeldung in einer groß-genugen Ganzkörperaufrupfabteilung (Chirurgie) und Abfahrt. Möglichst keine Zeit verlieren, am besten Viggos im Wagen legen... Sauerstoff auffe Nase, damit es gut aussieht, wenn man in den Schockraum stürmt.

Mein Verdacht: Thoraxprellung mit vielleicht Rippenfraktur und (je nach Seite) Milz- oder Leberruptur... DD wäre z.B. Thoraxtrauma mit Herzruptur und Herzbeuteltamponade...

RS-USER-Brummel
30.01.2008, 17:30
:eek: oh, du bist aber schnell da doc, hab doch grad erst angerufen D:-)

RS-USER-emergency doc
30.01.2008, 17:36
Original geschrieben von Brummel
:eek: oh, du bist aber schnell da doc, hab doch grad erst angerufen D:-)

Naja, immerhin 33 Minuten...;)

RS-USER-Brummel
30.01.2008, 17:51
hatte eigentlich erwartet, dass der RTW noch etwas schuftet bevor das NEF eintrifft ;-)

Na dann will ich meinen RTW mal über die Straßen jagen D:-)

RS-USER-Schädelspalter
30.01.2008, 23:44
Original geschrieben von emergency doc
Voranmeldung in einer groß-genugen Ganzkörperaufrupfabteilung (Chirurgie) und Abfahrt. Möglichst keine Zeit verlieren, am besten Viggos im Wagen legen... Sauerstoff auffe Nase, damit es gut aussieht, wenn man in den Schockraum stürmt.

Mein Verdacht: Thoraxprellung mit vielleicht Rippenfraktur und (je nach Seite) Milz- oder Leberruptur... DD wäre z.B. Thoraxtrauma mit Herzruptur und Herzbeuteltamponade...

Schließe mich da an.
Aortendissektion wäre (trotz "Puls überall gleich schlecht") noch zu berücksichtigen.
Wenn der Patient Flüssigkeit im Bauch hat, wird das wohl kein Aszites, sondern die (zweizeitige) Milzruptur o.ä. sein ;)
Eine Embolie oder Subduralblutung (Brust und Kopf gestoßen?) wird es ja wohl nicht sein, oder gibt es dafür Verdachtsmomente?
Ganz klar ist mir noch nicht, ob man den armen Menschen vom Hals bis zur Symphyse oder nur teilweise aufschneiden wird. Jedenfalls erstmal Verdacht auf Chirurgie ;)
Was mich auch stutzig macht, ist die relativ niedrige Herzfrequenz (Betablocker?)

Back to life machine
31.01.2008, 00:08
Original geschrieben von Schädelspalter
Was mich auch stutzig macht, ist die relativ niedrige Herzfrequenz (Betablocker?)

Schlimmer !!!:jump:


Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich die Diagnose mit einem Blick und einer Frage gestellt habe, beides haben aber zahlreiche Kollegen vorher offensichtlich nicht geschafft.

RS-USER-emergency doc
31.01.2008, 09:28
Original geschrieben von Back to life machine
Extremitäten frei beweglich

Aktiv oder passiv?

So hypoton und nicht tachykard kann ja auch ein spinaler Schock sein...

RS-USER-Pyro
31.01.2008, 10:42
In wie weit können wir eigentlich dem Pulsoxy trauen? Bei den Werten für HF und RR würde ich eine Zentralisation erwarten und keine Sättigung vonn 100% am Fingerclip. Das würde vielleicht einen Sinn ergeben, wenn die Rutsche mit Kohlenmonoxid geflutet wäre. Aber das wollen wir mal nicht hoffen. :eek:

Also: Zyanose? blas? kaltschweißig?
Wenn ist er den gerutscht? Prellmarken? Schmerzen: Wo und wie stark? Ist ihm plötzlich komisch geworden, oder hat es sich langsam gesteigert?

Mal schauen was kommt. Alles nur kein Algorithmus D:-)

leuchtreklamefahrer
31.01.2008, 15:12
SIeht man eine Narbe im Bereich der Clavicula?

Back to life machine
01.02.2008, 19:12
So,
nach 3 Tagen Rufdienst am Stück mit 6 kardiogenen Schocks (4 Pumpen) und diversem "Kleinkram hatte ich heute mal frei, deshalb geht es erst jetzt weiter:

Versorgung durch Notarzt: Zugang, Kristalloid, 1 A. Akrinor => RR kurz mal bis 110 syst.

Ich kam dann so nach 10 min in der Klinik dazu. Nach Untersuchung des Thorax (Drücken, Abhorchen prima) schaute ich mir den Hals an (Trachealverlagerung etc?). Dabei zeigte sich doch eine deutliche Einflußstauung (Jugularvenen > Daumendick), gleichzeitig fragte ich nochmalig nach Schmerzen (keine) und verabschiedete ich mich zunächst mal von der Trauma-Theorieund wandte mich irgendwelchen internoistischen Problemen im Mediastinum zu (Krebs in diversen Formen). Also kam die Frage, ob er irgendwann mal krank gewesen sei (prima Brummel) und die Antwort war: vor ca. 4 Wochen war bei ihm Vorhofflimmern abladiert worden (sog. Pulmonalvenen isolation, da werden in den Pulmonalvenen mit einem Katheter Narben erzeugt, damit dier Erregungswellen des Vorhofflimmern nicht mehr kreisen können).
Somit war Alles klar: Perikardtamponade als Komplikation des Eingriffs, kommt zwar typischerweise früher, aber der Pat. nahm noch Marcumar (und Cordarex, daher die relative Bradykardie), was die verspätete Manifestation erklärt.

Zu dem Zeitpukt war das Echo warm und ich konnte die Diagnose bestätigen. Die Punktion gelang nicht, wie so oft bei echten Blutungen ins Perikard kam ich nicht durch die Gerinsel, die sich im unteren Bereich ansammeln. Also schnell die Herzchirurgen gerufen, "Doppel-12" im die Leiste und viel Volumen. 60min später war der Patient mit einer Drainage und gutem RR bei uns auf Station, 4 Tage später zuhause (jetzt ohne Marcumar)!

Also mal wieder ein Fall, bei dem Anamnese und gründliche Untersuchung eigentlich schon die Diagnose bringen!

Schönes WE:knuddel:

Morbus X
01.02.2008, 19:28
also das

SaO2 wenn Signal 100% hätte ich dem Kasten schon mal nicht geglaubt.
Aber zu spät - das nächste Mal...

RS-USER-Katja
03.02.2008, 00:45
Schönes Fallbeispiel :) Merke: Fragen bildet... Besonders so lange der Patient noch antworten kann ;)

Apropos Fragen: Meinst Du, unter der Annahme eines zusätzlichen Traumas mit Rutsche etc. unter Marcumar hat das vorher schon vorhandene kleine Hämatom zugenommen oder ist er nur einfach zufällig zu dem Zeitpunkt am Dekompensieren gewesen wegen der Perikardtamponade?

PS und OT: Apropos Ablation, glauben die immer noch, Sedierung schützt vor Nervenschäden?

Back to life machine
03.02.2008, 13:32
Original geschrieben von Katja
Schönes Fallbeispiel :) Merke: Fragen bildet... Besonders so lange der Patient noch antworten kann ;)

Apropos Fragen: Meinst Du, unter der Annahme eines zusätzlichen Traumas mit Rutsche etc. unter Marcumar hat das vorher schon vorhandene kleine Hämatom zugenommen oder ist er nur einfach zufällig zu dem Zeitpunkt am Dekompensieren gewesen wegen der Perikardtamponade?

PS und OT: Apropos Ablation, glauben die immer noch, Sedierung schützt vor Nervenschäden?

Das Trauma hat meiner Ansicht damit nichts zu tun, es war auch wirklich nur ein anschubsen.

PS etc: Die Ablation war nicht bei uns im Haus gewesen ;)
und für die Nervenaschäden unter Sedierung seid doch eher ihr zuständig oder
*ganzschnellindeckunggehund5€indie anaesthesielästerkasseschmeiß*

Pr0st
03.02.2008, 14:02
Erstmal Danke fürs Fallbeispiel, war interessant da ein bisschen mitzulesen.
Eine Frage hätte ich noch: Die Pulmonalvenenisolation hab ich noch gecheckt, aber Katjas PS .....



Original geschrieben von Katja

PS und OT: Apropos Ablation, glauben die immer noch, Sedierung schützt vor Nervenschäden?


...erschließt sich mir nicht so ganz. Kann einer von den Pro´s das mal etwas genauer erklären?

Morbus X
03.02.2008, 14:22
Es soll ja wirklich Leute geben die glauben Diazepam, Dormicum et al schützen die Nerven bei z.B. einem Schlaganfall.
So verstehe ich das zumindestens...