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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hausarzt lehnt Reanimation ab



Pr0st
05.02.2008, 18:20
Moin Forum...


der folgende Link enthält einen sehr interessanten Vorfall, den ich einmal gerne hier zur Diskussion stellen möchte:

http://www.cirs-notfallmedizin.de/Hausarzt_lehnt_Reanimation_ab_1244.html

Wie ist Eure Meinung? Wer hat richtig gehandelt: NA, RA, HA, keiner oder alle drei zusammen? Wie hättet ihr gehandelt und habt ihr ähnliches schon erlebt?



@ Mods: Ich habe den Thread jetzt mal hier rein gestellt und nicht ins CIRS-Unterforum, da es sich um einen externen Link handelt. Falls nicht OK, sry und bitte verschieben....

RS-USER-fwpbl
05.02.2008, 18:56
Das lässt sich meiner Meinung nach nicht allgemein beantworten.
Denn ob der Hausarzt dem RD-Personal gegenüber weisungsberechtigt ist regelt (mehr oder weniger) das "zuständige" RettD-G.
Und das geht von der Arzt (egal welcher) ist Chef bis zu NUR der durch den RettD-Träger gestellten NA ist dem RD-Personal gegenüber weisungsberechtigt.

RS-USER-Elektro-Dengel
05.02.2008, 18:58
Als regelmäßiger Besucher dieser Website kannte ich den Fall bereits, die diversen Kommentare dazu hab ich aber auch erst heute gelesen. Ich für meinen Teil besuche die Seite inzw. hauptsächlich noch, um ab und zu mal herzhaft zu lachen. Was da verzapft wird, sind zum einen Binsenweisheiten, die ich mir mit ein bisschen gesundem Menschenverstad auch selber zusammenzimmern kann und zum anderen, zum Himmel stinkender Schwachsinn!

Mein Lieblingsbeispiel ist ein geschilderter Fall, in dem ein NA einen eindeutig intubationsbedürftigen Pat. mangels eingener Erfahrung in der orotrachealen Intubation ohne Tubus transportiert. Ursache dieses "Zwischenfalls", ist dann laut den Herrschaften von CIRS Rettungsdienst ein Systemfehler! Der NA kann ja nix dafür, dass ers nie gelernt hat und jetzt trotzdem von seinem unmenschlichen Chef zum NEF fahren verdonnert wird! Da stellen sich mir alle Nackenhaare auf! !:rolleyes:

Aber nun mal zum aktuellen Fall:

Ganz ausser Acht bleibt hier, dass der RA mit seinem "unverschämten Verhalten" den Hausarzt vor einer Anzeige wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung bewahrt hat. Nach einer solchen hätte dieser sein Approbation sicher niemandem mehr vorzeigen brauchen um sich auszuweisen. Die wär dann nämlich erst mal weg gewesen! Dazu wäre es nämlich gekommen, wenn er die Rea abgebrochen hätte um dann hinterher zu erfahren, dass der Grund, wegen dem die Rea abgebrochen wurde, nie bestanden hat.

Und nicht einer der schlauen Herren, die sich hier im Grunde die ganze Zeit nur mit Kompetenzgerangel ("wer schafft wem an und wer ist wichtig?") beschäftigen, geht auf das ein, was hier offensichtl. schief gelaufen ist. Nämlich, dass keiner der Herren mit den Angehörigen gesprochen hat. Bei Anwesinheit eines RTWs, eines NEFs und des Hausarztes gehe ich von einer Personalstärke von min. 5 Mann aus. Da kann ja wohl mal einer mit der Familie reden während der Rest reanimiert, die jetzigen Umstände erklären und mit der Familie zusammen eine Entscheidung treffen. Dann wäre ja auch frühzeitig rausgekommen, dass es werder ein Carzinom noch eine Verfügung gab!

RS-USER-Schädelspalter
05.02.2008, 19:20
Original geschrieben von Pr0st
Wie ist Eure Meinung? Wer hat richtig gehandelt: NA, RA, HA, keiner oder alle drei zusammen?
Meine Meinung: hier kann niemand richtig handeln.
Der Hausarzt hat sich vermutlich geirrt, was die Tumorerkrankung angeht. Ob der Patient eine Therapiebegrenzung wünschte und nicht ausreichend dokumentiert hat wird nicht mehr rauszukriegen sein.
Unabhängig vom aktuellen Fall kennen Hausärzte ihre Patienten meist so gut (zumindest i.d.R. besser als der NA), dass ein Verhalten des RA und NA wie im aktuellen Fall erschreckend ist.
Meiner Meinung nach wäre es hilfreich gewesen, wenn der Notarzt mit den Angehörigen gesprochen hätte (aber wer macht das schon einfach mal so während einer Rea?).

Es gibt sicher für beide Seiten genug Beispiele: 1. für sterbende Patienten, die gerade noch lebend ins Krhs. gebracht werden und man kopfschüttelnd sagen muß: "hier hätte der NA doch Mensch bleiben müssen" und 2. für Patienten, über die man sich sagt "laß gut sein, es ist besser für ihn", trotzdem reanimiert und die zumindest noch die Möglichkeit bekommen, einige Angelegenheiten vor dem Ende zu regeln (oder mehr).
Dem Hausarzt sollte man zutrauen, die am wenigsten falsche Entscheidung zu treffen (egal, was es darunter für Blindgänger gibt, ich habe mich heute auch über einen geärgert...)

Es ist schwer, dem RA vorzuwerfen, nicht aufgehört zu haben (hätte er aber müssen, abgesehen von dem Kompetenzgerangel in den RD-Vorschriften), zumal die Situation nicht ganz klar war (wenn es eine Erklärung zum Therapieverzicht gab, warum wußte der Sohn nichts davon bzw. hat den Notruf gemacht??).
Spätestens der Notarzt hätte die Rea abbrechen müssen, wenn der HA so überzeugt ist (auch wenn dieser HA wohl richtig am Ar5ch gewesen wäre, hätte man abgebrochen).
Meine unmaßgebliche Meinung nach oberfächlicher Kenntnis des Falls aus 2. bzw. 3. Hand
:peace:

RS-USER-emergency doc
05.02.2008, 19:47
@dengel: Ich teile Deine ... nun, "Skepsis" bezüglich der Inhalte auf dieser Seite nicht. Im Gegenteil, ich habe sogar mehrere Fälle beigesteuert, da ich denke, daß von den Fehlern, die dort gemacht wurden, andere wirklich profitieren können. Eines der schönsten Beispiele hierfür (nein, nicht von mir:) ) ist IMHO der Fall mit der Thoraxdrainage auf der falschen Seite. Ein wirklicher Klassiker, der sicherlich jedem schonmal passiert ist, aber eben nicht mit einer Thoraxdrainage, sondern mit einem falsch rasierten Bein, dem am OP-Arm gelegten Zugang etc.

Die in diesem Kommentarwust angesprochene Qualifikationsstreitigkeit Hausarzt vs. Notarzt habe ich so im echten Leben noch nie erlebt. Hausärzte waren bisher immer dankbar für mein Kommen und sehr hilfreich mit Informationen und sonstiger Hilfestellung (bis hin zu Zugängen, geschriebenem EKG, verabreichten Medis etc.). Sicher gibt es auch Hausärzte, die sich eher raushalten, aber ich bin von diesen noch nie behindert worden.

Ich sehe die Situation hier nicht so, wie die Kommentatoren. Ebenso, wie ich als Notarzt dankbar bin, wenn mir einer der RettAss' sagt, ich müsse mich da und da vertan haben, sollte der Hausarzt ebenso denken. Ich sehe Rettungsdienst als Teamwork an, wo ich Erster unter Gleichen bin. Wenn ein Hausarzt dabei ist, ist er für mich Teil des (lokalen) Teams. Wenn ich vom Hausarzt eine solche Info bekommen hätte, hätte ich auch mit der Rea aufgehört. Das die Familie ihn als ihren Hausarzt identifiziert genügt mir in dem Fall...

RS-USER-emergency doc
05.02.2008, 19:58
Original geschrieben von Schädelspalter
...wäre es hilfreich gewesen, wenn der Notarzt mit den Angehörigen gesprochen hätte (aber wer macht das schon einfach mal so während einer Rea?).

Ich mache sowas. Erstens habe ich nichts gegen Angehörige im Raum bei einer Rea. Ich versuche sogar soweit es geht zu er klären, was wir grade machen. ("Ihre Frau hat einen Herzstillstand, und wir versuchen gerade mit Medikamenten das Herz soweit zum Laufen zu bringen, daß wir es mit dem Elektroschockgerät wieder anwerfen können."etc.) Hierbei kann man problemlos nach Vorerkrankungen etc. fragen.
Wenn die Angehörigen nicht dabei sein wollen, oder der Raum einfach so eng ist, daß es nicht geht, geh ich auch mal bei laufender Rea raus, um mit denen zu sprechen. Ich hab in dem Algorithmus ja immer fast 2 Minuten, in denen ausser HDM nix spannendes passiert, und mindestens drei gut ausgebildete RDler vor Ort, die mich rufen können.

Pr0st
05.02.2008, 20:16
Zur Seite: So einmal pro Woche kann man sich so ein bisschen FoBi schon antun. Wichtig sind für mich hier vor allem die Vorfälle an sich, gerade die vielen Berichte über falsch aufgezogene Medis haben mich vorsichtiger werden lassen.

Der Dengel hat aber in so fern recht, als dass die Kommentare teilweise totaler Schmu sind (ohne mich jetzt direkt auf den obigen Fall beziehen zu wollen). Auch einige der "Empfehlungen" sind schon bisserl "Ähm, ja, is klar...", z.B. mein absoluter Favorit in Sachen "Was brauche ich noch unbedingt auf meinem Koffer?"


Richtig! Ein Ersatzlaryngoskop ... :grins: :rock:

RS-USER-apoplex
05.02.2008, 20:25
[i]Original geschrieben von Pr0st :

mein absoluter Favorit in Sachen "Was brauche ich noch unbedingt auf meinem Koffer?"
Richtig! Ein Ersatzlaryngoskop ... :grins: :rock:

sooo dumm finde ich das nicht, gerade beim Kaltlichtsystemen.
Gerade in seltener benutzten Koffern/Rucksäcken halte ich das für gut - Dass der Spatel durch nichtgebrauch kaputt geht, ist ja ausgeschlossen - Allerdings geht ein Glühlämpchen schon mal kaputt oder Batterien entladen sich mit der Zeit. Statt Ersatzbatterien und Ersatzlämpchen, was man gelegentlich sieht, ist ein Ersatzgriff viel sinnvoller. Denn dass hier durch einen Zufall beide Systeme ausfallen, ist ja fast unmöglich.

RS-USER-emergency doc
05.02.2008, 20:29
Eines der schönsten Zitate der Seite:
Im British Medical Journal schreibt Scott 1986: Patienten werden nicht dadurch umgebracht, dass man sie nicht intubieren kann, sondern dadurch, dass man nicht aufhören kann, sie intubieren zu wollen.

Beachbaer82
06.02.2008, 08:56
In der Regel kennt man die Hausärzte / Notärzte / RD-Kollegen in seinem Bereich, daher ist dieses "Ausweisen" ...

Wenn sich mir ein Arzt vorstellt der den Patient ( anscheindend ) kennt und dieser sagt ich solle aufhören, dann tue ich es.
Er Arzt, ich RettAss. Das wird fein säuberlich dokumentiert und mit Namen versehen.
Sollte ich Zweifel haben ob er der HA ist ( weil ich ihn eben net kenne ) dann kann man immernoch ( unverschämterweise ) die Angehörigen dazu befragen.

:-meinung

RS-USER-Steinlaus
06.02.2008, 13:31
Original geschrieben von emergency doc
Im British Medical Journal schreibt Scott 1986: Patienten werden nicht dadurch umgebracht, dass man sie nicht intubieren kann, sondern dadurch, dass man nicht aufhören kann, sie intubieren zu wollen.

Das ist mal eine treffliche Abwandlung von "Unser Ziel ist nicht die Intubation sondern die Ventilation", danke :)


Zum aktuellen Fall mag ich nicht viel sagen.
Ich finde das CIRS nett zu lesen gelegentlich, insgesamt aber am ursprünglichen Gedanken vorbei, durch die teils hetzerischen Fallbeschreibungen und den fauligen Beigeschmack das es all zu oft um Akademiker gegen Nicht-Akademiker und "Pinkel mir nicht in mein Sandförmchen"-Faktoren geht, was auch im aktuellen Fall wieder durch kommt.

Sehr schade eigentlich.

Pr0st
06.02.2008, 14:31
Original geschrieben von apoplex
sooo dumm finde ich das nicht, gerade beim Kaltlichtsystemen.
Gerade in seltener benutzten Koffern/Rucksäcken halte ich das für gut - Dass der Spatel durch nichtgebrauch kaputt geht, ist ja ausgeschlossen - Allerdings geht ein Glühlämpchen schon mal kaputt oder Batterien entladen sich mit der Zeit. Statt Ersatzbatterien und Ersatzlämpchen, was man gelegentlich sieht, ist ein Ersatzgriff viel sinnvoller. Denn dass hier durch einen Zufall beide Systeme ausfallen, ist ja fast unmöglich.


Genau das habe ich auch gedacht, bis ich da mal auf den Bericht über einen gebrochenen Spatel gestolpert bin... habs auch erst irgendwie beim zweiten Mal Durchlesen geglaubt.. :eek:

( http://www.cirs-notfallmedizin.de/Airwaymanagement_975.html

ungefähr Mitte)


Klar kann man jetzt sagen "OK, da kann was passieren, ergo: Ersatzlaryngoskop.". Es stellt sich nur die Frage, ob nicht andere Dinge wie z.B. CO2-Messung mehr Sinn machen, sowohl finanzierungs- als auch platztechnisch.

RS-USER-apoplex
06.02.2008, 16:26
Naja, das ist der erste Fall von gebrochenem Spatel, von dem ich höre - weiß irgendwer, um welches System es sich handelte?
Defekte Birnchen oder Batterien sind ungleich häufiger!
Und selbst bei einem defekten Spatel kann man meist noch auf eine andere Größe wechseln.

RS-USER-Elektro-Dengel
06.02.2008, 16:41
Original geschrieben von apoplex
Naja, das ist der erste Fall von gebrochenem Spatel, von dem ich höre - weiß irgendwer, um welches System es sich handelte?


Also für mich gibt es eigetl. nur 2 Möglichkeiten, wie so was passieren kann:

Entweder war das einer dieser tollen Plastikspatel (Die hab ich ja gefressen, die Dinger!), oder aber die Klitschko-Brüder haben versucht sich gegenseitig zu intubieren ("Niecht soo viel hebeln, Wladimir!"):D

RS-USER-emergency doc
06.02.2008, 18:51
Original geschrieben von Elektro-Dengel
("Niecht soo viel hebeln, Wladimir!"):D
"Weisst Du noch, frrieherr an derr Unieverrsietät?" "Hmmm..." "Iemmer wenn wier etwas Hunngerr hatten, haben wier uns gheghenseitikh ientubiert..." "Hmmm..." "Dass warr furrchtbarr..." "Hmmm..."

krumel
06.02.2008, 21:59
Nix gegen die Plastikspatel, die Dinger sind toll;)
(Kein Scherz, ich mag sie...solange man sie als echtes Einmalprodukt verwendet super)

RS-USER-Rettungsente
22.02.2008, 10:23
Ich als "Lehrrettungsassistent - der wahrscheinlich nur ansatzweise versteht" finde es schon echt traurig wie es dort im vorliegenden Fall abgelaufen ist!
Ich bin ein totaler Gegner von Reanimationen, deren Aussicht auf Erfolg so gering ist, aber wenn dem Team die Informationen nicht vorliegen und der Kreislaufstillstand beobachtet wird!? Reanimation!!!!

Ich halte nichts von der grundsätzlichen Weisungsbefugnis des Hausarztes gegenüber dem Rettungsdienst!
Der Hausarzt ist mir nur so lange weisungsbefugt, wie er die Verantwortung für den Patienten hat, diese endet im RTW!
Wo ich mir sofort den Notarzt nachfordere und mich über das dumme Gesicht es Hausarztes hinter dem Praxisfenster freue, wenn der Notarzt vor seiner Praxis in den RTW steigt um das wieder grade zu biegen, was er verbockt hat!

Es gibt viele gute Hausärzte, aber auch viele, die einfach verpasst haben in den letzten 150 Jahren nach ihrer Aprobation Weiterbildungspunkte zu sammeln & genau mit diesen gibt es bei jedem Einsatz Ärger!

VG Rettungsente

serial2k
22.02.2008, 16:15
Zum Thema ärztliche Weisungsbefugnis möchte ich gerne auf einen alten Thread hinweisen, den ich mit einer konkreten Frage aus der Versenkung geholt habe:

Weisungsbefugnis von Ärzten (http://www.rippenspreizer.de/forum/showthread.php?s=&postid=360173#post360173)