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Morbus X
27.02.2008, 20:27
Es geht um ein gynäkologisches Problem, die Fruchtwasserembolie.

Ursache: Eindringen einer größeren Menge Fruchtwasser in den mütterlichen venösen Kreislauf durch eine Verletzung (ist klar)

Definition: Verlegung von Lungenkapilaren durch thromboplastisch aktives Fruchtwasser mit anschließendem pulmonalen Hochdruck und Rechtsherzbelastung; Verbrauchskoagulopathie (ist soweit auch klar, aber jetzt kommts: )
evtl. anaphylaktische Reaktion.

Hallo? Allergie auf was? Auf den Thrombus? Der ist von der Frau selbst
Auf das Fruchtwasser? Ebenso!
Auf die Thrombozyten aus der Plazenta? Kann ich mir nicht vorstellen, ist auch von der Frau!!!

Hülfe bitte!
D:-)

RS-USER-Elektro-Dengel
27.02.2008, 20:49
Es kann inbes. während der Geburt zum Vermischen von müterlichem und kindlichem Blut kommen (wie z.B. auch bei der Rhesusunverträglichkeit), ausserdem kann im Fruchtwasser sicherlich auch kindliches Gewebe schwimmen.

Morbus X
27.02.2008, 20:53
Aber auch eine Rhesusunverträglichkeit macht keine Anaphylaxie!

Eine Anaph. ist für mich schon viel mehr als nur eine kleine Überreaktion auf einen Bienenstich....

RS-USER-Elektro-Dengel
27.02.2008, 21:17
Da es für gewögnlich nur zu einem Übergang aufs Kind (und nicht umgekehrt) kommt, ja! Dennoch würd ich das nicht für unmöglich halten.

Aber, wie gesagt, Fruchtwasser enthält nun mal kindliche Antigene (das Fruchtwasser wird übringen allgemein zum kindlichen Gewebe und nicht zum mütterlichen gezählt!).

Im übrigen definiert sich der Begriff Anaphylaxie nicht nur im anaphylaktischen Schock, sondern auch in geringergradigen Reaktionen!

Morbus X
28.02.2008, 12:04
Schon klar Dengel.

Morbus X
28.02.2008, 12:49
OK, machen wir es noch ein wenig komplexer (weil Medizin ja so einfach ist):
Was ist denn dann der Unterschied von einer Anaphylaxie und einem Endotoxinschock???

RS-USER-Katja
28.02.2008, 18:51
Erstmal vorneweg: Kein Mensch weiß, wieso die Fruchtwasserembolie so verläuft wie sie verläuft und was genau dabei passiert. Man kann durchaus auch bei Frauen (vor und nach der Geburt) ohne irgendwelche klinischen Symptome kindliche squamöse Zellen in der Blutbahn finden. Und auch daß bei Frauen, die an einer offenbaren Fruchtwasserembolie verstorben sind (nach künstlichem Eröffnen der Fruchtblase) nur in etwa 75% in der Autopsie squamöse Zellen in der Lunge nachgewiesen werden konnten.
Clark et al. haben irgendwann in den 90er Jahren die Theorie hervorgebracht, daß es sich beim der Fruchtwasserembolie nicht um eine Embolie im klassischen Sinn handelt (ist ja auch richtig - es kommen ja keine großen Stücke in den mütterlichen Blutkreislauf, die denn zu Emboli führen, sondern eben Zellen und Flüssigkeit), sondern eher um etwas, daß im Verlauf einer Anaphylaxie ähnelt - mit Hypoxie, Krieslaufversagen/Schock und Koagulapathie. Sie gehen davon aus, daß die Fruchtwasserembolie die gleichen "Endstrecken" in Form von Mediatoren nutzt wie die Anaphylaxie oder die Sepsis.

Ich mach' jetzt die große Kurve, aber ich verbringe im Moment viel Zeit bei den Gynäkokokken, drum das auch noch nebenbei: Gerade bei Sectios muß man sich immer auch noch vor Augen halten, daß man bei weit über 60% aller sectionierten Patientinnen subklinische Luftembolien nachweisen kann. Ist keine "kleine" OP oder etwas, was man sich aus Livestylegründen wünschen sollte, von den ganzen anderen chirurgischen Risiken noch ab. Wenn es nötig ist - gern. Aber nur, weil man keinen Bock auf Wehen hat - nee, das muß ich nicht haben :rolleyes:

RS-USER-Katja
28.02.2008, 18:54
Ach so: Da man nicht weiß, WAS es ist, weiß man auch nicht, WORAUF die Frauen reagieren. Man hat irgendwelchen armen Tieren (Affen, Ziegen...) Amnionflüssigkeit i.v. injeziert - einige Tierarten reagieren überhaupt nicht darauf, bei anderen konnte man etwas provozieren, was so aussieht wie eine Fruchtwasserembolie. Warum? Weiß keiner.
Angeschuldigt wird alles, was Mediatoren ausschüttet oder selbst als Mediator fungiert (Interleukine sind glaube ich mal wieder ganz oben).

Morbus X
05.04.2008, 14:00
OK, gehen wir von einer Anaphylaxie zur Sepsis - einverstanden!

Warum aber ist die Reaktion auf die Sepsis wie die bei einer Anaphylaxie? Ich kenne Sepsis bisher nur als langsames "Krankwerden" mit hochfiebrigen Themperaturen und so weiter...

RS-USER-Katja
05.04.2008, 20:45
Original geschrieben von Morbus X
Warum aber ist die Reaktion auf die Sepsis wie die bei einer Anaphylaxie? Ich kenne Sepsis bisher nur als langsames "Krankwerden" mit hochfiebrigen Themperaturen und so weiter...
Sepsis kann sich innehalb sehr, sehr kurzer Zeit entwickeln und tut es auch meist; das langsame "Reinrutschen" ist in meinen Augen eher die Ausnahme (was auch daran liegen kann, daß ich meist Intensiv- oder OP-Patienten sehe und keine auf Normalstation, aber ich habe auch schon Leute von draußen geholt, die innehalb von 2 Stunden in eine dicke Urosepsis gerutscht sind).
Aber mein Sepsisvortrag dauert in der komprimierten Version geschätzt 30min, da würde ich Dir doch eher ein Buch zu dem Thema ans Herz legen wollen oder die Webseite der Deutschen Sepsis Gesellschaft ;)

Morbus X
06.04.2008, 11:48
30 min und mehr war von mir mit "langsam" gemeint, sorry wenn ich missverständlich ausgedrückt habe.
Anaphylaxie: Sekunden bis 5 min
Sepsis: >30 min.

Die Fahrten mit Sepsis vom AH ins KH waren nahezu sämtlich ohne Blaulicht bestellt...

RS-USER-emergency doc
06.04.2008, 19:26
Original geschrieben von Morbus X

Die Fahrten mit Sepsis vom AH ins KH waren nahezu sämtlich ohne Blaulicht bestellt...

Eine Sepsis ist nicht immer das, was im allgemeinen Sprachgebrauch draus gemacht wird. Oft wird "Allgemeiner Infekt", "Harnwegsinfekt", "Pneumonie" o.ä. fast schon damit gleichgesetzt. Die Sepsis ist ein eigenständiges Krankheitsbild.

RS-USER-Katja
06.04.2008, 22:15
Original geschrieben von Morbus X
30 min und mehr war von mir mit "langsam" gemeint, sorry wenn ich missverständlich ausgedrückt habe.
Anaphylaxie: Sekunden bis 5 min
Sepsis: >30 min.

Die Fahrten mit Sepsis vom AH ins KH waren nahezu sämtlich ohne Blaulicht bestellt...
Wie gesagt und wie der ED es auch sagt, schau mal in Sepnet: http://webanae.med.uni-jena.de/WebObjects/DSGPortal.woa/WebServerResources/sepnet/diagnose_1.html und mach' Dich schlau über Sepsis; nicht alles, was jemand als Sepsis beschreibt, ist eine (besonders ältere Hausärzte, die noch andere Definitionen von Sepsis im Kopf haben) und eine echte schwere Sepsis gehört zackig auf eine Intensivstation. Und nicht irgendwann mit dem KTW ohne alles.

Ich kann Dir zur Fruchtwasserembolie auch nur die aktuellen Theorien anbieten, wenn ich wüßte, was es genau ist und wie es entsteht (noch besser: Wie man es erfolgreich therapiert!), würde ich mich für den Medizinnobelpreis qualifizieren oder so...

krumel
07.04.2008, 09:30
Viele der von Morbus angesprochenen Fälle sind zumindestens meiner Erfahrung nach keine echte "Sepsis" sondern eher Sachen die man in die Klinik fährt "damit keine Sepsis entsteht"...Sprich eine ernsthafte Therapie zur Vorbeugung eingeleitet wird...

Morbus X
07.04.2008, 19:22
Also Wikipedia sagt dazu (deinen Link kann ich leider nicht aufmachen):
Die Sepsis (gr. für Fäulnis), umgangssprachlich auch Blutvergiftung, ist eine außer Kontrolle geratene Infektion. Die Komplexität der pathophysiologischen Vorgänge macht eine Definition schwer. Seit 1992 werden SIRS, Sepsis, Schwere Sepsis und septischer Schock getrennt definiert. Danach ist Sepsis ein Systemisches inflammatorisches Response-Syndrom (SIRS) mit einer nachgewiesenen Infektion (siehe unten).

ausser Kontrolle geratene Infektion
SIRS
Sepsis
septischer Schock

Sepsis=inflammatorisches Ereignis --> heisst ich habe Zeit solange es kein septischer Schock ist.
Oder? :confused:

Morbus X
07.04.2008, 19:28
Ich möchte hier nochmal ausdrücklich den Unterschied von Sepsis und septischem Schock hervorheben!
Ein Schock ist D:-) mit Dr. ;)

RS-USER-Defi Brillator
07.04.2008, 21:30
Original geschrieben von Morbus X
Sepsis=inflammatorisches Ereignis --> heisst ich habe Zeit solange es kein septischer Schock ist.
Oder? :confused:
Zeit ist hier relativ ;) die o.g. S2-Leitline der Deutschen Sepsis-Gesellschaft sagt hierzu:

...Die Behandlung [mit Antibiotika] sollte nach Abnahme entsprechender Kulturen, jedoch frühest möglich (innerhalb einer Stunde) nach Diagnosestellung der Sepsis erfolgen. Die Sepsis an sich ist schon ein äußerst kritischer Zustand (also D:-) ), schwere Sepsis und septischer Schock sind definitionsgemäß durch weitere Faktoren wie multiple Organdysfunktionen und/oder Kreislaufinsuffizienz gekennzeichnet.
Lies dir die S2-Leitlinie (das ist der Link, den Katja oben gepostet hat) am besten mal durch, dann dürften die Definitionen auch klar sein. ;)

RS-USER-Katja
08.04.2008, 00:34
Das meine ich - mit Sepsis hat man keine Zeit, sonst geht der Weg schnell bergab. Nicht umsonst heißt es "early goal directed therapy".
Mir sind die Unterschiede zwischen Sepsis und septischem Schock schon bewußt, ich habe genug Zeit auf Intensiv verbracht ;)
Für die Diagnose "Sepsis" ist auch nach wie vor die Bakteriämie gefordert, und daß der HA die nachgewiesen hat (wenn sie denn nachzuweisen ist), da habe ich mal milde Zweifel, also darf er eigentlich nur SIRS draufschreiben :D

Morbus X
08.04.2008, 12:30
Hab mir das zu genaueren Studien mal ausgedruckt, danke soweit schon mal.

Aber auch beim ersten Ãœberfliegen bin ich schon auf einige Punkte gestossen, die mir Kopfschmerzen bereiten, z.B.:

ohne dass
entsprechende Studien vorliegen müssen, da diese aus ethischen Gründen nicht möglich sind
(z. B. Sauerstoffinsufflation bei Hypoxie).

Also ein Patient der unter Sauerstoffmangel leidet darf eben den
nicht bekommen? :eek: :confused:

RS-USER-Defi Brillator
08.04.2008, 15:40
Nee, das hast du falsch verstanden. ;)
Es geht in dem Beispiel darum, daß man die Sinnhaftigkeit einer O2-Gabe bei Hypoxie eben nicht im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Studie überprüfen kann.
Das würde nämlich bedeuten, daß eine Hälfte der hypoxischen Patienten Sauerstoff erhält, die andere Hälfte Placebo (also meinetwegen Stickstoff oder was-weiß-ich) oder keinen Sauerstoff. Da dies zutiefst unethisch wäre, muß man halt als gegeben annehmen, daß Sauerstoffgabe bei Hypoxie richtig ist