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RS-USER-Beule
26.05.2008, 20:55
N’Abend Miteinander,
ich hab da mal eine Frage die halb medizinisch, halb organisatorisch und voll ethisch ist:

Bei einer Großschadenslage a la Jumbojet auf Reisebus vor Kindergarten wird doch bestimmt nicht bei jedem, der nicht atmet und der noch den Kopf auf den Schultern hat reanimiert, oder? Jedenfalls sagt mir meine kalte Logik, dass in solchen Situationen weder Personal noch Material verfügbar ist, um mehrere Reas parallel laufen zu lassen. Zumal auch das übliche Vorgehen mit erster Lagemeldung, Sichtung/Überblick verschaffen und zweite Rückmeldung soviel Zeit verstreichen lässt, dass der Erfolg nun ja… Aber nach den Erfolgsaussichten darf man ja eigentlich nicht entscheiden, ob man anfängt oder nicht. Sonst würden ja fast nur in Eiswasser ertrunkene Kinder reanimiert werden.

Aber zurück zu meiner eigentlichen Überlegung: Nach was für Kriterien entscheidet man die Toten tot sein zu lassen und sich um die Lebenden zu kümmern? Diese Entscheidung muss ja sehr früh gefällt werden, daher kann man sie ja nicht auf einen LNA abwälzen, sondern muss sie als ersteintreffendes Rettungsmittel selber fällen. Und es muss dabei ja noch nicht mal Jumbojet auf Reisebus sein. PKW gegen Baum reicht ja völlig aus, um uns in diese beknackte Situation zu bringen. Fahrer bewusstlos, Beifahrer hat eine starke arterielle Blutung und der auf dem Rücksitz hat weder Atmung noch Puls und wir sitzen nur zu zweit auf dem Auto.

Rmi_RS
26.05.2008, 21:22
Beim ManV gilt nicht mehr die individual sondern die Krigsmedizin...

Kreislaufstillstand => tot....

in der Zeit in der du den einen Reanimierst kannst du 10 anderen das Leben mit ner abbindung retten...

klingt hart aber is einfach logisch....

RS-USER-Beule
26.05.2008, 21:24
Original geschrieben von Rmi_RS
Beim ManV gilt nicht mehr die individual sondern die Krigsmedizin...

Kreislaufstillstand => tot....

in der Zeit in der du den einen Reanimierst kannst du 10 anderen das Leben mit ner abbindung retten...

klingt hart aber is einfach logisch....

Bei einem ManV ist es mir ja auch klar. Nur wo zieht ihr die Grenze? Deswegen auch das Beispiel mit dem PKW.

RS-USER-DonLuigi
26.05.2008, 21:55
Hallo zusammen,

In Österreich wwird das ganze folgendermaßen geregelt:

http://www.v.roteskreuz.at/prod_images/d96ebf2746784a5dbff69865cbe709e8.pdf

st ein Patient geborgen, wird er an der Triage von einem Arzt triagiert und in die in der PDF-Datei einsehbaren Kategorien eingeteilt.

Es gilt folgendes Zeitlimit für die Triage:
Gehende/Sitzende max. 1 Minute
Liegende max. 3 Minuten.

Die Triage wird z.T. auch als Bergetriage (direkt im Schadensraum) durchgeführt, bei der eine grobe Sichtung gemacht wird und Berge-Prioritäten gesetzt werden.

Genauere Infos?

Ach ja, und im angehängten Video gibts noch eine kleine Doku über eine Übung, organisiert für ein Krankenhaus. ( http://www.youtube.com/watch?v=4tXNZ0a25SQ )

GLG

E.E.Gal
26.05.2008, 22:53
Original geschrieben von Rmi_RS
Beim ManV gilt nicht mehr die individual sondern die Krigsmedizin...

Kreislaufstillstand => tot....

in der Zeit in der du den einen Reanimierst kannst du 10 anderen das Leben mit ner abbindung retten...

klingt hart aber is einfach logisch....

Oder auch Katschutz-Medizin genannt...

RS-USER-Küchenhexe
26.05.2008, 23:23
Original geschrieben von Beule
Bei einem ManV ist es mir ja auch klar. Nur wo zieht ihr die Grenze? Deswegen auch das Beispiel mit dem PKW.

Es wäre schön, wenn sich die Grenze so glasklar definieren ließe... aber ich will zumindest einen Versuch wagen.

Immer, wenn die Anzahl der Hilfsbedürftigen sowie die Art ihrer Verletzungen über die Möglichkeiten der Helfer hinausgehen, muß man als Helfer abwägen, wie man vorgeht, um möglichst viele Betroffene zu retten. Nun bindet eine Rea relativ viele Ressourcen... und der Ausgang ist meist eher fragwürdig. Daher fallen reanimationspflichtige Patienten schon relativ früh durchs Raster. Das kann auch schon mal der Fall sein, wenn ich alleine als Ersthelfer zu einem Unfall komme... wenn ich da einen Patienten ohne Atmung und Kreislauf sowie einen Bewußtlosen mit abdrückbarer arterieller Blutung vorfinde, dann muß ich mich entscheiden!

Das ist zwar nicht besonders schön oder nett, aber effektiv.:peace:

RS-USER-apoplex
26.05.2008, 23:28
Aber nach den Erfolgsaussichten darf man ja eigentlich nicht entscheiden, ob man anfängt oder nicht. Sonst würden ja fast nur in Eiswasser ertrunkene Kinder reanimiert werden.
Nach den Erfolgsaussichten entscheidet man sich im normalen Rettungsdienst nicht, üblicherweise hat man da Individualmedizin, bei dem auf einen Patienten ein Rettungsteam kommt.

Bei einem Massenanfall ist diese individuelle Versorgung nicht gegeben, man hat sehr begrenzte Ressourcen, mit denen so viel wie möglich gemacht werden soll.
Dazu kommt, dass bei Verletzten mit HKS davon ausgegangen werden kann, dass es dann auch traumatologisch bedingte Herz-Kreislaufstillstände sind, die per se noch eine deutlich schlechtere Prognose haben als die nicht-traumatologischen haben.
Die Ressourcen, die man also auf einen traumatologischen Stillstand bündelt, fehlen an anderer Stelle.
Sofern jedoch genügend Helfer vor Ort sind, wird zu individualmedizinischer Hilfe zurückgekehrt und auch jeder Patient versorgt, als sei er der einzige Patient.

RS-USER-DocMezzoMix
27.05.2008, 00:02
Der Punkt wo ist die Grenze zu setzen den Beule fordert gibt es faktisch nicht.

Wie ja alle schon beschrieben haben, wenn ich alleine an einem Verkehrsunfall in der Tuntra stehe werde ich vermutlich nicht reanimieren.
Selber Verkehrsunfall auf der Hauptstraße einer Großstadt.
Klar reanimier ich (wenn ich einen Sinn darin sehe) denn bis die ersten 4 RTW eingetroffen sind, vergehen keine 5Minuten, bis daher ist Pat02 vermutlich nicht verblutet.

Und genauso ist es bei jedem größeren Einsatz.
Bevor du deine Entscheidungen triffst, solltest du dir kurz klar machen: Wie lange brauchen die nächsten Kräfte, reichen die Ressourcen, und dann wem kann ich mit einfachen Mitteln (Bewußtlos in Seitenlage drehen etc.) das Leben retten.

Ich bin der Meinung das in Deutschland bei aktuellen Ereignissen niemand blau also "Abwartent" gesichtet werden muss. Wir haben ein so gut ausgebautes System und bei den meisten Katastrophen eher ein "Überangebot" an Kräften. Vorraussetzung hier ist allerdings auch, dass sich die Führungskräfte entsprechend in den ersten Entscheidungen Verhalten und "das Chaos" ordnen.

Die Österreicher haben uns hier ein Stück vorraus, ich persönlich finde die Systeme sehr gut durchdacht.

Gruß

dMM

Morbus X
27.05.2008, 09:55
Individual- und Kriegsmedizin wurde ja schon angesprochen. Bei einem ManV gibt es 4 Kategorien:

1) Behandlungspriorität
2) Transportpriorität
3) Leichtverletzte - zurückgestellt
4) Schwerstverletzte ohne Aussichten = Tot
Du kannst mit 20 Mann einfach nicht 300 Verletzte individualmedizinisch betreuen!

Ach ja, die Einteilung:
Das musst gar nicht du machen, dafür sorgt meist schon der Einsatzleiter. ;)
Aber in welche Kategorie eine Rea gehört ist jetzt klar oder? D:-)

Morbus X
27.05.2008, 09:58
[QUOTE]Original geschrieben von Morbus X

Notarztindikation
27.05.2008, 11:45
Original geschrieben von Morbus X
Bei einem ManV gibt es 4 Kategorien:

1) Behandlungspriorität
2) Transportpriorität
3) Leichtverletzte - zurückgestellt
4) Schwerstverletzte ohne Aussichten = Tot


Wir (in .at) haben vor eingier Zeit die Kategorien etwas umstrukturiert und die Stellen etwas anders benannt:
I: Sofortbehandlung -> lebensrettende Noteingriffe
II: dringende Behandlung -> Verletzungen die vor Ort nicht/kaum behandelt werden können, schneller Abtransport
III: spätere (ambulante) Behandlung -> Leichtverletzte
IV: betreuende (abwartende) Behandlung -> schwest Verletzte für die momentan keine Ressourcen vorhanden sind
Dann gibt's noch die Transportprioritäten A (schnell) und B (verzögert).

Somit kann man aus jeder Triagegruppe abtransportieren und spart sich den "Umweg" der nochmaligen Triagierung nach II.

saddamski
27.05.2008, 11:56
Original geschrieben von Morbus X

1) Behandlungspriorität
2) Transportpriorität
3) Leichtverletzte - zurückgestellt
4) Schwerstverletzte ohne Aussichten = Tot



Kleine Korrektur: 4 ist die betreuende/abwartende Behandlung.
Hat Kategorie 1 wieder freie Kapazitäten, werden vereinzellt Menschen von 4 zu 1 gestuft.

Ob I oder II transportiert bzw. im BHP behandelt werden soll, hängt auch vom jeweiligen Kreis ab.

Bei einer Übung in Münster/Osnabrück wurde ich z.B. mit einer Milzruptur (I) ins KH gefahren. In anderen Orten war mein Platz dagegen dann die IV Ablage.

Notarztindikation
27.05.2008, 12:28
Ob I oder IV ist ja eher eine Frage der vorhandenen Hefer als eine Frage der Verletzung.

Resq69
27.05.2008, 13:01
Ich hab gelernt:
Die ersteintreffende Einheit rettet nicht, sie gibt rückmeldung ab, fordert nach und verschaft sich einen überblick.
z.b. Sekundärgefahren.

Morbus X
27.05.2008, 22:46
Als erster RTW wirst du ja auch von allen Seiten bestürmt. Überblick verschaffen, nachfordern, Gefahren erkennen und melden, Triageplatz aussuchen, Aufstellungsort festlegen und so weiter und so fort. Da muss man echt die Ruhe bewahren und sich nicht den erstbesten ins Auto packen...
:cool: D:-)

RS-USER-Beule
27.05.2008, 23:05
Original geschrieben von Morbus X
Individual- und Kriegsmedizin wurde ja schon angesprochen. Bei einem ManV gibt es 4 Kategorien:
[...]

Genau so habe ich es auf dem GrFü auch gelernt. Und in den San-Kursen und beim RS war dann eher die Individualmedizin ein Thema. Aber in keinem der Lehrgänge wurde mal ausdiskutiert, wann es sinnvoll ist, von Individual- auf Katastrophenmedizin umzuschalten.

Das man bei mehreren Patienten als erstes den Leichtverletzten den KFZ-Verbandkasten in die Hand drückt, damit sie nicht nerven, ist klar. Aber das ist ja auch eine leichte Entscheidung. Wenn man dann immer noch nicht genug Personal hat, ist es deutlich schwerer zu entscheiden, wen man sich selbst überlässt.

Vielen Dank für eure Anregungen :knuddel:

RS-USER-DocMezzoMix
27.05.2008, 23:53
Original geschrieben von Beule
Genau so habe ich es auf dem GrFü auch gelernt. Und in den San-Kursen und beim RS war dann eher die Individualmedizin ein Thema. Aber in keinem der Lehrgänge wurde mal ausdiskutiert, wann es sinnvoll ist, von Individual- auf Katastrophenmedizin umzuschalten.



Da gibt es auch keine "Faustregel" da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.
Stell dir mal ein Busunglück mit 80Verletzten, lass sie ruhig mal schwer und nicht statistisch verteilt sein, vor.

Dieses Unglück in der Frankfurter Innenstadt:

Die ersten 35 Verletzten werden schon vom Regelrettungsdienst versorgt, dann gibt es "Unterstützungsgruppen" und natürlich die ÜMANV S Komponenten aus dem Umland. Dann kommen ja noch die Einheiten der Feuerwehren, Werkfeuerwehren, und dann kommen wir zu den SAnZügen. Die Verteilung in Krankenhäuser dürfte sich auch relativ Problemlos gestalten, im Zweifel fährt man halt mal 30 km bis Wiesbaden, Mainz, Darmstadt, Offenbach und die kleineren Kliniken im Umland wie im Hochtaunus oder MainTaunus Kreis. Hier wird mit Sicherheit keiner Kat 4 bleiben weil genug qualifizierte Kräfte nachrücken.

Selbes Szenario irgendwo in einem einsamen Landkreis, war letztens mal im ElbeElster Kreis, weit weg von jeder Autobahn,
hier hast du alleine aufgrund der Transportwege ein deutlich geringeres aufkommen an RTW. Desweiteren wird es vermutlich wesentlich weniger RD Personal geben, die auch mal alleine nen Schwerverletzten reanimieren können. Die Verteilung auf Kliniken ist schwerer etc.
Aber auch hier wird die Versorgung gut sein.
Die Faktoren wann wo und wie du auf "Krieg" umschalten musst sind so manigfaltig, das sich hier keine "Verfahrensanweisung"allgemeiner Natur erstellen lässt.
Die Infrastruktur ist hier ein wichtiger Faktor.

Allerdings kann ich mich auch an keinen Einsatz in den letzten Jahren erinnern, in dem eine IV nötig gewesen wäre.

RS-USER-DerDings
28.05.2008, 01:01
dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht: wie schon in dem link weiter o. im "kleingedruckten" ersichtlich: kategorie IV gibt es in .at nur im katastrophenfall, fer von den behörden ausgerufen wird, bei einem "stinknormalen" ManV also nicht!
(rea ausgenommen, aber auch da entscheidet das sich vor ort, wenn genug personal/material zur verfügung steht werden auch mehrere reas gleichzeitig verlaufen)

RS-USER-Brummel
28.05.2008, 08:52
Da gibt es auch keine "Faustregel" da spielen verschiedene Faktoren eine Rolle.

Dann lass es mich doch mal für meinen Landkreis darlegen, gehen wir von nem günstigen Tag aus:

Wenn alle Rettungsdienstkräfte vor Ort sind haben wir 1NAW, 2NEF, 4RTW, 3-6KTW, und hoffentlich ist auch ein LNA und ein OrgL aufzutreiben. (wobei bis die Kräfte alle vor Ort sind wohl je nach Lage schon mal ne halbe Stunde einzurechnen wäre). Vielleicht kommen noch so 1-3RTH's dazu. Dann noch die Ehrenamtlichen, unter der Woche weniger, am Wochenende mehr , vermutlich haben wir dann nach spätestens einer Stunde für jeden der 80 Verletzten einen Helfer. Da wird wohl zwangsläufig jemand nicht versorgt werden können. Dementsprechend eindeutig wird bei uns auch schon im San-Kurs auf ManV-Lagen eingegangen.

RS-USER-emergency doc
29.05.2008, 23:04
Original geschrieben von Beule
Nur wo zieht ihr die Grenze?

Also Jumbojet auf Reisebus vor dem Kindergarten fällt wohl ganz sicher in diese Kategorie ;)