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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Analgesie durch Rettungsassistenten ohne Notarzt - auch BtM erlaubt!?



RS-USER-gnuff
04.06.2008, 11:34
aus gegebenem Anlass zitiere ich aus der Hypnos-Mailingliste einen Beitrag des ÄLRD Kreis Offenbach Dr. Naujocks:

Der DRK Kreisverband Reutlingen hat ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, welches Klarheit über die rechtliche Grundlagen bei den erweiterten Versorgungsmaßnahmen durch Rettungsassistenten geben soll.
Der DRK Kreisverband Reutlingen ist für den Rettungsdienst im Landkreis Reutlingen (Baden-Württemberg) zuständig. Der Landkreis besteht dabei zu zwei Dritteln aus sehr ländlich geprägter Infrastruktur. Im Jahr 2007 kam es an zwei von drei Notarztstandorten zu Abmeldungen des Notarztes mit monatlich bis zu 223 Stunden.
Derzeit werden noch die invasiven Maßnahmen der Rettungsassistenten einer wissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Denn bei dem anspruchsvollen Ziel einer adäquaten und angepassten Patienten-Versorgung hat die Patientensicherheit höchste Priorität, gefolgt von medizinisch-fachlicher Sicherheit für das Rettungsfachpersonal. Bei Einsätzen im Landkreis Reutlingen bei denen medikamentöse Maßnahmen durch Rettungsassistenten ergriffen wurden, kam der Notarzt durch Nachforderung und weite Anfahrtswege durchschnittlich 16 Minuten nach dem Rettungswagen an der Einsatzstelle an.
Dies ist ein eklatanter Unterschied zu den 1,6 Min. welche den bundesdeutschen Durchschnitt nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen im Bericht ‚Leistungen des Rettungsdienstes 2004-2005’ darstellen.
Nach entsprechender Schulung und Prüfung steht den Rettungsassistenten neben der endotrachealen Intubation auch die Anwendung des Larynxtubus zur Verfügung. Für medikamentöse Maßnahmen stehen den Rettungsassistenten neun Medikamente zur Verfügung, welche nach entsprechenden Algorithmen und Protokollen appliziert werden können. Indikationen sind dabei die Reanimation (Adrenalin und Amiodaron), Anaphylaktischer Schock (Adrenalin), obstruktive Atemwege (Salbutamol), Akutes Koronarsyndom (Nitrate), Hypoglykämie (Glucose), zerebrale Krampfanfälle (Midazolam), Hypertensive Notfälle (Urapidil), hämorrhagischer Schock (HyperHAES®), traumatische Schmerzzustände (Midazolam und Ketamin).
Das Legen peripher-venöser Zugänge und die angepasste Applikation von kristalloiden Infusionen werden als Standardmaßnahme beim Notfallpatienten angesehen.
Neben der jährlich stattfindenden schriftlichen, praktischen und mündlichen Prüfung gehört auch die Kontrolle der Einsatzprotokolle durch einen Ärztlichen Fachberater dazu, welcher aus der Gruppe der Leitenden Notärzte entsprechend § 10 RDG BW gestellt wird.
Das Gutachten wurde von dem Kölner Fachanwalt für Medizinrecht Prof. Dr. iur. Fehn (Schneider & Partner GbR) erstellt. Neben der grundsätzlichen Systemanalyse sollte das Gutachten klären, in wie weit auch Analgosedierungen durch Rettungsassistenten bei bestimmten Indikationen (z.B. Extremitätentrauma) auch ohne Notarzt-Nachforderung möglich sind. Da bei etwa einem Viertel der medikamentösen Maßnahmen durch Rettungsassistenten eine kardiale Schmerzsymptomatik zu Grunde liegt, sollte das Gutachten auch die Frage nach der Gabe von Morphin durch Rettungsassistenten klären.
Neben entsprechenden Gesetzen und Verordnungen wurden dem Gutachter alle Verfahrensanweisungen und Procedere vorgelegt.
Das 43-seitige Gutachten hat ergeben, dass aus rechtlicher Sicht eine Analgosedierung durch Rettungsassistenten auch ohne Notarzt-Nachforderung rechtmäßig ist.
Auch eine Analgesie mit Morphin ist demnach legitim, sofern ein Notarzt nachgefordert wird und eine telefonische Rücksprache stattfindet.

RS-USER-Beule
04.06.2008, 20:54
Original geschrieben von gnuff

[...] kam der Notarzt durch Nachforderung und weite Anfahrtswege durchschnittlich 16 Minuten nach dem Rettungswagen an der Einsatzstelle an.
Dies ist ein eklatanter Unterschied zu den 1,6 Min. welche den bundesdeutschen Durchschnitt [...]
[/COLOR]
Das KANN nur ein Fehler sein. Selbst mit Beamen braucht ein Doc mehr als zwei Minuten von der Wache zum Patienten.



Original geschrieben von gnuff

[...] Das 43-seitige Gutachten hat ergeben, [...] ist demnach legitim, sofern ein Notarzt nachgefordert wird und eine telefonische Rücksprache stattfindet.

Das hat nicht ersthaft ein Jurist geschrieben, oder? Etweder ist der Artikel oder das Gutachten komplette Grütze, oder beides. :rolleyes:

Beachbaer82
04.06.2008, 21:36
Die die es interessiert - in den Landkreisen Giessen und Marburg-Biedenkopf ( beim dortigen Rettungsdienst Mittelhessen ) wird genau dieses oben genannte Verfahren angewandt.
Auch dort dürfen geprüfte RettAss div. Medikamente ( u.a. auch MORPHIN ) spritzen, wenn ein Algorhythmus und eine telefonische Absprache mit einem Arzt stattfindet!!!

www.rettungsdienst-mittelhessen.de

Geduldsbalken-Träger
04.06.2008, 21:42
Original geschrieben von Beule

Das KANN nur ein Fehler sein. Selbst mit Beamen braucht ein Doc mehr als zwei Minuten von der Wache zum Patienten.

...


Schau nochmal hin:

Der NA kommt bundesweit durchschnittlich 1,6 Minuten nach dem Rettungswagen an.

...und bei Hilfsfrist von 8-12 Minuten für den RTW hat der Doc demnach rund 9,5 - 13,5 Minuten bis er den Puls fühlen darf...

Und ja, ich glaube schon, dass das ein Jurist geschrieben hat:

Juristisches kann man immer von (mindestens) zwei Seiten sehen. Der gute Jurist leitet die Antwort auf jede Frage mit "Das kommt drauf an..." ein! Hier wird es entweder mal die lang-ersehnte Regelkompetenz für Rettungsfachpersonal im novellierten RettAssG oder eine höchstrichterliche Entscheidung geben müssen.
Solange dies nicht gegeben ist, ist jede invasive Maßnahme durch nichtärztliches Rettungsdienstpersonal ein "Tanz auf dem Vulkan".

Gruß
Klaus

RS-USER-Beule
04.06.2008, 21:59
Original geschrieben von Geduldsbalken-Träger
Schau nochmal hin:

Der NA kommt bundesweit durchschnittlich 1,6 Minuten nach dem Rettungswagen an.

...und bei Hilfsfrist von 8-12 Minuten für den RTW hat der Doc demnach rund 9,5 - 13,5 Minuten bis er den Puls fühlen darf...


OK, wenn man es so sieht ist es keine Hexerei. Ich habe mich wohl von dem Wort "Nachforderung" irritieren lassen. Wobei die 1,6 Minuten immer noch sportlich sind, wenn alle NA-Einsätze berücksichtigt wurden, also die gleichzeitig alamierten und die nachgeforderten NAs.

Ja, das bekannte Problem mit Juristen: Frage drei Juristen nach der Uhrzeit und du bekommst 6 verschiedene Antworten :rolleyes:

RS-USER-emergency doc
05.06.2008, 11:50
Also IMHO ist die Gabe von Opiaten nichts, was einen expliziten Arztvorbehalt darstellt.
Auf Kauffahrtsschiffen ist die Vorhaltung von Opiaten und Gabe durch Nichtärzte (nach ärztlicher Rücksprache) gang und gäbe.
Wenn man feste Regeln und Algorhythmen hat, sollte das problemlos sein.
Das ist IMHO aber auch etwas völlig anderes, als z.B. ein operativer Eingriff (Thoraxdrainage, Notamputation) oder eine Einleitung einer Narkose.

RS-USER-Hoffi
05.06.2008, 17:38
Original geschrieben von emergency doc
Das ist IMHO aber auch etwas völlig anderes, als z.B. ein operativer Eingriff (Thoraxdrainage, Notamputation) oder eine Einleitung einer Narkose.

Was aber auf Kauffahrtsschiffen mangels erreichbaren Arzt auch ab und zu von nichtärztlichen Akademikern durchgeführt wird (Kapitäne werden für sowas auch geschult)

RS-USER-emergency doc
05.06.2008, 18:32
Original geschrieben von Hoffi
Was aber auf Kauffahrtsschiffen mangels erreichbaren Arzt auch ab und zu von nichtärztlichen Akademikern durchgeführt wird (Kapitäne werden für sowas auch geschult)

Ein ländlicher Rettungsdienstkreis ist auch nicht ganz mit einem Kauffahrtsschiff vergleichbar. Ich möchte mal behaupten, daß es in Deutschland keinen bewohnten Ort gibt, an dem nicht innerhalb von 30 Minuten ein Arzt sein kann. Auf sonem Schiff können das locker mal 30 Stunden sein... oder auch Tage:rolleyes: :D

saddamski
05.06.2008, 19:18
Ähhh, auf die Gefahr, dass ich mich oute ;)

Wie soll denn bitte das Lagern der Btms vernünftig machbar sein?

Wie beim Arzt? Immer am Mann? ;)

Oder mit nem Save?

Oder eher gar nicht? :confused:

RS-USER-emergency doc
05.06.2008, 19:36
Das ist doch das geringste Problem. Auf jeder Station in einem Krankenhaus funktioniert das auch. Warum soll es nicht eine BTM-Box für jeden RTW geben?

RS-USER-Hypnodoc
08.06.2008, 13:05
Original geschrieben von gnuff
aus gegebenem Anlass zitiere ich aus der Hypnos-Mailingliste einen Beitrag des ÄLRD Kreis Offenbach Dr. Naujocks:

Für medikamentöse Maßnahmen stehen den Rettungsassistenten neun Medikamente zur Verfügung, welche nach entsprechenden Algorithmen und Protokollen appliziert werden können. Indikationen sind dabei die Reanimation (Adrenalin und Amiodaron), Anaphylaktischer Schock (Adrenalin), obstruktive Atemwege (Salbutamol), Akutes Koronarsyndom (Nitrate), Hypoglykämie (Glucose), zerebrale Krampfanfälle (Midazolam), Hypertensive Notfälle (Urapidil), hämorrhagischer Schock (HyperHAES®), traumatische Schmerzzustände (Midazolam und Ketamin).
.....Auch eine Analgesie mit Morphin ist demnach legitim, sofern ein Notarzt nachgefordert wird und eine telefonische Rücksprache stattfindet.[/I][/COLOR]

In diesem Brief sind schon mehrere Medikamente erlaubt, die weder durch BÄK, BAND oder andere Verbände diskutiert worden sind.
Amiodaron, HyperHAES und Urapidil stehen bisher außerhalb der Diskussion. Midazolam nur bei rectaler Anwendung und Krampfanfall.
Über erlaubte Analgetika gibt es keine abschliessende Empfehlung. Bei allen Medikamenten gilt: Wer sie anwenden will, muß die Kontraindikationen kennen und die Nebenwirkungen behandeln können!
BtM müssen von einem Arzt dokumentiert werden. Dat is Jesetz. Da muß die Vertrauensbasis zwischen RD und NA schon sehr groß sein......
Der ÄLRD, der so ein Vorgehen absegnet, begibt sich gehörig aufs Glatteis.
Mir scheint der Landkreis braucht einen Notarzt mehr oder einen Hubi in der Nähe. Aber das kostet natürlich mehr Geld als die RA mit mehr Kompetenzen auszustatten. Ohne Sondervergütung und in einer fragwürdigen rechtlichen Situation.
Gruß Hypnodoc

saddamski
08.06.2008, 20:09
Original geschrieben von emergency doc
Das ist doch das geringste Problem. Auf jeder Station in einem Krankenhaus funktioniert das auch. Warum soll es nicht eine BTM-Box für jeden RTW geben?

Und wie funktioniert es auf jeder Station?
Ich stecke in einem Bürojob, ganz außerhalb von Krankenhaus, Rettungsdienst oder Gesundheitswesen ;)

Mein stand ist, dass BTMs in einem Save verschlossen sein müssen, wo nur ganz bestimmte Leute dran dürfen.

Deshalb eben meine Frage, wie man das in einem RTW lösen möchte. Save einbauen und nur bestimmte Leute mit Schlüssel versehen?

RS-USER-DerDings
08.06.2008, 20:14
Original geschrieben von saddamski
Ähhh, auf die Gefahr, dass ich mich oute ;)

Wie soll denn bitte das Lagern der Btms vernünftig machbar sein?

Wie beim Arzt? Immer am Mann? ;)

Oder mit nem Save?

Oder eher gar nicht? :confused:

wie ist das denn bei euch juristisch geregelt? bei uns liegen die btm's in einem abgeschlossenen fach (tlw nichtmal das) im ampullarium (koffer und auto), verbrauch wird in einem eigenen suchtmittelbuch registriert und aus der kh apotheke wird nachgefasst..

RS-USER-pille
08.06.2008, 22:58
Original geschrieben von DerDings
wie ist das denn bei euch juristisch geregelt?

SO (http://www.bundesrecht.juris.de/btmvv_1998/BJNR008000998.html)

bisher hab' ich zu demThema nix geschrieben...
Werde es auch nicht tun...
denn der Tatbestand des groben Unfugs ist in dem Moment erfüllt, wenn eine präklinische Maßnahme aufgrund dessen AUC substanziell notwendige Handlungen im Krankenhaus erschwert...

RS-USER-Beule
08.06.2008, 23:27
Ist es eigentlich wirklich sinnvoll den NA durch einen RA auf juristisch dünnem Eis zu ersetzen? Klar wollen wir alle unseren Patienten helfen, aber müssen sich die RAs dafür so weit aus dem Fenster lehnen?

Natürlich ist es doof einen Doktor "nur" zur Analgesie nachzufordern. Aber wenn die Analgesie freigegeben wird, ist es irgendwann doof einen Doktor anzufordern "nur" um etwas Luft aus dem Pleuralspalt zu lassen.

Es gibt einfach manchmal keinen Ersatz für einen Akademiker. Und manchmal ist es ja auch für die Diagnostik im KH eher kontraproduktiv, wenn der Patient für den Rest der Woche keine Schmerzen haben wird :rolleyes:

narkodata
09.06.2008, 11:12
Der ÄLRD, der so ein Vorgehen absegnet, begibt sich gehörig aufs Glatteis.
Mir scheint der Landkreis braucht einen Notarzt mehr oder einen Hubi in der Nähe. Aber das kostet natürlich mehr Geld als die RA mit mehr Kompetenzen auszustatten. Ohne Sondervergütung und in einer fragwürdigen rechtlichen Situation.
Gruß Hypnodoc

...und genau aus diesem Grund habe ich mir extra einen Account bei Rippenspreizer besorgt:

1. mein Name ist Naujo-k-s, ohne Cäsar!
2. ich sehe das mit dem Glatteis genauso; der Erstautor dieses Fadens hat warum auch immer mich in Zusammenhang mit dem Artikel, der von der website des DRK stammt und als Urheber den Prof. Fehn nennt, genannt, und schon gibt's die wildesten Verwicklungen.
In meinem Landkreis snd BtM NICHT für nichtärztliches Personal freigegeben.

Gruß
Dr. F. Naujoks, ÄLRD Kreis Offenbach:mad:

Morbus X
09.06.2008, 11:23
Ich kenne kompliziertere Lage...
Warum fängt man nicht erst mal mit einer Regelkompetenz an?
Wenn das gut funktioniert können ja nach und nach auch die BTM's aufgenommen werden.




Dünnes Eis - ein Paradies für jeden der zu tanzen weiss.... :grins:

RS-USER-gnuff
09.06.2008, 12:13
Es hat in Zusammenhang mit diesem Thread einige Verwirrungen gegeben an denen ich nicht ganz unschuldig bin. Das tut mir aufrichtig leid. Dr. Naujoks war lediglich derjenige, der, wie er hier selbst schon gepostet hat, einen Artikel von der DRK-Homepage in einer Mailingliste zitiert hat. Ich habe diesen Beitrag hier veröffentlicht ohne nochmals explizit daraufhinzuweisen, dass Dr. Naujoks NICHT der ursprüngliche Verfasser dieses Artikels war. Ich war fälschlicherweise der Ansicht, dass dieser Umstand klar verständlich sei. Ich möchte alle Beteiligten an diesem Thread bitten auf Anfragen, Beschimpfungen oder sonstigen Dingen an Dr. Naujoks zu verzichten. Vielen Dank.

RS-USER-pille
09.06.2008, 14:04
Original geschrieben von gnuff
Es hat in Zusammenhang mit diesem Thread einige Verwirrungen gegeben an denen ich nicht ganz unschuldig bin

Macht nix..........:)

Keiner ist perfekt.

Da es aber ohnehin mit der aktuellen Rechtslage kollidiert und die Zweifler (zu Recht) überwiegen, könnte man ja, um die von Dir genannten Anfeindungen etc. von vorneherein auszuschließen, das ganze Thema ja auch einfach schließen & verschieben.

Meine Meinung
:peace: