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RS-USER-DocMezzoMix
06.06.2008, 18:42
Aloha, im Rheingau Taunus Kreis hat ein Notarzt des MHD mehrere Messerstische im Hals eines Patienten übersehen, und "Natürlicher Tod" eingetragen. Das ganze kam nur raus, weil der Täter bei der Vernehmung zu einer anderen Straftat überrascht einen Mord gestand.

Quelle ist der Wiesbadener Kurier (http://www.wiesbadener-kurier.de/region/objekt.php3?artikel_id=3309590) von heute:




Mord per Zufall auf die Spur gekommen
Bis zum Geständnis galt der Tod eines Geisenheimers als natürlich




Vom 06.06.2008

GEISENHEIM Eine Richterin hat gegen Mark S. Haftbefehl wegen Mordes erlassen. Der junge Mann hat gestanden, den Lebensgefährten seiner Großmutter erstochen zu haben. Die Tat, die Mark S. vermutlich am 16. Mai begangen hat, war bis zu seinem Geständnis nicht aufgefallen.


Von

Christoph Cuntz

Dass ein 66-Jähriger eingeäschert wurde im festen aber falschen Glauben, er sei eines natürlichen Todes gestorben, das ist offenkundig auf die grob fehlerhafte Bescheinigung eines Notarztes zurückzuführen, der für den Malteser Hilfsdienst in Oestrich-Winkel arbeitet. Der Mediziner war am 20. Mai in eine Wohnung in der Geisenheimer Bleichstraße gerufen worden. Alarmiert hatte ihn ein Vertrauter der Lebensgefährtin, die in einer Reha-Klinik weilte. Sie war unruhig geworden, weil sie den 66-Jährigen nicht mehr erreichen konnte. Ihr Bekannter hatte einen Wohnungsschlüssel. Er sollte nach dem Rechten schauen.

Opfer war Bluter

Der Arzt wiederum hatte die Polizei verständigt. Nur der Polizeipräsenz ist es aber zu verdanken, dass es wenigstens Fotos gibt von jener Stelle, die seit Montag erst als Tatort gilt. Die Bilder zeigen den Mann, der in einer riesigen Blutlache liegt: Blutsturz im Rachenbereich, notierte der Mediziner - für ihn nicht weiter auffällig wegen der "Vorerkrankungen des Mannes", wie es im gestern veröffentlichten Polizeibericht heißt. Offenbar war der 66-Jährige Bluter. Die Fotos zeigen weiter ein Hämatom am Auge. Für den Arzt eine Sturzverletzung. Die Polizei daher: "Die Inaugenscheinnahme der Wohnung durch die eingesetzten Beamten und die Feststellungen des Arztes ließen zunächst nicht auf ein Verbrechen schließen".

Das änderte sich, als Mark S. am Montag festgenommen wurde. Der 20-Jährige ist das Enkelkind der Frau, die mit dem 66-Jährigen zusammenlebte. Mark S., der wegen Eigentumsdelikten bereits polizeibekannt war, wurde dieses Mal des Warenkreditbetruges verdächtigt: Er soll Waren bestellt und nicht bezahlt haben. Die sehr viel schwerer wiegende Erkenntnis, dass er den 66-Jährigen getötet hat, ist "Kommissar Zufall" zu verdanken.

Denn Angehörige des Opfers hatten zu diesem Zeitpunkt bereits festgestellt, dass eine Geldbörse mit EC-Karten sowie eine Geldkassette aus der Wohnung des 66-Jährigen gestohlen worden waren. Der 20-Jährige habe während der Vernehmung den Diebstahl gestanden, teilt die Polizei mit. Als er daraufhin aufgefordert wurde, endlich reinen Tisch zu machen, muss er psychisch zusammengebrochen sein. Plötzlich erzählte er, was bis dahin unentdeckt geblieben war.

Es habe am 18. Mai - mithin zwei Tage vor Auffinden der Leiche - zwischen ihm und dem 66-Jährigen Streit gegeben. Anfänglich nur Geschubse. Dann soll der 66-Jährige begonnen haben, Mark S. zu würgen. Nach dessen Abwehr sei der Ältere zu Boden gegangen, habe ohnmächtig dort gelegen. Mark S. gab zu Protokoll, er habe geglaubt, der 66-Jährige sei tot. Er habe die Gelegenheit nutzen und etwas stehlen wollen. In der Küche habe er die Geldkassette gefunden. Doch der 66-Jährige sei inzwischen wieder zu sich gekommen. Mit einem Fleischmesser, das eine 20 Zentimeter lange Klinge hat, sei er auf Mark S. los, habe gerufen: "Du wolltest mich umbringen. Das mache ich jetzt mit Dir". Mark S. gab an, den 66-Jährigen daraufhin in den Bauch geschlagen und im Reflex vier Mal mit dem Messer in den Hals gestochen zu haben. Die Waffe fand die Polizei in einem Wasserauffangbehälter.

Ermittlung gegen Notarzt

Hartmut Ferse, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiesbaden, sagte, Mark S. sitze wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft. Geprüft werde nun, ob sich der Notarzt und die Mitarbeiter des Krematoriums korrekt verhalten haben. Gregor Goetz, Geschäftsführer des Malteser Hilfsdienstes in Oestrich-Winkel, sagte, er habe erst gestern Kenntnis von dem Vorfall bekommen. Er werde den Hintergrund prüfen und die gesammelten Informationen an den leitenden Notarzt des Rheingau-Taunus-Kreises weitergeben. So lange wolle er sich zu Presseanfragen nicht konkret äußern.

Opala, da waren einige wohl abgelenkt oder angeekelt..

RS-USER-Elektro-Dengel
06.06.2008, 19:14
Original geschrieben von DocMezzoMix


Dass ein 66-Jähriger eingeäschert wurde im festen aber falschen Glauben, er sei eines natürlichen Todes gestorben, (...)

Sagts, mal, hab ich den Satz jetz schon richtig verstanden...?:eek:

RS-USER-DocMezzoMix
06.06.2008, 19:18
Rischdisch, der war tot, der Doc sagte, naja, gehörte wohl so, man hat ihn verbrannt und dann kam einer und sagte.."übrigens ich hab ihm die Kehle durchgeschnitten". Ne Leiche gibt es nicht mehr, und auch keine primäre Morduntersuchung.
Sowas ist wohl garnicht so selten.

RS-USER-Pronto Soccorso
06.06.2008, 19:41
Wer noch mehr zu ähnlichen Dingen lesen will

Im Rücken steckt das Messer: Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Hans Bankl

http://www.amazon.de/R%C3%BCcken-steckt-das-Messer-Gerichtsmedizin/dp/3442152038/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1212777596&sr=8-1

RS-USER-Brummel
06.06.2008, 20:43
Naja, mag ja sein, dass einer was übersieht, aber muss vor der Einäscherung nicht noch ein Pathologe das ganze Überprüfen, sprich auf unnatürliche Umstände des Todes achten?????:confused:

RS-USER-Elektro-Dengel
06.06.2008, 21:18
Original geschrieben von DocMezzoMix

Dass ein 66-Jähriger eingeäschert wurde im festen aber falschen Glauben, er sei eines natürlichen Todes gestorben, das ist offenkundig auf die grob fehlerhafte Bescheinigung eines Notarztes zurückzuführen,

Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass euch bei diesem Satz nix merkwürdig vorkommt, oder...?

RS-USER-Bärentöter
06.06.2008, 21:46
Original geschrieben von Pronto Soccorso
Im Rücken steckt das Messer: Geschichten aus der Gerichtsmedizin

Hans Bankl

http://www.amazon.de/R%C3%BCcken-steckt-das-Messer-Gerichtsmedizin/dp/3442152038/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1212777596&sr=8-1

kenne ich! Sehr lesenswert!

RS-USER-emergency doc
06.06.2008, 22:12
Hmmm... Ich weiss jetzt nicht, was das Bestattungsgesetz im Rheingau Taunus Kreis vorsieht (welches Bundesland ist das eigentlich?), in NRW wird die Polizei nur hinzugezogen, wenn unklar ist, ob natürliche Todesursache oder nicht bzw. bei eindeutig unnatürlicher Todesursache.
Ich mache persönlich immer wenn ich den geringsten Anhalt habe die unnatürliche oder unbekannte Ursache draus. Tags versuche ich den Hausarzt rauszufinden und mit dem zu telefonieren.
Übrigens bin ich schon ein paar mal von irgendeinem Gesundheitsamt-Pathologen angerufen worden, der vor Einäscherung nochmal meinen Leichenschauschein gelesen hat. Wohlgemerkt, keine zweite Leichenschau vorgenommen hat, sondern nur eine Nachfrage zu meinem Schein hatte!

RS-USER-Rika
06.06.2008, 23:53
Und was ist mit dem Bestatter? Er wird doch wohl vor der Einäscherung hergerichtet worden sein. So unauffällig sind (mehrere) Stichwunden nun nicht gerade.

RS-USER-Rippenspreizer
07.06.2008, 07:05
Original geschrieben von Brummel
Naja, mag ja sein, dass einer was übersieht, aber muss vor der Einäscherung nicht noch ein Pathologe das ganze Überprüfen, sprich auf unnatürliche Umstände des Todes achten?????:confused:

Nicht zwangsläufig.
In der Regel läuft das so ab:

1.Natürlicher Tod --> Bestattung
2. Nicht geklärt, ob natürlich/unnatürlicher Tod --> Polizei

Im 1. Fall passiert nicht allzuviel. Der todfeststellende Arzt stellt eine Todesbescheinigung aus und der Bestatter wird informiert. Ein natürlicher Tod wird im RettDienst sehr selten ausgestellt, da der NA den Patienten bzw. dessen Vorgeschichten in der Regel nicht kennt. Es gibt wenige Ausnahmen...

Im 2. Fall wird i.d.R. die Polizei dazugeholt. Diese wiederum führt eine kriminalpolizeiliche Untersuchung durch und wird im begründeten Fall eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung anstoßen. In diesem Fall wird der Leichnam beschlagnahmt und ggf. der Gerichtsmedizin (nicht zwangsläufig Pathologie) zugeführt.
Wichtig: auch wenn die Kausalkette der Ereignisse bis zum Tod des Patienten plausibel sind, bedeutet das noch lange nicht, dass der Patient einer "natürlichen Todesursache" zum Opfer fiel. Wer also aus dem 8. Stock fällt, ist natürlich tot, aber die Todesursache ist nicht-natürlich, sondern ein Unfall (der per Definition ein unnatürlicher Tod ist!) Das wird leider allzu oft vergessen. Genauso wie eine zumindest orientierende Leichenschau. Da gibt es viele ganz gruselige Geschichten auch aus der modernen Notfallmedizin, Stichwort Vita minima (http://de.wikipedia.org/wiki/Scheintod)

Dummerweise ist das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt und innh. der (Not)ärzteschaft bzw. Rechtsmedizin gibt es zahlreiche Überlegungen, das Thema "Todesbescheinigung/Leichenschau" zu reformieren.

Gruß, Daniel

RS-USER-Brummel
07.06.2008, 08:26
Der grundsätzliche Ablauf ist mir bekannt, ich dachte nur ich hätte in einer Reportage gesehen (ich glaube über einen Pathologen in Hamburg oder Berlin), dass dieser die zur Einäscherung anstehenden Leichen am Tag der Einäscherung alle nochmal ansehen muss und dabei eben auf mögliche Anzeichen für einen unnatürlichen Tod achten muss. Ich dachte das wäre deutschlandweit verpflichtend.


Und zu den gruseligen Geschichten, da kursiert bei uns im Kreis auch eine ziemlich beängstigende...

RS-USER-Claudi
07.06.2008, 11:10
also die 2. Leichenschau vor Einäscherung haben die Länder in ihren Bestattungsgesetzen geregelt. Es ist also je nach Bundesland unterschiedlich, ob tatsächlich noch einmal der Leichnam angeschaut wird.
In Bayern gibts das so weit ich weiß nicht mehr. Tot ist tot. Basta. :grins:

RS-USER-gnuff
07.06.2008, 11:38
Original geschrieben von Rippenspreizer
Dummerweise ist das von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt und innh. der (Not)ärzteschaft bzw. Rechtsmedizin gibt es zahlreiche Überlegungen, das Thema "Todesbescheinigung/Leichenschau" zu reformieren.


Ich habe hier den großen Vorteil, dass ich keine Todesbescheinigung ausstellen muss, wie in anderen Bundesländern. Es reicht wenn ich den Tod feststelle und das auf meinem NA-Protokoll dokumentiere. Anschliessend muss ich nur dafür sorgen, dass nach einer angemessenen Zeit ein anderer Arzt (im Idealfall der Hausarzt, der den Pat. kennt) die Leichenschau durchführt.

RS-USER-Medi-Fischi
07.06.2008, 22:57
Original geschrieben von Elektro-Dengel
Ihr wollt mir doch nicht ernsthaft erzählen, dass euch bei diesem Satz nix merkwürdig vorkommt, oder...?
Mir schon :D

Morbus X
08.06.2008, 10:10
Original geschrieben von Claudi
also die 2. Leichenschau vor Einäscherung haben die Länder in ihren Bestattungsgesetzen geregelt. Es ist also je nach Bundesland unterschiedlich, ob tatsächlich noch einmal der Leichnam angeschaut wird.
In Bayern gibts das so weit ich weiß nicht mehr. Tot ist tot. Basta. :grins:

Hier in Bayern ist es soweit ich weiß tatsächlich Sache des Notarztes ob noch was passiert oder nicht. Natürlicher Tod angekreuzt: Richtig, tot ist tot - basta :grins:
Nicht natürlich/unklar: Gerichtsmedizin.

RS-USER-Hypnodoc
08.06.2008, 12:51
Original geschrieben von Rippenspreizer
Nicht zwangsläufig.
In der Regel läuft das so ab:

1.Natürlicher Tod --> Bestattung
2. Nicht geklärt, ob natürlich/unnatürlicher Tod --> Polizei

Gruß, Daniel

Hi there,
in Sachsen-Anhalt ist vor einer Feuerbestattung eine 2. Leichenschau Pflicht. Dafür gibt es einen Extra-Durchschlag am Totenschein.
Auf jeden Fall hat der Notarzt jetzt ein gehöriges Problem, weil zu einem Totenschein gehört die Leichenschau. Und die wird am völlig entkleideten Toten vorgenommen.
Ich bin in meiner Zivi-Zeit als Fahrer im Ärztlichen Bereitschaftsdienst gewesen. Ich habe in den seltestens Fällen eine gute Leichenschau gesehen. Wenn ich Jemanden um die Ecke bringen wollte, würden mir schon ein paar Dinge einfallen, die eine gründliche Leichenschau oder eine Obduktion unwahrscheinlich machen. Zum Beispiel wird immer wieder dementiert, dass gegen Jahresende die Obduktionsrate abnimmt. Insider sagen, dass es stimmt, weil das Budget erschöpft ist. Gruß Hypnodoc
PS: Ich hatte neulich einen Todesfall im Schweinestall. Nein, nicht das Schwein. Die ältere Dame war kardiologisch schwer vorerkrankt. Als sie gefunden wurde, hatte sie aber auch noch eine ca 10 cm große Wunde auf der Stirn.....
Die Kripo kam, die Spurensicherung, die Gerichtsmedizin. Das dauerte vier Stunden. CSI Kuhdorf ermittelte!
Letzendlich war das Ergebnis der Leichenschau ein natürlicher Tod.
War interessant.

RS-USER-emergency doc
09.06.2008, 14:20
Also ich guck mir bei jedem Verstorbenen die gesamte Körperoberfläche an inclusive nackt machen und umdrehen. Ausnahme ist natürlich, wenn ich die Pol. dazu hole oder einen Folgeeinsatz kriege.
EKG mit Null-Linie versuche ich immer, klappt aber manchmal nicht (Stichwort Bahnunfall), ist dann aber auch nicht mehr nötig ;)

RS-USER-Claudi
16.06.2008, 13:47
wie ich gestern in den Nachrichten hörte, wird geplant bundesweit amtliche Leichenbeschauer einzuführen, weil es "besonderes Fachwissen erfordert, eine Todesursache festzustellen." :grins:
Die Amtlichen sollen dann grundsätzlich die Totenscheine ausstellen. Not- und andere Ärzte seien zu zurückhaltend mit der Angabe einer "nicht geklärten Todesursache", weil dann eben Polizei und Obduktion die Folge sind. Man möchte die Angehörigen damit lieber verschonen.

Es sollen ca. 1000 Morde pro Jahr unentdeckt bleiben, so eine grobe Schätzung.

Allerdings gibt es Bedenken:
"Todesursache Hausarzt" könnte nach einer Obduktion oft auf den Totenscheinen stehen... :-p
Nein, kein Witz. Das war eine offizielle Begründung...

den Cartoon dazu gibts ja schon.

RS-USER-DocMezzoMix
16.06.2008, 18:42
Also es hat tatsächlich eine doppelte Leichenschau gegeben: Durch den NA und durch einen Arzt vor der Verbrennung.

Momentan ist noch unklar was überhaupt passiert.
Der Täter ist in seiner Geschichte sehr glaubwürdig...allerdings die beiden Ärzte auch.
Die Frage ist: Warum sollte jemand eine Mordgeschichte erfinden?

Was richtig neues gibt es nicht.

RS-USER-Hypnodoc
17.06.2008, 15:55
Original geschrieben von DocMezzoMix
Die Frage ist: Warum sollte jemand eine Mordgeschichte erfinden?

Was richtig neues gibt es nicht.

Warum geht jemand in das Big-Brother-Haus? Der selbe Grund. Oder eine der fünf Stimmen in seinem Kopf hat ihm dazu geraten......
GRuß Hypnodoc