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RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 11:21
Warmer etwas schwüler Sommertag, mittags Alarm für RTW und NEF "Atemnot".
Beide treffen gleichzeitig ein.

Vor Ort an einem Hochhauskomplex seht ihr schon vom Parkplatz aus einen jungen Mann in der Eingangstür des Hochhauses stehen, auf Nachfragen gibt er an, angerufen zu haben, er sei der Patient. Die Wohnung sei schon verschloßen, und er "abreisefertig". Der Patient ist blaß, schweissig und adipös. Er steht schwer atmend an die Eingangstür des Hauses angelehnt. Offenbar gehts ihm wirklich nicht gut.

Nun?

Geduldsbalken-Träger
04.08.2008, 11:41
Erstmal würde ich vorschlagen, er setzt sich (mit Hilfe) hin - falls er umkippt, ist es wenigstens nicht mehr so weit bis zum Boden...
Sofern sich Doc und Fahrer um den Patienten kümmern - und der Patient sich noch so lange auf den Beinen halten kann, kann das RTW-Team auch schon Trage fertig machen und ihn direkt einladen.

Ansonsten Routine-Check, also Puls, RR, SpO2, EKG
Abfrage bisherige Erkrankungen, Symptome dem Pat. bekannt? Evtl. bereits Medikamente eingenommen? Seit wann?

Wie jung ist denn unser adipöser Patient in etwa?

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 11:49
Der 19jährige Patient gibt ein Gewicht von ca. 130kg an (cal. 180cm, Größe)
HF: 80, SpO2: 98, AF:20, RR:210/140, EKG: Sinusrhythmus
Krank sei er so nie gewesen, Medikamente nehme er keine, er sei sowieso seit seiner Kindheit nicht mehr beim Arzt gewesen.
Sowas wie jetzt hätte er noch nie gehabt.

RS-USER-DonLuigi
04.08.2008, 14:32
... ist es zunehmend mehr geworden oder ist es plötzlich aufgetreten? Letzte Nahrungsaufnahme? Allergien? Atemgeräusch?

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 18:28
Der Patient berichtet, er habe die letzten Tage so einen Druck auf der Brust gehabt, seit gestern habe er etwas schlecht Luft bekommen, aber seit genau einer Stunde gehe gar nichts mehr. Er habe beim Atmen so starke Schmerzen, daß er kaum Luft kriege. "Doktor, machen Sie bitte irgendwas, ich halt das nicht mehr aus

Achja, vesikuläres Atemgerausch beidseits, keine Nebengeräusche...

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 18:29
Gegessen hat er seit dem Vorabend nichts, Allergien sind ihm keine bekannt.

RS-USER-Bärentöter
04.08.2008, 20:20
gegen Pneu spricht das gleichmäßige Atemgeräusch, gegen Lungenembolie die Sättigung.
Primärer Verdacht sind vertebragene Schmerzen, dennoch lassen wir uns alle Optionen offen.
EKG wäre auch interessant, ich lasse ein 12-Kanal-EKG schreiben.

RS-USER-Medi-Fischi
04.08.2008, 20:25
Hui. Ich probier mal, was ich als RS (in .at!) für den armen Menschen tun kann: Ab auf die Trage. Oberkörper (relativ stark) erhöht (also fast sitzend)
O2 Maske mit etwa 8l/min (obwohl die Sättigung eigentlich eh nicht so schlimm ist, schaden kanns aber sicher nicht, therapiere den Pat. nicht den Monitor ;) )
Dann lass ich den Doc mal vor. Der RR macht mir irgendwie Sorgen :confused:

Pr0st
04.08.2008, 20:35
Original geschrieben von Medi-Fischi
Hui. Ich probier mal, was ich als RS (in .at!) für den armen Menschen tun kann: Ab auf die Trage. Oberkörper (relativ stark) erhöht (also fast sitzend)
O2 Maske mit etwa 8l/min (obwohl die Sättigung eigentlich eh nicht so schlimm ist, schaden kanns aber sicher nicht, therapiere den Pat. nicht den Monitor ;) )
Dann lass ich den Doc mal vor. Der RR macht mir irgendwie Sorgen :confused:

Geh ich mit, Zugang/BZ noch plz.

Noch bisschen Anamnese: Einen Auslöser für dieses komische Gefühl vor ein par Tagen und das jetzige Verschlechtern fällt ihm keiner ein?
Was sind das für SChmerzen, atemabhängig, genauer lokalisierbar, wandernd?
Wie schauen die Halsvenen aus?

RR-Senkung... hm, 2 Hub Nitro wäre jetzt mein Vorschlag, der Gute wird ja in seinem ALter noch keine Blauen benötigen.

ad EKG: Ich nehme mal an, dass wir hier schon ein 12er haben, wenn von Notarzt und Sinusrhytmus die Rede war....

Edit: Wie atmet er überhaupt, sehe ich, dass ihm das echt Mühe bereitet und er massiven Streß hat?
Ansonsten auch mal zügig in die Klinik...

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 20:47
Na da sind doch mal ein paar Vorschläge.
Rauf auf die Liege und rein in den RTW.
Sauerstoff mit 8l/min und das 12-Kanal-EKG angeschloßen.
Das EKG ist ziemlich verzittert, richtig gut beurteilen lässt es sich nicht, aber signifikante ST-Strecken Veränderungen finden sich nicht .
Hat noch einer Fragen an den Patienten? Irgendjemand für Zugang und Medikamente? Verdachtsdiagnosen?

roten Text eingefügt

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 20:53
Original geschrieben von Pr0st
Geh ich mit, Zugang/BZ noch plz.

Noch bisschen Anamnese: Einen Auslöser für dieses komische Gefühl vor ein par Tagen und das jetzige Verschlechtern fällt ihm keiner ein?
Was sind das für SChmerzen, atemabhängig, genauer lokalisierbar, wandernd?
Wie schauen die Halsvenen aus?

RR-Senkung... hm, 2 Hub Nitro wäre jetzt mein Vorschlag, der Gute wird ja in seinem ALter noch keine Blauen benötigen.

ad EKG: Ich nehme mal an, dass wir hier schon ein 12er haben, wenn von Notarzt und Sinusrhytmus die Rede war....

Edit: Wie atmet er überhaupt, sehe ich, dass ihm das echt Mühe bereitet und er massiven Streß hat?
Ansonsten auch mal zügig in die Klinik...


BZ 121 mg/dl, 2 Hub Nitro und Zugang kriegt er.
Auf Nachfragen gibt er an, er hätte stärkste Schmerzen in der linken Brust, die bis in die linke Schulter, Unterkiefer und den linken Arm ausstrahlen, der linke Arm fühle sich auch fast etwas taub an.
Beim tiefen Einatmen würden sich die Schmerzen deutlich verstärken. Thoraxdruck- oder -kompressionsschmerz gibt es aber nicht. Die Halsvenen sind (bei etwas adipösem Hals) nicht zu sehen.

Gut Zugang sitzt, 500ml Ringer laufen. Der Patient sagt, daß ihm jetzt ziemlich übel wird.
Weiter?

RS-USER-Bärentöter
04.08.2008, 20:58
was sagt das EKG?

Geduldsbalken-Träger
04.08.2008, 21:17
Klingt ja klassisch nach einem Herzinfarkt.
Die Adipositas spricht dafür, das Alter (klassischerweise) noch nicht.
Herzkrankheiten in der Familie bekannt?
In was für einer Gegend sind wir? Hochaus? "Ghetto"? Vielleicht jemand, der auf "Leckerchen" aus ist?
Was ergibt eine körperliche Untersuchung? Irgendwelche Wunden? Nadelstiche?
In dem Fall könnte man es mit dem hochpotenten Wirkstoff NaCl testen, ob er sich beruhigt...


Im anderen Fall:
Wie spricht er auf Nitro an?

Wie weit ist es denn bis zum nächsten KH? Und wie weit zum nächsten Klinikum mit Herzkatheter?

Lassen wir mal ein bisschen Antikotz aufziehen und ggf. etwas zum beruhigen, damit wir ein sauberes EKG bekommen.

Gruß
Klaus

RS-USER-Sanitoeter
04.08.2008, 21:30
Ich hätte gerne noch einen RR- Seitenvergleich. Besteht eine RR- Differenz? Ggfs. Angabe von einem ziehendem Schmerz bzw. Wärmegefühl in die unteren Extremitäten?

Ansonsten genaue Anamnese bzgl. Heroin / Kokain, sonstige Drogen?


Ansonsten mit V.a. ACS in die nächste Klinik mit Kardiologie bzw. interventioneller Kardiologie bringen.


Gruß Sani

RS-USER-emergency doc
04.08.2008, 21:42
Gut, eine Ampulle Antikotz (Vomex A) geht rein in den guten Menschen. Druck wurde zwar nur links gemessen, wäre aber auf beiden Seiten gleich gewesen.
Der patient glaubt, er habe sich "verhoben", ist zur Zeit arbeitslos, und irgendwas schweres gehoben hat er aber auch nicht.
Auf Drogen/Alkohol/Zigaretten angesprochen (Es ist der Tag nach der Love Parade) verneint er ersteres, Alkohol altersentsprechend Wochenend-betont, Zigaretten seit dem 15. Lebensjahr mittlerwile zwei Schachteln am Tag. Nadelstiche o.ä. sind nicht sichtbar.
Nachmessen des Blutdruckes zeigt, daß es genau gar nichts gebracht hat. Außerdem hat unser Patient immer noch starke Schmerzen. Noch keiner für Leckerchen?

Nächste erreichbare Klinik (ca. 10Min) ist ein Haus der Grundversorgung mit einem Intensivplatz, ein Katheterplatz ist in etwa 15 Minuten in die entgegengesetzte Richtung erreichbar.

oegi
05.08.2008, 00:14
Original geschrieben von emergency doc
Auf Nachfragen gibt er an, er hätte stärkste Schmerzen in der linken Brust, (...) Beim tiefen Einatmen würden sich die Schmerzen deutlich verstärken.

Seit wann sind die Schmerzen da? Ständig oder Atemabhängig? Hatte er schonmal Schmerzen unter Belastung oder in Ruhephasen

Loveparade viel getanzt?

Hmm... HI vs. Interkostalneuralgie?? Ich glaube auch mal gehört zu haben, dass Gürtelrose eine Interkostalneuralgie begünstigen kann. Hat er hierzu Anzeichen?

Der Druck müsste gegen die Neuralgie sprechen??

Geduldsbalken-Träger
05.08.2008, 06:43
Na gut,
geben wir ihm ein wenig was gegen Schmerzen und zum ruhig werden.
Bei Verdacht auf HI wäre Mo ja das Richtige - jemand was dagegen?
Alternativ was zum Druck senken (Ebrantil?) und was zum beruhigen (Dormicum?).

Aufnehmen würde ich mit Voranmeldung "unklarer Thoraxschmerz" ins Katheter-KH.

Blutabnahme? Das NEF könnte damit ja schonmal vorfahren und entsprechend untersuchen lassen.

Veränderungen in den Werten (SpO2, RR, Puls, Atemfrequenz)? Was macht die Übelkeit?

RS-USER-emergency doc
05.08.2008, 17:08
Gut, so ging es weiter: 20mg Ebrantil wurden titriert, um den Druck etwas zu senken. mit 160/100 gab ich mich dann zufrieden. gleichzeitig 500mg ASS, 5000IE Heparin und 5mg Beloc. 10mg Morphin bringen eine Schmerzreduktion von NAS10 auf 6.
Unter Voranmeldung ACS gehts in die Kardiologie. 15 Minuten nach Aufnahme ist der Katheter im Herzen und zeigt....
Nichts... keine Stenosen, kein Myokardinfarkt.
Der gute Mann hatte eine akute Myositis des Herzmuskels, die Symptome eines ACS vortäuschte.

Hättet ihr was anders gemacht? Die Frage ist, ob ich den Patienten fehlerhaft/übertriebenermaßen in die Arbeitsdiagnose Koronarsyndrom gebahnt habe.

oegi
05.08.2008, 17:15
Original geschrieben von emergency doc
Die Frage ist, ob ich den Patienten fehlerhaft/übertriebenermaßen in die Arbeitsdiagnose Koronarsyndrom gebahnt habe.

Nö, m.E. nicht. Besser so rum als andersherum ;)

RS-USER-Elektro-Dengel
05.08.2008, 18:35
Original geschrieben von emergency doc
Hättet ihr was anders gemacht? Die Frage ist, ob ich den Patienten fehlerhaft/übertriebenermaßen in die Arbeitsdiagnose Koronarsyndrom gebahnt habe.

Finde ich nicht! Die Symptomatik hat gepasst und an CVRF hatte er ja zumindest 2 (Nikotionabusus, Adipositas) zu bieten. Das reicht völlig aus. Auch ein EKG ohne typische Infarktzeichen kann hier die Verdachtsdiagnose nicht entkräften. Allerdings bist du hier nur auf evtl. St-Veränderungen eingegangen. Hier sollte man schon aufpassen, denn hier gibt es einige Fallstricke. Rechtsherzinfarkte und posteriore Infarkte sind in den Standardableitungen oft schwer zu erkennen. Auch ein neuaufgetretener (und in dem Alter würde ich davon ausgehen, dass das neu is) LSB mit entsprechenden ERBs kann für einen Infarkt sprechen.
Was das Zuweisungskonzept angeht, geht man vermehrt dazu über NSTEMIs primär in ein nahegelegenes Haus der Grundversorgung (mit Intensiv natürlich) zu fahren und erst bei entsprechendem Befund (pos. Troponin) in ein Haus mit Kathetermöglichkeit zu gehen. Im städt. Bereich, wo man genügend Katheterplätze in direkter Nähe hat, spielt das allerdings eine untergeordnete Rolle.
Die Medikation entspricht nicht mehr den aktuellen Empfehlungen. Die Gabe von Heparin beim ACS wird inzwischen nicht mehr empfohlen. Statt dessen wird die Einleitung der Sekundärprophylaxe mit Clopidogrel (Plavix) unabhängig von STEMI od. NSTEMI empfohlen. Zudem sollten Betablockern nur noch vorsichtig und streng abhängig von der HF gegeben werden, da (wenn ich mich recht entsinne) die Gesamtmortalität bei Patienten, die präklinisch mit Betablockern antherapiert worden sind signifikat höher ist, als bei den Patienten, die keine Betablocker bekamen (Naja EBM halt, kann man drüber streiten).
Ebrantil halte ich hier für verzichtbar(kann die pektangiösen Beschwerden verstärken und eine Tachycardie auslösen). Bei nitroresistenter Hypertension und Tachycardie wäre der gerade noch verteufelte Betablocker das Mittel der Wahl gewesen. Kam dann ja auch von dir. Ganz allgemein allerdings halte ich dieses Giftmischen Ebrantil/Nitro/Beloc für gefährlich. Da kann einem der Druck dann auch mal ganz gehörig abrauschen.