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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : DÄ:Tirofiban verbessert in der Notfallversorgung die Prognose beim Herzinfarkt



RS-USER-emergency doc
15.08.2008, 19:07
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=33364

Honi soit... immer mehr, immer noch teurere Medikamente mit fraglichem Effekt sollen wir geben...:rolleyes:

RS-USER-apoplex
15.08.2008, 19:47
Original geschrieben von emergency doc
http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=33364
Interessant finde ich auch:

Diese wurden randomisiert und erhielten entweder Tirofiban (491 Patienten) oder einen Placebo (493) Patienten zusätzlich zur Standardmedikation aus Aspirin, Heparin und Clopidogrel.
dass dort Clopidogrel zur Standard-Rettungsdienst-Gabe gehört, in Deutschland ist das ja eher nciht der Fall, wie die "Atemnot"-Diskussion im Trainingscenter gezeigt hat.

RS-USER-Hypnodoc
16.08.2008, 19:21
"Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Schwere des Ereignisses laut EKG-Befund bei der Tirofiban-Gruppe signifikant geringer war als bei der Placebogruppe."
Sehr schwammige Aussage....
Wie war die Überlebensrate? Die kardiale Belastbarkeit?
Gab es Unterschiede im Outcome, wenn das Medikament erst zur Katheter-Untersuchung gegeben wurde?
Fragen über Fragen......
Aus dem beschriebenen Studienergebnis ergibt sich meines Erachtens keine Indikation für den Rettungsdienst.
Gruß Hypnodoc

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
19.08.2008, 00:23
Außerdem bleiben da noch Fragen wie "schwere des Coro-Befundes", "Auswirkung auf die EF" etc. ungeklärt.

Der EKG-Befund ist da ja eher nicht so der relevante prognostische Faktor...

Da wir bei uns in Hildesheim ein gut funktionierendes Herzinfarktnetzwerk haben und alle EKG´s bei Thoraxschmerz bzw. V.a. Myokardinfarkt routinemässig auf unsere Intensivstation gefaxt bekommen, konnten wir die Ablaufzeiten und somit die Door-to-needle-Zeit drastisch reduzieren. Da werden alle STEMI´s sofort ins Corolabor durchgefahren und vom Team erwartet, egal wann. Dadurch konnten wir durch eine Verbesserung der organisatorischen Abläufe mit einem sehr geringen Kostenaufwand die Infarktbehandlung drastisch verbessern. Das bringt bei geringen Kosten viel mehr, als schon wieder das nächste teuere Medikament aufgrund einer Studie zu empfehlen. Und dann fragen sich alle, warum unser Gesundheitswesen so viel kostet...

Manchmal macht mich dieses System einfach nur noch wütend...!

RS-USER-Bärentöter
19.08.2008, 10:21
Jo...

Punkt 1 ist der Endpunkt falsch gewählt.
Punkt 2 halte ich Tirofiban und Clopidogrel für doppelt gemoppelt.

Mein generelles Mißtrauen gegenüber Studien, insbesondere kardiologischen Studien (wes Brot ich eß, des Lied ich sing) kommt noch dazu.

Back to life machine
19.08.2008, 12:31
Also nun mal langsam:peace:

1. Da Pat. mit ACS immer noch eine signifikante Mortalität und Morbidität haben, laufen weiterhin zahlreiche Studien zur Verbesserung der Therapie.

2. Die genannte Studie zielt auf die optimale Vorbehandlung vor dem Kathetereingriff. Nachdem hier die Thrombolyse offensichtlich nur in sehr speziellen Situationen sinnvoll ist (erspart mir bitte die 5-6 aktuellen Studien dazu zu zitieren), wurde hier (wie auch in einigen anderen Szudien) der Effekt eines Thrombozytenaggregatienshemmers untersucht. Das Ziel einer optimaler Vortherapie ist einerseits möglichst ein offenes Infarktgefäß zu bekommen (geringere Infarktgröße, einfachere PTCA mit geringerem Risiko von peripheren Embolisationen durch primäres Stenten) und andererseits zum Zeitpunkt der PTCA bereits eine maximale Thrombozytenaggregation zu erreichen.

3. Als Endpunkt wurde hier die Einschätzung der Infarktgröße mittels Rückgang der ST-Hebungen gewählt, da für klinische Outcome Daten (Mortalität) 500 Studienpatienten zu wenig sind.

4. Insgesamt ist die routinemäßige Gabe von sog. GpIIb/IIIa-Antagonisten beim STEMI eine IIa Empfehlung. Allerdings ist bisher praktisch nur das (um faktor 10) teurere Aciximab untersucht.

5. Eine 3-fach Therapie mit ASS, Clopidogrel und GpIIb/IIIa-Antagonisten ist auf Grund dreier unterschiedlicher angriffspunkte durchaus Standard, und nicht doppelt bzw. dreifach gemoppelt.

Insgesamt also schon eine sinnvolle Fragestellung und eine sinnvolle Studie, die eher Geld sparen hilft. Allerdings gibt es auch Daten, die zeigen, dass die Gabe von 600mg Clopidogrel möglichst früh die zusätzliche Gabe eines GpIIb/IIIa-Antagonisten unnötig machen (BRAVE-3)....:confused:
Also, eine Studie macht noch keinen Sommer...äh
Um die Entwicklingen beurteilen zu können, muß man schon kontinuierlich lesen. Und ich begrüße die große Zahl an Studien. Das ist ja gerade der Vorteil in der Kardiologie, dass wir diese häufigen Krankheitsbilder gut untersuchen können.
In der Intensivmedizin oder Notfallmedizin haben wir nur einen Bruchteil dieser Evidenz. Die meißten Maßnahmen, die Ihr täglich mit der größten Selbstverstänslichkeit anwendet, sind schlechter belegt als Tirofiban beim Infarkt.

Vile Grüße nach HI, wir sind jetzt ja auch auch FITT für STEMI

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
19.08.2008, 13:31
Du hast natürlich recht, dass es gut ist, wenn durch Forschung die Patientenversorgung weiter verbessert wird. Allerdings ist der Trend immer mehr in Richtung "noch eine Pille, noch eine Spritze..."
Naja, obwohl die Pharmaindustrie ja selbstlos einen großen Teil der Studien finanziert, ist das sicherlich ein Zufall. Was ich mit meinem im nachhinein urzeitbedingt etwas wirren Post sagen wollte:

Man sollte zunächst mal die vorhandenen Mittel optimal nutzen und erst dann an die nächste Erweiterung der präklinischen Therapie gehen. Zumal ich es immer noch erschreckend oft erlebe, dass der Thoraxschmerz-Patient halt nicht mit ASS und Heparin vorbehandelt wird, von Clopidogrel wollen wir mal gar nicht erst reden.
Wegen besagtem Herzinfarktnetzwerk kriegen wir auch viele EKG´s aus anderen Krankenhäusern gefaxt, selbst da ist bei begonnener intern. Therapie Clopidogrel noch nicht die Regel. Und dann wird in einer Fachzeitschrift relativ unkritisch über eine Studie berichtet, wobei der Eindruck entsteht, dass die Studie wasserdicht ist. Das macht mich ärgerlich, weil wir doch a) schon oft erlebt haben, dass Studien 2,3,4 und 5 zu diesem Thema dann ein ganz anderes Ergebnis bringen und b) wie schon geschrieben wir meiner Meinung nach das Pferd von hinten aufzäumen, wenn wir nicht zunächst die vorhandenen Möglichkeiten nutzen.
Mein Chef ist gerade dabei, zu unserem Herzinfarktnetzwerk eine große Folgestudie zu starten, bei der auch diverse große Häuser bis hin zu Unikliniken mitmachen. Dabei sehen wir, dass zum Beispiel in einigen Häusern jeder Infarktpatient erst auf die Intensiv kommt und von da aus dann die Coro angebahnt wird. :eek: Zu diesem Zeitpunkt sind die Patienten in unserem Haus schon nach Coro auf der Intensiv angekommen. (da wir die Zeiten genau dokumentieren, konnte das sehr schön nachgewiesen werden. Allerdings stecken wir noch mitten in der Studie und Ziel ist es ja, die Abläufe zu verbessern. In besagten Häusern gibt es da auf jeden Fall eine Menge Potential...).

Tja, da gibt es noch viel zu tun in unserem schönen Lande! :)

So, hoffe, ich konnte etwas mehr Sinn in mein erstes Post bringen! :D

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
19.08.2008, 13:35
[i]

Vile Grüße nach HI, wir sind jetzt ja auch auch FITT für STEMI [/B]

Ist doch schon cool, oder? Scholz hat da eigentlich mit einer sehr einfachen Idee einiges bewegt! Bin mal gespannt, ob in wenigen Jahren das Fax-EKG der Standard sein wird.

Arbeitest Du in Göttingen?

Back to life machine
19.08.2008, 15:09
Original geschrieben von Häuptling weiße Wolke
Bin mal gespannt, ob in wenigen Jahren das Fax-EKG der Standard sein wird.


Fax-EKG braucht es nicht mal unbedingt, die Leute dazu zu bringen, das nicht-PCI-Krankenhaus bzw. die Notaufnahme zu Bypassen ist schon der Kern.


Original geschrieben von Häuptling weiße Wolke
Arbeitest Du in Göttingen?

Genau, habe auch noch mit Kalle zusammen gearbeitet