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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rauchfrei in die OP



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RS-USER-gnuff
04.02.2009, 15:24
Die Orthopäden an meiner Klinik haben einen interessanten Vorstoß gewagt. Ab sofort dürfen orthopädische Patienten zwei Monate vor und nach einer elektiven Operation nicht rauchen.

Diese Aktion ist Teil einer groß angelegten Kampagne zum "Rauchen abgewöhnen" die vom Landsting (Distrikt) momentan durchgezogen wird. Es gibt eine Studie die eine deutlich niedrigere Komplikationsrate bei Nichtrauchern in Bezug auf Knie- und Hüftoperationen zeigt. Ich finde die Idee klasse, ganz unabhängig davon, ob man das jetzt kontrollieren kann oder nicht. Wenn sich da nur ein Drittel der rauchenden Patienten dran hält, ist das schon ein voller Erfolg. Interessant ist vor allem, wieviele Raucher auf Grund einer anstehenden OP komplett mit dem Rauchen aufhören...

Link zum Thema, allerdings auf Schwedisch (http://vll.se/default.aspx?id=38432)

Anästhesist2009
04.02.2009, 15:27
Die Idee finde ich auch klasse !! Im KH sollte sowieso das Rauchen eingestellt werden !!!!

RS-USER-gnuff
04.02.2009, 16:06
Original geschrieben von Anästhesist2009
Die Idee finde ich auch klasse !! Im KH sollte sowieso das Rauchen eingestellt werden !!!!

Das Rauchen in der Klinik ist längst verboten, so wie in den meisten deutschen Krankenhäusern auch. Hier darf sogar erst ab 20m Abstand vom Eingang geraucht werden. Aber bei dieser Aktion geht es ja um etwas völlig anderes, nämlich um eine optimale OP-Vorbereitung...

RS-USER-gurkerl
04.02.2009, 18:10
klingt ja ganz spannend, leider versteh ich kein schwedisch für weitere details

wie machen die orthos bei euch das praktisch? lassen die sich was unterschreiben? messen die was? irgendeinen 3monatsmarker gabs ja fürn alkohol (was wars doch gleich für einer?) aber fürs rauchen kenn ich eigentlich nichts. haben die echt die härte, nicht zu operieren, wenn der patient sagt, ich hab doch geraucht? macht mich neugierig und reizt mich, die unsrigen auch sofort anzustiften...

RS-USER-Bärentöter
04.02.2009, 19:38
und wenn sie sich nicht dran halten? Wird ihnen dann die Op. verweigert?

RS-USER-gnuff
04.02.2009, 21:06
Original geschrieben von gurkerl
...haben die echt die härte, nicht zu operieren, wenn der patient sagt, ich hab doch geraucht?...


Original geschrieben von Bärentöter
und wenn sie sich nicht dran halten? Wird ihnen dann die Op. verweigert?

Ja! Und das ist in einem Land, in dem man bis zu ein Jahr auf eine Hüfte oder ein Knie wartet keine schöne Aussicht...

RS-USER-Katja
04.02.2009, 21:17
Ich finde die Idee ja nicht schlecht (im eigenen ästhetischen Interesse - schon wegen dieses ekligen Hustens und dem, was man da so absaugt ;) ), aber ich bin mir nicht sicher, ob man damit den Anteil der Nichtraucher oder nur den Anteil der Lügner erhöht...

Ich kenne viele Leute, die sich das Rauchen schon problemlos abgewöhnt haben. Meist mehr als einmal. Die "Rückfälle" sehe ich auch teils nach Jahren wieder, so daß ich nicht wirklich an eine echte Langzeitwirkung einer von außen auferlegten Maßnahme glauben mag. Aber ich bin mal gespannt, was auf lange Zeit da rauskommt.

RS-USER-emergency doc
05.02.2009, 06:42
Ich finde daß das Blödsinn ist.
Das wird sich vermutlich in eine Reihe mit anderen legendären Blödsinnsfragen stellen.
"Planen Sie einen terroristischen Akt in den USA?"
"Haben Sie in den letzten 3 Monaten geraucht?"
:rolleyes:
Achja, was passiert, wenn einer hinterher doch raucht? Kommt die Prothese dann wieder raus?

Knusperriegel
05.02.2009, 07:09
Was mich persönlich interessieren würde:
wie geht das medizinische Personal bei solchen Regelungen selbst mit sich um?

Verzichtet da man aufgrund der Vorbildfunktion konsequent auf die Einnahme inhalierbarer Suchtmittel?

RS-USER-Claudi
05.02.2009, 09:35
Original geschrieben von Knusperriegel
Was mich persönlich interessieren würde:
wie geht das medizinische Personal bei solchen Regelungen selbst mit sich um?

Verzichtet da man aufgrund der Vorbildfunktion konsequent auf die Einnahme inhalierbarer Suchtmittel?

ja, das könnte mich auch interessieren.
Der Doc, der geraucht hat, darf nicht operieren.... :-p

Im Ernst: Grundsätzlich eine nette Idee aber wie andere schon erwähnten: Die Rückfallquote ist enorm hoch, selbst wenn der eine oder andere ernsthaft versucht hat mit dem Rauchen aufzuhören.

Eines vermisse ich: Nikotin ist eine Droge. Manche werden so abhängig davon, dass sie eben nicht so einfach ohne Hilfe davon loskommen.
Ich finde dieses Problem wird oft nicht wahrgenommen, oder bekommen die Menschen, die aufhören wollen adäquate Hilfe?

Knusperriegel
05.02.2009, 10:31
Claudi hat es sehr gut formuliert.
Ich erkenne die gute Absicht hinter dieser Regelung, aber ich vermisse eben die dann auch notwendigen Konsequenzen wie öffentlich finanzierte Raucherentwöhnungsprogramme, Selbsthilfegruppenvermittlung etc.

Mit dem Argument der schlechteren medizinischen Prognose sind wir da ruck-zuck an der Ausgrenzung von Rauchern, Trinkern, Übergewichtigen, Substanzmittelabhängigen, "Risikosportlern" u.a.m. von medizinischen Leistungen - frei nach dem Motto: selbst dran schuld - wer so wenig Selbstdisziplin aufbringt...

Was könnte da an Geld gespart werden - zumindest solange, bis ein politisch verantwortlicher Mensch (spontan fallen mnir da einige durchaus bekannte Namen ein) selbst unter's Messer müsste?

Spätenstens dann dürfte klar sein, dass von der Hand, die mit einem Finger auf einen anderen zeigt, vier Finger auf einen selbst gerichtet sind.

RS-USER-gurkerl
05.02.2009, 10:54
weilsd es gerade ansprichst knusperriegel - zum thema selbstverantwortung von patienten zb stark übergewichtigen/ alkis/ schifahrern in lawinenhängen etc würden mir ganze romane einfallen, aber vielleicht sollten wir die bei einem anderen thema unterbringen

RS-USER-gnuff
05.02.2009, 14:21
Original geschrieben von Claudi
Eines vermisse ich: Nikotin ist eine Droge. Manche werden so abhängig davon, dass sie eben nicht so einfach ohne Hilfe davon loskommen.
Ich finde dieses Problem wird oft nicht wahrgenommen, oder bekommen die Menschen, die aufhören wollen adäquate Hilfe?

Ja, wie ich eingangs geschrieben habe, ist diese Aktion Teil einer sehr grossen Kampagne zum Thema "aufhören zu rauchen". In unserer Klinik haben die Lungenmediziner eine spezielle Ambulanz, die sich ausschliesslich damit beschäftigt. Die Räume dieser Ambulanz liegen absolut zentral, direkt am Haupteingang und sind ganztägig besetzt. Da kann jeder hingehen, sei es mit Termin oder als "drop in". Dort wird Aufklärung betrieben und jede mögliche Hilfestellung gegeben.

Ich habe anfangs auch gedacht, dass das eigentlich Quatsch ist, aber von vornherein zu denken "das kann ja nicht klappen... das kann man nicht kontrollieren... die fangen ohnehin alle wieder an..." ist der völlig falsche Ansatz. Das wichtigste, und das sagen auch die Orthopäden, ist, erstmal öffentlich festzustellen "Rauchen erhöht das Risiko, und zwar ordentlich".

Hier ein paar Beispiele aus einer dänischen Studie
(Effect of preoperative smoking intervention on postoperative complications: a randomised clinical trial, Ann M Møller, Nete Villebro, Tom Pedersen, Hanne Tønnesen
Lancet 2002;359:114–17

Komplikationen und Aufenthaltsdauer
Intervention ist die Gruppe, die mit dem Rauchen zwei Monate vor der OP aufgehört hat

Intervention n=56 / Raucher n= 52 p
Summe Komplikationen 10 (17%) / 27 (52%)
Wundheilungsstörungen 3 / 16
Re-OP 2 / 8
stat.Aufenthalt Ortho. 11 Tage / 13 Tage
stat.Aufenthalt andere 0 Tage / 17 Tage
Intensivstationsaufenth. 2 / 32

Es gibt kein Bewusstsein fuer die Tatsache, dass durch das Rauchen Komplikationen in Bezug auf das OP-Ergebnis auftreten können. Jeder weiss, das man vor einer Narkose nicht rauchen soll, aber niemand, dass es noch viel weitreichendere Gruende gibt. Primär geht es hier um Aufklärung, nicht darum etwas zu verbieten und das Verbot mit allen Mitteln durchzuziehen, was ja, wegen fehlender Kontrollmöglichkeiten auch garnicht geht.

Djell
06.02.2009, 18:02
Keine schlechte Idee wie ich finde, auch wenn ich aus medizinischer Sicht nicht mitreden kann.

Gerade weil es in Schweden aufgekommen ist, wie sieht es denn dann eigentlich mit Snus aus? Nikotin ist da genauso drin und es wird dort doch ziemlich intensiv konsumiert.

RS-USER-Bärentöter
06.02.2009, 18:39
Original geschrieben von Knusperriegel
Mit dem Argument der schlechteren medizinischen Prognose sind wir da ruck-zuck an der Ausgrenzung von Rauchern, Trinkern, Übergewichtigen, Substanzmittelabhängigen, "Risikosportlern" u.a.m. von medizinischen Leistungen - frei nach dem Motto: selbst dran schuld - wer so wenig Selbstdisziplin aufbringt...

genau, das ist mindestens genauso idiotisch und faschistisch wie "wer nichts arbeitet, soll auch nichts essen".
Schöne neue Welt...

RS-USER-gnuff
06.02.2009, 19:06
Original geschrieben von Bärentöter
genau, das ist mindestens genauso idiotisch und faschistisch wie "wer nichts arbeitet, soll auch nichts essen".
Schöne neue Welt...

'tschuldigung, aber noch schwachsinniger geht's ja wohl kaum...

RS-USER-Bärentöter
06.02.2009, 19:55
Original geschrieben von gnuff
'tschuldigung, aber noch schwachsinniger geht's ja wohl kaum...

die Aussage habe ich erwartet...
Gib lieber mal ein sachliches Gegenargument...
oder sag gleich, daß Du Menschen, die nicht nach Deiner (objektiv sicher vernünftigen) Norm leben, keine adäquate medizinische Hilfe angedeihen lassen willst.
Der Radfahrer, der ohne Helm in einen Unfall verwickelt wird, wird demzufolge nicht reanimiert?
Die Frau mit Gebärmutterhalskarzinom, die nicht immer mit Kondom verhütet hat, wird nicht operiert?
Zig andere Beispiel von "Selbstverschulden" könnte ich hier noch anfügen.
Sorry, aber wer moralisch so selektiert, spielt Gott! Und das steht niemandem zu!

RS-USER-gnuff
06.02.2009, 20:56
Original geschrieben von Bärentöter
die Aussage habe ich erwartet...
Gib lieber mal ein sachliches Gegenargument...


das hast Du nicht nur erwartet, das hast Du geplant. Du bist einer der schlimmsten Provokateure die frei rumlaufen und Dir ist keine Schublade zu weit unten wenn es Dir hilft Dich wichtig zu machen, das dürften mittlerweile alle verstanden haben ...

ein Gegenargument? Wozu? Zu Deiner Aussage es sei faschistisch Raucher zu verpflichten für eine elektive OP für einen definierten Zeitraum auf das Rauchen zu verzichten, weil Sie dann Ihr Risiko deutlich verringern und dabei noch jede erdenkliche Hilfe anzubieten? Ich bin doch nicht bescheuert... Deine Beispiele sind geschmacklos und helfen nicht weiter.

Ich habe es schon gesagt und ich wiederhole mich gerne, diese Aktion soll aufklären, wachrütteln und Bewusstsein schaffen. Das ist sicherlich ein krasses Mittel, aber es hat seine Berechtigung. Schweden ist ein Land in dem die medizinische Infrastruktur stark überlastet ist und es gibt lange Wartelisten. Eine Hüft-TEP z.B. kostet alles in allem SEK 100.000,-, eine Revision, z.B. auf Grund einer Infektion kostet SEK 500.000,- bis 1.000.000,-. Verhindert man also eine Revision, kann man 5 bis 10 Hüft-TEPs mehr einbauen. Wenn sich Raucher jetzt diskriminiert fühlen, bitte, das ist absolut lächerlich und kindisch. Hier haben die Raucher übrigens so argumentiert, dass sie die höheren Gesundheitskosten ja schon mit der Tabaksteuer abbezahlt hätten, sehr witzig...

RS-USER-Claudi
07.02.2009, 10:13
Original geschrieben von gnuff
... In unserer Klinik haben die Lungenmediziner eine spezielle Ambulanz, die sich ausschliesslich damit beschäftigt. Die Räume dieser Ambulanz liegen absolut zentral, direkt am Haupteingang und sind ganztägig besetzt. Da kann jeder hingehen, sei es mit Termin oder als "drop in". Dort wird Aufklärung betrieben und jede mögliche Hilfestellung gegeben.


so was würde ich mir flächendeckend wünschen! Vielleicht gibt es das in Deutschland, aber wenn, dann habe ich es bis jetzt nicht wahr genommen.
Aus rein menschlicher/wissenschaftlicher Sicht interessiert es mich ja immer noch WARUM die Rückfallquote bei Menschen, die die "schlimmste" Zeit des Entzugs durchgestanden haben, so hoch ist. Angeblich soll es ein "Sucht-Gen" geben - aber ob das der Grund sein kann?

Ich denke da an einen Freund, der mit seinen 40 Jahren so was von auf dem letzten Loch pfeift (die Lunge ist hinüber, jetzt schon...) - der es dann geschafft hat fast ein ganzes Jahr nicht zu rauchen und nun doch wieder angefangen hat. Erst war es eine, dann zwei, jetzt steigert er sich weiter...
Wenn man ihn fragt, warum er in aller Welt nach so langer Zeit der Abstinenz wieder angefangen hat, guckt er einen nur traurig an und weiß es selbst nicht.

Ich wünsch mir Forschung, die den Ursachen für Suchtverhalten mehr auf den Grund geht, damit die Ursachen ausgeschaltet werden können.


... sagt eine Unwissende Nichtsüchtige

RS-USER-Bärentöter
07.02.2009, 10:44
nochmal:

entweder es wird jedem Patienten, der verzichtbares Risikoverhalten oder Noncompliance zeigt, die adäquate Therapie verweigert, oder keinem.
Aber es nur dem Raucher, die in der öffentlichen Wahrnehmung ja sowieso gleich nach Kinderschändern und Islamisten kommen, zu verweigern, ist eben doch eine Diskriminierung.
Dazu stehe ich, ob Du es als Provokation siehst oder nicht.
Daß Rauchen gesundheitlich und vielleicht auch volkswirtschaftlich (da kann man trefflich diskutieren) schädlich ist, habe ich nicht bestritten.