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RS-USER-emergency doc
22.05.2009, 21:06
Einsatzmeldung an einem kühlen regnerischen Märztag gegen 18:00:
"1RTW1NEF XYZ-Straße Luftnot"

Der RTW trifft als erstes an dem Mehrfamilienhaus in einer heruntergekommenen Gegend einer deutschen Großstadt ein. Vor Ort findet sich im Erdgeschoß im Wohnzimmer einer düsteren und ungepflegten Wohnung ein 16jähriger sehr adipöser Junge, der schwer atmet und Tränen in den Augen hat. Im Zimmer sind noch der Vater, die Mutter, ein Onkel (alle drei ebenfalls massiv adipös) sowie zwei Kleinkinder. Es ist warm und stickig und riecht nach Zigarettenrauch und Essen.

Nun?

Geduldsbalken-Träger
22.05.2009, 21:41
Zunächst einmal ansprechen und abfragen:
Wie lange bestehen bereits die Beschwerden, relevante Vorerkrankungen (Asthma, kardiale Geschichten, Allergien)?
Was kann man sonst erkennen, also ausser massiver Adipositas?
Vielleicht kann man schonmal das Fenster öffnen lassen...
Nebenbei schonmal Puls, Blutdruck, Sättigung?

RS-USER-emergency doc
22.05.2009, 22:07
Da alle heftig am Schnaufen sind kommt erstmal die Frage "Um wen gehts?"
"Hier" keucht der 16jährige Junge.
Seit zwei Tagen hat er zum Abend hin beginnend Luftnot und starke Schmerzen in der Brust. Gestern war der Notarzt (ÄND) da und hat ein Antibiotikum wegen einer Lungenentzündung rezeptiert. Das habe er auch eingenomen.
Die Infos bekommt ihr von der Mutter, während der Junge vor sich hin keucht. Schmerzstärke gibt er mit 10/10 an. Blutdruck palpatorisch gemessen ist 170, das Pulsoxymeter zeigt eine regelmässige Frequenz von 127 und eine Sättigung von 96% bei einer Atemfrequenz von ca. 20/min. Der Junge ist blaß und kaltschweissig.
Laut Mutter wiegt er 150kg bei einer Körpergröße von 185cm. Er rauche zwei Schachteln Zigaretten am Tag.
Weitere Risikofaktoren sind eine bei der Mutter und seiner Schwester bekannte Faktor-V-Leiden Mutation mit mehrfachen Thrombosen. Er hatte noch nie eine Thrombose, hat aber auch noch nie eine Gerinungsdiagnostik gehabt.

RS-USER-Sanitoeter
22.05.2009, 22:42
Schmerzen in der Brust, Atemnot etc. wirft ja schonmal die Verdachtsdiagnose akutes Koronarsyndrom in den Raum. Daher wäre ein 12-Kanal EKG angebracht. Sieht man hier spezifische Veränderungen? Ebenso könnte aufgrund der positiven Familienanamnese eine Lungenembolie vorliegen, gibt es hierzu Anhaltspunkte (spezifische EKG- Veränderung / Schmerzen in den Beinen in letzter Zeit resp. Anhalt für eine Thrombose)? Was sagt der Auskultationsbefund? Irgendetwas was die Diagnose Pneumonie be- bzw. entkräftigen kann? Fieber?

Auf jedenfall benötigt der junge Patient einen Zugang (inkl. BZ) und etwas gegen seine Schmerzen.

Bakterientöter
22.05.2009, 23:20
Wenn das geht ohne Raufhändel anzufangen verlassen der Onkel und die beiden Kleinkinder hurtig das Zimmer. Ob beide Eltern oder nur einer beim Jungen bleiben würde ich vom Verhalten abhängen lassen. Helfen beide der Aufklärung oder macht da jemand Panik?

An Therapie:
-12-Kanal EKG
-Sauerstoff (bei Stättigung von 96 halt wenig, beruhigt aber vielleicht)
-BZ
-Lunge abhören
-gut zureden, der Junge hat mit Sicherheit Angst
-Temperatur

Verdachtsmoment:
Herzerkrankung

Mit den Schmerzmitteln fällt mir die Ahnung, wenn der Arzt das haben will.
Ich wäre aber vorsichtig. Das mit dem Herz ist ein Verdacht (wegen BMI und Raucherei) muss aber nicht sein. Zumindest mal Oberkörper freimachen und beim EKG kleben gründlichen Körpercheck.
-Trauma irgendeiner Art (auch älter)
-am Bauch alles wie es sein soll?
-Leber?

mister_m
23.05.2009, 10:27
erst mal richtig lagern (falls noch nicht geschehen oder durch Pat. selbst): Sitzend bzw. Oberkörper hoch; ein bisschen O2 schadet sicher nicht; 12-K-EKG, Zugang inkl. BZ

Anamnese: was ist heute anders im Vergleich zu den vorhergehenden Abenden, dass der Rettungsdienst gerufen wurde? Bekannte Krankheiten (Hypertonus?)? Allergien? Mögliche Ereignisse, die die Schmerzen am Abend auslösen könnten eruieren.
Ist der Schmerz atemabhängig? Sind bei der Adipositas irgendwelche Halsvenen zu erkennen, die vllt. gestaut sind? mögliches (Thorax)Trauma in den vergangenen Tagen?

Verdachtsdiagnose: Lungenembolie; Differentialdiagnose KHK

RS-USER-emergency doc
23.05.2009, 20:18
Nungut... also weiter. das NEF ist inzwischen da und der Doc auf den aktuellen Wissensstand gebracht.

Trauma ist keins bekannt. Ein Blick auf die Waden zeigt keinen Hinweis auf eine Thrombose.
Eine grüne Viggo wird gelegt, O2 (10l/min) laufen und ein 12-Kanal-EKG wird geschrieben.
Hier zeigt sich in I und II eine diskrete ST-Hebung, in III eine Senkung, die anderen Ableitungen sind fraglich mit ST-Streckenveränderungen. Insgesamt ist das EKG etwas verwackelt.
Unser Patient hat immer noch stärkste thorakale Schmerzen und Dyspnoe.
Vorschläge?

mister_m
23.05.2009, 20:47
meine ekg-kenntnisse halten sich in grenzen, aber das sollte ein (vorderwand?)infarkt sein.
Vorschlag an den Doc: zur Analgesie Morphin, dazu das übliche ASS und Heparin, evtl. bissl Beloc

RS-USER-Katrina
24.05.2009, 15:07
Husten, Fieber? Auswurf?
Konnte er essen und trinken?
Was ergibt die Auskultation Thorax?

Ich möchte gern das Abdomen abchecken/ausschließen. Gibt es Angaben seitens des Patienten dazu?
Palpation, Auskultation Bauch, Epigastricum, Pancreas -Druckschmerz irgendwo?

Geduldsbalken-Träger
24.05.2009, 18:10
Ich würde mich jetzt mal auf ein V.a. Herzinfarkt einschiessen - auch wenn der Patient ein bisschen jung dafür ist.
Brustschmerz, Atemnot und die ST-Hebung (bzw. Senkung in III) sind schon ziemlich böse Anzeichen. Vor allem bei den Risikofaktoren.

Morphin, Heparin, Aspirin wären Mittel der Wahl.
Spannend dürfte es dann mit der Klinik werden - es sollte eine Herzkatheter-Option bieten und möglichst eine Kinder- und Jugendabteilung...

Sobald diese Klinik ausfindig gemacht wurde, einpacken und losziehen.
Ggf. kann das NEF schonmal ein bisschen Blut zur Zielklinik bringen?!

RS-USER-emergency doc
24.05.2009, 20:18
Auskultation zeigt bds. freie Lungen. Das Abdomen ist weich. Die Mutter sagt, der Junge hätte gestern etwas Schüttelfrost gehabt.
Er bekommt jetzt ASS 500mg, Heparin 5000IE, 5mg Beloc und fraktioniert 10mg Morphin. Hierunter gehen die Beschwerden etwas zurück. Bei einer Schmerzintensität von 5/10 wirkt der Junge deutlich erleichtert.
Die nächste erreichbare Klinik (15min., Schwerpunktversorgung) hat auch eine interventionelle Kardiologie, 2 Minuten weiter wäre eine Maximalversorgungsklinik mit Pädiatrie und Kardiologie.
Noch Vorschäge? Symptomzeit ist jetzt akut ca. 70 Minuten.

RS-USER-RichieKay
24.05.2009, 20:33
Ja, ist doch wunderbar. Mein bescheidener Plan wäre, den Jungen samt eines Elternteils in die 17min entfernte (Kinder-?)Kardiologie zu fahren.
Mit gemütlicher SoSi-Fahrt in die Notaufnahme. Aber bitte anmelden. Jugendlicher, adipöser Patient mit Thoraxschmerz/ACS.


PS..wie kommt man aus der Wohnung? Tragen.. *hust*

Pr0st
24.05.2009, 20:55
Ja, ist doch wunderbar. Mein bescheidener Plan wäre, den Jungen samt eines Elternteils in die 17min entfernte (Kinder-?)Kardiologie zu fahren.
Mit gemütlicher SoSi-Fahrt in die Notaufnahme. Aber bitte anmelden. Jugendlicher, adipöser Patient mit Thoraxschmerz/ACS.


PS..wie kommt man aus der Wohnung? Tragen.. *hust*

.... gehe ich konform mit, interessant wäre noch die Frage nach oberer Einflussstauung gewesen, aber ich nehme mal an, dass der ed dann was von gesagt hätte :) Evenutel würde ich jetzt nochmal versuchen ein sauberes EKG zu schreiben, falls das Wackeln von Panik/schmerz/etc. kam...

Mein Tip ist momentan ein ungesunder Lebensstil gekoppelt mit einem (ev. homozygotem) FVL...

RS-USER-emergency doc
24.05.2009, 21:24
Nunja, Kinderkardiologie gibts nicht, um mal ein Mißverständnis auszuräumen. Nur Pädiatrie und Kardiologie (in unterschiedlichen Gebäuden gelegen).

Also schreite ich mal zur Auflösung:
Anmeldung männlich 16 Jahe mit STEMI in der Kardiologie des Schwerpunktkrankenhauses (das andere Haus konnte nicht aufnehmen).
Transport in den RTW geht (da EG) glücklicherweise per Stuhl. In der Klinik zunächst etwas Verwirrung, da ein sofort geschriebenes EKG keine ST-Veränderungen zeigt, auf dem präklinisch geschriebenen diese aber deutlich sichtbar sind.
Es erfolgt eine PTCA die keinen Gefäßverschluß oder Infarkt zeigt. In der weiteren Diagnostik zeigt sich eine Myokarditis als Ursache für die Beschwerden.

Vieleicht hätte ja man drauf kommen können wegen dem Schüttelfrost, aber Kardiologie wäre ja ohnehin richtig gewesen.
Für mich sehr interessant und lehrreich war in diesem Fall, daß ich in der Konstellation sicherlich bei einer weiteren Fahrzeit eine Lyse überlegt hätte (hab in der tat kurz daran gedacht). Ich hatte ja schonmal einen Fall, in dem eine Myokarditis ein ACS vortäuschte, hier gab es allerdings sogar signifikant erscheinende ST-Streckenveränderungen.
Frage an die Internisten / Kardiologen: Kann eine Myokarditis eine Ischämie auslösen, die ST-Streckenveränderungen bewirkt, oder wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Macht man mit einer Infarkt-Therapie hier etwas schlimmer?

RS-USER-emergency doc
24.05.2009, 21:25
....die Frage nach oberer Einflussstauung....
Nein... :)

RS-USER-Elektro-Dengel
24.05.2009, 22:20
Nunja, Kinderkardiologie gibts nicht, um mal ein Es erfolgt eine PTCA die keinen Gefäßverschluß oder Infarkt zeigt. In der weiteren Diagnostik zeigt sich eine Myokarditis als Ursache für die Beschwerden.

Naja, passiert schon mal, dass ein EKG was anderes anzeigt, als ein anderes! Was mich verwundert, is die Tatsache, dass er trotzdem ne PTCA bekommen hat! Wird da nicht normalerweise erst mal Troponin T, CK MB abgewartet?? Die wären ja im Gegansatz zu den Entzündungsparametern, eher im Normbereich gewesen (je nach fortschreiten der Entzündung).



Frage an die Internisten / Kardiologen: Kann eine Myokarditis eine Ischämie auslösen, die ST-Streckenveränderungen bewirkt, oder wie lässt sich dieses Phänomen erklären? Macht man mit einer Infarkt-Therapie hier etwas schlimmer?

Bin zwar weder Internist noch Kardiologe, aber meines Wissens nach gibts zum. bei der Pericarditis nen typischen EKG-BEfund mit ST-Hebungen! Differentialdiagnostisch sind diese vom Infarkt-EKG am ehesten durch die diffuse Verteilung über alle Ableitungen (und nicht wie hier typ. für einen lateralen Infarkt) zu unterscheiden. Ausserdem kommt die Hebung dann eher aus dem aufsteigenden S und nicht wie beim Infarkt aus dem absteigenden R! Hab sowas erst kürzlich gesehen, bei nen Pat. mit unklaren Brustschmerzen. Da aber mit plötzlichem Beginn, haben wir auch wie nen Infarkt behandelt!

Interessanter Fall. Ein Infarkt bei nem so jungen Pat. hätte mich auch nicht wirkl. überrascht! Ich frag mich oft, wie sich Leute in solchen häuslichen Umgebungen überhaupt fortpflanzen können!
Bei so jungen Patienten kann man auch mal nach ner genetisch bedingten Fettstoffwechselstörung fragen, die führen auch in sehr jungen Jahren gerne mal zu cardiovaskul. Komplikationen. Rheumatiode Geschichten gibts auch noch im Kindesalter (boayy ey, man merkt, der Dengel lernt grad Pädiatrie)!

RS-USER-skyrock
25.05.2009, 23:04
Naja, passiert schon mal, dass ein EKG was anderes anzeigt, als ein anderes! Was mich verwundert, is die Tatsache, dass er trotzdem ne PTCA bekommen hat! Wird da nicht normalerweise erst mal Troponin T, CK MB abgewartet?? Die wären ja im Gegansatz zu den Entzündungsparametern, eher im Normbereich gewesen (je nach fortschreiten der Entzündung).


Nein, die steigen ja frühestens nach 3 Stunden an (Troponine) bzw. noch später (CK nach 4-8h). Daher sind auch die manchmal geforderten Troponinschnelltests für den Rettungsdienst völlig nutzlos, negative Herzenzyme früh nach dem Ereignis schließen nichts aus.

Ein Patient mit V.a. STEMI geht sofort zur PTCA, ein Patient mit V.a. NSTEMI wird nur sofort kathetert, wenn er zur Hochrisikogruppe gehört, sonst werden die Enzyme abgewartet und medikamentös therapiert.

RS-USER-Elektro-Dengel
26.05.2009, 15:17
Ein Patient mit V.a. STEMI geht sofort zur PTCA, ein Patient mit V.a. NSTEMI wird nur sofort kathetert, wenn er zur Hochrisikogruppe gehört, sonst werden die Enzyme abgewartet und medikamentös therapiert.

Reicht die Tatsache, dass ein junger Kerl quarzt wie ein Weltmeister aus, um ihn als Hochrisiko-Pat. laufen zu lassen!

RS-USER-skyrock
26.05.2009, 19:10
Nein, da zählen Dinge wie Arrhythmien, hämodynamische Instabilität, Infarkt vor Kurezm, Diabetes etc.

RS-USER-Elektro-Dengel
26.05.2009, 20:43
Nein, da zählen Dinge wie Arrhythmien, hämodynamische Instabilität, Infarkt vor Kurezm, Diabetes etc.

Na dann wundere ich mich doch zurecht, weshalb ein V.a. NSTEMI in Ermangelung einer Hochrisikosituation (ge)kathetert wird, oder?:confused: