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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Einsatzstichwort Krampfanfall



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RS-USER-Häuptling weiße Wolke
21.06.2009, 18:33
Hallo,

ich möchte Euch an einem spannenden Fall teilhaben lassen, der sich in dieser Woche bei uns zugetragen hat. Mal sehen, ob Ihr genauso schnell wie wir auf die Lösung kommen werdet... :grins:

Also, alarmiert werden RTW und NEF mit dem Einsatzstichwort Krampfanfall.
An der Einstzstelle in einem Haus wird ein mitsiebzigjähriger Mann vorgestellt.

Erste Schilderung der Angehörigen:
Er habe über Übelkeit geklagt, dann sei er plötzlich ganz komisch geworden und habe dann merkwürdig gezuckt.

So, Ihr seid dran. :jump:

RS-USER-Brummel
21.06.2009, 18:44
Ist er jetzt ansprechbar? Vitalzeichen/-werte? Wie lange hat er über Übelkeit geklagt? Welche Grunderkrankungen sind bekannt / welche Medis nimmt er? Ist das NEF schon da?
Wenn er ansprechbar ist würde ich gerne baldmöglichst RR, SPO2, Puls, BZ, EKG haben.
Außerdem natürlich ist er gestürzt? Hat er nen Zungenbiss und/oder eingenässt?

So viel fürs erste.

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
21.06.2009, 19:00
Ist er jetzt ansprechbar? Vitalzeichen/-werte? Wie lange hat er über Übelkeit geklagt? Welche Grunderkrankungen sind bekannt / welche Medis nimmt er? Ist das NEF schon da?
Wenn er ansprechbar ist würde ich gerne baldmöglichst RR, SPO2, Puls, BZ, EKG haben.
Außerdem natürlich ist er gestürzt? Hat er nen Zungenbiss und/oder eingenässt?

So viel fürs erste.


Also der Diagnostik-Rundumschlag:

Der Pat. ist wach, reagiert auf Ansprache, keine adäquate verbale Reaktion. Sturz nein, er hat gelegen. Laut Angehörigen aber normal, da er letztes Jahr einen Schlaganfall gehabt hätte. Außerdem sei er herzkrank und habe einen Schrittmacher.
Während des ersten Gespräches beginnt der Patient auf einmal zu schnarchen, nach wenigen (etwa 15) Sekunden plötzlich ein kurzes Ganzkörper-Zucken, danach wird er wieder wach.
Der Angehörige berichtet, dass ginge jetzt schon eine Weile so, mindestens schon 10 mal sei das passiert.

RR 120/80 mmg, Puls sehr unregelmäßig und schnell zwischen 110 - 180/min., SO2 96 %.

Jetzt mal ehrlich, wer schleppt beim Stichwort Krampfanfall schon den Defi mit...? Der Praktikant geht ihn holen.

Medikamentenplan wird er holen... und schon ist er verschwunden...

So, erste Idden, Verdachtsdiagnosen, Fragen?

RS-USER-Brummel
21.06.2009, 19:17
hm, ich hab ja wie ihr wisst nur San-C und verfluche mich immer wieder, weil da so wenig internistisches dabei ist.
Keiner Schleppt den Defi mit, ich bin dann immer der, der ihn nachholen darf. Aber generell würde ich ihn gerne Grundsätzlich mitnehmen, die vorab Infos von der Leitstelle stimmen ja doch nicht immer (so wie vor geraumer Zeit: Alarm zur REA, Ärztlicher Bereitschaftsdienst vor Ort, wir sind nach nichtmal 2min da (also nach Alarm) weil ums Eck und keiner drückt. Naja war ja auch nur ein Krampfanfall)

Von ner Epilepsie oder nem Krampfanfall geh ich mal nicht aus. Das schreit ja nach ner Herzgeschichte. Ich vermute mal Anhand der Puls Schwankungen, dass der Schrittmacher nen fehler hat. Oder ist vielleicht ein Infarkt hinzugekommen?

Da wäre halt jetzt das EKG gut, aber der Praktikant läuft ja schon (und wehe er nimmt den Sauerstoff nicht mit!).
Was bedeutet eigentlich das mit Herzleiden? Wenn der Angehörige zurück ist könnte man ja mal fragen - vielleicht gibts auch nen alten Arztbrief? Ich mach als zweiter schon mal die Infusion mit Blutentnahme und Bz fertig.

Maulwurff
21.06.2009, 20:47
Jetzt mal ehrlich, wer schleppt beim Stichwort Krampfanfall schon den Defi mit...?

Da schon. Aber mir und meinen Kollegen ist das Letztens auch passiert. Einsatzstichwort: 27 J. Pat. mit Koplawu wer schleppt da alles mit??

Vorgefunden haben wir eine 87jährige Pat. gestürzt, komatös mit Va ICB. Shit happens da ist mein Kollege erstmal schnell zum Auto, NEF und C3 holen. O2 haben wir ja im Rucksack.
Aber seitdem schlepp ich wieder Alles mit, egal welches Einsatzstichwort mir die lst sagt...


Wenn ich das so lese, erinnert es ich mich an nen ähnlichen Fall... Was sagt mir mein EKG? Medis? BZ?


Lg Maulwurff

Bakterientöter
21.06.2009, 21:23
Das mit dem Zucken wundert mich. Kann es sein, dass der Patient nicht nur einen Schrittmacher, sondern einen interen Defi eingebaut hat? Ich habe so ein Ding noch nie in Aktion gesehen, könnte das das Zucken auslösen?
Die Herzfrequenz geht hoch, der Defi interpretiert es als Kammerflimmern und löst aus?:confused:

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
21.06.2009, 22:06
Das mit dem Zucken wundert mich. Kann es sein, dass der Patient nicht nur einen Schrittmacher, sondern einen interen Defi eingebaut hat? Ich habe so ein Ding noch nie in Aktion gesehen, könnte das das Zucken auslösen?
Die Herzfrequenz geht hoch, der Defi interpretiert es als Kammerflimmern und löst aus?:confused:


Erster Volltreffer!

Der "Schrittmacher" war links eingebaut und ein AICD, der Patient hatte eine ischämische Kardiomyopathie. Der Apoplex stimmte, außerdem noch eine Reihe anderer Vorerkrankungen, die hier keine Rolle spielen.

Im EKG sah man ein völlig buntes Bild mit tw. Extrasystolen, VT´s und ab und zu Kammerflattern.

BZ war gut

Zur Vormedikation:

Torem, Digitalispräparat, Delix, Amiodaron, ASS und noch ein paar Sachen.


Vorschläge zur Therapie?
Vorschläge zur Ursache?
Was macht ihr?

saddamski
21.06.2009, 22:15
Den Gedanken, dass der Schrittmacher eigentlich ein Defi ist, habe ich auch.
Gibt der Defi vielleicht bei einer VT ab einer gewissen BPM einen Schock ab?

Unser Zoll M gibt bei der Analyse, ich glaube bei einer VT mit einer Frequenz ab 200 oder 220, den Schock frei und sagt Schock empfohlen.
Es kann dann aber wohl sein, ich selber habe es nur durch erzählen gehört, dass der Pat. trotz der VT mit 200 oder 220 noch wach und ansprechbar ist.
Dann darf natürlich nicht geschockt werden.

Edit: Zu langsam getippt ;)

RS-USER-DerDings
22.06.2009, 00:11
nur kurz: defi ist bei uns IMMER dabei. +koffer, o2-rucksack und sauger. ohne verlassen wir die karre nicht. never-ever.

RS-USER-Brummel
22.06.2009, 06:03
Naja, das ist ja jetzt eindeutig ein Job für meinen Druiden.
Ich denke mal der wird versuchen, das Henne/Ei Problem zu lösen und versuchen herauszufinden, ob zuerst das Herzproblem oder die Schocks da waren.
Ich vermute wir machen hier eine Infarkttherapie und schalten evtl den Schrittmacher/AICD ab (was aber eh nur unser Druiden Auto kann).
Bis selbiger da ist, bekommt er Sauerstoff 15l über Maske und wir halten uns für ne REA bereit.

RS-USER-Katrina
22.06.2009, 07:56
Wenn ich den Angehörigen richtig verstanden habe (ich frag nochmal nach), ist sein alter Herr immer eingenickt und hat dann gezuckt.
Wenn dem so ist, neige ich dazu, während der Wartezeit bis der "Druide" da ist und ggf. auch für den Transport danach, den Patienten wachzuhalten.
(Mich interessiert, ob die Schocks dann ausbleiben.)

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
22.06.2009, 08:57
Das mit dem "Einnicken" läuft wie folgt ab:

Im EKG VT > 200/min. bzw. Kammerflattern, Pat. wird komatos, fängt an zu schnarchen, dann nach etwa 15 Sekunden Kammerflattern (gefühlt eine Minute :D) Schockabgabe und wieder stabilerer Rhythmus, Pat. wird wach.

Also, liebe Notarztkollegen, jetzt seid Ihr dran! Welche Therapie wollt Ihr machen?

Der Plan mit O2-Gabe und Rea-Bereitschaft ist sehr gut! Wurde so durchgeführt. Wer ist noch dafür, den Defi abzuschalten?

RS-USER-Brummel
22.06.2009, 09:14
Ok, dann lässt sich das "Einnicken" nicht aufhalten, weil es an der Minderperfusion liegt.

Der Defi agiert also "regelgerecht" und schockt nur was wirklich zu schocken ist? Wenn ja lassen wir ihn wohl besser an, bis er leer ist. (Sonst ist bei uns mehr Stress drin)

Hoffentlich kommt endlich mal ein Druide vorbei (hach liebe ich NAW fahren, wenn einer der richtigen Docs dabei ist)?

Könnte man hier was mit Amiodaron oder Lidocain anfangen?

RS-USER-Elektro-Dengel
22.06.2009, 11:17
Also den AICD abzuschalten (wieder diese Magnet-Auflege-Geschichte), würde wohl recht schnell zum klin. Tod des Pat. führen! Das würd ich also tendentiell bleiben lassen, zumal er ja offensichtl. keine Fehlfunktion hat, sondern das tut, was er tun soll! Das Märchen, man könnt bei Berühren des Pat. "mit-defibriliert" werden is Humbuck, also auch kein Grund das Teil auszuschalten!

Wenn sich im EKG mal ne Episode spontaner Herzaktivität dokumentieren lässt, würd ich mir die (12-Kanal) mal genauer anschauen! Vll. ist da ja ne Ursache erkennbar (E-lyt-Entgleisung, Digitalis-Intox, o.ä.).

Andere reversible Ursachen ausschließen:

Lungen embolie ? Sättigung?? ->Eher unwahrscheinlich!
Infarkt?? (12-Kanal!) -> Im Zweifel Heparin vorm Losfahren!
Hypoxie? -> Sauerstoff -> Besserung??
Med. über oder unterdosiert?? -> Fremdanamnese (präklin. schwierig) in der Klitsche mal Amiodaron und Digitais Spiegel bestimmen
Dekomp. H.insuff?? -> Digitalis, Katecholamine
(Tachy)-Arrhytmie-> Antiarrytmia erwägen (Cardioversion is ja nun AICD bedingt schon ein paar mal mit nur mäßigem Erfolg geschehen)

Wahrscheinlich aber bei den Vorerkrankungen (siehe Medikation) und dem Zustand einfach ein sterbendes Herz! Ohne den AICD, der ihn alle 5 min. wieder ins Leben zurück schießt, wäre er ja schon tot!

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
22.06.2009, 13:06
...

Wenn sich im EKG mal ne Episode spontaner Herzaktivität dokumentieren lässt, würd ich mir die (12-Kanal) mal genauer anschauen! Vll. ist da ja ne Ursache erkennbar (E-lyt-Entgleisung, Digitalis-Intox, o.ä.).

...

Wahrscheinlich aber bei den Vorerkrankungen (siehe Medikation) und dem Zustand einfach ein sterbendes Herz! Ohne den AICD, der ihn alle 5 min. wieder ins Leben zurück schießt, wäre er ja schon tot!

Respekt, ihr seid echt schnell!

Also, die Notärztin hat sich für die Gabe von 300 mg Cordarx i.v. entschieden, was aber bei der bereits vorhandenen Aufsättigung keinen großen Erfolg brachte. Dann hat sie das einzig vernünftige gemacht und sich für einen Tiefflug in die Klinik entschieden. 12-Kanal-EKG hatte bei den extrem vielen VES und insgesamt eher breiten Komplexen keine große Konsequenz, wurde aber vorab gefaxt.

In der Klinik gab es umgehend eine Arterie und eine BGA, in der sich die Ursache offenbarte. Vorher haben wir den Pat. noch kurz intubiert, weil er das Grauen vollständig mitbekommen hat und ja immerhin alle 2 Minuten kurz klinisch tot war...

BGA:
pO2 von 330 -> okay, wir haben gleich mal den FiO2 ein klein wenig reduziert... :D
pCO2 war gut, ebenso pH. Was nicht so gut war, war das Kalium. Das lag bei gerade mal 1,9 mmol/l.

Also gleich einen ZVK gelegt und das Kalium so schnell wie möglich ausgeglichen und dabei noch zugeschaut, wie der AICD weiter brav seine Arbeit gemacht hat. Und siehe da, kaum war das Kalium halbwegs ausgeglichen, war der Spuk vorbei und der Patient wieder weitgehend stabil.

Als Ursache haben wir uns mal für das böse Torem entschieden... :grins:

Einfach ein sehr spannender Fall, hat richtig Spass gemacht, vorallem da unsere Arbeit so schnell von Erfolg gekröhnt war.

RS-USER-Brummel
22.06.2009, 13:59
hm, das ist dann wohl genauso gut, wie bei Hypoglykämischen Patienten - wenn Angehörige vor Ort sind. Eben noch alles total schlimm und 5Min später will der Pat schon gar nicht mehr mit.

Schönes Beispiel.

RS-USER-Katrina
22.06.2009, 16:39
[QUOTE=Häuptling weiße Wolke;376879] Als Ursache haben wir uns mal für das böse Torem entschieden... :grins:


Nun ja...die wirkliche Ursache ist: Mangelernährung.

Denn auf ein Medikament wie Torem kann man bei einem solchen Patienten nicht verzichten.
Da man darauf nicht verzichten kann, muss man den unerwünschten Nebenwirkungen (Elektrolytmangel), die immerhin zum Tode führen können, Rechnung tragen.

Derjenige, der diesen Menschen ernährt, muss besser informiert werden.
Durch wen?



Spannend auch für mich, danke! K.

RS-USER-emergency doc
23.06.2009, 08:12
... wer schleppt da alles mit??


Böses Mädchen! Hatten wir nicht schonmal alle mir Dir geschimpft? Schämen! Ecke!
:-keks:grins:

Schönes Fallbeispiel. In Dortmund läuft zumindest das eigentlich immer sehr gut ab, ohne Koffer, O2, EKG und (fast immer) Absaugung geht eigentlich keiner zum Patienten, zumindest bei den Notarzteinsätzen.
Das böse böse Kalium, und obwohl man angeblich im EKG quasi die Diagnose schon stellen können soll, hat keiner in den schlauen EKG-Büchern daran gedacht, daß man auch EKGs mit einem kleinen Fitzeldrucker in einer engen verdreckten Wohnung bei einem Patienten der nicht stillhält schreiben könnte. Ich hab leider noch nie anhand eines präklinischen EKGs eine Hypo- oder Hyperkaliämie diagnostizieren können, obwohl sie mir schon mehrmals untergekommen ist. Aber da ich präklinisch eh kein Kalium zur Verfügung habe ist die Maßnahme Symptome behandeln (z.B. HDM:grins:) und schneller Abflug IMHO sowieso die Beste...

RS-USER-Katrina
23.06.2009, 09:07
Wär überhaupt mal sehr interessant zu erfahren, wieviel plötzliche Herztode auf diesen Umstand fallen. Patienten mit Hezglykosid + Diuretikum bei Herzinsuffizienz gibt es ja genug. Da hat es bestimmt eine hübsche Dunkelziffer...

RS-USER-Elektro-Dengel
23.06.2009, 13:11
Iteressantes Fallbeispiel!! Danke fürs Reinstellen!!

KAlium-Entgleisung im EKG sehen is, wie der ED schon sagte prälinisch noch deutl. schwerer als in der Klitsche, zumal sich die EKG-Bilder in schweren Fällen bei der Hypo -und Hyperkaliämie dann auch immer ähnlicher werden! Ohne Labor dann Kalium zu geben bietet also hier eine 50/50 Chance den Pat. umzubringen! Da hilft wirklich "nur schnell keine Zeit verlieren"!

Ob das Torasemid ihm sein Kalium so weit runterzieht, hmm weiß nicht, wäre er da nicht vorher schon komplett dehydriert, dass alles zu spät is! Das Glycosid erhöht ja eher das Serum Kalium.
War der gute Mann vll. zufällig insulinpflichtiger Diabetiker??

Oder er hat einfach nur zu wenig Bananen gegessen!! :grins: