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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : NSAR und der Magen



Guedeltubus
14.07.2009, 13:38
Hallo,

es ist ja hinreichend bekannt, dass NSAR im oberen GIT reichlich was anrichten können. Nun hatten wir eine Rheumapatientin, die aufgrund einer akuten Erkrankung des oberen GIT parenteral ernährt werden musste und ihre entspr. Rheumamedikation nicht nehmen konnte.
Irgendwann hatte jemand die Idee ihr ein NSAR doch rektal zu geben, darufhin meinte einer der Ärzte, dass es zwar nicht so stark, aber dennoch negativ auf den oberen GIT wirkt. Wir konnten uns das nicht so richtig erklären, hatten jedoch bisher noch keine Möglichkeit mit dem entspr. Doc zu reden.
Kann mir jemand (pharmakologisch) die Hintergründe aufzeigen, warum NSAR auf rektal appliziert im oberen GIT Schäden anrichten können?

Vielen Dank schonmal.

Guedeltubus

Schwester Rabiata
14.07.2009, 16:39
Weil der Wirkstoff an sich - egal wo verabreicht - die Magenschleimhautfunktion beeinträchtigt.
Sorry, muss ich selbt noch mal genauer nachschlagen.
Aber Diclofenac Supp können genauso Magenschmerzen machen wie die Tabletten.

Rabiata

RS-USER-Katrina
14.07.2009, 17:14
NSAR haben vielfältige Wirkungen.
Gegen die rheumatische Entzündung werden sie eingesetzt, weil sie durch die Hemmung eines Enzyms (Cyclooxygenase) die Prostaglandinsynthese vermindern.
Prostaglandine spielen bei der Entstehung von Entzündung und von Schmerz eine fördernde Rolle. Daher ist es sinnvoll, diese in Schach zu halten, weil die Entzündungen (abgesehen vom Schmerz) bleibenden Schaden im betroffenen Bindegewebe anrichten.
Prostaglandine sind als Gewebehormone aber auch Teil des parakrinen Systems zur Regulierung der Magensaftsekretion: Sie hemmen die Freisetzung von Salzsäure und Pepsinen. Ihre Verfügbarkeit ist daher wichtig um ein ausgeglichenes Magenmilieu zu erhalten. Fehlen Prostaglandine, ist der Magen relativ (nämlich dauerhaft) zu sauer.
Einer vorgeschädigten Schleimhaut, der die Schutzmechanismen gegen diese (physiologischerweise extrem saure) Säure stellenweise verloren hat, ist das kreuzgefährlich.

Die Applikation spielt dabei keine wesentliche Rolle.
Die erwünschte Wirkung auf die entzündeten Gewebe (z.B. die Gelenksynovia) wird über den Blutweg erreicht. Oral oder rektal, der Darm bringts. Die unerwünschte Wirkung allerdings auch. NSAR sind ja nicht per se sauer und greifen daher die Schleimhaut an. Sondern sie greifen in eine Regulation ein, die über den Blutweg auch den Magen erreicht.
Da NSAR auch lokal wirken, ist die orale Gabe für den Magen noch ungemütlicher, zusätzlich zum Blutweg sozusagen.
Dem Peritoneum ists am Ende egal, auf welche Weise es Besuch vom Mageninhalt bekommt...

RS-USER-Katrina
14.07.2009, 17:31
(Mir fällt da noch was ein: Der obere TGI ist vielleicht das, was einen daran so verwirrt: Ich werfe oben ein und es gibt oben Ärger. Im Umkehrschluss denkt sich sogleich: Wenn ichs unten reinstopfe, gibts oben also keinen Ärger...)

Gruß.

Guedeltubus
15.07.2009, 08:30
Im Umkehrschluss denkt sich sogleich: Wenn ichs unten reinstopfe, gibts oben also keinen Ärger...

So dachte ich mir das Anfang schon, bin aber schnell davon abgekommen. Die Wirkung über die Prostaglandine habe ich weder gewusst noch in meinen Büchern gefunden....vielen Dank für deine Hilfe.

RS-USER-gnuff
15.07.2009, 09:15
Allerdings duerfte die Aussage "rektal verabreicht ist der Schaden geringer" nicht wirklich belegbar sein, zumindest nicht wenn man die gleiche Serumkonzentration der entsprechenden Medikamente anstrebt. Die einzige Erklärung fuer diese Aussage duerfte ja sein, dass die gleiche Wirkstoffmenge rektal schlechter resorbiert wird und dann effektiv weniger ankommt.

RS-USER-Katrina
15.07.2009, 10:09
Allerdings duerfte die Aussage "rektal verabreicht ist der Schaden geringer" nicht wirklich belegbar sein, zumindest nicht wenn man die gleiche Serumkonzentration der entsprechenden Medikamente anstrebt. Die einzige Erklärung fuer diese Aussage duerfte ja sein, dass die gleiche Wirkstoffmenge rektal schlechter resorbiert wird und dann effektiv weniger ankommt.

Eben, das kann ich leider nicht herausfinden. Entweder es ist so, wie Du beschreibst - dass rektal weniger resorbiert wird - dann wäre ja die Dosis de facto verringert.
Wenn man von gleicher Serumkonzentration ausgeht (und die Wirkstoffmenge rektal erhöht), müsste die Auswirkung auf den Magen und Duo I auch gleich sein, also unabhängig von der Applikation.
Entweder ist es also eine Legende, dass die orale Gabe aggressiver für diesen Bereich ist...
...oder die NSAR entfalten tatsächlich eine zusätzliche unmittelbare Wirkung vor Ort.
(Für diese Mittel ist ja auch beschrieben, dass sie sowohl systemisch, als auch lokal wirksam sind und verwendet werden.) Nur gerade auf den Magen will man diese lokale Wirkung ja lieber nicht...

Hui, es werfen sehr viele Leute immer fleißig "Ibus" ein, ist ja frei zu kaufen...
Erzählen sie das ihrem Arzt? Selten.


@Guedeltubus: Gern geschehen - der Weisheit letzter Schluss fehlt aber mal wieder...

Guedeltubus
15.07.2009, 14:27
der Weisheit letzter Schluss fehlt aber mal wieder...

Vielleicht bekommt das ja auch noch jemand raus.

Schwester Rabiata
17.07.2009, 21:20
Rektal verabreichte Medis gelangen direkt ins venöse System unter Umgehung des Pfortaderkreislaufes.
Soll schneller wirken als oral. :rolleyes:

Rabiata

RS-USER-gnuff
18.07.2009, 00:06
Rektal verabreichte Medis gelangen direkt ins venöse System unter Umgehung des Pfortaderkreislaufes.
Soll schneller wirken als oral. :rolleyes:

Rabiata

Kann sein, dass die Wirkung schneller éintritt, die Frage war aber ob die resorbierte Wirkstoffmenge die gleiche ist. Ich gehe davon aus, das dem so ist, alle Schemata die ich bisher gefunden habe (das sind unsere Routinen fuer Kinderprämed. und Kinder-Schmerz-Schema) geben fuer rektal und oral die gleichen Dosen an.

RS-USER-cmm
18.07.2009, 20:58
Auch bei der Wirkstoffmenge kann es Unterschiede geben, Stichwort First-Pass-Effekt.