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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : "so eine Art Krampfanfall"



RS-USER-Hoffi
16.08.2009, 20:34
Ihr werdet alarmiert zu einer Jugendherberge in der zur Zeit eine grosse Jugendgruppe eine Ferienfreizeit verbringt. Euer Einsatzstichwort ist "so eine Art Krampfanfall bei 12j Mädchen".

Vor Ort angekommen findet Ihr eine ansprechbare Patientin die auf dem Boden liegt und scheinbar unkontrollierbare Muskelbewegungen hat. Die Arme und Beine strecken und beugen sich scheinbar willkürlich hin und her. Das Mädchen ist mittlerweile mit den Nerven am Ende und am Heulen. Bei dem Mädchen sind ausser der besten Freundin noch zwei Betreuer der Jugendfreizeit.

Was macht ihr? Ihr seit erstmal ohne Arzt alarmiert worden und befindet euch im ländlichen Bereich in Österreich, das nächste Krankenhaus ist ca. 20 Minuten entfernt.

Anditi
17.08.2009, 08:27
Je nach regionaler Lage einen von den 15 Christopherl nachfordern (Gelb=Eierspeise), da in ländlicher Lage vermutlich Bodengebundener NA noch länger dauert... (Auch wenn medizinisch nicht erforderlich, sicher psychologisch sinnvoll für die Umstehenden) - geht natürlich Nächtens nicht.

Ja gut, und sonst:

Wie spät ist es?
Wie lange hat die Pat. diese Anfälle schon?
Verlauf? (Seit Beginn Verbessert? Verschlechtert? Gleichbleibend?)
Was hat sie gemacht, bevor die Beschwerden aufgetreten sind?
Ausreichend (Wasser) getrunken? Ausreichend gegessen?
Sonstige Beschwerden (Kopfweh, Übelkeit, Erbrechen, Fieber?, Taubheitsgefühle?)
Vorerkrankungen? Medikamente? Allgemeinzustand
Warum weint sie? Wegen der Krämpfe oder vielleicht wegen was anderem (Liebeskummer?)

RR wird vermutlich nicht möglich sein, wenn möglich HF (Falls am RTW vorhanden mit min. 3-poliger Ableitung) und SpO2 und wenn das EKG schon da ist, könnt ma ja eigentlich auch gleich ein 10-poliges schreiben, nur so zur Sicherheit...
AF?
Pupillen? Reaktion?

Ansonsten für Ruhe sorgen, ev. 6-8 Liter Sauerstoff, schauen ob das was bringt. (Natürlich nicht bei Hyperventilation, aber das hat Hoffi ja noch nicht gesagt), Absaugbereitschaft, da wir nicht wissen was noch kommt und sicherheithalber mal Defi und Beutel im Hintergrund bereithalten. Rundherum alles entfernen, woran sie sich anstoßen könnte, wenn sie krampft.

Da Transport ohne Medis zumindest nach der Beschreibung nicht möglich scheint, warten auf den NA, eventuell auch mal schon einen Zugang und eine Ringer herrichten.

Ach ja, und falls der Doc wirklich von oben kommt, meinen Fahrer mit der Auswahl des Landeplatzes und dem Freihalten desselben beauftragen.

BTW.: Was bedeutet scheinbar willkürlich?

LG Andi

PS.: Welche Leitstelle alarmiert mit dem Stichwort "So eine Art Krampfanfall"? :confused::-keule

RS-USER-Hoffi
17.08.2009, 09:25
Je nach regionaler Lage einen von den 15 Christopherl nachfordern (Gelb=Eierspeise), da in ländlicher Lage vermutlich Bodengebundener NA noch länger dauert... (Auch wenn medizinisch nicht erforderlich, sicher psychologisch sinnvoll für die Umstehenden) - geht natürlich Nächtens nicht.


Den Arzt stellen wir erstmal hinten an, erstmal kommen die Basics:



Ja gut, und sonst:

Wie spät ist es?


14:30



Wie lange hat die Pat. diese Anfälle schon?


Da ihr euch etwas Zeit gelassen habt: ca. 20 Minuten



Verlauf? (Seit Beginn Verbessert? Verschlechtert? Gleichbleibend?)


gleichbleibend.



Was hat sie gemacht, bevor die Beschwerden aufgetreten sind?


Im Bett gelegen und mit ihren Zimmermitbewohnerinnen rumgealbert.



Ausreichend (Wasser) getrunken? Ausreichend gegessen?


Ja.



Sonstige Beschwerden (Kopfweh, Übelkeit, Erbrechen, Fieber?, Taubheitsgefühle?)
Vorerkrankungen? Medikamente? Allgemeinzustand
Warum weint sie? Wegen der Krämpfe oder vielleicht wegen was anderem (Liebeskummer?)


keine sonstigen Beschwerden. Nur die Finger fangen ca. 15 Minuten nach eurem eintreffen an zu kribbeln und in einer leichte Pfötchenstellung zu verharren. Keine Vorerkrankungen, keine Medikamente. Der Allgemeinzustand ist im Prinzip super, ausser dass die Arme und Beine nicht auf sie hören und sich hin und her bewegen. Sie weint, weil sie sich das Verhalten ihres Körpers nicht erklären kann und mit der Situation überfordert ist.



RR wird vermutlich nicht möglich sein, wenn möglich HF (Falls am RTW vorhanden mit min. 3-poliger Ableitung) und SpO2 und wenn das EKG schon da ist, könnt ma ja eigentlich auch gleich ein 10-poliges schreiben, nur so zur Sicherheit...
AF?
Pupillen? Reaktion?


RR: 140/80, Puls zwischen 100 und 110, SpO2: 98, AF leicht erhöht, Pupillenreaktion normal, Zucker bei 108, EKG wurde keins geschrieben, wäre bei den Bewegungen auch nichts sinnvolles rausgekommen.



Ansonsten für Ruhe sorgen, ev. 6-8 Liter Sauerstoff, schauen ob das was bringt. (Natürlich nicht bei Hyperventilation, aber das hat Hoffi ja noch nicht gesagt), Absaugbereitschaft, da wir nicht wissen was noch kommt und sicherheithalber mal Defi und Beutel im Hintergrund bereithalten. Rundherum alles entfernen, woran sie sich anstoßen könnte, wenn sie krampft.


Für Ruhe wird gesorgt, sie lag eh schon auf dem Fussboden, da sie von den Betreuern aus dem Hochbett herausgehoben wurde. Sauerstoff wurde keiner gegeben, da aufgrund der leicht erhöhten Atemfrequenz auf einer Hyperventilation getippt wurde.



Da Transport ohne Medis zumindest nach der Beschreibung nicht möglich scheint, warten auf den NA, eventuell auch mal schon einen Zugang und eine Ringer herrichten.

Ach ja, und falls der Doc wirklich von oben kommt, meinen Fahrer mit der Auswahl des Landeplatzes und dem Freihalten desselben beauftragen.


Doc kommt bodengebunden aus dem gleichen Ort mit Privatpkw, er sollte in ca. 10 Minuten vor Ort sein. Die Leitstelle fragt euch zur gleichen Zeit an, ob ihr in spätestens 25 Minuten wieder frei seit, da dann mit der Gondelbahn ein Patient runtergeschwebt kommt.




BTW.: Was bedeutet scheinbar willkürlich?


Das ganze Geschehen war kein typischer Krampfanfall. die Arme und Beine bewegten sich komplett durch. Das Mädchen lag auf dem Rücken, die Knie sind als Regelmäßig von komplett ausgestreckt bis zum Bauch angezogen wurden und wieder ausgestreckt, das gleiche gilt für die Arme. Allerdings konnte das Mädchen für kurze Zeit (zB Blutdruckmessen) den Arm auch nahezu ruhig halten.



PS.: Welche Leitstelle alarmiert mit dem Stichwort "So eine Art Krampfanfall"? :confused::-keule

Das war die Meldung an die Leitstelle, wie es dann tatsächlich weitergegeben wurde, weiß ich nicht, da ich als Betreuer auf der anderen Seite stand.

So der Doc sollte dann mittlerweile da sein, was kommt nun?

Anditi
17.08.2009, 10:12
Naja...

Da ich leider kein Doc bin, kann ich jetzt mal nur raten...

500 Ml Ringer und eine Ampulle Gewacalm (vielleicht nicht die Ganze) um die Psyche der Pat. in den Griff zu bekommen. Ev. erledigt sich dann auch die Hyperventillation.

Ev. auch mal Rückatmenlassen (Am besten mit O2-Maske mit einer homöopathisschen Dosis von zirka 0,5 l/Min, grad so, dass es zischt)

Ich bin ja geneigt, auf eine psychische Ursache zu tippen, aber das wäre wohl zu simpel. Aufgrund der Uhrzeit und den Begleitumständen schließe ich vorläufig einmal jedwede Form von Toxikation (Alkohol, Medis, Koffein, etc... aus). Eine neurologische Ursache ist natürlich auch möglich, allerdings wüsste ich nicht, was das bei einer gesunden 12-jährigen sein sollte. (Außer ein paar wirklich böse Dinge)

Irgendwelche Stürze oder sonstige "besondere Vorfälle" im Laufe des Tages die nicht wirklich beachtet wurden? Ich denke da an einen langsam raumgreifenden Prozess. Ist die Gute vielleicht Schlafwandlerin und in der Nacht aus dem Hochbett gefallen?

Das mit dem RR überrascht mich, das das ging, allerdings wollte ich ja selbst ein EKG schreiben (Wie dumm von mir:rolleyes:)

140/80 und 110 HF erscheint mir für eine 12-jährige doch eher hoch, insbesondere der RR. Das kann natürlich mit der Aufregung zu tun haben und daher eine Folge des Geschehens, andererseits natürlich auch mit der Ursache, schwer zu sagen.

Ach ja, der Leitstelle sag ich, dass ein Patient, der mit der Gondel vom Berg kommt, auch noch ein bisserl warten kann, wenn es sein muss... auf einen anderen KTW, den ich weiß auch noch nicht wohin die Fahrt gehen wird. Am liebsten in ein KH mit Pädiatrie, Neurologie und Psychiatrie. (Also in die betreffende Landeshauptstadt) aber auch das sagt mir dann der Doc.

RS-USER-Hoffi
17.08.2009, 10:40
Naja...

Da ich leider kein Doc bin, kann ich jetzt mal nur raten...

500 Ml Ringer und eine Ampulle Gewacalm (vielleicht nicht die Ganze) um die Psyche der Pat. in den Griff zu bekommen. Ev. erledigt sich dann auch die Hyperventillation.


Eine Ringer und eine Ampulle Gewacalm (auch Diazepam genannt) hat der Arzt nach einigen überlegen dann auch gegeben. Dazwischen immer auch mal versuche des "gut zuredens", bzw festhaltens, brachte aber beides nichts.



Ev. auch mal Rückatmenlassen (Am besten mit O2-Maske mit einer homöopathisschen Dosis von zirka 0,5 l/Min, grad so, dass es zischt)


Rückatmung ohne Sauerstoff wird gemacht.



Ich bin ja geneigt, auf eine psychische Ursache zu tippen, aber das wäre wohl zu simpel. Aufgrund der Uhrzeit und den Begleitumständen schließe ich vorläufig einmal jedwede Form von Toxikation (Alkohol, Medis, Koffein, etc... aus). Eine neurologische Ursache ist natürlich auch möglich, allerdings wüsste ich nicht, was das bei einer gesunden 12-jährigen sein sollte. (Außer ein paar wirklich böse Dinge)


Eine Vergiftung ist erstmal auszuschliessen, da alle in dem Zimmer dies glaubhaft verneinen. Lediglich die gabe von einer halben Tablette Aspirin wird von einem Mädchen im Zimmer zugegeben.



Irgendwelche Stürze oder sonstige "besondere Vorfälle" im Laufe des Tages die nicht wirklich beachtet wurden? Ich denke da an einen langsam raumgreifenden Prozess. Ist die Gute vielleicht Schlafwandlerin und in der Nacht aus dem Hochbett gefallen?


Es gab keine Stürze oder besondere Vorfälle, aus dem Bett gefallen ist sie laut ihren Zimmerkameradinnen auch nicht.



140/80 und 110 HF erscheint mir für eine 12-jährige doch eher hoch, insbesondere der RR. Das kann natürlich mit der Aufregung zu tun haben und daher eine Folge des Geschehens, andererseits natürlich auch mit der Ursache, schwer zu sagen.


Die leicht erhöhten Kreislaufwerte werden vom Arzt auf das Geschehen und die Aufregung geschoben. Die Verdachtshypothese vom Arzt bleibt die vom RD vorgeschlagene Hyperventilation.



Ach ja, der Leitstelle sag ich, dass ein Patient, der mit der Gondel vom Berg kommt, auch noch ein bisserl warten kann, wenn es sein muss... auf einen anderen KTW, den ich weiß auch noch nicht wohin die Fahrt gehen wird. Am liebsten in ein KH mit Pädiatrie, Neurologie und Psychiatrie. (Also in die betreffende Landeshauptstadt) aber auch das sagt mir dann der Doc.

Onkel Doc entscheidet nicht zu transportieren; "Das Madel soll sich jetzt erstmal ausschlafen"; die Betreuer bekommen Verbandszeug um den Zugang wieder entfernen zu können.

Der Arzt und der RD verabschieden sich und verschwinden beide Richtung Gondel und einen abgestürzten Paragleiter zu verarzten, nicht ohne den Hinweis, dass man ins Krankenhaus fahren sollte, wenn dies noch einmal auftreten sollte.

RS-USER-Hoffi
17.08.2009, 10:47
So und um euch nicht allzulang auf die Folter zu spannen, geht es hier mit der "Auflösung" weiter.

Ca. gegen 0:30 haben die Zuckungen wieder angefangen. Woraufhin wir dann mit dem Rettungswagen ohne Arztbegleitung zuckend ins Krankenhaus gefahren sind. Wie hätte es anders sein können, hat die Patientin kurz vorm Krankenhaus aufgehört zu zucken, nach ca. 55 Minuten. Im Krankenhaus wurde sie dann untersucht und bei der Eingangsuntersuchung wurde nichts gefunden.

Am nächsten Tag liefen dann noch ein EKG und ein EEG, beides oB. Kurz bevor sie entlassen werden sollte, haben die Zuckungen wieder angefangen. So schnell habe ich noch keine 5 Ärzte in einem Zimmer gesehen.

Verdachtsdiagnose im Krankenhaus: Psychosomatisch, sehr unwahrscheinlich eine seltene Form der Epilepsie.

Nach zwei Tagen wurde sie aus dem Krankenhaus entlassen und den angereisten Eltern übergeben.

Anditi
17.08.2009, 11:48
Naja, da war ich dann ja gar nicht so schlecht unterwegs, nicht mal was die Med-Gabe betrifft...

Danke für das Fallbeispiel...

RS-USER-apoplex
17.08.2009, 17:29
Für Ruhe wird gesorgt, sie lag eh schon auf dem Fussboden, da sie von den Betreuern aus dem Hochbett herausgehoben wurde. Sauerstoff wurde keiner gegeben, da aufgrund der leicht erhöhten Atemfrequenz auf einer Hyperventilation getippt wurde.
Bei Muskelarbeit (Kontraktionen über mind. 10 min) und dieser Situation ist eine erhöhte Atemfrequenz nichts, was mich jetzt spontan auf Hyperventilationssyndrom tippen lässt.
nebenbei ist es auch egal, ob man bei einem Hyperventilationssyndrom Sauerstoff oder Raumluft atmet...

Als Symptome für ein Hyperventilationssyndrom würde ich in diesem Fall eher andere Hinweise (z.B. weiblich, Alter, psychische Komponente) werten. Hat sie denn noch andere Dinge, die darauf hinweisen (Parästhesien, .... )?

RS-USER-Elektro-Dengel
17.08.2009, 17:48
Das letzte Psycherl (weibl. 14 J. ordentl. C2 + fam. Stress), das sich vor uns am Boden gewunden hat, hat mein Kollege nach meinen einmaligen (bei jungen Mädchen irgendwie immer fehlschlagenden) Versuch des Talk-down einfach geschultert und schreiend in den RTW gepackt!
Nicht mustergültig, aber wahnsinnig effektiv, ein Bild für die Götter. 5 Minuten und ne Runde Haldol und Dormicum später war Ruhe im Karton!

RS-USER-emergency doc
20.08.2009, 21:30
Hoffi, was Du so alles in dieser komischen österrechischen Jugendherberge erlebst... Wars dieselbe wie mit dem Kühlakku?:)

RS-USER-Hoffi
21.08.2009, 07:11
Ja, Kinder sind schon ulkig, wenn sie in Massen auftreten.