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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notarztruf oder Load-and-Go?



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rs-zivi
12.10.2009, 23:35
Hallo RD-Gemeinde ;)

Ich hatte vor einigen Tagen einen Einsatz, bei dem ich mir bis heute nicht sicher bin, ob ich/wir richtig reagiert haben.
Zur Situation: Ich (RS) fuhr mit einem RH-Zivikollegen eine KTW-Schicht und wurde zum örtlichen Altenheim gerufen; ein Transport in die rund 1km entfernte, örtliche Klinik stand an. Grund: Kreislaufbeschwerden.
Angekommen im Zimmer der Patientin kam uns der sich im gehen befindliche Hausarzt entgegen und warf uns nur noch kurz folgenden Satz an den Kopf: "Hatte nen Blutdruck von 280/200, nach 2 Hub Nitro jetzt wieder im Normbereich. Einfach ins KH fahren. Tschüssi!"
Naiv wie man als frischer RS nunmal ist, glaubten wir ihm auch, maßen aber zur Sicherheit selbst nochmal den RR, der immernoch bei 210 lag! Und der Doc war natürlich schon über alle Berge....
Unsere Misere war nun: Stabil sah die Frau sicher nicht aus. Und der Druck ist auch nicht gesund. Wir fragten uns also, ob wir einen NA nachbestellen sollten oder nicht. Unsere Gedankengänge waren

- Notarzt rufen: Kommt aus entfernter Klinik (~40km), da örtliches NEF unterwegs. Würde also recht lange dauern. Transport in Klinik dauert knapp 10 min bis die Frau total verkabelt im Bett in der Aufnahme liegt.
- Notarzt NICHT rufen: Patientin ist schneller bei einem Arzt. Allerdings können ja selbst bei 5min Transport Probleme auftreten, und dann sind wir im Ar***(gut sah die Frau nämlich nicht aus)...

Im endeffekt haben wir uns dann für den schnellen Transport ohne NA entschieden, da die Frau unserer Meinung nach so am schnellsten einen Arzt bei sich hat. Maske mit 12l/min drauf und los gings.

Mitlerweile habe ich einige RAs auf unserer Wache befragt, was denn nun am schlausten gewesen wäre, konnte aber keine eindeutige Meinung bekommen. Zwischen Nitro in Notkompetenz, Load-and-Go (unsere variante) oder Transport auch bei Kurzstrecken nur mit NA war alles dabei.

Was denkt ihr darüber, bzw wie hättet ihr in unserer Situation reagiert?

freue mich über antworten,

rs-zivi

Schim
13.10.2009, 08:51
Ich denke, ich hätte mich auch für load&go entschieden, gerade wenn es nur 1 km ins Krankenhaus ist. Da sollte der Transport keinen großen Stress für die Patientin verursachen.

Den Notarzt aus 40 km kommen lassen, dauert wohl eine halbe Stunde, so lange möchte ich nicht warten. Den Hausarzt nochmal zurückpfeifen wird nicht viel helfen, besonders viel Kompetenz hat er ja im ersten Anlauf schon nicht gezeigt.

Spielereien mit Nitro sind für mich als .at-RS sowieso tabu, halte ich auch nicht für zielführend - hat die erste Dosis überhaupt schon gewirkt? Ist die Wirkung schon vorbei? Was versteht der Doc unter "Normalbereich"? Bekommst du zur Not einen Zugang rein?

Was sagt denn das Pflegepersonal, wie's der Dame sonst so geht? Vielleicht ist 200 eh ganz normal bei ihr. Welche Probleme hatte sie denn außer dem Druck?

Ich hätte mal nachgefragt, wie's mit dem lokalen NEF so aussieht, dann mal gemütlich den Transport vorbereitet, nochmal Druck gemessen und dann wär ich wohl gefahren, wenn sich bis dahin nichts Neues ergeben hätte.

Pr0st
13.10.2009, 13:05
Blöde Situation, leider aber auch nicht gerade selten.... überlegenswert wäre allerhöchstens noch gewesen, sich einen RTW zu bestellen, aber der muss auch ersteinmal da sein und der Spaß verschiebt sich nochmal 10 + x Minuten nach hinten.

Im Endeffekt hätte ich mich wohl zu meiner Zivizeit genu so wie ihr entschieden (mit dem gleichen schlechten Bauchgefühl), heute würde ich auch ersteinmal nicht mehr machen als zusätzlich ne Nadel legen, leise Schei55e murmeln und zügig in die Klinik.

Wichtig wäre mir hier alles pingelig zu dokumentieren und Rücksprache mit der Leitstelle zu halten ob nicht doch irgendwo ein Doc oder zumindest RTW in der Nähe ist....

Rettungshasi
13.10.2009, 18:46
Ein ungutes Bauchgefühl ist ein ziemlich verlässlicher Indikator dafür, dass die Chance, dass etwas katastrophal schief laufen könnte, enorm groß ist.

Beachbaer82
13.10.2009, 21:46
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hast du in dieser Situation wohl richtig gehandelt, WEIL es ist nichts passiert und die Patientin kam zielführend schnell in ärztliche Obhut.

Leider bringt dir das in Zukunft nicht viel, denn WENN du nochmal in diese Situation kommst und dir denkst "Damals ging es gut und die bei Rippenspreizer haben auch mehrheitlich gesagt es war richtig", kann trotzdem was schief gehen und du machst dir Vorwürfe.

Für genau DIESEN Fall, und keinen anderen, denk ich war es ok! Du hast alle Alternativen abgewogen.

Was denn, wenn in den 40 Min. wo du auf den NA wartest was passiert? Dann kann man dir ankreiden "Sie waren laut Funkprotokoll schon 30 Min an der Einsatzstelle. Wären Sie - wie der Hausarzt es wollte - gefahren wäre der Pat schon im KH und alles gut!"
Tschaka!

:peace:

leuchtreklamefahrer
15.10.2009, 15:51
Schöne Abwägung!

Vertreten lassen sich wohl beide Varianten, eine "Lösung" finden wir sicher nicht.
Kurz zwei Anmerkungen:

1. Vorsicht mit Nitro-Spray. Die regelrechte Angst, die manche Kollegen davor haben, ist sicher unbegründet. Allerdings kann man doch mal den RR ziemlich rasch in den Keller prügeln. Diese Patienten profitiert auch nicht von einer "heftigen" Senkung auf Werte um 140mmHg systolisch. Viel eher wollen wir den RR langsam einpegeln, uns dann im Krankenhaus auf Ursachenforschung begeben und schauen, was die Patienten in den nächsten Stunden macht.

2. Auch ein Hausarzt muss für eine kurze Rücksprache zu haben sein; Hatte die Patientin Symptome einer hypertensiven Entgleisung (Krise?), die mittlerweile mit dem Druck von 210mmHg besser sind? Wie stufst du die Patientin ein: Stabil, pot. instabil, instabil? Kannst du mit den eventuell auftretenden Komplikationen umgehen?

RS-USER-Elektro-Dengel
15.10.2009, 17:13
Mal ganz nebenbei, ist Nitro nicht das Mittel der Wahl, unter Umständen sogar kontraindiziert! Derart hohe Drück mit Nitro zu senken, is nich optimal! Wenn ich was in Notkompetenz gegeben hätte, dann Urapidil, damit steh ich zwar auch nicht komplett auf der sicheren Seite, aber immer noch besser als Nitro.
Wobei uns der HA das mit seinem Nitro ja schon versaut hat, Stichwort Wechselwirkung, überschießende RR-Senkung!

Ich hätte den HA zurückgepfiffen und den Scherzkeks gefragt, was der Mist soll! Bin da zieml. schmerzfrei.

jj
15.10.2009, 18:24
1. Völlig richtig gehandelt. Die Patientin war nicht AKUT vital bedroht und war durch euer Verhalten schneller in den Händen eines Internisten als wenn ihr den NA gerufen hättet (vielleicht ein Chirurg??)
Ihr seid dafür ausgebildet genau solche Patienten zu betruen. Und dass jemand, der im Altersheim wohnt nicht wie das blühende Leben aussieht ist ja normal.

2. Nitro nicht Mittel der Wahl bei der hypertensiven Krise, die hier vorlag. Urapidil wäre besser gewesen.

3. Mehr hätte der Blutdruck gar nicht runter dürfen. Max. 25% des Ausgangsblutdrucks. Außer bei AP-Beschwerden, Lungenödem etc. Also war 210 mmHg eine Punktlandung

rs-zivi
16.10.2009, 18:51
Die Patientin war nicht AKUT vital bedroht und war durch euer Verhalten schneller in den Händen eines Internisten als wenn ihr den NA gerufen hättet (vielleicht ein Chirurg??)
Ihr seid dafür ausgebildet genau solche Patienten zu betruen. Und dass jemand, der im Altersheim wohnt nicht wie das blühende Leben aussieht ist ja normal.


Also wir haben den Zustand der Patientin als durchaus vital bedroht eingeschätzt, noch dazu haben uns die Pfleger gesagt, dass sie ansonsten noch recht fit gewesen sei. Wie gesagt, wir hatten angst, dass sie uns im Auto stirbt.

Was ich jetzt aber aus den Antworten hier herauslese: Glück gehabt. Gut reagiert, aber hätte trotzdem ganz anders laufen können.
Wäre ich nochmal in so einer Situation (gleiches AH), würde ich wohl auch wieder fahren....und wieder ein schlechtes Gefühl dabei haben ;)

Danke für die Antworten :)

RS-USER-Elektro-Dengel
18.10.2009, 15:32
(...)Ihr seid dafür ausgebildet genau solche Patienten zu betruen. (...)

Völlig richtig, dennoch traut uns (dem nichtärztl. RD-Personal) weder die BÄK (mir ja egal, weil die mich nicht zu vertreten haben solang ich noch keine Approbation hab), noch der Staatsanwalt zu das auch zu tun! Da liegt der Hund letztendlich begraben!

Psycho1581
19.10.2009, 16:31
In dem Fall hätte ich mich auf für Load&Go entschieden, evtl. noch ein Zugang (falls gute Venen). Die Zeit bis zur Versorgung durch den NA wäre im vorliegenden Fall unverhältnismäßig länger gewesen als die Transportzeit zum KH. Evtl. hätte man eine Voranmeldung machen können, denn eine akute vitale Bedrohung sehe ich schon - ein Druck von initial 280 mmHg sys ist auch für bekannte Hypertoniker viel zu hoch, die Gefahr dass ein Gefäß wegen des hohen Drucks rupturiert unbestreitbar.

Ich stelle mir hierbei auch noch die Frage ob das Wirkmaximum des Nitro schon erreicht war, wie war denn der Druck im KH? Nitro hätte ich persönlich auch nicht angewendet, sofern keine begleitende kardiale Symptomatik vorlag. Allein zum RR senken ist es mir persönlich nicht kontrollierbar genug und meines Wissens nach auch nicht dafür zugelassen. Zwar stimme ich leuchtreklamefahrer in seiner Aussage zu, doch solange ich nichts über die Vorerkrankungen der Pat. weiß bzw. welche Medikamente sie einnimmt lasse ich die Finger von Medis - Stichwort Wechselwirkung, Wirkverstärkung.

Bei uns im Kreis wäre Bayotensin mittel der Wahl für RA gewesen, was ich allerdings auch nicht gerne einsetze, v.a. auch wegen der Unkontrollierbarkeit und den doch recht starken Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.

Fazit: Ich hätte ebenso gehandelt und würde es in der vorliegenden Situation auch jederzeit wieder tun.

Pr0st
19.10.2009, 16:42
Zwar stimme ich leuchtreklamefahrer in seiner Aussage zu, doch solange ich nichts über die Vorerkrankungen der Pat. weiß bzw. welche Medikamente sie einnimmt lasse ich die Finger von Medis - Stichwort Wechselwirkung, Wirkverstärkung.


Dann kann mans bei 80% der Patienten gleich sein lassen, da hab ich auch keine Ahnung, was die nehmen, nehmen sollten, nicht nehmen sollten und falsch eingenommen haben...... :)

RS-USER-emergency doc
22.10.2009, 20:46
...schneller in den Händen eines Internisten als wenn ihr den NA gerufen hättet (vielleicht ein Chirurg??)...

Notfallmedizin ist ihrem Wesen nach stets interdisziplinär...
:-meinung

rs-zivi
22.10.2009, 22:05
...was aber nichts mit der Qualifikation des Notarztes zu tun hat. Bei ner offenen Beinfraktur ist mir ein Chirurg lieber als ein Kardiologe ;)

krumel
23.10.2009, 08:39
Mir wäre da ein Schlafdoktor am liebsten.....

Chirurgen die Knochen sehen kriegen manchmal so nen Tunnelblick:grins:

*ER*
23.10.2009, 19:13
...was aber nichts mit der Qualifikation des Notarztes zu tun hat. Bei ner offenen Beinfraktur ist mir ein Chirurg lieber als ein Kardiologe ;)

Kardiologen können alles (vorausgesetzt, das Zielorgan befindet sich im Mediastinum). Und wehe, bei dem Patienten mit offener Beinfraktur ist noch kein EKG geschrieben! :grins:

Sorry, aber das Problem, "Tunnelblick" kenne ich auch von Sanitätern. Jüngst erst passiert: Ein Sanitäter schiebt einen jungen Mann mit abfälliger Bemerkung "Der hyperventiliert" durch die Tür der Notaufnahme. War schon richtig. Allerdings hat der Patient deshalb hyperventiliert, weil sein Körper versucht hat, einen ph von 7,0 bei einem BZ von 600 zu kompensieren. Die Diagnose war olfaktorisch aus 2 m Entfernung zu stellen...:-keule

RDPfleger
23.10.2009, 23:43
Mir wäre da ein Schlafdoktor am liebsten.....

Chirurgen die Knochen sehen kriegen manchmal so nen Tunnelblick:grins:

Solange es nicht genau der eine von unsereb "Schlafdoktoren" und Notärzten ist, der bei vielen Patienten erstmal nach dem letzten Stuhlgang und seit neustem evtl. auch nach der Kurkarte fragt (dabei sind wir kein Kurort, aber in den letzten Monaten haben ihm das Teil zufällig zwei Patienten in die Hand gedrückt, seit dem will er es immer sehen).....

krumel
24.10.2009, 10:33
Sehr schön auch die NAin die bei einer 14jährigen Patientin mit Z.n. Huf im Bauch ungefähr drei Mal fragte ob sie "auch ja nicht schwanger sei, solche Beschwerden können auch von einer Schwangerschaft kommen!"...
Die Patientin war irgendwann so genervt von der Chirurgin das sie zwei der besten Patientenzitate ever brachte:
"Ich glaube in meinem Fall kommen die Beschwerden wie sie das nennen vor allem von dem Tritt eines Pferdehufes"
"Kommt da nochmal ein richtiger Arzt?"

RS-USER-Kassiopeia
24.10.2009, 13:48
"Kommt da nochmal ein richtiger Arzt?"

Na klar, der Gyn.
Die Notärztin veranlasst bestimmt noch eine gynäkologische Untersuchng um absolut sicher zu gehen, dass die Beschwerden wirklich nicht von einer Schwangerschaft kommen!

RS-USER-Shizr
24.10.2009, 15:32
"auch ja nicht schwanger sei, solche Beschwerden können auch von einer Schwangerschaft kommen!"...
Schwanger sein macht, dass einem Pferde in den Bauch treten?

Sachen gibts...