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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : V.a. Schlaganfall



*ER*
21.11.2009, 21:48
Ihr seid ein RTW und werdet gerufen zu "Weiblich, 48 Jahre, Verdacht auf Schlaganfall". Das NEF trifft 10 Minuten nach euch ein.

And here you go ;)

Geduldsbalken-Träger
22.11.2009, 09:34
Naja, dann gehen wir mal rein, nehmen das ganze Spielzeug mit (Koffer/Rucksack, Sauerstoff, EKG/Defi).

Wie ist der aktuelle Zustand der Patientin?
Aussehen? Ansprechbar? RR? Puls? BZ?
Kreuzgriff? EKG?

Ist die Pat. alleine, oder kann uns jemand etwas erzählen? (Vorerkrankungen? Familiäre Vorbelastung? Erstes Auftreten, oder schon ein Apoplex gehabt?)

Gruß
Klaus

Rettungshasi
22.11.2009, 11:05
Juhuu! Neues Fallbeispiel :]

Ich nehme an, wir sind in einer Privatwohnung?
Medis?
Wie sieht sie aus? (blass, kaltschweißig oder eher rosig?)
Pulsoxy auch noch dran
Wie lange ist die Pat schon symptomatisch?
Lagerung ggf. optimieren

*ER*
22.11.2009, 11:11
Die Tür wird euch vom Ehemann der Patientin geöffnet. Er sagt, dass ihm seine Frau heute nach dem Aufwachen erzählt hat, dass die rechte Hand ganz taub sei. Weil ihre Mutter mit 50 Jahren einen Schlaganfall hatte, macht er sich jetzt furchtbare Sorgen, dass das auch ein beginnender Schlaganfall sein könnte. Seit der gemeinsame Sohn vor einem Monat mit 22 Jahren bei einem Autounfall gestorben ist, sind sie beide furchtbar nervös.
In der Wohnung trefft ihr eine leicht übergewichtige blasse Patientin an, die am offenen Fenster lehnt. Sie erzählt euch mit unauffälliger Sprache, dass sie das mit der Hand auch schon öfters hatte, das sei auch gar nicht so schlimm. Aktuell hat sie aber furchtbare Bauchschmerzen und kriegt schlecht Luft. Seit der Sohn vor einem Monat gestorben ist, ist sie kaum mehr belastbar.
RR 140/80, Puls ca. 90, BZ 132.
Kreuzgriff ist möglich, sie gibt aber taube Finger rechts an.
Vorerkrankungen: vor 3 Monaten Gebärmutterentfernung, präoperativ sei ein leichter Zucker diagnostiziert worden, Tabletten müsse sie aber nicht nehmen. Alle anderen präoperativen Untersuchungen seien völlig normal gewesen.
EKG (erscheint hoffentlich auch bei euch auf dem Bildschirm :D) siehe unten. (Ist leider nicht das OriginalEKG und leider nur Brustwand).

*ER*
22.11.2009, 11:14
SpO2 93 bei Raumluft.
Aufgestanden ist sie vor einer Stunde, seither besteht die Symptomatik.

RS-USER-apoplex
22.11.2009, 11:57
Für was neurologisches spricht erst mal nur das taube gefühl rechte Hand - so wie geschrieben wird sind andere Dinge wie Motorik (Kreuzgriff ect.) nicht eingeschränkt. Der Vollständigkeit halber wird auf jeden Fall nochmal die obligate Pupillenkontrolle nachgeholt.

Nach dem EKG (LSB) würde ich erst mal ein akutes Coronarsyndrom als Arbeitsdiagnose nehmen, daher auch die Anamnese hierher ausweiten - schon was am Herzen gewesen, insbesondere in den Vor-EKG´s , ggfl. auch beim Hausarzt eben durchrufen, ob der LSB vorbekannt war.
Sofern noch nicht geschehen bekommt die Patientin Sauerstoff via Gesichtsmaske, einen venösen Zugang und wird entsprechend gelagert (sie lehnte ja noch am offenen Fenster - sie sollte sich zumindest bequem setzen, falls die Trage schon mitgekommen ist, kann sie natürlich auch sofort darauf halbsitzend gelagert werden).
Bauchschmerzen sind zwar nicht sooo klassisch fürs ACS, können aber trotzdem mal die einzigen Schmerzen sein, die es verursacht, gerade bei Diabetikern ist nicht immer der typ. Thorakale Schmerz da. dennoch wird auch noch der Bauch untersucht, zumindest angesehen, auskultiert und kurz abgetastet.

Wie geht es ihr nun in Ruhe und mit Sauerstoff?

*ER*
22.11.2009, 12:17
Pupillen sind unauffällig. Abdomen dito. Präoperativ vor HE war das EKG unauffällig gewesen.

- Sehr schön, war ein ACS. :D Leider ist die Message "Neuer LSB plus passende Klinik = Herzinfarkt" bei manchen Praktikern, die Notarztdienste machen, noch nicht angekommen. :mad:

Die taube rechte Hand sollte sich im Verlauf als Karpaltunnelsyndrom herausstellen.

RS-USER-Shalimah
22.11.2009, 12:37
Wichtig dabei: Der typische linksthorakale Schmerz ist nur bei Männern typisch ;)
Frauen haben oft eine atypische Angina pectoris, und hierbei am häufigsten Schmerzen im Oberbauch.

RS-USER-Elektro-Dengel
22.11.2009, 14:20
Frauen haben oft eine atypische Angina pectoris, und hierbei am häufigsten Schmerzen im Oberbauch.

Diabetiker auch! Das und das Übergewicht sollte auch verschärft in die Richtung Cardia denken lassen.

Ich musste ja bei der Geschichte des gestorbenen Sohns in Verbindung mit dem EKG unweigerlich an "Broken-heart" denken! :grins:

*ER*
22.11.2009, 17:25
Wär auch ein schönes Fallbeispiel gewesen, war aber ein echter LAD-Verschluss und keine Tintenfischfalle ;)

RS-USER-emergency doc
22.11.2009, 18:40
Ich hab übrigens bereits mehrere Male erlebt, das bei Todesfällen bzw. Mitteilungen jemand akut infarzierte...

Rettungshasi
22.11.2009, 19:57
Sehr schön :]

Könntet ihr bitte noch ein paar Sätze über das EKG verlieren?

RS-USER-Elektro-Dengel
22.11.2009, 20:55
Sehr schön :]

Könntet ihr bitte noch ein paar Sätze über das EKG verlieren?

Das EKG zeigt halt nen Linksschenkelblock (LSB), zu erkennen an dem verbreiterten und in den seitlichen Brustwandableitungen mehrgipflig deformierten QRS-Komplex. Durch die abnorme Depolarisation des linken Ventrikels, ist auch die Repolarisation gestört, sprich, die Bewertung der ST-Strecken ist erschwert.
Ein neu aufgetretener LSB mit infarkttypischer Symptomatik ist als ernsthafter Verdacht für einen Verschluss (LAD glaub ich primär) zu werten.
Anzutreffen ist ein derartiges Blockbild recht häufig, meist durch Dilatation des linken Ventrikesl bedingt, und meist wissen die Pat. nichts davon.
In dem hier beschriebenen Fall hatte der NA das Glück aufgrund eines kürzlichen Prä-OP EKGs einen Vorbefund zhum Vergleich, diese Möglichkeit hat man im Rettungsdienst selten.

Rettungshasi
22.11.2009, 21:05
Vielen Dank bis hierhin.
Und woran genau siehst du den "Links"schenkelblock?
Ich habe da schon einige Meinungen zu gehört, zum Beispiel bei zweigipfligen R-Zacken die höhere raussuchen, aber in der Praxis hat sich das bislang selten (eindeutig) bewährt.

RS-USER-Shalimah
22.11.2009, 21:56
Ich merk mir das immer ganz einfach:
Hasenohren oder Kirchtürme in den ersten drei Brustwandableitungen = Rechtsschenkelblock
Hasenohren in den Ableitungen V4-V6 = Linksschenkelblock.

RS-USER-apoplex
23.11.2009, 09:55
Ein neu aufgetretener LSB mit infarkttypischer Symptomatik ist als ernsthafter Verdacht für einen Verschluss (LAD glaub ich primär) zu werten.
Jeder neu aufgetretene LSB gehört abgeklärt - auch ohne Symptomatik - hier lagen ja auch eher diffuse Beschwerden, die vom Pat. als Schlaganfall gedeutet wurden, vor.


Ich habe da schon einige Meinungen zu gehört, zum Beispiel bei zweigipfligen R-Zacken die höhere raussuchen, aber in der Praxis hat sich das bislang selten (eindeutig) bewährt.
Alle Schenkelblöcke gehen erst mal mit einer Kammerkomplexverbreiterung einher, das ist quasi das erste, wonach man überhaupt kucken sollte.
Meinen EKG-Kenntnissen nach ist nicht die "höhere" zweite Zacke entscheidend, sondern der zeitliche Ablauf - kommt der spätere zweite Anstieg eher rechts (V1/V2 - RSB) oder eher links (V5,v6 - LSB) - quasi nur anders ausgedrückt, was auch schon mit den "Hasenohren und Kirchtürmen" gesagt wurde
http://grundkurs-ekg.de/schenkelblock/schenkelblock1.htm

RS-USER-Elektro-Dengel
23.11.2009, 16:24
Jeder neu aufgetretene LSB gehört abgeklärt - auch ohne Symptomatik - hier lagen ja auch eher diffuse Beschwerden, die vom Pat. als Schlaganfall gedeutet wurden, vor.


Schon klar, aber die Symtomatik macht halt schon nen Unterschied bei der Frage wie?

Ohne entsprechende Klinik, fahr ich den halt normal ohne NA einfach in die Klitsche!

Rettungshasi
24.11.2009, 12:24
Vielen Dank!