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Rettungshasi
09.02.2010, 22:40
Liebe Rippenspreizer,

könnt ihr mir sagen, inwieweit die Rechte und Pflichten eines praktizierenden Arztes für die eines solchen im Ruhestand gelten?
Ich (Hälfte einer RTW-Besatzung) musste neulich 20 Minuten auf das nachgeforderte NEF warten, ein Rendezvous-System war nicht möglich.

Erst nachdem unser NA eingetroffen war, offenbarte uns der anwesende Ehemann, dass er mal Internist gewesen und jetzt Arzt im Ruhestand sei.

Nun frage ich mich, ob es - wäre es im Voraus bekannt gewesen - rechtens gewesen wäre, dem Ehemann die Applikation der (in diesem Fall ACS-)Medikation zu überlassen oder ob wir prinzipiell hätten warten müssen.
Wäre er uns gegenüber gar weisungsbefugt gewesen?


Andererseits: Wiegt unterlassende Hilfeleistung auch noch für einen pensionierten Arzt schwerer als für medizinische Laien, wenn es für beide gleichermaßen zumutbar gewesen wäre zu helfen?

Neugierige Grüße

RS-USER-DoktorW
10.02.2010, 07:57
Natürlich hätte er alles spritzen können. Man muss ja mit dem Eintritt ins Rentenalter nicht die Approbation zurückgeben.
Aber offensichtlich hat er sich ja nicht getraut, sonst wäre er vermutlich nicht so zurückhaltend gewesen!

Knusperriegel
10.02.2010, 08:08
Die rechtliche Situation zu bewerten, überlasse ich anderen.

Mir geht es vorrangig erst einmal um die menschliche Situation:
1.
bei der Behandlung eines (sehr) nahen Angehörigen ist i.d.R. von einer starken psych. Beinträchtigung des Helfers auszugehen, die u.U. Fehler produziert.
Aus gutem Grund wird auch heute noch nach meinem Wissensstand kein Doc als Operateur seiner Ehefrau auftreten.
Ich schreibe dies aus persönlicher Erfahrung als Helfer bei Familienangehörigen bzw. aus der Erfahrung von KollegInnen, die in eine ebensolche Situation gekommen sind.

1a.
Die Überforderungssituation wurde klar erkannt, die Grenze der eigenen Möglichkeiten war gegeben, also wurde der RD gerufen.
Das ist besser wie ein frustraner Eigenbehandlungsversuch mit den abgelaufenen Mittelchen aus der alten Hausbesuchstasche.

2.
Das ganze wird noch verstärkt durch "Unwissen" bzw. Unsicherheiten bei der notfallmässigen Behandlung, die wohl kein Regelfall in der kassenärztlichen Niederlassungszeit darstellte.

3.
Eine Venenpunktion wird in der niedergelassenen Praxis i.d.R. vom Assistenzpersonal gemacht.
Von daher besteht erst einmal keine Notwendiigkeit, diese Maßnahme auch im Notfall denjenigen Personen nicht zu überlassen, die zum Notfallort gekommen sind.

4.
Letztendlich könnte es auch so etwas wie ein "schlechtes Gewissen" gegeben haben beim Ehemann, welches erst nach Eintreffen des Standeskollegen zur Offenbarung seiner ehem. Profession führte.
Es fällt immer leichter, sich einem "gleichgestellten" Kollegen zu offenbaren, als gegenüber anderen Personen bzw. speziell eben nicht akademisch ausgebildeten HelferInnen.
Das kann auch der Grund sein, daß es keine Anfrage im Sinne von:
"ich war früher Hausarzt, sagen sie mir, was ich spritzen muß und geben sie es mir, ich mache es..." gegeben hat.

Ergänzung, nachdem ich noch einmal darüber nachgedacht habe:
Erkundigt Euch in einiger Zeit nach dem Befinden der Ehefrau und bietet dem Ehemann, also dem alten Doc mal eine RTW-Besichtigung incl. Kurzinformationen über die RD-Möglichkeiten an.
Sofern das Angebot nicht oberlehrerhaft rüberkommt, wird es vielleicht angenommen.
Begründung des Vorschlags:
Die Nachbarn dieses alten Docs werden nie vergessen, daß er Arzt ist.
Im Notfall besteht keine Hemmschwelle, an dessen Haustür zu klingeln.
Pflichtbewusstsein/Ethos/Nachbarschaftshilfe: man kann es nennen, wie man will, der Doc wird helfen.
Es liegt auch an Euch, daß er das auch zeitgemäß hinbekommt.

RS-USER-Bärentöter
10.02.2010, 11:35
Knusperriegels Beitrag kann ich nur zustimmen, abgesehen davon, daß ich einen kardiologischen Oberarzt kenne, der seinen eigenen Schwiegervater herzkatheterisiert hat. Ich habe vollstes Verständnis für den Arzt in dem Beispiel.

Von unterlassener Hilfeleistung würde ich daher in dem Fall nicht sprechen, bei einem zufällig anwesenden Arzt in einer Notfallsituation "draußen" sehe ich das wieder anders, mit eben der Einschränkung der fehlenden Übung (langjährige Praxistätigkeit) oder Erfahrung (z.B. Augenarzt)
Weisungsbefugnis: keine Ahnung, kommt auf die Kompetenz an. Wenn ich draußen zu einem RTW-Einsatz käme, würde ich fragen, ob ein Notarzt gebraucht wird, wenn es bejaht wird, würde ich auch davon ausgehen, daß meine Anweisungen befolgt werden. Hier würden mich die meisten RD'ler ja auch kennen, was anderes ist es bei einem Unbekannten, der vielleicht nur behauptet (Not-)Arzt zu sein. Oder dessen Kompetenz bezüglich Notfallmedizin man nicht einschätzen kann.

Diese Aussage ist von keinerlei juristischer Sachkenntnis getrübt!

krumel
10.02.2010, 11:46
Ist übrigens generell eine gute Idee sich bei (egal ob praktizierenden oder nichtpraktizierenden) den "Niedergelassenen" bekannt zu machen.
Ich erlebe immer wieder, dass hier zwar gerne eine alte Fede herrscht, grade der RD aber praktisch auch "nix" tut, um die Probleme der Zusammenarbeit wirklich zu lösen.

In dem Rettungsdienst in dem ein guter Bekannter arbeitet (@ .ch) ist es z.B. üblich, dass der RD "Schulungen" für Praxispersonal anbietet. Diese dauern jeweils einen Tag, es kommt jeweils die gesamte Arztpraxis, man übt die Notfallversorgung unter Aufsichtd er "Profis", wird aber gleichzeitig auch darüber geschult wie man einen Transport richtig bestellt, übt einige Beispiele der gemeinsamen Versorgung mit der Ambulanz und generell die Zusammenarbeit mit dem RD.
Andersherum werden aber auch die RDler zwei Mal jährlich im Rahmen der Turnusfortbildungen von Hausärzten im Rahmen eines "Blick über den Tellerrand" über Themen informiert, die den RD nur am Rande betreffen (ging letztes Mal wohl um die div. Influenzaformen, davor um Dialysepatienten). Auch hierdurch wird bewusst die "hausärztliche Sichtweise" bei den RDlern eingebracht und diese hierfür auch sensibilisiert
Abgesehen davon, dass der RD-Betreiber dafür durchaus Geld bekommt hat es die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten im Wachgebiet massiv verändert, man ist jetzt auf "du" mit dem RD, regelmäßig Niedergelassene bei den Kollegen vom RD "mitfahren" bzw. sich einige auch bereit erklärt haben, dass sie ggf. für den RD als FR bzw. "Notfall-Arzt" zur Verfügung stehen. Live erlebt habe ich z.B. beim "Ausgang", dass ein zufällig getroffener Hausarzt sich beim Kollegen erstmal über die Neuerungen in der Apoplex-Versorgung informierte, bzw. nachfragte ob sein Handeln in einem bestimmten Fall aus seiner Praxis in Ordnung gewesen se...(Sei übrigens angemerkt, dass man hier auf Augenhöhe zwischen nichtärztlichem Personal und Hausärzten redet, Notärzte kennt man in dem genannten Gebiet nur aus der Luft, dort kommt bodengebunden maximal der speziell ausgebildete Anästhesiepfleger, 95% der Einsätze macht der "Dipl.RS" aber alleine)

Sicherlich ist sowas in ländlichen Strukturen weit einfacher zu realisieren, aber insgesamt ist sowas vielleicht in "kleinerer" Form auch hier vorstellbar.

Zurück zum Kernthema:
Ich finde es ehrlich gesagt sogar lobenswert wenn sich der "Ehemann" raushält.
Wieso?
Ich habe leider zu oft erlebt, dass genau das Gegenteil der Fall war. Die Mischung aus "lange nichts mehr mit Notfällen zu tun gehabt" + "persönlicher Involvierung" ist jedoch eine sehr gefährliche. Habe hier u.a. schon Fälle erlebt, dass "Ehemänner/Väter/usw." die eigene Verwandtschaft mal eben mit 3 Ampullen Tramal schnell i.V. "wegfixten", weil sie selber völlig in Panik waren oder das anstatt das Glucokortikoid in Wasser aufzulösen selbiges mit Xylocain aufgelöst wurde. (Wobei wir die Applikation letzterer Lösung -leider nur mit angewandter "Tollpatschigkeit" verhindern konnten).
Grade in solchen Ausnahmesituationen fällt es dann auch schwer, dem entsprechenden Arzt/der entsprechenden Ärztin sachliche Argumente beizubringen;)
Von daher.... Mir ist der Arzt, der sich aus Unsicherheit lieber zurückhält immer lieber als der Arzt, der ggf. "wild nach vorne prescht".
(Wobei sich dieser Satz vice-versa auch auf den RA anwenden lässt^^)

Knusperriegel
10.02.2010, 12:37
Nach meinem Beitrag kam die Erinnerung an einen Einsatz, der jetzt auch schon fast dreissig Jahre her ist:

zur damaligen Zeit gab es noch nicht den RD wie heute und an einen RA hat kein Mensch gedacht.
In einem Einsatz mit einem deutlich hypovolämischen Patienten offenbarte sich ein anwesendes sehr altes Männlein als altgedienter Hausarzt.
"Prima" dachten wir uns, "würden Sie bitte eine Infusion legen?"
Alles wurde vorbereitet und angereicht.
Der Arzt sah die Braunüle an, offensichtlich sah er so etwas zum ersten Mal im Leben.
Mit Schwung wurde die eigentliche Plastiknadel auf den Boden geworfen und stattdessen der Stahlmandrin in die Vene eingeführt.

Aufklärung:
zur Klinikzeit des Arztes gab es noch die so genannten "Strauss-Kanülen"; dicke Metallprügel für Infusionen oder auch Blutspenden (im schönsten Weltkrieg aller Zeiten und auch noch danach...).
Eine Braunüle hatte dieser Mediziner nie kennengelernt; in einer ärztlichen Praxis gab es damals überhaupt keine Infusionstherapien, nur Blutentnahmen oder Injektionen mit immer wieder re-sterilisierten Kanülen.
Das eine venöse Flüssigkeitszufuhr sinnvoll ist, wusste dieser Arzt - nicht jedoch die Benutzung des dafür notwendigen Geräts.

Rettungshasi
10.02.2010, 12:52
@ Knusperriegel: Uah, gruuselig und beinahe unvorstellbar für jemanden wie mich, der nur die aktuelle Hochleistungsnotfallmedizin kennen gelernt hat :D


Mir liegt es fern, den "alten Arzt" anzugreifen. Ich möchte nur aus dem Einsatz für Zukünftiges lernen.
Er wird seine Gründe gehabt haben, es erst so spät zu sagen oder - was mir wahrscheinlicher erscheint - er war einfach in der Akutsituation zu zerstreut, um es als wichtig zu erachten. Zwischen meinen Zeilen des Anfangsbeitrages liest man tatsächlich kritische Töne; das war so aber vollkommen ungewollt.
Im Gegenteil bin ich froh, dass er uns frühzeitig alarmiert hat.

Die Patientin hat ihre Lagerung, Monitoring, Sauerstoff, Zugang und Nitro s.l. bekommen, während wir gewartet haben. Dann ging es ihr auch deutlich besser. Hätte ich um seine Profession gewusst, hätte sie noch ASS, Clopidogrel und Heparin bekommen, was wir auf dem RTW mitführen. Im Nachhinein betrachtet hat das Herauszögern dieser Therapie ihr Outcome allerdings nicht negativ beeinflusst.

_________________________________________

Was das Verhältnis RD - niedergelassene Ärzte anbelangt, ist krumels Beispiel, wie es sein könnte, beneidenswert.
Hier ist es tatsächlich leider häufig noch so, dass die (älteren) Hausärzte oftmals in uns noch die reinen Transporteure sehen und das RD-Personal im Gegenzug den Ärzten unterstellt, von Notfallmedizin nicht die geringste Ahnung zu haben. Dabei kann man voneinander wirklich eine ganze Menge lernen.

Knusperriegel
10.02.2010, 15:25
@Rettungshasi: Sorge Dich nicht, der Tag wird kommen, an denen Du den staunenden "Frischlingen" von Deinen guten, alten Zeiten berichtest:)

Ich denke, im RD gibt es sehr viele und ständige Ärgerbaustellen.
Egal ob Hausarzt speziell oder niedergelassener Arzt im allgemeinen, die "immer" von der Ambulanz/der Dialyse/dem Altenpflegeheim und-und-und.

Ärgern kann man sich jeden Tag - aber man ist nicht verpflichtet dazu.
Natürlich ist das Ärgern und hinterher-losschimpfen ein gutes Ventil zum Frustabbau - das kenne ich selbst lange genug.
Nur - es hilft nicht wirklich weiter.
Wenn ich mich ärgere, hat der Auslöser i.d.R. gar nichts davon.

Es hilft letztendlich nur Veränderung - und die erreiche ich nur mit persönlichen und stetigem Engagement (denn die "Dummbeutel" sterben ja nicht aus...:mad:) gegenüber denjenigen, mit denen ich beruflich zu tun habe und die einfach keinen Plan vom RD haben.
Das dies nicht jeden Tag gelingt, weil eben jeder mal seinen schlechten Tag hat, liegt dabei auf der Hand.

RS-USER-Saphira
10.02.2010, 16:30
blöde Frage, aber könnte der Arzt im Ruhestand nicht die Gabe von Medikamenten an die RAs deligieren? Er muss die Flexüle ja nicht selber legen wenn er es jahrelang nicht gemacht hat. Wenn die Situation so ist, dass alle Beteiligten wissen, dass hier Medikament X nötig ist, was nen RA aber net geben darf, könnte dann nicht der Arzt sagen gebt mal soundso viel davon?

RS-USER-Bärentöter
11.02.2010, 15:31
blöde Frage, aber könnte der Arzt im Ruhestand nicht die Gabe von Medikamenten an die RAs deligieren?

ist er denn weisungsbefugt?

Knusperriegel
11.02.2010, 17:15
Ganz unabhängig von der Weisungsbefugnis:

wer von uns würde sich Anweisungen von jemandem geben lassen, der altersgemäß einfach nicht mehr "fit" sein kann; hier also speziell wohl wenig bis keine Ahnung von den zur Verfügung stehenden Pharmaka und sons. Maßnahmen hat.

In der Autowerkstatt gebe ich die Anweisung zur Reparatur.
Ich kann jedoch mangels Kompetenz keine Vorgabe machen, wlches Werkzeug für welche Maßnahme am besten wie lange einzusetzen ist und welche Zeitvorgabe dabei zu beachten sei.

Rettungshasi
11.02.2010, 17:54
Es geht mir ja nicht um hochkomplexe Vorgänge wie präklinische Narkosen oder Thoraxdrainagen, sondern um eine Standardmedikation mit überschaubarem Nebenwirkungsprofil. Ich würde es selbst geben, darf es als RA aber nicht. Nun interessiert mich im konkreten Fall, ob die Anwesenheit eines Arztes a.D. etwas daran ändert oder ob ich mich dann außerhalb meines Kompetenzbereichs aufhalte.
Braunüle ist nun nicht das Problem, die ist mit der entsprechenden SOP abgedeckt und bei Indikation auch ohne Delegation des anwesenden Altarztes machbar. Nichtsdestotrotz würde wohl auch keiner widersprechen, wenn man schon eine Weile aus der Übung ist und medizinisches Assistenzpersonal einem diese Aufgabe abnimmt.

Mit den Anweisungen ist das so eine Sache (deswegen gibt's den Thread ja auch^^). Wenn mir aufgetragen wird, dieses und jenes zu tun und es für mich offensichtlich falsch ist, ist mir die Maßnahme nicht zumutbar, da ich mich nicht eines Übernahmeverschuldens strafbar machen will. Kommt die Sache mit der Garantenstellung...

RS-USER-emergency doc
12.02.2010, 19:31
Der ersteintreffende Arzt ist sowohl dem Rettungsdienstpersonl als auch dem Notarzt gegenüber weisungsbefugt. Gefällt vielleicht nicht jedem, wird sich im Alltag wohl auch nie so zuspitzen, ist aber so. Grund ist unter anderem, daß quasi der Patient mit dem ersteintreffenden Arzt einen Behandlungsvertrag schließt, der durch konkludentes Verhalten zustande kommt (Der Arzt behandelt, der Patient lässt sich behandeln).

RS-USER-emergency doc
12.02.2010, 19:45
wer von uns würde sich Anweisungen von jemandem geben lassen, der altersgemäß einfach nicht mehr "fit" sein kann.
Entscheidend ist lediglich, daß der-/diejenige eine ärztliche Approbation hat und nicht offensichtlich geschäftsunfähig ist (z.B. fortgeschrittene Demenz, alkohol-/drogenintoxikiert o.ä.)
Wenn Dir also ein 90 Jahre alter approbierter Internst eine medizinische Anweisung erteilt, musst Du sie befolgen. Wenn sie offensichtlich falsch ist, musst Du ihn darauf aufmerksam machen, wenn er jedoch drauf besteht, sie befolgen. Daß das ein wiederkehrendes Problem ist, zeigt:
http://www.cirs-notfallmedizin.de/praeklinik/Hausarzt_lehnt_Reanimation_ab_1244.html
http://www.cirs-notfallmedizin.de/praeklinik/Sch_____Situation_1513.html

Rettungshasi
12.02.2010, 21:08
Das ist klar. Entsprechend muss ich mich den Weisungen beugen.

Es ist aber auch ein Tatbestand, wenn ich den Eintritt eines Schadens (ich denke da z.B. an höchst eigenwillige "Heilversuche" eines alten Arztes a.D.) nicht verhindere.
Ob mich die Tatsache, dass der Arzt der Höchstqualifizierte vor Ort ist, raushaut, wage ich zu bezweifeln. (Ihr kennt sicherlich die Begebenheit, bei der Gynäkologe und Hebamme "mit Engelszungen" auf die kreißende Patienten eingeredet haben, sie möge die Wanne nach dem Auftauchen pathologischer Zeichen im CTG umgehend verlassen, weil dem Kind sonst Schaden drohe. Sie tat es sehr verspätet, beide wurden bestraft.)

Eine kleine Beispielgeschichte bei denen ich mit Garantenpflicht, Übernahmeverschulden und Weisungsberechtigung beinahe in Konflikt kam:
Ein junger Notarzt aus dem fernen Ausland (das erwähne ich deswegen, weil er vielleicht die Hälfte dessen versteht, was gesagt wird) wies mich an, einem Patienten im kardiogenen Schock (RR 80/n.m. mmHg, HF 37/min.) Nitro (Viagra in der Anamnese) und Beloc zu geben, weil er irgendwo gelesen hat, dass das zur Standardmedikation gehört.
Mein Kollege konnte ihn in einem freundlichen Gespräch vor der Tür außerhalb der Hörweite von Patient und Angehörigen davon überzeugen, dass das keine gute Idee sei. Er hat dann auf uns gehört, aber ich will mir gar nicht vorstellen, was gewesen wäre, wenn er sich nicht darauf eingelassen hätte.


Juristen tummeln sich hier vermutlich keine...

RS-USER-emergency doc
12.02.2010, 22:04
...
Mein Kollege konnte ihn in einem freundlichen Gespräch vor der Tür außerhalb der Hörweite von Patient und Angehörigen davon überzeugen, dass das keine gute Idee sei. Er hat dann auf uns gehört, aber ich will mir gar nicht vorstellen, was gewesen wäre, wenn er sich nicht darauf eingelassen hätte.

Situation gut gelöst würd ich sagen, und leider auch die einzige Möglichkeit die Du hast...

E.E.Gal
13.02.2010, 08:44
Moin !

Die Kommentare zu der Nummer hier:
http://www.cirs-notfallmedizin.de/praeklinik/Hausarzt_lehnt_Reanimation_ab_1244.html
Sind schon krass, denn ich verstehe die SO:
Ich bin als Sanitäter mit einem Patienten beschäftigt, es kommt jemand und sagt er sei Doktor. Nun habe ich diesem den Patienten zu überlassen, ohne seine Qualifikation zu prüfen und ihm in sein eventuelles den Patieneten schädigendes Handeln reinzureden richtig ? Heißt es aber nicht anderswo, das ich Maßnahmen verhindern muß die ich aufgrund meiner Ausbildung als schädlich erkennen kann ?


Gruß

EEG

krumel
13.02.2010, 14:01
Schädlich ist sehr relativ.
Ansonsten muss sich der Arzt zwingend als Arzt ausweisen können..Übrigens ein guter Haken, die wenigsten haben einen gültigen Arztausweis dabei.

Ansonsten ist das mit dem "schädlich" ein echtes Problem. Der Arzt kann durchaus auch einen "Therapieansatz" haben, der deutlich anders als der "Standard" ist, denn wir im RD kennen...
Das fängt beim "off-label-use" des Nitrolinguals für die RR Senkung an und endet bei Globuli beim Herzinfarkt.
Primär darf er das halt...

Mein persönlicher Tipp wenn es gar nicht geht:
Nach dem Arztausweis fragen (habe wirklich schon erlebt das der "Arzt" in Wahrheit Maurer war), wenn nicht vorhanden: Sein Pech.(Das hat ein Kollege auch schon mal bis vor Gericht ausprobiert, da kann dir keiner was)
Wenn das nicht hilft auf den Patienten einwirken (das darf kein "Problemarzt" verbieten), bzw. auf die Angehörigen, im Idealfall kann man sowas übrigens auch per Hausrecht klären.

Hatte da übrigens schon ganz grauselige Geschichten, "Zwangseinweisungen" die man per Sedierung/Kurznarkose durchsetzen wollte, Globuli endotracheal, und einiges mehr...
Hier laufen einige sehr sehr komische Ärzte rum.

RS-USER-Bärentöter
13.02.2010, 14:35
Der ersteintreffende Arzt ist sowohl dem Rettungsdienstpersonl als auch dem Notarzt gegenüber weisungsbefugt.

genau das hatte ich vermutet und befürchtet, wollte es aber nicht schreiben.

Rettungshasi
13.02.2010, 14:57
krumel, die Geschichte mit dem Maurer-Arzt würde ich gern hören. Warum tut man so etwas?
Die Zwangseinweisung mittels Kurznarkose ist ein bisschen so, als würde man mit Kanonenkugeln auf Spatzen schießen, aber das ist ja auch durchaus effektiv :D
Was die Globuli beim Herzinfakrt zu suchen haben... weiß der Teufel, aber es gibt ja auch einen Akupressurpunkt bei Reanimation.

Wenn ich mich nicht irre, habe ich auch in meinem RTW Hausrecht. Wenn also ein unerwünschter Arzt hinzukommt und sich wie die Axt im Walde aufführt, könnte man das ggf. durchsetzen.

Spinnen wir den Gedanken mal weiter, dass ein Mensch zum Patienten kommt, der behauptet Arzt zu sein, dessen Ausweis aber nicht verlangt wurde und den keiner der Anwesenden kennt. Der führt dann irgendwelche abstrusen Therapien durch und macht sich aus dem Staub. Es stellt sich heraus, dass der Patient falsch behandelt wurde. Wer in aller Welt soll uns denn glauben, dass da irgendein Unbekannter kam, der ein paar Sachen gespritzt hat?