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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Narkose bei Drogenabhängigen



RS-USER-gurkerl
02.04.2010, 04:47
hallo

wieder mal eine frage an die experten

was habt ihr so in der trickkiste für narkose bzw aufwachphase, wenn eure patienten schlagen, beissen, treten wollen oder weinkrämpfe kriegen?

(mal angenommen, dass sie noch nicht sterbenskrank sind und sich zb bloss ein bein gebrochen haben)

droge - narkose - zum aufwachen
alkohol - viel propofol oder thiopental - anticholium
canabis - propofol - catapresan +?
amphetamine - ? - ?
?

danke!

(hätte eine tabellenformatierung versucht, ist mir aber leider nicht gelungen)

RS-USER-Hypnodoc
02.04.2010, 19:05
Für Heroinabhängige, Substiturierende Junkies und Ex-Junkies gibt es Ausarbeitungen von Jage oder Spies bezüglich Narkoseführung und postoperativer Schmerztherapie. (Die wichtigste Gruppe ist hier die letztgenannte, da keine erneute Suchterzeugung stattfinden soll: RA bevorzugen, Opiat nach Hypnotikum, gute postoperative Schmerztherapie evtl. sogar mit Opiat-PCA etc.)

Generell würde ich bei allen Toxomanen eine RA bevorzugen. Muss ich eine Vollnarkose machen, gebe ich gerne einigen Minuten vor der Ausleitung noch Sufenta zur Analgesie und Sedierung. Reicht das nicht, wird nach dem Spruch gehandelt: "Wer Hallo ruft, sollte auch Halo bekommen."

Anticholium bei Alkoholisierten kenne ich nur im Zusammenhang mit alkoholbedingter Bewußtlosigkeit. Das geht teilweise. Bei unkooperativen Alkoholikern probiere ich Glucose, bevor ich sediere. Das funzt auch teilweise.
Im Entzug ist Catapressan mit Sicherheit sinnvoll.

Das Problem bei den übrigen Drogenabhängigen sehe ich auch darin, dass diese in der Regel verchiedene illegale Substanzen einnehmen. Bei uns in der Region ist Cannabis, Amphetamine und Kokain durchaus eine gängige Kombination. Nicht auf einmal, aber phasenweise.

Gruß Hypnodoc

RS-USER-gurkerl
08.04.2010, 17:55
danke hypnodoc!

anticholium kann ich sehr empfehlen, für alle patienten, die 5 bier pro tag oder mehr zugeben; wenn sie beim aufwachen aus einer allgemeinnarkose verwirrt sind, dich verprügeln oder sich alle zugänge rausreissen wollen, bisserl anticholium und sie werden ganz lieb, wissen plötzlich wieder wer sie sind und wo sie sind

frag mich nicht warum, aber es wirkt (war ein wirklich guter tip von mehreren meiner oberärzte :)

RDPfleger
09.04.2010, 06:29
danke hypnodoc!

anticholium kann ich sehr empfehlen, für alle patienten, die 5 bier pro tag oder mehr zugeben; wenn sie beim aufwachen aus einer allgemeinnarkose verwirrt sind, dich verprügeln oder sich alle zugänge rausreissen wollen, bisserl anticholium und sie werden ganz lieb, wissen plötzlich wieder wer sie sind und wo sie sind

frag mich nicht warum, aber es wirkt (war ein wirklich guter tip von mehreren meiner oberärzte :)

Kann ich von letzter Woche live bestätigen. Hatten auch so einen Kandidaten postoperativ mit vermuteten C2-Abusus. Sämtliche Medikamten um ihn zu beruhigen haben nichts gebracht. Und nach einer Craniotomie sollte man eben nicht aufstehen. Diso 2% auf 15-20ml/h, Catapressan, Dormicum, Ketanest sowie diesen Saft den man auch auf Normalstation als C2ler manchmal kriegt (mir fälllt der Name gerade nicht ein) und Co. Alles für die Katz. Eín bisschen Anticholium hat zumindest vorübergehend Wunder gewirkt. Wobei es streng genommen und auch lt. Backungspeilage einige der Dinge die wir davor gegeben haben antagonisiert. Faszinierend.
Einige Stunden später war aber trotzdem wieder "Gruppenkuscheln" rund ums Patientenbett angesagt um den ~55 Kilo Mann zu viert im Bett zu halten. Und die Medikamenten wurden wieder der Reihe nach erhöht....

RS-USER-gurkerl
10.04.2010, 15:05
rdpfleger - dein patient von letzter woche hat das alles ausgehalten, was ihr ihm reingeschüttet habt?

der saft auf normalstation tätert mich auch noch interessieren, kenn da nur gerstensaft und traubensaft...

RDPfleger
10.04.2010, 16:00
rdpfleger - dein patient von letzter woche hat das alles ausgehalten, was ihr ihm reingeschüttet habt?

der saft auf normalstation tätert mich auch noch interessieren, kenn da nur gerstensaft und traubensaft...

Ja, das hat er ausgehalten. Deswegen durften wir des öfteren ums Bett rumstehen um ihn am Aufstehen zu hindern.
Der Saft heißt Distra-Saft (umgangsprachlich). Ausgeschrieben lautet der Handelsname in Deutschland: Distraneurin (R) . Beliebt bei Entzugserscheinungen und so einigem anderen was ähnliche Symptome macht (Google hilft einem hier weiter mit guten Quellen und Backgroundinformationen).

HK-UM
10.04.2010, 18:08
Ups. Distra ist ein nettes Mittel, nur in der Klinik wird man die Patienten nicht los. Weil Distra und Alk verträgt sich nicht (Bewußtseinsstörungen - gut die macht auch Alk ohne Distra, nur da klagt niemand), somit muss der Patient erst von Distra entwöhnt werden und dann kann man ihn entlassen, um ihn Morgen wieder zu begrüßen.
Daher gibt es in vielen Kliniken Bier auf "Rezept" für unsere lieben C2-Leichen.

RDPfleger
10.04.2010, 23:48
Ups. Distra ist ein nettes Mittel, nur in der Klinik wird man die Patienten nicht los. Weil Distra und Alk verträgt sich nicht (Bewußtseinsstörungen - gut die macht auch Alk ohne Distra, nur da klagt niemand), somit muss der Patient erst von Distra entwöhnt werden und dann kann man ihn entlassen, um ihn Morgen wieder zu begrüßen.
Daher gibt es in vielen Kliniken Bier auf "Rezept" für unsere lieben C2-Leichen.

Ich kenne es nur bei Pat. mit c2 in der Anamnese. Aktuell oder während der Distraeinnahme sollten die natürlich grade nix trinken. Auf der Intensiv können wir das auch gut kontrollieren ;-). Und auf Nnormalstation klappt es eigentlich auch ganz gut. Von dem Phänomen von dem Du berichtest kann ich jedenfalls nicht erzählen. Höre es auch grade zum ersten Mal.

HK-UM
11.04.2010, 19:54
Das Problem ist eher Forensisch. Wenn ich einen Patienten entlasse, welcher noch einen Spiegel von Distra hat und der geht zur nächsten Bierhalle und fällt anschließend vor den Bus, ist der Arzt dran - deutschem Recht sei Dank.
Weil bei meiner letzten Famulatur hatten wir einen Patienten, der alle drei Stunden seine Distra-Kapseln haben wollte und auch ziemlich gewalttätig gegen die DGKS geworden ist und der drohte halt mit einer Entlassung gegen ärztlichen Rat und wir hatten den Diskurs, dass er nicht zurechnungsfähig ist, aber die Umstände nach Konsultation unseres Psychiaters eine Zwangseinweisung nicht rechtfertigen, weil wir die Behandlung gegen seinen Willen begonnen hatten (Der Wille war nicht bekannt, weil er Bewußtlos eingeliefert wurde und keinen Zettel mitführte ich bin ... ich will nichts! Somit mußte erst ein Zustand erreicht werden, der dem Einlieferungszustand entsprach. Na gut die Promille mußten nicht erreicht werden)
Somit haben wir ihn mit Bier vom Distra wegbekommen und konnten ihn nach drei Tagen entlassen.
:-keule Auf das er den nächsten RD und die nächste Klinik mit seiner Anwesenheit erfreue.:mad: