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RS-USER-emergency doc
28.06.2010, 20:39
ca. 14:00 Wochentags, Alarm für RTW/NEF in ein Wohnhaus in der Innenstadt:
"Treppensturz, bewusstlos"

Der RTW trifft zuerst ein. In einem Mehrfamilienhaus liegt im Treppenhaus im Eingangsbereich am Fuß einer langen Treppe (geschätzt eine komplette Geschoßhöhe) eine junge ca. 20jährige Frau. Das helle Haar ist blutverschmiert, am Boden findet sich Blut. Die Patientin ist bewusstlos und krampft tonisch-klonisch. Der Nachbar der sie gefunden hat, hat versucht um sie herum mit seiner Jacke etwas abzupolstern, sonst sind noch keine Maßnahmen ergriffen worden. Er kennt die Frau nicht gut, sie ist gerade erst dabei, einzuziehen.

Der Altnoob
28.06.2010, 21:27
Hm, interessante Kombination: So was haben wir im RS-Fachlehrgang nie behandelt, also entschuldigt die wilde Raterei...

Meine Vorgehensweise wäre, den Krampf zu durchbrechen, um dann erst einmal eine Immobilisation anlegen zu können. In unserem RD-Bereich darf mittlerweile im Rahmen der Erweiterten Versorgungsmaßnahmen Diazepam per M.A.D., also intranasal gegeben werden. Das wäre aus meiner Sicht (RH) der Erstangriff. Während also der RettAss die Medikamentengabe vorbereitet, kann der RS die bereits begonnenen Ersthelfermaßnahmen (Abpolstern) weiterführen.

Danach würde ich gleich eine HWS-Immobilisation anstreben sowie Bewusstsein, Atmung, Kreislauf kontrollieren. Im Anschluss daran würde dann der Bodycheck folgen.

Rettungshasi
28.06.2010, 21:42
Bei uns wäre es beim krampfenden Erwachsenen 2 mg Tavor, ggf. repetitiv 1 mg (laut Vorgabe nach BZ-Check).

Nunja... nach Möglichkeit hat der Altnoob ja schon das ABCDE-Schema angerissen.
Wo befinden wir uns? Ländliches Gebiet? Wie weit hätten wir es ggf. zur nächsten Neurochirurgie?

RS-USER-emergency doc
28.06.2010, 21:53
Wir sind in der Innenstadt einer deutschen Großstadt. Die nächste Neurochirurgie in einem Maximalversorgungshaus ist etwa 3km Luftlinie entfernt.

Tavor ist nicht vorhanden. Ein nasales Applikationsinstrument ist nicht vorhanden. Die Patientin ist weiterhin am Krampfen, und macht keine Anstalten, damit aufzuhören. Da das einzige nicht i.v. zu verabreichende Antikonvulsivum, das ihr zur Verfügung habt Diazepam Supp ist, wird nach Anlage des Pulsoxymeters (SpO2:79%, HF 122/min) und Sauerstoffgabe über eine festgezurrte Nasenbrille (Maske fliegt immer wieder ab) nach einem Zugang gesucht, bis das NEF kommt. Sieht aber schlecht aus, so venenmässig...:confused:

Toran
28.06.2010, 22:03
Hat der Nachbar das Sturzgeschehen beobachtet, sprich ist die Dame auf Grund das Krampfanfalls gestürzt, oder krampft sie auf Grund des Sturzes?

Wenn ich keinen i.v. Zugang bekomme und nasale/rektale Applikation ausscheidet, wie sieht es mit einem i.o. Zugang aus?

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
29.06.2010, 09:07
Tavor ist nicht vorhanden. Ein nasales Applikationsinstrument ist nicht vorhanden.

Ein nasales Applikationsgerät ist auf jedem Fahrzeug vorhanden! Einfach die orange Braunüle nehmen, Nadel raus und schon kannst Du alles mögliche tief in die Nase applizieren. Wozu brauchen blos alle immer irgendein Spezialzeugs... :confused:

Knusperriegel
29.06.2010, 09:45
Ist trotz des lfd. Krampfzustandes eine Inspektion der Mundhöhle möglich?
Sind dort Speisereste, abgebrochene Zähne usw., die auch einen Grund für den verminderten Spo2 darstellen könnten?

Woher kommt genau das Blut?

Gibt es weitere Verletzungen; sind ggf. Fehlstellungen der Extremitäten zu beobachten?

Rettungshasi
29.06.2010, 14:20
In Anbetracht einer anzuwendenden Alternative in meinem Rettungsdienstbereich, hab ich eine Frage:
Was ist im Zweifel denn besser/wirkungsvoller/schneller im Wirkungseintritt: Dormicum i.m. oder Dormicum via M.A.D. bzw. orangefarbene Viggo über die Nasenschleimhaut?

Zauberhaft, dass die Sauerstoffsätigung trotz Krampferei noch funktioniert! ;)
Solange die Dame mit Letzterem nicht aufhört, können wir diagnostisch nicht viel mehr tun als gucken, wobei ich mich den Vorpostern anschließe.

RS-USER-fruehgriller
29.06.2010, 17:55
Aufgrund des Geschehens gehe ich mal als Arbeitsdiagnose von einem SHT nach Sturz aus Höhe aus.

Krampf würde ich jetzt mal nicht sofort als RA durchbrechen, da er ja nicht von einer Epilepsie herrührt.

Aufgabenteilung solange sie Krampft und NEF nicht da:

RA bleibt bei der Pat und passt auf, das sie schön weiter schnauft, Kollege holt Trage und Vakuumatratze.

Wenn NEF noch nicht da, und Pat es vom Krampfen her zuläßt > ab in RTW

Dort Zugang und Intubation richten, vorher noch mal einen genaueren Bodycheck.

I.O. Zugang möglich???

Wenn ja, und kein I.v. machbar, Akkubohrer raus und rein damit.

Sollte ein trsp in den RTW nicht machbar sein, das ganze eben im Treppenhaus.

Ich würde aber auf keinen Fall eine Krampfdurchbrechung ohne vorbereitete Intubation / Beatmungsmöglichkeit durchführen.

Was macht der Druide???

Der Altnoob
29.06.2010, 18:13
Kurze Zwischenfrage (und Erklärungsversuch von mir):



Krampf würde ich jetzt mal nicht sofort als RA durchbrechen, da er ja nicht von einer Epilepsie herrührt.

Krampfdurchbrechung habe ich deshalb in Betracht gezogen, weil ich dachte, dass man, solange der Krampf andauert, rein gar nichts machen kann - noch nicht einmal Stifneck o.ä. anlegen. Ist das Auskrampfen-Lassen hier die richtige Vorgehensweise, im Gegensatz zu meinem Vorschlag?

Ich frage deshalb, weil ich nicht gedacht habe, dass man einen i.v.-Zugang oder den Transport in den RTW bei einem krampfenden Patienten durchführen kann...

Rettungshasi
29.06.2010, 21:13
Meines Wissens wäre das Sistieren des Krampfes in diesem Fall wahrscheinlich auf einen weiteren, kritischen Abfall der Sauerstoffsättigung zurückzuführen und somit keinesfalls als positiv, sondern vielmehr als absolutes Warnzeichen zu werten.

Aber vielleicht mag der Ursprungsposter mal etwas zum weiteren Verlauf sagen...

RS-USER-gnuff
29.06.2010, 23:43
Ich bin zwar noch nicht da, aber ich halte den Versuch den Krampf zu durchbrechen für absolut gerechtfertigt (nach den Basics ABCDE). Krämpfe erhöhen den Sauerstoffbedarf und machen die Situation darüberhinaus unkontrollierbar. Ausserdem sind starke Bewegungen ja u.U. kontraproduktiv...
Natürlich muss man einen Plan B haben falls man sich mit antikonvulsiven Medikamenten ins Knie schiesst und die Pat. z.B. aufhört zu atmen. Aber ein Plan B gehört zu jeder Massnahme.

RS-USER-Brummel
30.06.2010, 08:00
Ich denke auch, dass wir zuerst den Krampfanfall durchbrechen sollten. Mein RA dürfte hierzu vermutlich Diazepam i.m. verabreichen. Sobald das geschehen ist, nach ABCDE weiter. Wenn Atemwege, Atmung und Kreislauf (Zugang, Jono, Laborblut, BZ, Monitoring) soweit gesichert erscheinen, dann würde ich versuchen die Pat mittels Schaufeltrage auf die Vakuummatraze zu bringen (wobei hier sicherlich auch das Spineboard gut wäre, aber das haben wir nicht). Parallel dazu versuchen wir noch ein paar Sachen von den Umstehenden zu erfahren. Sobald das NEF eintrifft (was ja dann bald mal sein sollte) kann ja einer mal versuchen im Haus herauszufinden wer sie ist und ob er Bekannte/Verwandte findet zwecks Fremdanamese (hat sie nen Geldbeutel einstecken zwecks Name / Versicherung?).

RS-USER-emergency doc
30.06.2010, 11:46
Gut, gut... gestern war Party, darum kommt das NEF erst jetzt an.
Da die Suche nach einem i.v.-Zugang erfolglos bleibt werden erstmal 5mg Dormicum und 1mg Rivotril buccal verabreicht, bis der i.o.-Zugang gerichtet ist.
Glaubt mir jemand, daß es kein Vergnügen ist, bei einer 20jährigen die wild vor sich hin krampft eine Jamschidi-Nadel von Hand zu legen? Gut, danke für euer Mitleid, dauerte ungefähr 2-3 Minuten.
Jetzt folgen nochmal 2 mg Rivotril i.o.(i.v.). Die Patientin krampft weiter.

Das Blut komt übrigens von einer occipitalen KPW.

leuchtreklamefahrer
30.06.2010, 13:09
Wenn sie die 2 mg Rivotril sicher "drin" hat und von der buccalen Brühe auch was resorbiert wurde, erwünsche ich mir Ruhe seitens der Patientin. Wenn das Gekrampfe nach angemessener Wartezeit immer noch weiter geht wird im Rahmen einer ITN für Ruhe gesorgt. Über den (hoffentlich sicheren) i.o.-Zugang könnten wir mal mit Thiopental, je nachdem was wir gerade haben und womit wir uns am besten auskennen. Parallel dazu Erhebeung der Vitalparameter durch den RS. Der Notarzt möge nach eigenem Ermessen über ein Relaxanz entscheiden, nach ein wenig Opiat können wir dann zur Intubation schreiten. Hierbei ein wenig auf die HWS aufpassen, nach dem wohl schon lange dauernden Krampfanfall müssen wir aber wohl auch keine Inline-Verkünstelung starten. Unter kontrollierter Beatmung mit hohem FiO2 möchte ich nun aber bitte etwas positives von der Sauerstoffsättigung hören. Parallel dazu starten wir mit einem gründlichen Bodycheck, Erheben der Vitalparameter durch den RTW-RA + Transportvorbereitungen durch den RS.
Bezüglich deinem Knochenpiekser bekommst leider kein Mitleid. Damit kann man Frühstückseier anstechen, für nen menschlichen Knochen (eines Erwachsenen) nimmt man was für Männer:)
(Die Diskussion zur intraossären Punktion sollten wir dennoch aus dem Thread aussourcen:))

By the way: Wie schwer ist die junge Dame denn? Nicht dass da ein Walross vor uns liegt...

RS-USER-fruehgriller
30.06.2010, 13:35
Kurze Zwischenfrage (und Erklärungsversuch von mir):
Ich frage deshalb, weil ich nicht gedacht habe, dass man einen i.v.-Zugang oder den Transport in den RTW bei einem krampfenden Patienten durchführen kann...

Es ist schwierig, aber wenn der Pat nicht wild hin und her schlägt evtl eine Alternative, zumal wenn der RTW direkt vor der Türe steht, hinter der der Pat liegt.

Hätte halt den Vorteil des besseren Arbeitens, als im engen Treppenhaus.

Iv Zugang beim Krampfer sehr schwer, aber evtl machbar, wenn jemand einen weniger Krampfenden Arm (Tonisch) fixieren kann, und der Stecher schnell ist.

Keiner sagte, es sei leicht, aber es ist ein Plan B

leuchtreklamefahrer
30.06.2010, 13:37
Lasst's uns doch hier schnell gemütlich machen...Wir sind in 5 Minuten fertig, dann können wir schonend umlagern und die Mücke machen..?!

RS-USER-gnuff
30.06.2010, 14:06
Also, die Atemwege scheinen frei zu sein, die Atmung selbst ist aber beeinträchtigt (Sättigung 79%), die Patientin krampft weiterhin, eine Beatmung ist also indiziert und unter anhaltendem Krampfanfall mit Beutel/Maske nicht zu gewährleisten... --> Narkose mit Intubation bei fixierter HWS (manuell oder Kragen)
ich schlage Propofol, Succi vor und kommt mir jetzt nicht mit Succi kontraindiziert bei SHT, da schei&& ich bewusst drauf, das Risiko einer Hypoxie ist wesentlich höher...

nachdem die Gute jetzt stillhält können wir sie ganzkörperfixieren (wahrscheinlich Vakuum, ich bevorzuge Schaufeltrage mit Spineboardstrippen plus Kopfseitenkissen), bisschen Blutstillung und dann fahren wir Richtung CT/NCH...

RS-USER-emergency doc
30.06.2010, 21:40
Puhh... blöd immer wieder durch Einsätze unterbrochen zu werden... wo war ich?:(
Achja:

Jetzt kommt eine Narkoseeinleitung und ITN, Anlage eines Stiffneck, und Umlagern auf eine Vakuummatratze. Ab in den RTW da kreislaufstabil (RR140/80), SpO2 mittlerweile bei 97%. Jetzt Abfahrt Richtung Klinik mit Voranmeldung "Treppensturz-Polytrauma/-SHT, intubiert und beatmet".

Hätte wer anders gehandelt?

RS-USER-gnuff
30.06.2010, 22:11
...Hätte wer anders gehandelt?

Nö...

Wars ne Blutung?

Wie lange wart ihr vor Ort? (weiss jemand ein passendes deutsches Wort für "onscene-time"?)