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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ösophagusvarizenblutung und Alkoholabusus



Kammerflimmer-Küken
30.07.2010, 14:24
Hallo ihr Lieben,
ich hätte eine Frage, folgende Situation ergab sich heute bei uns (Endoskopieabteilung - Haus der Maximalversorgung) :

Patientin wurde von Station zur Routine-ÖGD angemeldet, wg. unklarem HB-Abfall nach Zahnextraktion.

Patientin steht plötzlich mit einem Intensivtransport in der Abteilung, keiner weiß bescheid, außer Pflegedokumentation und Gerinnung von gestern nichts dabei. Lt. Rettungsdienst wäre die Pat. gestern Abend eingetrübt und war eben zum CT, dort Ausschluss eines zerebralen Insult, gestern Hb von unter 8, darauf hin 2 EKs.
Bekannter Alkoholabusus - mehr Infos nicht vorhanden.
RR 75/40
P 100
SpO2 75 (unter 6l)


Ärztin der eigentlich Station nicht erreichbar, Patienten trübt ein, weite Pupillen, völlig desorientiert und aufgebracht.
Außerdem blutet sie aktiv aus dem Mund, der Kiefer ist aber soweit verkrustet, somit ist davon auszugehen, dass der Blutverlust nicht von der Extraktion kommt.


Wie würdet ihr vorgehen?



Grüße KaKÜ

RS-USER-fruehgriller
30.07.2010, 18:10
Hallo im Forum!!

Also, exesiver Alkoholabusus führt neben einer Leberzirrose auch sehr häufig zu Ösaphagusvarizen.

Vor allem, wenn starkprozentiges konsumiert wird.

Diagnose hier also: Obere GI Blutung / Varizen.

Das Randalieren könnte durchaus eine Entzugserscheinung sein.
Deswegen Gasmann her, sedieren, Gastroskop rein, sehen was Sache ist, und danach handeln (Veröden??)

Dann auf die Intensiv zur Überwachung, bis Hb, Kreislauf und Entzug wieder im Normbereich sind.

BTW: Aus Erfahrung gesagt: Vermutlich trotzdem vergebliche Liebesmüh. Falls der Pat es wieder aus KH schafft, isser bald deswegen wieder drin....:mad:

Kammerflimmer-Küken
30.07.2010, 19:33
Spiegeln ist durch die Blutung aber nicht möglich, da die Aspirationsgefahr viel zu hoch ist, muss also Schutzintubiert werden.
Was ich aber sicher nicht in der Endoskopie-Ambulanz mach, wobei..... *grübel* :D

Die beiden Intensivstationen im Haus haben kein Bett frei, den Transport auf die Operativen Intensivstationen würde sie vermutlich nicht überleben. Wir können aber zumindest mal den Schockraum mit Beatmung für ein Stündchen borgen *grandios*

EKs die sie dringend bräuchte, zumindest wenn man die Massen von Blut sieht können frühstens in einer Stunde geliefert werden - wieso auch immer.

Darf ich der Patientin die bereits 1000ml NaCl drin hat über einen weiteren Zugang eine 10% HAES rein laufen lassen? Trotz dem jahrelangen Alkoholabusus?

Knusperriegel
30.07.2010, 20:01
Darf ich der Patientin die bereits 1000ml NaCl drin hat über einen weiteren Zugang eine 10% HAES rein laufen lassen? Trotz dem jahrelangen Alkoholabusus?

Was spricht dagegen?
Mir sind massive Ösophagusvarizenblutungen mit vier peripheren Zugängen gleichzeitig in Erinnerung.

Kammerflimmer-Küken
30.07.2010, 20:34
Wir hatten dann zwei grüne für NaCl liegen und einen schwarzen für die HAES.
Nach dem die Patientin auf der ITS gut aufgehoben war gab es heiße Diskussionen zwischen den Kollegen, ob die HAES auf Grund der Leber- und Nierenschädigung zu vertreten war und einige waren der Meinung das es völlig kontraindiziert ist, ich check nur immer noch nicht warum.
Wenn ich der Patienten insgesamt 2000ml NaCl und die HAES hinhäng...

Ich dachte immer Leben vor... Hm... war ne Täuschung! Bin eben doch ein Onkologischer Fachidiot und hab den NA im Lotto gewonnen...

RS-USER-Elektro-Dengel
30.07.2010, 20:58
Nach dem die Patientin auf der ITS gut aufgehoben war gab es heiße Diskussionen zwischen den Kollegen, ob die HAES auf Grund der Leber- und Nierenschädigung zu vertreten war und einige waren der Meinung das es völlig kontraindiziert ist, ich check nur immer noch nicht warum.
...

In der Situation sicherlich zu vernachlässigen, wenn die Alternative ein druckloser Patient is (obwohl, dann käme die Blutung sicherlich zum stehen!)

RS-USER-Feife
31.07.2010, 12:13
Darf ich der Patientin die bereits 1000ml NaCl drin hat über einen weiteren Zugang eine 10% HAES rein laufen lassen? Trotz dem jahrelangen Alkoholabusus?

Ich denke eine HAES ist nicht ungerechtfertigt. In dieser Situation mit einem stark blutendem Patienten, keinem Blutdruck und keinen Konserven gibt es nicht all zu viele Möglichkeiten.
Der theoretische Gedanke der gegen die HAES spricht ist die sehr langsame Verstoffwechselung im Körper. Da die Leber dieser Patientin durch die Zirrhose eingeschränkt ist kommt die Frage auf wie sich die zusätzliche Belastung langfristig auswirkt? (Mein Gedanke wäre -> Keine/langsame Verstoffwechselung der HAES -> Anlagerung in / Verschluss von Glomeruli -> Niereninsuffizienz, damit gesteigerte Anforderungen an die Leber, die aber schon funktionseingeschränkt ist; zusätzlich ein potentieller Pruritus durch Ablagerung des HAES in der Haut).

Mein persönliches Gefühl ist, dass HAES über seinen Wirkstoff nicht viel rausreißt, ich denke das Volumen zählt eher, aber das driftet schon in Richtung "Kristalloid vs. Kolloid-Debatten" und da bin ich nicht auf dem Laufenden was die aktuellen Studien sagen.

Eine Idee für ein "sicheres" (= nebenwirkungsarmes) Kolloid zur Infusion wäre Humanes Albumin zusammen mit kristalloidem Volumen (z.B. Ringer). Es steigert den kolloidosmotischen Druck und ich könnte mir auch vorstellen, dass es in diesem speziellen Fall hätte helfen können. (Gedankengang: Leberzirrhose -> Proteinsynthese gestört -> Hypo-Albuminämie...)

Mal als Frage von mir:
Wie sähe es mit FFPs aus? Das müsste wegen der langen Haltbarkeit doch leichter verfügbar sein als Blut, ist ebenfalls über den Proteingehalt kolloidosmotisch wirksam, und bei chronischer Blutung werden die Gerinnungsfaktoren ebenfalls hilfreich sein? -- Müssen FFPs nach Blutgruppe transfundiert werden?

Fallobst
03.08.2010, 16:40
Im Notfall schüttet man doch eh rein, was man gerade zur Hand hat... FFPs müssen erst in der Blutbank geordert werden!

Das sich dann Menschen darüber aufregen, das der Leberzirrhosepatient HAES bekommen hat ist primär lächerlich, wenn die Alternative das Versterben des Patienten ist. Intubieren ist hier vermutlich nicht der schlechteste Ansatz... was sagte denn der begleitende Arzt des IHT? Ist dem die Blutung und der Blutdruck nicht aufgefallen?


Ist eigentlich eine Sengstaken-Blakemore-Sonde noch lege artis? :confused:

RS-USER-Häuptling weiße Wolke
03.08.2010, 19:51
Ganz ehrlich, diese nachträgliche Oberklugscheisserei von Kollegen (die man leider häufiger auf Intensivstationen antrifft) geht mir immer ziemlich auf den Zeiger!

Wenn ein Patient absolut kreislaufinstabil im Rahmen eines akuten hämorrhagischen Schockes ist, dann ist die eine HAES mit Sicherheit im weiteren Verlauf nicht das Medikament, dass an seinem Versterben schuld sein wird. Aber mit nicht ganz geringer Wahrscheinlichkeit ist es in der akuten Schocksituation erstmal eines der Medikamente, welches dem Patient das Leben rettet. Und ob es nach einer HAES schon zu wirklichen Problemen kommt... :confused:

Klar, Albumin oder Plasma + EK´s ist sicherlich eine gute Alternative, aber zumindest wir haben die nicht sofort verfügbar in unserer ZNA, HAES hingegen schon.

Folgendes Procedere wäre bei uns gelaufen:

Wenn möglich mindestens 2 große Zugänge (grün ist nicht groß!!!), ein wenig Volumen (wir wollen ihn ja nicht auswaschen), ggf. eine Prise Katecholamine (Zieldruck nach Intubation 80 - 100 mmHg sys.), sofortige Schutzintubation nach RSI. Arterieller Zugang, Kreuzblut und erstmal ein wenig 0 neg. Anschließend auf die Intensivstation und dort dann Notfallendoskopie. Im weiteren Verlauf noch schnell den Kollegen vom Intensivverleger kreuzigen (schließlich sind wir ein katholisches Haus) und am Telefon die verlegenden Kollegen sowas von Rund machen. Solche Verlegungen sind neben der Tatsache, dass sie grob fahrlässig sind, auch maximal unkollegial!!!

Wenn so ein Fall in unserer Endoskopieabteilung angekommen wäre, dann wäre er auf Grund des sehr kurzen Weges direkt auf Intensiv gegangen. Außerdem wäre da unser Rea-Team von Anfang an dabei gewesen, wir haben per Order eine relativ geringe Alarmierungsschwelle.
Alternativ in die ZNA, wenn auf der Intensiv kein Bett frei wäre. Allerdings sind unsere Intensivkollegen so gut, dass sie irgendwie eigentlich immer was möglich machen (und wenn es der Not-OP oder die Dialyse ist).

Insgesamt finde ich eigentlich, dass Ihr Euch ganz richtig verhalten habt!

Knusperriegel
03.08.2010, 20:23
Ist eigentlich eine Sengstaken-Blakemore-Sonde noch lege artis? :confused:

Würde mich auch interessieren; zu meiner Klinikzeit war sie quasi Standard und ich kann mich an akute Blutungen erinnern, bei denen Behandlungsliege und der Fußboden komplett mit langsam gerinnendem Blut voll waren.

0 rh. neg. ungekreuzt war das Mittel der Wahl.

RS-USER-gnuff
03.08.2010, 21:24
Eine Stunde Wartezeit für Blut ist inakzeptabel. Wenn ich will habe ich innerhalb von drei Minuten 0 neg. im Saal oder im Schockraum, nach fünf Minuten unser gesamtes Gerinnungs-Package.
Wer hinterher an HAES rummeckert ist einfach nur doof, in der Situation nimmt man was man da hat...

RS-USER-Shalimah
03.08.2010, 22:10
Wir hatten erst letzten Monat einen Pat. mit Senkstaken-Sonde.
Sicher nicht mehr häufig, aber im Zweifelsfalle besser als ein Blutsturz ;)