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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RTW: Unklarer Notfall



RS-USER-Autolyse
24.12.2010, 14:24
Ihr werdet als RTW in eine Wohngegend mit mäßig bis schlechtem Ruf geschickt. Dort angekommen findet ihr in einem Nebenzimmer die ca. 80-jährige Patientin im Bett liegend vor. Die Patientin ist des Deutschen und ihr des Russischen nicht mächtig, die Kommunikation erfolgt daher nur über die mäßig deutsch sprechende Tochter.

RS-USER-Shizr
24.12.2010, 15:03
Tja. Erst mal Schema F. Sprachbarriere macht es etwas kompliziert, aber was solls.


Optische Eindrücke von Umfeld, Patientin usw. (Hautfarbe, Skleren, etc)
Irgendwas auffälliges akustisches? Atemgeräusche zB
Geruch? Weniger der Geruch, den mangelnde Körperhygiene mit sich bringen würde, sondern eher so speziellere Sachen. "Fahne", Acetongeruch, Bittermandelgeruch, Mief von ausströmendem Gas?


Ansonsten halt Anamnese (über die Tochter). Was ist genau passiert, weshalb wurde der RD alarmiert? Welche Beschwerden, seit wann, sind die Beschwerden bekannt? Ggf. Frage, ob die Beschwerden in Ruhe oder unter Anstrengung aufgetreten sind. Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme?
Falls bekannte Beschwerden oder Zusammenhang mit Vorerkrankungen: schlimmer, schwächer, völlig neuartig?

RS-USER-Autolyse
25.12.2010, 00:10
Patientin leicht blass, Skleren regulär, normaler Hautturgor. Keine auffälligen Gerüche.
Bekannte Vorerkrankungen sind schwere Osteoporose und ein arterieller Hypertonus.
Akute Beschwerden sind Schmerzen im linken Bein. Vom Schmerzcharakter her ein Dauerschmerz, NRS 4/10, keine Druckschmerzhaftigkeit und keine Bewegungseinschränkung des Beines.
Schmerzen seit 2 Uhr nachts(es ist 9 Uhr morgens), langsame Steigerung der Intensität im Verlauf, keine Schmerzverstärkung unter Bewegung im Bett.
Patientin gibt an die Schmerzen kämen wohl von der Osteoporose.
Die Medikamente der Patientin findet ihr in einer Plastiktüte, dabei sind Amlodipin 5mg, Torasemid 5mg, Hydrochlorothiazid 12,5mg, Simvastatin 40mg, Cholecalciferol 20.000 IE, Nifedipin 5mg und Diclofenac 50mg.

Was darf's denn sonst noch sein?

Sanibär
25.12.2010, 09:47
Linkes Bein anschauen:
Veränderungen der Hautfarbe dort, Hauttemperatur dort. Puls am Fußrücken tastbar? Irgendeine Schwellung erkennbar?
Ist die Patientin in letzter Zeit auf das Bein gestürzt, hat es eingeklemmt oder derartiges?

Sleeping Cat
25.12.2010, 18:28
Hat zwar jetzt nichts direkt mit den Schmerzen im Bein zu tun, aber irgendwie würden mich RR und Puls irgendwo interessieren, bei den Vorerkrankungen...

Ansonsten schliese ich mich mal Sanibär an

RS-USER-Shizr
25.12.2010, 21:50
Ich schließ mich auch mal dem Bären an. Bein genauestens begutachten (DMS, Frakturzeichen, Schwellung, Farbe etc), währenddessen kann der Kollege ja mal Blutdruck messen und Pulsoxy anhängen.


Die Schmerzen sollen ja um zwei Uhr angefangen haben. Was war da?
Ist sie aufgrund der Schmerzen aufgewacht, oder ist sie aufgestanden (wollte evtl zur Toilette) und dabei kamen dann die Schmerzen?

RS-USER-Autolyse
26.12.2010, 19:09
RR war 140/80 und die Sättigung bei 90%; Puls 90.
Ein Sturz in letzter Zeit ist nicht bekannt, es finden sich auch keine Hämatome am Bein. Motorik und Sensibilität sind erhalten, Kapillarfüllungszeit leicht vermindert. Das linke Bein selbst ist im Seitenvergleich abgeblasst und leicht kälter. Puls der A. dorsalis pedis ist tastbar. Eine Schwellung bzw. Umfangszunahme im Seitenvergleich besteht nicht, es finden sich aber Hautzeichen bei Z.n. Ulcus cruris in der Vergangenheit.
Um 2 Uhr nachts begann lediglich der erste Schmerz, der aber laut Patientin keiner bestimmten Ursache zugeordnet werden kann.

Sanibär
26.12.2010, 19:29
Wie ist denn der Puls der A. dorsalis pedis im Vergleich zu dem auf der Rechten Seite?

Ist er schwächer, würde ich vorerst auf eine arterielle Verengung tippen, daher mit Beintieflage ins nächste Krankenhaus.

Sleeping Cat
26.12.2010, 20:24
schlies ich mich an...

kann man das machen: Je nachdem wie die verständigung ist einfach mal auf der Leitstelle anfragen, ob die nen Dolmetscher irgendwie organisieren können?! (Sry für die doofen Fragen)

Sanibär
26.12.2010, 20:32
Schwierig!
Datenschutztechnisch wahrscheinlich kaum machbar.
Und bei meiner Leitstelle würde man wahrscheinlich ein "Wo soll ich denn jetzt sowas auftreiben?" zu hören bekommen :D

Ich fände solche Heftchen bzw. Karten mit den wichtigsten Fragen und Antworten in den europäischen Sprachen sehr sinnvoll. So dass der Patient oder Angehörige draufzeigen können.
Für Großstädte auf jeden Fall lohnenswert. Und ansonsten bestimmt nicht sehr schwer anzufertigen!

RS-USER-Shizr
26.12.2010, 21:07
Dolmetscher ist ja ne nette Idee, aber für draußen wohl nur seltenst umzusetzen.
Das Datenschutzproblem ist da m.E. noch das geringste Problem.


Zur Sache:
Klingt nach nem Durchblutungsproblem im Bein. Evtl arterieller Verschluss bei einigermaßen intakten Kollateralen. Keine Ahnung. I can has Dopplersono? ;-)

Sollte so oder so mal einem Akademiker vorgestellt werden.

Notarztindikation sehe ich eher nicht. Analgesie könnte man aber sehr wohl erwägen, hängt ein bisschen auch von den örtlichen Gegebenheiten ab. Und letztlich ist es die Entscheidung der Patientin: Glaubt sie, die Schmerzen aushalten zu können?


Beintieflage klingt nach ner sehr guten Idee. Voranmeldung beim chirurgischen Onkel Doktor, damit der ne grobe Ahnung hat, was ihn erwartet.

RS-USER-Autolyse
27.12.2010, 13:18
Der Puls der A. dorsalis pedis ist seitengleich, dennoch seid ihr mit einer Durchblutungsstörung absolut auf der richtigen Fährte, hat allerdings nichts mit den Kollateralen zu tun, sondern mit der Struktur der arteriellen Versorgung des Beins. ;)

Notarztindikation haben wir auch nicht gesehen - die Schmerzen waren für die Patientin auszuhalten(siehe NRS-Wert). Anamnestisch war das ganze tatsächlich sehr schwierig, letztlich hat es so funktioniert, dass der Enkel am Telefon für uns gedolmetscht hat. Abgefahren sind wir dann übrigens mit Verdachtsdiagnose und relativ sicherer Ursache, die kann man auch noch finden.

RS-USER-Shizr
27.12.2010, 13:55
Der Puls der A. dorsalis pedis ist seitengleich, dennoch seid ihr mit einer Durchblutungsstörung absolut auf der richtigen Fährte, hat allerdings nichts mit den Kollateralen zu tun, sondern mit der Struktur der arteriellen Versorgung des Beins. ;)
Naja, die arterielle Versorgung ist mir schon klar... Beintestat inc :-/



Aber okay, ich glaube, ich weiß, was es werden soll.

Wie präzise lassen sich die Schmerzen lokalisieren? Eher Ober- oder Unterschenkel? Welcher Bereich da?

RS-USER-Autolyse
27.12.2010, 18:57
Relativ präzise: Distaler Unterschenkel.

RS-USER-Shalimah
27.12.2010, 20:57
Was ist mit der A. tibialis posterior?
Ist die auch seitengleich zu tasten?
Haben ja schließlich 2 Fußpulse, die man kontrollieren kann ;)

RS-USER-Autolyse
27.12.2010, 22:36
Treffer. Der Puls der A. tibialis posterior war linksseitig in der Tat weg. Im parallel angelegten EKG fand sich ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern als vermutliche Ursache der Embolie. Die Diagnose haben die Internisten durchs sofortige Dopplern gesichert.

Rettungshasi
28.12.2010, 01:41
Ein schönes Beispiel, dass man sich nicht von Zebrakrankheiten irre leiten lassen sollte.

Kennt jemand von euch eine Seite, auf der gute Anleitungen sind, wo man welchen Puls am besten tasten kann? A. tibialis posterior ist jetzt leicht, aber die Arteria axillaris finde ich zum Beispiel nicht; doof, wenn man selbst Hypotonikerin ist : (