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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Notarzt im Rettungsdienst "Die goldene Stunde"



RS-USER-DocMezzoMix
01.02.2011, 14:25
http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=22774&mode=play

Was sagt ihr dazu?

- Telemedizin

- Vor und Nachteile Amerikanisches System? Für Deutschland Sinn oder Unsinn?

Schim
01.02.2011, 15:07
Zur Telemedizin: Das gezeigte System, dass ein Notarzt vor Ort ist und zusätzlich ein weiterer per Kamera zusieht, halte ich für unrealistisch. Da rechtfertigt meiner Ansicht nach der Benefit nicht den Aufwand.

Dass die Entwicklung in die Richtung gehen könnte, den NA vor Ort zu streichen und das nichtärztliche RD-Personal durch Telemedizin zu unterstützen, kann ich mir vorstellen. Das würde aber einen Systemwechsel in Richtung des amerikanischen Systems bedingen, also mit erweiterten Standardkompetenzen.

Zum amerikanischen System fiel mir auf, dass dieses im Beitrag recht schlecht wegkam. Dass nur mit minimalen Maßnahmen load and go betrieben wird und die meisten Patienten nicht einmal einen Paramedic sehen, sondern nur einen blaulichtgeilen Taxifahrer, halte ich für stark übertrieben.

Was mir sonst noch auffiel: Das ständige Herumreiten auf der Golden Hour. Die ist ja gerade dabei, stark an Bedeutung zu verlieren, weil sie auf keinerlei nachvollziehbaren Daten basiert.

RS-USER-Brutus
01.02.2011, 15:28
Zur Telemedizin: Das gezeigte System, dass ein Notarzt vor Ort ist und zusätzlich ein weiterer per Kamera zusieht, halte ich für unrealistisch. Da rechtfertigt meiner Ansicht nach der Benefit nicht den Aufwand.
Sehe ich genauso. V.a. wenn ich mit dem Ärztemangel argumentiere, wie will ich dann einen zweiten Arzt rechtfertigen, der nichts anderes tut, als den ersten zu beraten? Dann soll der zweite lieber auch ein NEF besetzen, dann sind schon zwei Bezirke versorgt... :-) Zumal ich es mir auch schwierig vorstelle: Was mache ich, wenn der zweite mir etwas sagt, wo ich mal so überhaupt nicht mit einverstanden bin? Schwierig!


Dass die Entwicklung in die Richtung gehen könnte, den NA vor Ort zu streichen und das nichtärztliche RD-Personal durch Telemedizin zu unterstützen, kann ich mir vorstellen. Das würde aber einen Systemwechsel in Richtung des amerikanischen Systems bedingen, also mit erweiterten Standardkompetenzen.
Wie soll das funktionieren? Der Arzt sitzt im Krankenhaus und macht nichts anderes, als vor einem Monitor zu sitzen und bei einem Einsatz zu delegieren? Ist nicht wirklich realistisch. Entweder die Klinik lässt ihn mitarbeiten, und dann ist er evtl. zu einem Einsatz mit anderen Maßnahmen (OP / REA / Notaufname) beschäftigt und steht nicht zur Verfügung, oder er ist nur für den Teledienst da, und das bezahlt kein Träger...


Zum amerikanischen System fiel mir auf, dass dieses im Beitrag recht schlecht wegkam. Dass nur mit minimalen Maßnahmen load and go betrieben wird und die meisten Patienten nicht einmal einen Paramedic sehen, sondern nur einen blaulichtgeilen Taxifahrer, halte ich für stark übertrieben.
Ich fand auch, dass das amerikanische Modell sehr schlecht wegkam. Obwohl es ja eigentlich gedacht war, dem "Deutschen" dieses Model schmackhaft zu machen. Aber das dürfte wohl etwas in die Hose gegangen sein...


Was mir sonst noch auffiel: Das ständige Herumreiten auf der Golden Hour. Die ist ja gerade dabei, stark an Bedeutung zu verlieren, weil sie auf keinerlei nachvollziehbaren Daten basiert.
Zumal man ja auch sagen muss, dass die Golden Hour niemandem nutzt, der die Klinik nicht lebend erreicht. Gerade in ländlichen Bereichen, aus denen Deutschland ja zu einem guten Teil besteht, ist das amerikanische System nicht anwendbar. Zumal als Referenz NY zu nehmen, wo Du innerhalb 10 Minuten immer ein Krankenhaus hast. Das kann man vielleicht noch mit dem Ruhrgebiet oder Großstädten vergleichen, sicher aber nicht mit Flächenkreisen in der Botanik...

RS-USER-DocMezzoMix
01.02.2011, 18:38
Die Telemedizin hat wohl nur den Hintergrund, das man ausprobieren möchte, ob ein Notarzt auch von Ferne (mehrere) Einsätze betreuen kann. Da man in D aber keinem einen NA "zur Probe" vorenthalten kann, muss halt ein NA vor Ort kommen. Zumindest habe ich das so interpretiert. Und dann könnte sich das auch für Kleine Träger in Landkreisen oder Brandenburg lohnen... Der Arzt spart sich lange Fahrtzeiten und muss erst Arbeiten, wenn sein Team vor Ort ist. Dadurch kann ein Arzt mehrere NA Einsätze abarbeiten, in dem er deligiert.

Finde ich, klingt nicht so schlecht.

Zu Amerika:
Ich glaube es gibt in D eine gewisse Verblendung, was den American Dream of a Paramedic betrifft. Da gibt es immer wieder große Missstände wie in Chicago wo man feststellte, das 3/4 der Besatzungen von Ambulances und Co nicht mit dem EKG Defi umgehen konnten. (USA Today Dec2007). Da fällt so manchem deutschen RA wahrscheinlich alles aus dem Gesicht wenn er die Realität (wie im Bericht) dargestellt bekommt.
Aber auch in den USA ist RD Ländersache und es gibt Unterschiede.

RS-USER-Brutus
01.02.2011, 20:08
Die Telemedizin hat wohl nur den Hintergrund, das man ausprobieren möchte, ob ein Notarzt auch von Ferne (mehrere) Einsätze betreuen kann. Da man in D aber keinem einen NA "zur Probe" vorenthalten kann, muss halt ein NA vor Ort kommen. Zumindest habe ich das so interpretiert. Und dann könnte sich das auch für Kleine Träger in Landkreisen oder Brandenburg lohnen... Der Arzt spart sich lange Fahrtzeiten und muss erst Arbeiten, wenn sein Team vor Ort ist. Dadurch kann ein Arzt mehrere NA Einsätze abarbeiten, in dem er deligiert.

Naja, wenn man jetzt gaaaanz böse ist: Dann kannst Du auch einen Anästhesisten vor 5 Monitore setzen und die Narkosen am Bildschirm aussitzen lassen. Im Saal ist dann nur noch Fachpflegepersonal und Du kannst 4 Ärzte einsparen...
Was passiert, wenn der Arzt jetzt seine Anordnung für RTW2 an RTW3 gibt und umgekehrt? Was ist, wenn vor Ort eine unvorhergesehene Situation auftritt, weil Arzt die Gabe eines Medikamentes angeordnet hat, und Personal vor Ort jetzt überfordert ist?
Ich sehe es eher zweispältig. Statt jetzt zu versuchen, den Arzt aus der präklinik rauszufiltern, sollte man vielleicht primär mal den Indikationskatalog überdenken. Vll. merkt man ja dann, dass da ein Einsparpotential besteht.

RS-USER-DocMezzoMix
01.02.2011, 21:06
Naja, ich möchte den Ärzten ja nicht auf die Füße treten, aber wenn entsprechend zertifiziertes und ausgebildetes Personal vor Ort ist, könnte der Arzt nur noch als "Supervisor" dienen, der Überwacht, was vor Ort passiert, und nur einschreitet, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen.
Bei bestimmten Ereignissen macht ein Arzt vor Ort mit Sicherheit auch Sinn. Da sind wir glaub ich bei "Indikationskatalog" auf einer Linie.
Was brauch ich bei einem Apoplex oder einer Hypoglykämie im Regelfall einen Arzt vor Ort?

Damit könnte man nicht nur die Ausbildung vor Ort verbessern, sondern auch die Zahl der Ärzte reduzieren.
Dazu müßte natürlich nicht nur die Ausbildung (vor allem die Jahresfortbildung) angepasst werden, auch sollte eine RA Aushilfe nicht weniger verdienen als meine Putzfrau.

LG

Schim
02.02.2011, 08:59
Wie soll das funktionieren? Der Arzt sitzt im Krankenhaus und macht nichts anderes, als vor einem Monitor zu sitzen und bei einem Einsatz zu delegieren? Ist nicht wirklich realistisch. Entweder die Klinik lässt ihn mitarbeiten, und dann ist er evtl. zu einem Einsatz mit anderen Maßnahmen (OP / REA / Notaufname) beschäftigt und steht nicht zur Verfügung, oder er ist nur für den Teledienst da, und das bezahlt kein Träger...
Warum nicht? Wenn man schon ständig mit den USA vergleicht - da sind ja auch gewisse Maßnahmen in der Regelkompetenz, und für andere braucht man die Freigabe durch "medical control", was in der Regel nichts anderes als ein ED-Arzt des angefahrenen KH ist.

Ob man das jetzt so umsetzt, dass man den Aufnahmearzt kontaktiert, der nicht 100% für den Rettungsdienst Zeit hat oder ob man in der Leitstelle oder einem anderen Call Center einen Vollzeit-Telearzt sitzen hat (der dann aus Kostengründen wohl einen großen Bereich zu bedienen hätte), kann man gerne diskutieren.

Man könnte aber sicherlich die Indikationen überarbeiten in Richtung Notarzt / Telearzt / ohne Arzt.


Zumal man ja auch sagen muss, dass die Golden Hour niemandem nutzt, der die Klinik nicht lebend erreicht. Gerade in ländlichen Bereichen, aus denen Deutschland ja zu einem guten Teil besteht, ist das amerikanische System nicht anwendbar. Zumal als Referenz NY zu nehmen, wo Du innerhalb 10 Minuten immer ein Krankenhaus hast. Das kann man vielleicht noch mit dem Ruhrgebiet oder Großstädten vergleichen, sicher aber nicht mit Flächenkreisen in der Botanik...
Täusch dich nicht:
Deutschland: 229 Einwohner pro km²
USA: 32 Einwohner pro km²
Selbst wenn man Alaska rausrechnet, bleiben genug "ländliche Bereiche" über.

Dr.Accuvac
02.02.2011, 10:27
Ich finde den Beitrag interessant. Eine Frage meinerseits: Wenn der Rettungsassistent mehr Kompetenzen bekommen soll, dann muss das ja auch zertifiziert, bzw. geschult und nachgeprüft werden (und aufgefrischt!). Damit hat der Rettungsassistent mehr Verantwortung. Wird sich das auch auf sein Einkommen auswirken? Ist die Frage zu kapitalistisch?

leuchtreklamefahrer
02.02.2011, 10:43
Für viele meiner Kollegen kann ich sagen, dass das DIE entscheidende Frage ist; Wenn ich mehr investieren muss, sollte auch am Ende "mehr herauskommen, oder?

RS-USER-fruehgriller
02.02.2011, 16:34
So, habe mir den Beitrag mal angesehen (danke für den link)
und höre da folgendes heraus (meine pers. Meinung):

Klar ist, das die Verweildauer beim Pat reduziert worden ist, und noch reduziert werden wird

Klar ist auch, das das "Stay and Play" oft übertrieben wurde.

Klar ist ebenso, das eine "Versorgung" wie bei den US Kollegen gezeigt nicht der Hit ist.

Noch klarer ist, das es weniger KH geben wird, und das die übriggebliebenen nicht so gerne Docs freistellen, damit sie draußen rumfahren.
Die Zeiten, als sich ein KH mit einem NA bei der Bevölkerung ins Gespräch bringen, und damit Pat bekommen wollte, sind vorbei.

Durch das Suchen nach FachKliniken ist der "Zu uns ins KH" Bonus auch weg, > Somit kein Interesse des KH am NA-Dienst

Mein Fazit:

In ein paar Jahren werden wir NA nur noch zu Ausnahmefällen an die E-stelle bekommen können, so wie die Trauma Teams in GB und US.
Der RD wird sich darauf beschränken müssen, den Pat kurz zu versorgen, eine Verdachtsdiagnose zu stellen, und den Pat in eine geeignete Fachklinik trsportieren.
Das heißt, eine großartige Medikamentöse Behandlung wie bisher wird entfallen. Analgesie wird bestimmt ein Teil der Arbeit des RettAss sein, mit welchen Mitteln auch immer, ansonsten wird es sich um ein paar, übersichtliche Medis handeln, gegen Herzinfarkt, Unterzucker, und ähnliches. Der Rest wird sich auf Infusion, O²,Schienung, Lagerung und Transport beschränken.
Und das ganze unter der "Supervision" eines Doc am Bildschirm.

Iste euch eigentlich aufgefallen, das die gezeigten KH mit dem "Strokepad" oder wie das hieß, und dem Teledoc eher ruhige KH waren???

Könnt Ihr euch vorstellen, das in den Kh die Ihr kennt, der Neurologe sich an den Schirm setzt, wenn sein Melder "StrokepadAlarm" sagt??

Der wird genug andere Pat haben, und keine Zeit für sowas.
DAS ist der Unterschied zw Theorie (Vorführeffekt) und Praxis