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georg12
27.11.2011, 14:10
Hallo,
hab mal kurz eine Frage: Die meisten meiner Patienten sind mehr oder weniger dement. Mit den Patienten, die freundlich-dement sind, komme ich ja primar klar, aber viele von denen sind extrem agitiert und schlagen, beißen und kratzen. Meine Frage an euch ist nun, wie man solche Patienten medikamentös gut ruhig stellt. Letzte Woche war es so, dass mir der Notarzt so nen durchgetickten Opi bringt und mir übergibt, dass das Legen eines Zugangs im RTW bei massiver Agitiertheit nicht möglich war. Natürlich ist das dann durch mich auch nicht möglich gewesen und die Schwester, die den Arm halten wollte, hat jetzt mehrere Kratzer und blaue Flecken. Wenn die Leute erst nen Zugang haben, klappt es mit Tavor ja meistens ganz gut, aber wie ist es, wenn jemand so rumhaut, dass man erst gar keinen legen kann? Hab dann ne halbe Ampulle Haldol im. gespritz und dann gings grad so. Generell bin ich aber mit solchen Situationen ehrlich gesagt etwas überfordert. Wieviel Ampullen Haldol braucht man/darf man geben? Und wieviel Tavor?Was ist denn noch möglich und in welcher Dosis? Es handelt sich um steinalte multimorbide Leute, da muss man die Dosierung doch sicher auch ein bißchen runterschrauben? Vielen Dank für eure Erfahrungen

Gersig
27.11.2011, 14:25
Generelle Aussagen sind generell immer schwierig. Ein gutes Nachschlagewerk, welches ich dir empfehlen kann, ist das Kompendium der psychiatrischen Pharmakotherapie (http://books.google.de/books?id=E01bE9iTM_gC&printsec=frontcover&dq=otto+benkert&hl=de&ei=zkfSTprDJZO6hAegruzjDQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=6&ved=0CF0Q6AEwBQ#v=onepage&q&f=false). Hier finden sich neben den klassischen Dosierungen auch Therapieempfehlungen :-top

WackenDoc
27.11.2011, 14:33
Gibt 3 Möglichkeiten:
- Überlegen, ob man die Situation so verändern kann, dass der Patient kooperiert. Manchmal akzeptieren die Patienten orale Gaben
- Ausreichende Anzahl an Helfern, für nen i.v.-Zugang
- i.m. Gabe von Medikamenten.

Letztendlich hängt das Vorgehen auch von der Ursache des "Austickens" ab.

loxi
28.11.2011, 09:27
Man kann z.B. Dormicum auch ins Nasenloch spritzen und da wirds dann resorbiert, kommt aber eher aus der Pädiatrie und bei steinalten multimorbiden Leuten sollte man sich dann doch recht sicher sein, dass man nen Zugang und Luft in den Patienten bekommt, wenns dann doch zuviel war..

Brutus
28.11.2011, 13:30
Guckst Du hier: Klick mich, ich bin ein Link! (http://www.nofamed.de/injektion-und-infusion/mad-300-nasenzerstaeuber.html)

Die Dinger hier:
http://www.nofamed.de/media/images/mad_nasal_small1-2.jpg
haben wir mittlerweile bei uns im Rettungsdienst gut etabliert. Bei Kindern sowieso, bei Erwachsenen funktioniert das aber ebenso gut. 1ml Dormicum/Nasenloch zerstäubt und Ruhe ist!
Wenn man es richtig macht, kommt dabei ein Sprühstoß ähnlich den Nasensprays heraus.
Damit kann man in der Not sogar recht gut einen Krampfanfall beenden.
Ebenso sind diverse andere Medikamente darüber wirksam applizierbar.
Kann man sich mal überlegen, ob man die anschaffen kann. Ich werde mir mal ein paar von unserer Feuerwehr schnorren, weil diverse ÄLRD die Dinger verpönen, weil ja der iv-Zugang der Goldstandard ist... :-wand

PsychoFan
28.11.2011, 17:52
Fixieren -> medikamentös behandeln -> defixieren.

Reflex
28.11.2011, 18:18
Genau eine Arzt-Patienten-Beziehung wird vollkommen überbewertet...:-wow

Ich hab die Erfahrung gemacht, dass erstmal Ruhe in die Situation bringen oft wunder wirkt. Notarzt und RTW und/und ein fremdes Umfeld bringen demente ältere Herrschaften zu viel Stress, der dann nicht selten eskaliert. Zureden, eingehen und dann je nach dem Patienten was orales zur Abschirmung geben, hilft oft eine Fixierung vermeiden. Ich biin da ja ein Freund von Distra Saft. Tavor etc. lässt die alten Herrschaften gern mal paradox reagieren. Erst wenn gar nichts mehr geht bzw das Eigen-und Fremdgefährdungpotential nicht anders vertretbar beherrschbar ist, greif ich zur Fixierung und Sedierung.

Brutus
28.11.2011, 18:48
Zureden, eingehen und dann je nach dem Patienten was orales zur Abschirmung geben, hilft oft eine Fixierung vermeiden.
O.K., der ist jetzt böse! Aber ungefähr so?
http://www.rippenspreizer.de/4images/data/media/10/rettungsdienst_psychologie.jpg

Reflex
28.11.2011, 19:32
Der ist gut ! :D

Ps: Da ich von Hause aus Neurologin bin, ist meine Geduld immer bis zu einem gewissen Grad begrenzt!

PsychoFan
28.11.2011, 19:40
Genau eine Arzt-Patienten-Beziehung wird vollkommen überbewertet...:-wow
Ich hab die Erfahrung gemacht, dass erstmal Ruhe in die Situation bringen oft wunder wirkt. Notarzt und RTW und/und ein fremdes Umfeld bringen demente ältere Herrschaften zu viel Stress, der dann nicht selten eskaliert. Zureden, eingehen und dann je nach dem Patienten was orales zur Abschirmung geben, hilft oft eine Fixierung vermeiden. Ich biin da ja ein Freund von Distra Saft. Tavor etc. lässt die alten Herrschaften gern mal paradox reagieren. Erst wenn gar nichts mehr geht bzw das Eigen-und Fremdgefährdungpotential nicht anders vertretbar beherrschbar ist, greif ich zur Fixierung und Sedierung.

Na dann wünsche ich viel Glück beim Verabreichen von oraler Medikation beim schlagenden, beißenden, tretenden und spuckenden Patienten. :)

Alle Freunde von Aufrechterhaltung einer guten Arzt-Patient-Beziehung, Freunde von Verzicht auf eine somatische Untersuchung aus Deeskalationsgründen sowie Freunde von oraler Medikation beim unbekannten Patienten möchte ich daran erinnern, dass ein Verrwirtheitszustand recht oft eine somatische Ursache hat. Blutentnahme, EKG und eine wenigstens orientierende klinisch-neurologische und klinisch-internistische Untersuchung sowie Abtasten auf Frakturen oder andere Schmerzquellen sollten schon recht zeitig erfolgen.

WackenDoc
28.11.2011, 20:08
Wenn´s ned geht, dann geht´s halt ned.
Aber funktioniert tatsächlich öfter mal.
(Also das mit dem ruhig auf den Patienten eingehen)

Hab ich schon erwähnt, dass ich ein großer Freund von Atosil i.v. bin (also wenn man´s denn in den Patienten rein bekommt.)? Also bei älteren durchgängigen Herrschaften, deren Kreislauf tunlichst so bleiben soll, wie er ist.

Den Zerstäuber kenn ich auch. Ist ne feine Sache.
Zur Not tut´s aber auch mal nen ml/mg z.B. Dormicum über ne normale Spritze nasal.

LolaBlau
30.11.2011, 20:40
Atosil ist toll! Stehe ich auch total drauf wenn mal wieder die halbe Stroke-Unit durchgängig wird! Ansonsten mag ich Eunerpan wenns was orales sein soll! Hilft auch oft ganz gut, 5ml zur Nacht wirken da manchmal echt Wunder! ;)

Medimatze
30.11.2011, 21:07
Meine Frage an euch ist nun, wie man solche Patienten medikamentös gut ruhig stellt.

Alter Patient: 1/2 Ampulle Atosil i.v. (i.m. mach ich nicht)
Junger Patient: 1 Ampulle Haldol i.v.

Wenn nix anderes zur Hand auch mal ne Ampulle Dormicum (da hast du aber nicht lange Ruhe)

Damit gehts eigentlich immer...

(jaja, es gibt KI, Probleme und viele Theorien, die stehen alle im Buch...)

WackenDoc
30.11.2011, 21:26
Manchmal brauchen die ja auch nur was um runter zu kommen und dann haste mit etwas Glück die ganze Nacht Ruhe.

i.m. gibbet von mir auch wenn gar nix anderes geht.
1/2-1 Ampulle Atosil i.v.- war auch meine Lieblingsdosis. Den Neuros durfteste das aber nicht erzählen- die haben auf ihre Konsile ganz gerne 5-10 Tropfen oral empfohlen. Hab aber die Erfahrung gemacht, dass du es dann auch gleich lassen kannst. War nur immer nen Act, das Zeug zu organisieren- das gab´s nämlich nur auf der Psych und nicht auf den normalen Stationen.
Haldol- hab sowohl schlechte als auch gute Erfahrungen gemacht: Bei nem jungen intoxikierten Patienten völlig für die Füsse- hat immer 2 Sekunden geholfen und dann war er wieder wach und agitiert. (War auf Empfehlung der Neuro/Psychos)
Bei nem älteren Herrn der gut desorientiert wegen fremder Umgebung im Krankenhaus war- nen paar Tropfen oral (weiss die Dosis grad nicht mehr) und Ruhe war.

Dormicum ist auch fein- ist aber eher so mein Favorit bei jüngeren Patienten, Intoxe, Horrortrip bei schlechtem Gras (daher kommt auch die Story, dass ich nen Patienten mit Dormicum wach bekommen hab ;-) ), aber auch mal bei jung (also so bis MItte 50), weiblich, psychisch was aus der Spur.

gnuff
30.11.2011, 23:35
Wenn nix anderes zur Hand auch mal ne Ampulle Dormicum (da hast du aber nicht lange Ruhe)...
Jaja, cooler Spruch usw. ... "1 Ampulle Dormicum" ist ne richtige Schei&&-Empfehlung, das mal nur so am Rande. a) ist das für o.g. Problem absolut das falsche Medikament und b) gibbet den Dreck z.B. in der 15mg/Ampulle-Version, da kriegst den Patienten zwar ruhig, aber auch ziemlich blau...

just my two cents...

Medimatze
01.12.2011, 05:42
geht ja nich um den spruch. bei uns, und in den letzten 2 häusern in den ich war gabs jeweils nur 5mg.

gnuff
01.12.2011, 06:42
geht ja nich um den spruch. bei uns, und in den letzten 2 häusern in den ich war gabs jeweils nur 5mg.

ich habe mal eine ältere Dame nach 1mg Dormicum (ungeplant) intubiert...

und das mit dem coolen Spruch bezog sich hierauf:



...jaja, es gibt KI, Probleme und viele Theorien, die stehen alle im Buch...

Dormicum eignet sich meiner Meinung nach nicht für die von georg12 beschriebenen Patienten. Wenn es ein Benzo sein soll, dann würde ich lieber zum guten alten Diazepam greifen... evtl. gepaart mit etwas Haldol.

Lava
01.12.2011, 09:58
"Nur 5mg"? 5 sind schon ziemlich viel *find*

LolaBlau
01.12.2011, 21:44
Ich steh ja wenns um Benzos geht auf Tavor! Aber ne halbe Ampulle Atosil (den Rest der Ampulle kann man ja noch nachgeben wenns nicht reicht...) i.v. wirkt wirklich bei alten Leuten oft Wunder! Und auf Benzos hab ich auch schon paradoxe Reaktionen erlebt.

Brutus
02.12.2011, 10:06
Jaja, cooler Spruch usw. ... "1 Ampulle Dormicum" ist ne richtige Schei&&-Empfehlung, das mal nur so am Rande. a) ist das für o.g. Problem absolut das falsche Medikament und b) gibbet den Dreck z.B. in der 15mg/Ampulle-Version, da kriegst den Patienten zwar ruhig, aber auch ziemlich blau...
just my two cents...
Oh ja! Mein Erlebnis mit Dormicum war ein junger Mann mit einer satten Panikattacke und thorakalen Schmerzen. Zu dem Zeitpunkt leider "noch" kein Morphin aufm Auto. Also hat er eine Ampulle Dipidolor fraktioniert bekommen und zur Abschirmung sollte er 3mg Dormicum dazukriegen. Und ich kriege eine 5ml Spritze mit 3ml Flüssigkeit angereicht mit den Worten: Hier, Dein Dormicum! Und dachte noch: Hmmm, guck mal einer. Schon passend aufgezogen! Und kurz als Bolus rein damit. 6 Augen gucken mich irritiert an und mein RA meint nur: Respekt! Mutig... So 15mg Dormicum auf die Ampulle Dipi! - Auf meinen Kommentar, dass ich gerade 3ml Doricum à 1mg/ml gespritzt habe kam nur die Anmerkung: Nöö, haste nicht. Wir haben 15mg/3ml...
Das war eine sehr ruhige Fahrt. Der Patient war gut abgeschirmt, Vitalwerte in Ordnung, nur der aufnehmende Arzt hat mich etwas schräg angeguckt. Ist zwar gut gegangen, hätte aber auch böse enden können (gut, kann man ja antagonisieren, aber muss ja nicht sein!).


ich habe mal eine ältere Dame nach 1mg Dormicum (ungeplant) intubiert...
und das mit dem coolen Spruch bezog sich hierauf:
Dormicum eignet sich meiner Meinung nach nicht für die von georg12 beschriebenen Patienten. Wenn es ein Benzo sein soll, dann würde ich lieber zum guten alten Diazepam greifen... evtl. gepaart mit etwas Haldol.
Um mal bei den dummen Sprüchen zu bleiben: Dormicum macht Ommi stumm! Und der trifft es ziemlich auf den Punkt!
Da finde ich Valium auch deutlich besser. Leider wird das immer mehr von den Autos verbannt. Das verstehe ich zwar nicht, aber ist halt so... :-wand