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Brutus
11.12.2011, 21:34
So, es wird mal wieder Zeit für einen neuen Trainingsfall:

Wir sind in einem kleinen Ort mitten im Nichts. Es ist Winter und um 17:20 Uhr mittlerweile dunkel. Eigentlich war der Plan, jetzt das Abendessen zu holen und im Anschluß einen Leseabend im Dienstzimmerbett zu verbringen. Leider hat die Leitstelle etwas dagegen und so fahrt Ihr zusammen mit dem RTW in eine Hausarztpraxis (Allgemeinmediziner) mit dem Einsatzstichwort "Atemnot".
Ihr holt die RTW-Besatzung im Treppenhaus des Arztes ein, einen Aufzug gibt es nicht, also zu Fuß rauf in die erste Etage.

So, nun Ihr!

LaTraviata
11.12.2011, 21:51
Was für einen Patienten finde ich vor? Alter? Geschlecht?
Aussehen? Auffälligkeiten? Sichtbare Zyanose, Atemgeräusche?

Dann das erste Monitoring: SpO2? EKG? RR? HF? AF? Atemmuster?

Entstehung und Verlauf der Symptomatik? Bekannte Allergien resp. Vorerkrankungen? Dauermedikation?

Brutus
11.12.2011, 22:09
In der Praxis finden wir einen 56j Mann, dessen Hände und Gesicht deutlich dunkel zyanotisch wirken. Bereits von der Tür aus kann man die Spatik hören. Laut HA sei der Patient mit Dyspnoe in seine Praxis gekommen. Innerhalb kurzer Zeit dekompensierte er. Der Patient ist seit vielen Jahren in der Praxis bekannt. Vor 18 Jahren habe er einen Herzinfarkt gehabt, in der Folge habe er einen 5fach ACVB bekommen. Vor 5 Jahren ein Apoplex, ohne Residuen.
Vitalwerte: SO2 initial 95%, jedoch innerhalb von Sekunden abfallend auf 50%. Neuer Finger, neues Glück: wieder initial 95%, dann wieder abfallend auf 50%. RR 150/75mmHg, HF 39/min lt. Pulsox, AF 25/min, weiterhin deutliche Spastik.

mainzer
11.12.2011, 22:26
sauerstoff per maske mit reservoir anbieten (am besten eine, mit der man auch vernebeln kann), venösen zugang vorbereiten..
wie war das nun mit den haus-medis? vorerkrankungen (asthma, copd [würd ja zum kalten winterwetter passen])

Eilika
11.12.2011, 22:37
Nebenbei schonmal wenn vorhanden etwas bronchodilatatorisches anbieten?

Glaube zwar nicht, dass das hier schon die Lösung sein kann, aber einen Versuch ist es ja wert!

LaTraviata
11.12.2011, 22:39
Für meinen Status quo und die evtl. Medikamentengabe bräuchte ich dann aber doch mal 'nen aussagekräftigen Puls, da das bei der ausgeprägten Akrozyanose ja mit dem Pulsoxy keinen Sinn macht also EKG begutachten;-).
Wie schauen die Ohrläppchen aus? Könnte man da evtl. die SpO2 kleben?
Ansonsten wäre ich initial auch für die O2 Gabe, Etablierung eines Zuganges, im Kopf schon mal über präklinisches C-PAPen nachdenken...
Und ja, die Medikamente, die er so einnimmt, bitte.... :-)

Brutus
11.12.2011, 23:20
sauerstoff per maske mit reservoir anbieten (am besten eine, mit der man auch vernebeln kann), venösen zugang vorbereiten..
wie war das nun mit den haus-medis? vorerkrankungen (asthma, copd [würd ja zum kalten winterwetter passen])
Ja, Maske ist erst im RTW, eine Nasenbrille hat er schon, O2 läuft mit 6l.
Hausmedikamente: ASS, ACE-Hemmer, Statin, Allopurinol.


Nebenbei schonmal wenn vorhanden etwas bronchodilatatorisches anbieten?
Glaube zwar nicht, dass das hier schon die Lösung sein kann, aber einen Versuch ist es ja wert!
Der HA ist noch alter Schule: es liegt eine Butterfly in der Ellenbeuge, dort festgeklebt, lt. HA hat er schon Dexamethason 10mg erhalten.


Für meinen Status quo und die evtl. Medikamentengabe bräuchte ich dann aber doch mal 'nen aussagekräftigen Puls, da das bei der ausgeprägten Akrozyanose ja mit dem Pulsoxy keinen Sinn macht also EKG begutachten;-).
Wie schauen die Ohrläppchen aus? Könnte man da evtl. die SpO2 kleben?
Ansonsten wäre ich initial auch für die O2 Gabe, Etablierung eines Zuganges, im Kopf schon mal über präklinisches C-PAPen nachdenken...
Und ja, die Medikamente, die er so einnimmt, bitte.... :-)
Medikamente s.o. Also, es gibt ein ordentliches Pulsdefizit vom mittlerweile etablierten 4Kanal-EKG und dem Pulsox. Das Ohrläppchen ist genauso dunkel wie die Extremitäten. Der Mann scheint ziemlich zentralisiert. Die Dyspnoe wird nicht wirklich besser, eher schlimmer. AF geht deutlich Richtung 30/min. Beim Stauen für einen "vernünftigen" Venenzugang werden die Akren der betroffenen Extremität tief violett/schwarz. Es dauert auch recht lange, bis sie wieder etwas besser durchblutet waren, jedoch weiterhin deutliche Zyanosezeichen. Zum EKG: ziemlich verwackelt, fast nicht zu beurteilen, wegen heftiger Atemexkursionen und Zitterns.
Der HA erscheint erneut und erklärt, dass er nicht an eine pulmonale Ursache glaubt, sondern an eine kardiale. Bei der eingehenden Untersuchung werden ausser deutlichen Ödemen/Anasarka eine Marmorierung der gesamten Extremitäten und des Körperstammes gefunden. Der Bauch ist zudem sehr fest, nicht bretthart, aber fest und gebläht. Die Zwerchfelle scheinen sehr hoch zu stehen und die Atmung zusätzlich zu behindern.
Wir entscheiden uns, ein 12Kanal-EKG zu schreiben. Der erste Ausdruck ist nicht zu verwerten.
Hier werde ich das EKG posten, welches wir an der Zielklinik noch einmal geschrieben haben. Stellt es Euch einfach komplett verwackelt und mit einem 50Hz-Rauschen vor:

LaTraviata
11.12.2011, 23:40
Hmm, da der Gute scheinbar doch ein ausgeprägteres Problem als "nur" die Atemnot zu haben scheint - by the way: was sagt meine Auskultation von Herz und Lunge, die ich natürlich schon vor geraumer Zeit vorgenommen habe ;-)? Gestaute Halsvenen? Irgendwelche Besonderheiten in den letzten Tagen? Schmerzen? Irgendein Anhaltspunkt, der meine Verdachtsdiagnose untermauern könnte?


Die Marmorierung etc. sprechen ja deutlich für ein Schockgeschehen daher mal die Frage, wie es infrastrukturell so ausschaut? Anfahrt in größere Klinik mit ITS und PTCA?

ZUm EKG: Komplett verwackelt und verrauscht... gut, dann kann ich damit also nicht viel anfangen ;-)...

Brutus
11.12.2011, 23:45
Tja, das Herz hört man so gut wie nicht, weil das AG alles übertönt. Weiterhin spastisch, expiratorisches Giemen.
Vor Ort ist eine Klinik der Grundversorgung, weithin als Krankenhaus am Rande der Stadt bekannt. :-))
Das Klinikum der Maximalversorgung liegt ca. 20 km entfernt, ca. 30 min. Fahrtzeit.

LaTraviata
12.12.2011, 00:09
Hmpf, wäre ja nun leider doch ein Fall für den Maximalversorger.... sind ja mittelhessische Verhältnisse in Sachen Anfahrt :-))!
Möglichkeit zur BGA in der Praxis resp.im Auto? Nitrogabe wäre auch ne Überlegung wert, wenn ich mich recht entsinne...

LaTraviata
12.12.2011, 00:11
Ansonsten eben auch Heparingabe, wie sehen RR, HF etc. aktuell aus? Sollten sie an Katecholamine denken lassen?

flopipop
12.12.2011, 00:27
hat er gestaute halsvenen? thoraxschmerzen? gibt es an den beinen thrombosezeichen?

THawk
12.12.2011, 00:43
Hat der "Hausarzt alter Schule" zufällig noch ein Ultraschallgerät in seiner Praxis rumstehen? :-D
An deiner Schilderung gefällt mir das Abdomen nicht. Bei primär pulmonal bedingter Atemnot würde ich mir tiefstehende Zwerchfelle i.S.e. Thorax-Überblähung erwarten. Oder die Zwerchfelle erscheinen aufgrund eines deutlichen Pleuraergusses hoch zu stehen.

Sofern das Dexamethason wirklich in die Vene gegangen ist hätte ich mir so langsam einen Effekt auf die Spastik erwartet. Bei einer fraglichen kardinalen Problematik wäre ich mit Salbutamol p.i. eher zurückhaltend (als Kinderarzt greift man ja schon ganz gern und schnell danach).

Wie schnell hat sich denn dieser ja schon lebensbedrohlich erscheinende Zustand entwickelt? Innerhalb von Minuten oder Stunden oder gibt's eine Vorgeschichte über Tage?

Zusammengefasst: Der hat ein ordentliches Problem. Das äußert sich mit der Atemnot, ich würde mich aber noch nicht primär auf die Lunge festlegen. Also erstmal symptomatisch weiter, Halsvenen etc. interessieren mich noch. Für den Fall der Fälle mal weitere Atemunterstützung vorbereiten (CPAP / Intubation).

Brutus
12.12.2011, 10:57
Hmpf, wäre ja nun leider doch ein Fall für den Maximalversorger.... sind ja mittelhessische Verhältnisse in Sachen Anfahrt :-))!
Möglichkeit zur BGA in der Praxis resp.im Auto? Nitrogabe wäre auch ne Überlegung wert, wenn ich mich recht entsinne...
Neee, tiefes Sauerland. Ist genauso! Zur Praxis: tja, alte Hausarztpraxis. Neuere Geräte eher Fehlanzeige. Bei Eintreffen lag der Patient bis auf die Butterfly "alleine" auf der Trage. Unser Monitoring war quasi das erste, bis auf den klinischen Blick des HA.
BGA weder auf Auto, noch in Praxis. Monitoringmöglichkeiten: RTW/NEF Ausstattung...
Nitro.... jaaa. Im Prinzip haste Recht, ich mag es nur nicht, wenn ich einen derart instabilen Patienten da sitzen habe, den ich ggf. gleich noch ins Reich der Träume schicken muss!? Was, wenn der Druck nur duch die endogenen Katecholamine aufrechterhalten wird, und die durch die ggf. anfallende Narkose alle in Deckung gehen? Und eine iatrogene REA mag ich nicht so. :-))


Ansonsten eben auch Heparingabe, wie sehen RR, HF etc. aktuell aus? Sollten sie an Katecholamine denken lassen?
Werte wie oben. HF im EKG 110-120/min, im Pulsox kommen 40/min an. RR 150/70mmHg, SO2 zur Zeit, soweit beurteilbar 85% trotz O2. Katecholamine? zur Zeit wohl eher nicht, aber wer weiß...


hat er gestaute halsvenen? thoraxschmerzen? gibt es an den beinen thrombosezeichen?
Tja, da kommen wir zum Knackpunkt: Der Mann hat überhaupt keine Schmerzen. Weder thorakal, noch abdominell. Der HA kommt noch einmal vorbei und berichtet, dass zusätzlich ein IDDM vorliegt. Außerdem habe der Patient vor Jahren ein BAA versorgt bekommen. Gestaute Halsvenen hatter nicht. Thrombosezeichen hatter auch nicht. keinerlei Schmerzen in der Wade, es fallen eben nur die deutlichen Ödeme auf. Eine Herzinsuffizienz sei auch bekannt. Der Patient ist übrigens weiterhin auf sehr niedrigem AZ-Niveau unterwegs. AF weiterhin gegen 30/min, kurzatmig, die Akren livide verfärbt. Ach ja, Marcumar nimmt er wohl auch ein. Letzter Quick??? Keine Ahnung. Lt. Hausarzt aber immer im Rahmen, was auch immer das jetzt heißen möge. Nach der ACVB-OP sei er nur noch beim HA gewesen, d.h. seit 18 Jahren keine kardiologische Kontrolle mehr...


Hat der "Hausarzt alter Schule" zufällig noch ein Ultraschallgerät in seiner Praxis rumstehen? :-D
An deiner Schilderung gefällt mir das Abdomen nicht. Bei primär pulmonal bedingter Atemnot würde ich mir tiefstehende Zwerchfelle i.S.e. Thorax-Überblähung erwarten. Oder die Zwerchfelle erscheinen aufgrund eines deutlichen Pleuraergusses hoch zu stehen.

Sofern das Dexamethason wirklich in die Vene gegangen ist hätte ich mir so langsam einen Effekt auf die Spastik erwartet. Bei einer fraglichen kardinalen Problematik wäre ich mit Salbutamol p.i. eher zurückhaltend (als Kinderarzt greift man ja schon ganz gern und schnell danach).

Wie schnell hat sich denn dieser ja schon lebensbedrohlich erscheinende Zustand entwickelt? Innerhalb von Minuten oder Stunden oder gibt's eine Vorgeschichte über Tage?

Zusammengefasst: Der hat ein ordentliches Problem. Das äußert sich mit der Atemnot, ich würde mich aber noch nicht primär auf die Lunge festlegen. Also erstmal symptomatisch weiter, Halsvenen etc. interessieren mich noch. Für den Fall der Fälle mal weitere Atemunterstützung vorbereiten (CPAP / Intubation).
Also, das Problem ist erst an dem Nachmittag aufgetreten. Lt. Patient sei bis ca. 16 Uhr alles "normal" gewesen. Dann zunehmende Luftnot, deshalb ist er zum Arzt. In den letzten Tagen /Wochen keinerlei zunehmnde Symptomatik, keine Luftnot bei Belastung, wobei er auch im EG wohnt und keine anstrengenden Tätigkeiten ausführt.
Dexamethason hat bisher keine Wirkung gezeigt. Der HA hatte drüber nachgedacht Theophyllin zu geben, wollte dies aber wegen fehlenden Monitorings nicht machen. Ich wegen der Tachykardie auch nicht. :-))
Der Bauch hat uns allen nicht gefallen. Weiterhin marmoriert, fest, aber nicht hart, deutliche Anspannung durch die Atemmechanik. Kein Druckschmerz, auch sonst keinerlei Schmerzen.
Und nu?

So, habe das EKG mal etwas verkleinert, so dass es auch hier im Fred angezeigt wird. Siehe oben. Also, wenn jemand vorschläge hat, gerne! Übrigens, dieses EKG haben wir NICHT in der Praxis, sondern am Zielkrankenhaus geschrieben. In der Praxis gleiches Bild, nur HF nicht bei 70 sondern 115/min und deutlich verwackelter. Sonst idem...

lio
12.12.2011, 12:58
Der Bauch hat uns allen nicht gefallen. Weiterhin marmoriert, fest, aber nicht hart, deutliche Anspannung durch die Atemmechanik. Kein Druckschmerz, auch sonst keinerlei Schmerzen.
Mit meinem Situstestat-Wissen würd ich die Schmerzfreiheit und den Zwerchfellhochstand bzw. das Ausweichen auf Bauchatmung auf eine Phrenicuslähmung schieben :-D

Brutus
12.12.2011, 13:18
Mit meinem Situstestat-Wissen würd ich die Schmerzfreiheit und den Zwerchfellhochstand bzw. das Ausweichen auf Bauchatmung auf eine Phrenicuslähmung schieben :-D
Ääähm. Also ich bin mir ja jetzt nicht sooooo sicher :-)), aber ausweichen auf "Bauchatmung" und bds. Phrenikuslähmung??? DAS schließt sich doch wohl eher aus. Das Zwerchfell ist doch der "Motor der Bauchatmung". Wenn es eine Phrenikuslähmung bds. wäre, dann stünden die Zwerchfelle hoch (richtig), aber die einzige Atemarbeit ginge von den Intercostalmuskeln aus (Brustatmung)...

In diesem Fall kommen die hoch stehenden Zwerchfelle wohl eher von dem überdimensionalen Bauchumfang, so dass die Lunge nach oben verdrängt wird...

Die fehlenden Schmerzen dürften wohl eher dem IDDM geschuldet sein?!

Evil
12.12.2011, 13:41
Wie wär's mit nem Pansenstich? ;-)

Nee, ernsthaft, dauerhaft stabil sieht der Patient nicht aus, bevor er uns also völlig abschmiert, würd ich ihn einladen und in die nächste Klinik mit Bauchchirurgie und Innere bringen und nicht Ewigkeiten durch die Pampa bis zum nächsten Maximalversorger gondeln.

Brutus
12.12.2011, 14:07
Wie wär's mit nem Pansenstich? ;-)
Naja, beim Atmen würde es ihm sicherlich helfen, und ich sach ja immer: Wer heilt hat recht! :-)) :-))


Nee, ernsthaft, dauerhaft stabil sieht der Patient nicht aus, bevor er uns also völlig abschmiert, würd ich ihn einladen und in die nächste Klinik mit Bauchchirurgie und Innere bringen und nicht Ewigkeiten durch die Pampa bis zum nächsten Maximalversorger gondeln.
Jo, jetzt haben wir aber noch ein Problem: die Praxis liegt wie gesagt im ersten Stock, Altbauwohnung. Im Erdgeschoß ist eine Apotheke zu finden, der Eingang zum Treppenhaus liegt im Innenhof. Die Treppe ist recht schmal, 2 Mann nebeneinander wird schon recht knapp. Einen Aufzug gibbet nicht. Wie wollen wir den Menschen denn in den RTW verbringen? Wiegen tut der geschätzt gute 120-130kg... Und laufen tut der bestimmt nicht mehr! Selbst wenn er könnte...
Sollen wir denn vorher noch etwas machen? So bevor wir uns an den Transport wagen?

Lophophora
12.12.2011, 14:22
blutzucker messen?

Brutus
12.12.2011, 14:43
blutzucker messen?

Jo, bei nem bekannten IDDM nicht verkehrt! BZ liegt bei 175mg/dl.
Haben wir in dem Rahmen des Venenzugangs gemacht, habe ich vergessen zu schreiben. Asche auf mein Haupt!