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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Facharztausbildung in Deutschland



John-Doe
28.12.2011, 15:27
Hi!

Mich würde interessieren, wie bei euch in Deutschland (bin Österreicher) die Facharztausbildung abläuft.

Bei uns in Österreich hat man (meistens - ist nur üblich aber kein Zwang) 3 Jahre Turnus (dann darf man als Allgemeinmediziner arbeiten) und dann 6 Jahre Facharztausbildung.

Bei euch gibts ja keinen Turnus. Die Facharztausbildung scheint auch nicht zwingend 6 Jahre zu dauern. Kann mir das jemand erklären oder einen guten Link dazu anbieten?

Vielen Dank!

lg Johnny

Strodti
28.12.2011, 15:34
Nach dem Studium bewirbst du dich in einer Abteilung des Fachs deiner Wahl. Die Dauer der Weiterbildung richtet sich nach der Weiterbildungsordnung der zuständigen Landesärztekammer und kann zwischen 4 und 6 Jahren variieren. Der Inhalt deiner Weiterbildung wird auch in der WBO beschrieben.

In Deutschland ist der Allgemeinmediziner übrigens auch ein Facharzt mit (meist) 60 monatiger Weiterbildung.

Schau dir am besten mal eine WBO an, zum Beispiel unter www.aekn.de (http://www.aekn.de).

John-Doe
28.12.2011, 16:19
Verstehe, danke für die Info. D.h. nach dem Studium kann man entweder als Assistenzarzt in einem Krankenhaus arbeiten, oder eine fachärztliche Weiterbildung machen.

Kann sich ein deutscher Facharzt in einem anderen EU-Land als Facharzt niederlassen?

SuperSonic
28.12.2011, 17:01
D.h. nach dem Studium kann man entweder als Assistenzarzt in einem Krankenhaus arbeiten, oder eine fachärztliche Weiterbildung machen.
In den meisten Fällen ist das einerlei (während der Assistenzarztzeit erfolgt die Weiterbildung).


Kann sich ein deutscher Facharzt in einem anderen EU-Land als Facharzt niederlassen?
Dank der EU-Richtlinie 2005/36/EG (http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CONSLEG:2005L0036:20081211:DE:PD F) werden die Abschlüsse zumindest gegenseitig anerkannt. Eine Niederlassung kann natürlich an weitere Voraussetzungen geknüpft sein.

stennadolny
29.12.2011, 16:51
1) In Ö ist die Zahl der FA-Ausbildungsstellen (jedenfalls außerhalb der Unikliniken) pro Abteilung durch die Landesärztekammer begrenzt, in D gibt es überhaupt keine Begrenzung, durch niemanden. D.h. im Umkehrschluß, daß kein Chefarzt in D in irgendeiner Art und Weise nachweisen muß, wieviele Ausbildungsassis er überhaupt hat (!) und wie diese Assis in der Mindestzeit KONKRET durch die Ausbildung (und - im Idealfall - auch deren Inhalte) geschleust werden sollen. Das sind häufig Zustände wie im Urwald.

2) In D gibt es keine Turnusärzte - in Ö schon. D.h.: Meist spitze Ellenbogen in D erforderlich, damit man nicht nur seine Ausbildungsinhalte VOR den Co-Assis bekommt, sondern auch möglichst wenig "Basis"tätigkeit (z.B. auf Station) machen muß.

3) Man muß in D glaubhafte Kenntnisse aus erster Hand von einer Ausbildungsstelle haben, um sie beurteilen zu können. Nur, weil FA-WB drauf steht, ist es eben häufig NICHT drinne. Nicht umsonst hat D einen zunehmenden Ärztemangel..........NIEMALS NUR auf eine Anzeige ohne Hintergrundinfos bewerben. NIE ! Viele Ösis (laut Bundesärztekammer in Ö wohl weit mehr als 50%) bleiben kein Jahr in D, ich habe schon etliche Ösis erlebt, die innerhalb der Probezeit in D wieder nach Ö zurückgegangen sind- in den Turnus !

4) In Ö sind die Gegenfächer meist fix in der Mindestzeit organisiert, in D häufig nicht. Muß man sich also selbst organisieren. Kann ziemlich in die Hose gehen, jahrelang.

5) In D wird mit den Ausbildungszeugnissen viel mehr Trara gemacht als in Ö: Viele CÄ sehen das als Disziplinierungsinstrument (vor allem in Ärztemangelzeiten) und man kann durchaus erst durch Klagen vor Gericht einigermaßen brauchbare Zeugnisse erhalten. In Ö sind das extrem rare Ausnahmen, weil man in Ö davon ausgeht, daß der Chefarzt weiß, mit wem er eine Ausbildungsstelle besetzt. In D wird das häufig als jahrelanger Sozialdarwinismus zugunsten der chefärztlichen Machtfülle interpretiert.

6) Abteilungen, die Ausbildungsstellen TEUER (also etwa in Ö oder im Deutschen Ärzteblatt) ausschreiben, habe meist ein erhebliches Problem, weswegen man sie meiden sollte. Kliniken, die nur auf ihrer Homepage ausschreiben, ebenfalls. In guten Ausbildungskliniken sind die Stellen in der Regel ohne Ausschreibung zu besetzen (Mundpropaganda, entsprechend viele Bewerbungen).

7) Mit dem Turnus hat man wenigstens eine abgeschlossene Ausbildung, auf die man im Falle des Falles zurückgreifen kann. Mit einer abgebrochenen FA-Ausbildung in D hat man garnichts in der Hand.

John-Doe
29.12.2011, 17:00
Das klingt ziemlich ernüchternd. Sind das deine eigenen Erfahrungen oder woher kommt dein negatives Bild über die FA-Ausbildung in Deutschland? Vielen Dank jedenfalls für den Input.

Mich würden weitere Meinungen interessieren, um einen besser Überblick zu bekommen.

stennadolny
29.12.2011, 17:04
Eigene Erfahrungen.

Aber das beste Argument GEGEN D (jedenfalls ohne erstklassige Insiderinfos über eine Weiterbildungsstelle): ÄRZTEMANGEL !

Wenn alles sooo dolle wäre in D, warum gibt es dann so viele freie ("Ausbildungs")Stellen, hä ? :-peng

Warum laufen die Deutschen (und alle anderen Ärzte weltweit) den deutschen Kliniken nicht die Bude ein ?
Im Gegenteil......

Man kann es in D auch gut treffen, sollte sich aber nicht aufs"Glück" oder den "Zufall" bzw. den "ersten Eindruck" verlassen.

Auf turnusarzt.com gibt es da wohl einiges zu von Ösis nachzulesen.

John-Doe
29.12.2011, 17:08
Und wie weit bist du jetzt schon gekommen bei deiner Ausbildung?

Ich sollte dann wohl darauf bauen, den Aufnahmetest in Österreich hinzubekommen. Falls nicht und ich dann in Deutschland studiere, dann soll es so sein. Irgendwie findet man immer einen Weg.

stennadolny
29.12.2011, 17:09
Man kann auch in D studieren (als Ösi) und schließlich in Ö sofort in den Turnus einsteigen - bzw., wenn es mit dem Ärztemangel in Ö so weitergeht, wohl in ein paar Jährchen auch in direkt in viele Fächer.

John-Doe
29.12.2011, 17:10
Die Ausbildung für Fachärzte ist ja die limitierende Größe in Österreich, leider :). Aber vielleicht hast du Recht und das ist in 6 - 7 Jahren alles kein Problem mehr.

stennadolny
29.12.2011, 17:14
Das ist mit Sicherheit in 6-7 Jahren kein Problem mehr. Schon jetzt bekommen etwa Anästhesisten, Psychiater und wohl teilweise auch Radiologen in Ö in der Peripherie mancherorts erhebliche Probleme mit dem Nachwuchs.

John-Doe
29.12.2011, 17:21
Na dann schaue ich ja in eine gute Zukunft. Es ist sicher vorm Studium noch zu früh, um auch nur in eine (Fach)richtung zu schauen. Mich würde allerdings Onkologie interessieren, sprich ich würde erstmal Internist werden.

Muriel
29.12.2011, 17:22
Um das Ganze mal etwas zu relativieren, möchte ich Dir, JohnDoe, zum Einen nahelegen, doch mal einige ältere Beiträge stennadolnys zu lesen. Dann kannst Du Dir ein Bild seiner generellen Haltung machen und selber entscheiden, wieviel Negatives ohne einen Funken Positiven Du als glaubhaft empfindest. Zum Anderen lass Dir gesagt sein, dass es in Deutschland eine ganze Menge guter Weiterbildungsstellen gibt, die ohne Ausbeutung gute Ärzte aus einem machen. Das Argument Ärztemangel = alles Schei$e zieht insofern nicht, als dass dann ja der Umkehrschluss (vor zehn Jahren noch Ärzteschwemme also alles rosig und toll) auch gelten müsse. Das allerdings bezweifel ich insofern, als dass ich mit der Abschaffung des Aips und vieler anderer Errungeschaften unserer Vorgänger doch sehr zufrieden bin.

John-Doe
29.12.2011, 17:25
Wie gesagt, ich habe ja geschrieben, dass ich dafür dankbar bin, wenn weitere Perspektiven eingebracht werden. Ich habe ja auch schon von Leuten gehört, die mit ihrer FA-Ausbilding in D zufrieden waren.

Der nächste Schritt ist sowieso das Studium :).

stennadolny
29.12.2011, 17:26
Nun ja, jedem das Seine.

Evil
29.12.2011, 17:33
Das ist mit Sicherheit in 6-7 Jahren kein Problem mehr. Schon jetzt bekommen etwa Anästhesisten, Psychiater und wohl teilweise auch Radiologen in Ö in der Peripherie mancherorts erhebliche Probleme mit dem Nachwuchs.
Tja, dann wird das da wohl auch nicht so dolle sein, gell? Warum laufen auch ausländische Ärzte denen nicht die Bude ein? :-))

John-Doe
29.12.2011, 17:35
Unter Umständen weil sie es nicht wissen - auch das ist eine Möglichkeit. Strukturierter ist die FA-Ausbildung in Österreich allemal.

stennadolny
29.12.2011, 17:56
Tja, dann wird das da wohl auch nicht so dolle sein, gell? Warum laufen auch ausländische Ärzte denen nicht die Bude ein?

Berechtigte Frage. Ösi-Kliniken sind wohl noch nicht auf dem deutschen Klitschen-Trip (wobei da inzwischen auch Maximalversorger dabei sein können....) von wegen Personalmessen im Ausland (incl. Griechenland !) oder auch "Headhunter"-Grasen etwa in Bulgarien/Rumänien. Zudem sind in Ö die Niederlassungschancen als selbstständiger Anästhesist oder Radiologe inzwischen sehr schlecht bzw. inexistent. Die Psychiatrie-Ausbildung ist kürzlich in Ö zu einem unglaublich teuren Ding geworden, weil man deutlich mehr (und wohl besser) psychotherapeutisch bringen muß als in D. Schreckt viele ab. Kostet auch entsprechend. Psychiatrie ist in D ebenfalls wenig sexy.

Außerdem sinken in Ö die Absolventenzahlen dank des NC (primär durch den Deutschen-Ansturm verursacht) , nahezu 25% der Absolventen ab nächstem Jahr sind Deutsche, die wohl in erster Linie in die Heimat zurückgehen werden.

Für Tschechen und Slowaken ist Ö fachlich und ökonomisch außer in absoluter Grenznähe unattraktiv (so wie D), Ösis sind wenig mobil. Für deutsche FÄ ist die Ösi-Provinz auch nicht so der Burner, weil man entweder vielfach fachlich überfordert und/oder sozial isoliert ist. Skifahren alleine in der spärlichen Freiziet macht das Kraut nicht fett. Besser verhandeln kann man auch in D.

Mal sehen, was die Zukunft bringt.

madniki
03.01.2012, 15:10
Du kannst in D studieren und in Ö,D oder wo immer du willst die FA-Ausbildung machen. Mit dem einen Unterschied, dass du bei einem Studium in Ö das Jus practicandi erst nach dem Turnus bekommst, wie das dann ist, wenn du den FA in D machst ohne Turnus, weiß ich auch nicht so genau, da müssten sich Leute dazu äußern, die das wissen. Bei Studium in Ö bekommst du allerdings deinen Dr.-Titel automatisch, bei Studium in D kannst du den Dr.-Titel mit einer Dissertation erwerben, es gibt aber genug deutsche Ärzte, die keinen Dr.-Titel haben. Auch das kannst du in deine Überlegungen miteinbeziehen.