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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : AIP: Rechte und Pflichten am Unfallort?



Sokolov
24.06.2003, 20:16
tja, hab da mal ne Frage...
Bin seit jetzt sechs Wochen AIP, bzw. habe eine Berufserlaubnis als solcher.
Ich darf als AIP in einem Krankenhaus unter Aufsicht (wie das in der Praxis aussieht, ist ja bekannt...!) tätig werden. So weit, so gut.
Aber, wie ist das eigentlich, wenn ich ausserhalb der Klinik, auf der Straße sozusagen, zufällig bei einem medizinischen Notfall zugegen bin? Oder ein Rettungsteam schon vor Ort ist, aber noch kein Arzt?
Inwieweit ist es meine Pflicht, mich in einer solchen Situation als Arzt erkennen zu geben, bzw. darf ich dann überhaupt ärztlich tätig werden?!

Also beispielsweise:
Ich: ich bin Arzt, kann ich helfen..?
Sanitäter: fein, dann leg mal nen Zugang, bißchen Lasix könnte auch nicht schaden.. :-notify

Was dann?! :-???
Bin mal auf eure Meinungen und Antworten sehr gespannt!!

Sokolov

Froschkönig
24.06.2003, 20:34
Original geschrieben von Sokolov
Sanitäter: fein, dann leg mal nen Zugang, bißchen Lasix könnte auch nicht schaden.. :-notify

Würde Dir Das konkrete Beispiel oben von der Aufgabe her oder von der Reaktion des Sani´s nicht passen ? Jedenfalls klingt es so, als würde es Dir nicht gefallen.

Über den Ton des Sanitäters kannste ja später mit ihm diskutieren, aber wenn Du zugänge legen kannst, dann würde ich´s machen. Überhaupt gilt grundsätzlich : Man ist zur Hilfeleistung verpflichtet, aber nur im Rahmen seines Kenntnisstandes und unter vermeidung von Selbstgefährdung. Wenn Du nun zwar frischgebackener Arzt bist, aber mit Notfällen noch nicht so viel am Hut hast, kannst Du ja Deine Hilfe anbieten, aber immerhin ist ja dann auch anderes Fachpersonal vor Ort und wenn Dir ganz einfach die Erfahrung fehlt, in diesem Moment irgendwelche Heldenentscheidungen zu treffen, wird Dich deswegen keiner an die Wand stellen.
:-meinung

Sebastian1
24.06.2003, 22:03
Und nichtsdestotrotz hast du als Arzt (wenn auch "nur" als AiP) die zusätzliche Verpflichtung der sog. "Garantenstellung" - das ist im Zweifelsfall vor Gericht dann schon mehr als die bloße unterlassene Hilfeleistung, die jedem erwachsenen Bürger obliegt... aber bitte frag mich nicht nach genauer Rachtsprechung, da sind dann gottlob andere für zuständig...

Gruß,
Sebastian

Rübe
24.06.2003, 22:07
Wie ist das denn bei Frauen? Die brauchen doch normalerweise nicht anzuhalten bei nem Unfall, wenn sie denken, dass sie in einen Hinterhalt gelockt werden, ihnen die Situation zu gefährlich ist usw.

Froschkönig
24.06.2003, 22:08
Original geschrieben von Sebastian1
Und nichtsdestotrotz hast du als Arzt (wenn auch "nur" als AiP) die zusätzliche Verpflichtung der sog. "Garantenstellung"

Ist Richtig. Aber dennoch bin ich der Meinung (Vorsicht : MEINUNGEN sind nicht juristisch verwertbar ;-) ), daß Du gemäß Deinem Ausbildungsstand handeln kannst und sollst. "Arzt" beinhaltet, daß Du mehr darfst (Koniotomieren z.B. etc....) aber ohne die Vollapprobation oder eine bestimmte Fachausbildung ´glaube ich, daß man in manchen Punkten sehr wohl noch das glaubhafte "nicht-wissen"/"nicht-können" einbringen kann.

Rico
24.06.2003, 23:29
Original geschrieben von Rübe
Wie ist das denn bei Frauen? Die brauchen doch normalerweise nicht anzuhalten bei nem Unfall, wenn sie denken, dass sie in einen Hinterhalt gelockt werden, ihnen die Situation zu gefährlich ist usw. Männer und Frauen werden vom Gesetz gleich behandelt.
Als Mann brauchst Du nämlich auch nicht anhalten, wenn Du Angst hast, in einen Hinterhalt zu geraten.
Niemand (auch Ärzte - Grantenstellung hin oder her) muß sich in Gefahr begeben um jemanden zu retten - außer Du gehörst irgendwie zur bergrettung und genau DAS ist Dein Job, aber als normaler Arzt womöglich noch in zivil und außer Dienst kann Dich keiner zwingen, Leib und Leben zu riskieren.

Sokolov
25.06.2003, 08:43
vielen Dank für die verschiedenen Meinungen!
Vielleicht nochmal aus anderer Perspektive:
Garantenstellung und so, okay!
Aber nochmal konkret:
Ich komme zu einer Unfallstelle... jetzt gibt es zwei Situationen:
einmal ist noch niemand vom Rettungsdienst vor Ort, dann ist ja völlig unstrittig, ich helfe natürlich, im Rahmen meiner Möglichkeiten und Fähigkeiten!!
Aber wenn bereits ein RTW anwesend ist, aber eben noch kein Arzt/keine Ärztin, bin ich dann verpflichtet oder überhaupt berechtigt, als Arzt (AIP!) "aufzutreten" und zu handeln? Also konkrete ärztliche Maßnahmen, z.B. Medikamentengabe etc. durchzuführen? Oder ist das nicht erlaubt, da ich als AIP ja vom Gesetz her nicht "ohne Aufsicht" eines vollapprobierten Kollegen tätig werden darf? :-???
Besten Dank für eure Hilfe!!

FataMorgana
25.06.2003, 12:10
Hallo Sokolov,

eine sehr interessante Frage, über die ich auch schon nachgedacht habe.

Dass man zur Hilfeleistung über das übliche Maß hinausgehend verpflichtet ist, steht denke ich außer Frage.

Aber was genau bedeutet das? Im Rahmen der Möglichkeiten und Fähigkeiten?

Ich denke z. B., einen peripheren Zugang zu legen sollte im Rahmen der Möglichkeiten und Fähigkeiten eines AiP liegen. Wenn man dies in der Notfallsituation versucht, wird man hinterher deswegen kaum belangt werden können. Bei i.v.-Medikamenten sieht es vielleicht schon ein bisschen anders aus. Um bei dem Lasix-Beispiel zu bleiben: Wenn man sich z. B. sicher ist, dass es sich um ein Lungenödem handelt, eine Hypovolämie klinisch unwahrscheinlich ist usw., dann könnte man das vielleicht riskieren. Doch was ist z. B. mit dem Kalium? Mal angenommen, der Pat. hat schon eine diuretikainduzierte Hypokaliämie und man verschlimmert diese durch das Lasix noch weiter, so dass Rhythmusstörungen auftreten. Hinterher wird dann gesagt: "Die Hypokaliämie hätte man zuvor ausschließen müssen. Der AiP wusste nicht, was er tut.". Tja, dumm gelaufen.

Ich denke, in einer solchen Situation sollte man sich "ganz korrekt" als AiP ausgeben. Alle RD-Mitarbeiter wissen, was das ist. Dann weiß das Gegenüber die Situation einfach besser einzuschätzen. Wenn irgendwo nach einem Arzt gerufen wird, muss man sich schon melden, denke ich! Wenn dann auch ein voll approbierter Kollege auftaucht, kann man diesem ja das Feld überlassen bzw. ihn bei der Notfallbehandlung unterstützen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist wohl, dass man eine gute Haftplichtversicherung hat, die auch diese Fälle mit abdeckt. Wenn man dann wegen einer solchen Situation tatsächlich einmal belangt werden sollte, hat man neben dem Ärger wenigstens nicht auch noch den finanziellen Schaden.

Im Internet habe ich noch ein ganz interessantes PDF-File der Rechtsmedizin in Rostock gefunden:
http://www.uni-rostock.de/fakult/medfak/remed/download/gk9.pdf
Eine konkrete Antwort auf Deine Frage wird dort auch nicht gegeben, aber dieses Themengebiet wird zumindest angerissen (z. B. die ärztliche Hilfsplicht auf S. 15 und das Übernahmeverschulden des AiP auf S. 8).

biba
25.06.2003, 19:41
Mal konkreter:

Ja, Du bist verpflichtet zu helfen, und zwar genau so, wie du es gesagt hast.

Fragen, ob ein Notarzt dabei ist, sagen du bist AiP, ob sie Dich brauchen - wenn ja, ist das was du WEIßT und KANNST, besser, als kein Arzt, und wenn es nur um zusätzliche Hände geht.
Wenn die Antwort nein lautet, musst du dich trotzdem kurz vergewissern, ob es sich tatsächlich um eine Bagatellverletzung handelt. Nach Deiner Einschätzung und Deinem Kenntnisstand. Wenn Du der Meinung bist, dass die Sanis nicht alleine klar kommen, du aber überfordert bist, musst DU dafür sorgen, dass ein Notarzt nachgefordert wird.
Als Arzt - auch als AiP - bist Du offiziell nun mal hochrangiger als die Sanis.

Nichts tun, was Du nicht kannst - aber ALLES tun, was Du kannst.

Marcus_M
06.07.2003, 17:02
Hallo,

diese Fragestellung haben wir vor kurzem auf einem Notfall-Seminar im Krankenhaus diskutiert.

Erstmal rein rechtlich zur Verdeutlichung: Als AiP (oder auch Chefarzt) in der Freizeit ist man nicht in der Garantenstellung. Das gilt nur für Ärzte im Dienst. Die Rettungssanitäter dagegen unterliegen der Garantenstellung, weil sie ja offiziell im Einsatz sind.

Meiner Meinung nach ist man in so einer Situation nicht zu mehr Hilfeleistung verpflichtet als ein Laie. Daher werde ich als AiP auch nicht privat irgendwelche Medikamente etc. mit mir durchführen. Wohl aber wäre eine Atemmaske sinnvoll (das aber ja auch für den Laien)

In den Beiträgen wurde etwas von Anweisungen an die Sanis erwähnt. Ich würde mich da sehr zurückhalten.
1. Die Sanis kennen Dich nicht und was ist, wenn die einen Nachweis von dir fordern? Ok, man hat seinen AiP-Ausweis. Der sagt aber noch nichts über die Fähigkeiten des AiP aus.
2. Die Rettungssanis bzw. -assistenten sind gewöhnlich routinierter und erfahrener als der AiP. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die Leute wissen gewöhnlich, was sie tun. Natürlich sollte man seine Hilfe anbieten. Zum Beispiel die Druckmassage übernehmen oder so.
3. Was will man denn machen, wenn die sich bei einer Anweisung weigern?
4. Gut, wenn man sich total sicher ist, kann man ja einen Vorschlag machen. Aber ich denke, ein erfahrener Sani würde das auch erkennen. Und bestimmte Medikationen dürfen die im Notfall auch geben.
5. Wenn man selbst falsch liegt, hat man sich unnöig Schwierigkeiten gemacht. Vielleicht auch wegen des AiP-Status, da man ja nicht unter Aufsicht eines Approbierten gearbeitet hat.

Das heißt, rein rechtlich ist man als helfender AiP immer rechtlich auf der sicheren Seite, solange man nicht tatsächlich unterlassene Hilfeleistung begeht (also z.B. keinen Notruf absetzt und einfach weitergeht). Solange man dann irgendetwas tut (z.B. Reanimation bis zum Eintreffen des Rettungsteams) hat man gute Arbeit geleistet.

gruß, Marcus

DoktorW
06.07.2003, 17:08
Original geschrieben von Marcus_M

Erstmal rein rechtlich zur Verdeutlichung: Als AiP (oder auch Chefarzt) in der Freizeit ist man nicht in der Garantenstellung. Das gilt nur für Ärzte im Dienst. Die Rettungssanitäter dagegen unterliegen der Garantenstellung, weil sie ja offiziell im Einsatz sind.

Wieso unterliegen Ärzte in Ihrer Freizeit nicht der Garantenstellung jedoch Rettungssanitäter (und auch Assistenten ;-) ) schon?

Das kann ich mir nicht vorstellen?!

W

FataMorgana
08.07.2003, 08:24
Original geschrieben von DoktorW
Wieso unterliegen Ärzte in Ihrer Freizeit nicht der Garantenstellung jedoch Rettungssanitäter (und auch Assistenten ;-) ) schon?

Das hat er glaube ich nicht gemeint. Es ging ja um das genannte Beispiel, in dem bereits RS/RA (im Dienst) vor Ort sind und der AiP zufällig privat vorbeikommt. Da scheint es mir tatsächlich so zu sein, wie Marcus geschrieben hat. Ich vermute auch, dass der AiP dann nicht in der Garantenstellung ist. Trotzdem scheint ja der Umfang der Hilfeleistungspflicht von den persönlichen Möglichkeiten und Fähigkeiten abhängig zu sein. Und die sollten bei einem AiP in der Regel doch größer sein als bei einem Laien. Ich denke persönlich, dass auch ein Gericht von einem AiP eine andere Hilfeleistung erwarten würde als von einem anderen Passanten.

Herzstromkurve
23.07.2003, 22:20
1) Garant ist man nur in siner Position, in der man was garantieren muß. Also als diensthabender Notarzt oder als diensthabender RA. Die Garantenstellung beschreibt ja eben gerade eine andere rechtliche Stellung als den RA oder arzt in der Freizeit. In der Garantenstellung gelten ganz andere Anforderungen als privat (man muß privat eben keinen Defi mitschleppen, als diensthabender Notarzt schon...).
2) Das was man kann, kann muß man auch tun. wir haben hier eine ähnliche Situation, wie bei der Notkompetenz der RA. Allerdings eben etwas schärfer: Wenn Du z.B. nach 6 Monaten Anaesthesie-PJ einen Pat fälschlicherweise nicht intubierst und er dadurch Schaden nimmt und jemand das erfährt, der weiß, daß Du exzellent intubieren kannst, hast Du schon ein Problem.
3) Weisungsrecht gegenüber RA: Medizinisch sind die Dir Weisungsgebunden (notfalls mußt Du Dich halt ausweisen). organisatorisch aber nicht. Also z.B kannst Du nicht anweisen, daß die mit Sondersignal fahren sollen, aber sehr wohl, welches Medikament zum Einsatz kommt.
4) Interessant wird es dann, wenn man als AIP ehrenamtlich als RA fährt. Da ist man dann in Garantenstellung :-??? :-??? . Ich habe das damals so gelöst, daß ich nur noch NEF gefahren bin, da hatte ich dann meinen vollaprobierten Kollegen dabei. ;-)

Dr. Tom
25.07.2003, 10:53
also ich denke, ra´s, die braunülen mit sich führen, können die auch legen. ein intubationsset haben die doch eher nicht dabei. insofern muss man eh (wahrscheinlich auch mit dem per. zugang) auf den naw warten. insgesamt würde ich sagen, man muss in jedem fall seine hilfe anbieten, sowohl dem notarzt als auch den ra´s und darf sich auf keinen fall von der polizei davon abhalten lassen. aber sobald die ra´s deine hilfe nicht wollen, ist ein aip´ler in seiner freizeit bestimmt von seiner pflicht entbunden. die autorität, dass du trotzdem anfängst, einem erfahrenen ra befehle zu geben, kann keiner von dir erwarten. es sei denn, du hast wirklich das medizinische wissen. dann musst du aber auch wirklich für alles, was du auch verbockst, gerade stehen. im zweifelsfall sollte man sich lieber nicht überschätzen. wer weiß, wie das mit den haftpflichtversicherungen ausserhalb des arbeitsplatzes aussieht.

Herzstromkurve
25.07.2003, 15:44
1) Also ein Intubationsbesteck ist auch in den meisten nicht arztbesetzten Rettungsmitteln vorhanden, Die Ausstattung hängt nicht von den individuellen Fähigkeiten der RA`s ab.

2) Die Berufshaftpflicht für deinen Hauptjob (meistens durch den AG abgeschlossen) deckt auch "erste Hilfe" ab.

3)Natürlich soll man nur das machen, was man kann, das sollte man dann aber eben auch ohne Angst vor rechtlichen Folgen weil man nur AIP ist.

Rugger
25.07.2003, 17:38
Original geschrieben von Herzstromkurve
4) Interessant wird es dann, wenn man als AIP ehrenamtlich als RA fährt. Da ist man dann in Garantenstellung :-??? :-??? .Ich dachte bislang immer, daß es genau aus diesem Grund nach dem Erhalt der Teilapprobation Sense ist mit (nichtärztlichem) RD?! Zwei Bekannte von mir sind jedenfalls nach Beginn des AiP nicht mehr Rettung gefahren (und durften es auch sowieso nach Weisung der HiOrg nicht mehr, wenn mich nicht alles täuscht).

Rugger

Herzstromkurve
25.07.2003, 18:47
Ja eben deswegen bin ich dann (nacdh Rücksprache) eben nur NEF gefahren, dann bin ich unter Anleitung notärztlich tätig geworden (Landrettung, kannte alle Notärzte seit Jaheren - Zivi, Famulaturen).

Rugger
25.07.2003, 18:54
Original geschrieben von Herzstromkurve
Ja eben deswegen bin ich dann (nach Rücksprache) eben nur NEF gefahren, dann bin ich unter Anleitung notärztlich tätig geworden.Ja, aber letztlich bist Du auch für Deine Funktion als NEF- Fahrer überqualifiziert gewesen, oder?! Immerhin doch wird laut den meisten RDGesetzen das NEF mit einem RS oder RA und einem NA besetzt...

R.

Herzstromkurve
25.07.2003, 19:11
Klar (damals war sogar nur EH-Kurs für den "NEF-Fahrer notwendig"), habe auch nur gelegentlich ausgeholfen, wenn ich mal wieder daheim war und die keine Leute hatten.
War aber nicht schlecht, da die NÄ einen dann nochmehr machen ließen als vorher. :-))