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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ist Innere nur Horror?



Slippengringo
28.02.2012, 18:32
Grüßt euch,
habe vor ein paar Monaten mein Medizinstudium abgeschlossen und bin derzeit auf Stellensuche.
Möchte gerne Innere machen und hab auch alle Bewerbungen in diese Richtung abgeschickt.
Wenn ich hier aber so das Forum lese oder von den Erfahrungen meiner bereits arbeitenden Kollegen höre, stellt sich dieses Fach echt als einziger Horror da. Alte Patienten die man eh kaum heilen kann verbunden mit mega Arbeitsbelastung... Irgendwie total frustrierend...
Gibt es eigentlich auch noch jemanden dem das Spaß und Freude bereitet?
Howdy!

dreamchaser
28.02.2012, 18:34
Nein, es ist kein Horror. Heute mal wieder (wie so oft) keine Überstunden gemacht. Arbeitsbelastung nicht unbedingt höher als in anderen Fächern. Wenn man sich das richtige Haus aussucht, kann Innere sehr viel Spaß machen. Wenn man sich das falsche Haus aussucht, kann jedes Fach extrem ätzend sein.

Feuerblick
28.02.2012, 18:37
Wie war es denn in deinem Innere-Tertial im PJ??

LMD
28.02.2012, 19:53
Arbeite seit nem Monat in der Inneren, aktuell ist es aufgrund von stellenproblemen auch alles ein bisschen heftig, aber ich organsiere mir gerade ganz viele sachen so auf station, dass ich schneller durch komme: einer nimmt blut ab, der andere macht visite ab sieben, nimmt ne schwester als schreibkraft mit. ich stoße zwar immer wieder auf widerstand, aber ich führe ihnen im gegenzug vor augen, wo das ganze auch für sie hinführt, und so langsam wird das. heute bin ich auch ne stunde später gegangen, aber weil ich noch ein langes angehörigengespräch hatte (ablehnen von allen maßnahmen) und noch eine halbe stunde mein gutachten für die besprechung morgen vorbereitet habe. ich denke, innere ist einfach ein fach mit viel organisation und man darf einfach wenig leerlauf aufkommen lassen, sondern straff hintereinander durchziehen, dann funktioniert das alles- auch mit dem pünktlich gehen.

Rico
28.02.2012, 19:58
Wenn ich hier aber so das Forum lese oder von den Erfahrungen meiner bereits arbeitenden Kollegen höre, stellt sich dieses Fach echt als einziger Horror da. Naja, nicht alles glauben, was die Orthopäden so schreiben...

Alte Patienten die man eh kaum heilen kann verbunden mit mega Arbeitsbelastung... Irgendwie total frustrierend...
Gibt es eigentlich auch noch jemanden dem das Spaß und Freude bereitet?"Gesund machen" ist ja das alleine seeligmachende.
Das sind doch irgendewie vorschulartige Vorstellungen vom Arztberuf, aber die Mehrheit der Erkrankungen sind halt doch irgendwie chronische Erkrankungen, bei denen das Ziel halt schlichtweg nicht ist die zu heilen... einen Hypertonus kann man halt nicht heilen (jaja, ich weiß, sekundärer Hypertonus schon...), aber den dann einzustellen muss ja keineswegs unbefriedigend sein, man darf halt nicht mit der Einstellung an die Sache rangehen, dass das jetzt ne definitive Lösung für alle Zeiten ist, sondern eben jetzt das Regime solange es geht und wenn nicht mehr, dann wird eben neu gekuckt.
Ist ja wie beim Friseur, dem ist ja auch klar, dass der schöne Kurzhaarschnitt spätestens in sechs Wochen vom Haarwachstum runiert wird... oder die schöne Hochsteckfrisur nachts um drei vom Bräutigam. Deshalb verzweifelt der ja auch nicht dran und wird Bauarbeiter, weil seine Häuser länger bestand haben.

Deshalb versteh ich erhlich gesagt nicht, wieso chronisch Kranke behandeln jetzt soviel weniger interessant/fordernd/befriedigend sein soll, als z.B. ne Hernie zu operieren.

LMD
28.02.2012, 20:16
Naja, nicht alles glauben, was die Orthopäden so schreiben...
"Gesund machen" ist ja das alleine seeligmachende.
Das sind doch irgendewie vorschulartige Vorstellungen vom Arztberuf, aber die Mehrheit der Erkrankungen sind halt doch irgendwie chronische Erkrankungen, bei denen das Ziel halt schlichtweg nicht ist die zu heilen... einen Hypertonus kann man halt nicht heilen (jaja, ich weiß, sekundärer Hypertonus schon...), aber den dann einzustellen muss ja keineswegs unbefriedigend sein, man darf halt nicht mit der Einstellung an die Sache rangehen, dass das jetzt ne definitive Lösung für alle Zeiten ist, sondern eben jetzt das Regime solange es geht und wenn nicht mehr, dann wird eben neu gekuckt.
Ist ja wie beim Friseur, dem ist ja auch klar, dass der schöne Kurzhaarschnitt spätestens in sechs Wochen vom Haarwachstum runiert wird... oder die schöne Hochsteckfrisur nachts um drei vom Bräutigam. Deshalb verzweifelt der ja auch nicht dran und wird Bauarbeiter, weil seine Häuser länger bestand haben.

Deshalb versteh ich erhlich gesagt nicht, wieso chronisch Kranke behandeln jetzt soviel weniger interessant/fordernd/befriedigend sein soll, als z.B. ne Hernie zu operieren.

Jepp und letztendlich ist es auch einfach den Menschen wieder ein stück lebensqualität geben, wenn sie über magenschmerzen klagen und es stellt sich raus, dass sie ulzera haben, du eradizierst den hp und gibst weiter ppi und sie freuen sich endlich wieder genussvoll essen zu können. oder du kannst ein asthma gut einstellen, ohne das ständig nächtliche anfälle auftreten...

und natürlich gibt es viele chron. erkrankungen, wir heilen weniger als chirurgen, das ist wahr.

Melon_Man
28.02.2012, 20:37
@LMD

Genau :-) Wenn das Ulcus geheilt ist und der Patient wieder so richtig Genussvoll reinhaut können wir Internisten auch wiederum die Folgeerkrankungen der Adipositas behandeln... das ist unser Lebenszyklus :-)

Rico
28.02.2012, 21:58
wenn sie über magenschmerzen klagen und es stellt sich raus, dass sie ulzera haben, du eradizierst den hp und gibst weiter ppiWenn sie Ulzera hatten, dann haben sie nach HP-Eradikation aber KEINE Indikation mehr für eine PPI-Dauertherapie (die gibt's nur bei Reflux oder NSAID-Dauertherapie)... von daher wär der tatsächlich sogar komplett geheilt. :-)

McDreamy
29.02.2012, 13:36
Ich finde ja, dass Innere in der Theorie wirklich ein schönes Fach ist. Allerdings hatte ich bei meinen Famulaturen oft den Eindruck, dass hier das Arzt-Sein immer mehr zum Bürojob mutiert. Da saßen die Assis vor und nach der Visite meist Stunden(!) vorm PC und haben Akten studiert, Entlassungsbriefe geschrieben, Sachen am Tel organisiert, etc. Insgesamt gesehen hatte ich das Gefühl (sogar in der Notaufnahme), dass man verdammt viel mit Lesen, Schreiben und Telefonieren beschäftigt ist und der Patient neben dem Aktenstudium irgendwie nur noch so nebenbei wahrgenommen wird... (nach dem Motto: ach ja, da war doch noch wer)

Bitte korrigiert mich, falls mein Eindruck nicht stimmen sollte! Ich meine das auch alles überhaupt nicht (negativ) wertend. Aber irgendwie hab ich das Gefühl, diese Art der Tätigkeit muss einem schon liegen.

Ich persönlich bin jetzt nicht so das Organisationstalent und wollte eigentlich immer weg von einem Schreibtischjob. Dann bin ich in der Inneren wohl eher nicht so gut aufgehoben, oder?

Miyu
29.02.2012, 18:39
Ich finde ja, dass Innere in der Theorie wirklich ein schönes Fach ist. Allerdings hatte ich bei meinen Famulaturen oft den Eindruck, dass hier das Arzt-Sein immer mehr zum Bürojob mutiert. Da saßen die Assis vor und nach der Visite meist Stunden(!) vorm PC und haben Akten studiert, Entlassungsbriefe geschrieben, Sachen am Tel organisiert, etc. Insgesamt gesehen hatte ich das Gefühl (sogar in der Notaufnahme), dass man verdammt viel mit Lesen, Schreiben und Telefonieren beschäftigt ist und der Patient neben dem Aktenstudium irgendwie nur noch so nebenbei wahrgenommen wird... (nach dem Motto: ach ja, da war doch noch wer)

Wenns dich irgendwie beruhigt: Dass ist definitiv nicht nur in der Inneren so.

WackenDoc
29.02.2012, 19:17
Ach- das kann auch sehr sportlich werden:
Mehrere Stationen im Haus, die im Dienst alle betüddelt werden wollen (vorwiegend am WE), Notaufnahme, Notaufnahmestation plus internistische Notfälle anderer Abteilungen- da sind gute Laufschuhe manchmal schon von Vorteil.
Und glaub blos nicht, dass Stationen ihre Anliegen sammeln und dich dann anrufen. Auch wenn du, bevor du woanders hin gehst, nochmal fragst, ob es noch was gibt, werden die genau dann mit was gaanz dringendem anrufen wenn du dich am anderen Ende der Klinik befindest.

Aber ja- außer in den Funktionsbereichen macht man recht wenig direkt am und mit dem Patienten: Man schaut viel auf die Befunde, spricht mit Kollegen oder OA über den Patienten, manchmal auch mit den Angehörigen, man schreibt/diktiert Briefe, liest Dinge über die entsprechenden Krankheiten. Aber die Zeit, die man direkt mit dem Patienten spricht ist eher begrenzt- und das ist manchmal auch gut so.
So richtig bewusst wird einem sowas wohl am ehesten, wenn man mal selber stationärer Patient ist und den ganzen Tag entweder in Funktionsabereichen unterwegs ist oder einfach nur rumgammelt und wartet, dass das nächste Highlight (Essen, Visite, Besuch) kommt

wjsl
29.02.2012, 20:44
Das nimmt auch jeder anders wahr; ich fand das Innere-Tertial schrecklich, andere fanden es toll. Dafür fanden die Chirurgie oft dann furchtbar, was mir deutlich besser gefiel. Und wenn ich zurückdenke mochte ich Innere im PJ zwar nicht, an der Uni fand ich die Famulaturen aber ganz in Ordnung. Es sind so viele Faktoren, die da reinspielen, dass Pauschalaussagen wohl wirklich schwer zu treffen sind.

Zu dem Problem, dass man mit den eigentlich Betroffenen kaum spricht: Viele können oder wollen das gar nicht. Besprechen es lieber mit Angehörigen, oder sind zu vernünftigen Konversationen gar nicht mehr fähig. Oder müde und unwillig, überhaupt ein Wort zu sagen. Sicher gibt es Ausnahmen, aber die ständige Präsenz des Stationsarztes wird vielleicht gar nicht so sehr gewünscht, wie man sich das manchmal einreden mag. Und Patientengespräche sind auch nicht das, was jeder als seine Lieblingstätigkeit bezeichnen würde; manche mögen es, aber bei weitem nicht alle. Insofern ist auch das nicht nur eine Frage des Fachs.

Herausfinden wird man es nur durch Ausprobieren, notfalls mehrfaches. Für irgendwas muss man sich ja bewerben, und wechseln ist später notfalls noch immer möglich. Wenn es dich interessiert, spricht also nichts dagegen, es einfach mal auszuprobieren.

LMD
01.03.2012, 05:38
Wenn sie Ulzera hatten, dann haben sie nach HP-Eradikation aber KEINE Indikation mehr für eine PPI-Dauertherapie (die gibt's nur bei Reflux oder NSAID-Dauertherapie)... von daher wär der tatsächlich sogar komplett geheilt. :-)
das.trifft leider auf 90% unseres patientengutes zu, aber in der hinsicht denke ich schon gar nicht mehr nach, wie oft erzähle ich das die leute weniger trinken sollen damit siche die fette verbessern... wochen später schlucken die lieber simva als meinen wunschgedanken zu erfüllen, aber wenn man darüber nachdenkt wird man nur depressiv, deswegen halte ich mich da lieber an der illusion der schönen momente...

Picknicker
01.03.2012, 07:28
Innere ist manchmal nicht schön, aber notwendig. Man braucht einfach ne gewisse Basiskenntnis, das hilft einem in jedem Fach weiter. Deshalb: nicht gleich das erstbeste Angebot nehmen, lieber ne größere Klinik (bei der man nicht die Notaufnahme, die Intensiv UND seine Stationen betreuen muss) und bei Nichtgefallen/Megastress sofortiger Abflug.

Alvorada
01.03.2012, 10:29
...und bei Nichtgefallen/Megastress sofortiger Abflug.
Genau... ich habe bei meinen Innere-Famulaturen (insgesamt 3) und dem Innere-Tertial ausnahmslos miese Bedingungen gesehen (falsche Versprechungen vom Chef am laufenden Band, >12 Arbeitsstunden pro Tag o.ä., neu auf Intensiv ohne gute OA-Betreuung), wo ich mir genau das gedacht habe: sollte ich jemals in so eine Situation kommen, möchte ich NICHT jahrelang mit der Entscheidung, zu gehen, warten und währenddessen Familie, Partner und Privatleben ins Jenseits befördern. Sondern sobald man merkt, dass man über ein paar Monate hinweg absolut nicht mit dem Stress oder der Arbeitsbelastung oder der Weiterbildung klarkommt, eben einfach zu gehen... Klar ist nicht immer einfach, aber ich habe so viele überarbeitete, völlig unglückliche!, internistische Assistenzärzte kennengelernt, das hat echt geprägt. Ich hoffe, ich kanns durchziehen, sollte ich mal auch in die Situation kommen...

WackenDoc
01.03.2012, 14:12
Mit der Inneren ist das halt auch so eine Sache- die Art der Arbeit muss einem liegen (Ok. da nimmt es sich ja nix mit anderen Fächern). Wenn man nicht gerne organisiert, geistig rumtüftelt und schnell Ergebnisse sehen will, ist man in der Inneren tendenziell im falschen Fach.

Und ja, oft ist es frustran und mühselig, die Patienten sind auch noch oft incompliant und die Angehörigen sollten ne eigene ICD besitzen.
Aber man kann tatsächlich die Lebensqualität von Patienten positiv beeinflussen. Auch mal Leben langfristig retten, je nach dem wo man tätig ist auch präventiv was erreichen.