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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wie sieht der Arbeitsalltag eines Mikrobiologen aus



Dr. Glucosidase
15.03.2012, 20:59
Hallo alle zusammen, meine Frage steht ja schon im Titel. Wie arbeitet es sich so als Mikrobiologe? Wieviel Zeit verbringt ihr im Labor? Wieviel am Telefon? Wieviel könnt ihr forschen an der Uni/in ner nicht-Uni-Klinik/im privaten Labor? Habt ihr echt nur Wochenenddienste, keine Nachtdienste? Wie stehen eure Chancen auf dem Arbeitsmarkt, seit ihr an Großstädte/Ballungsgebiete gebunden oder suchen zunehmend auch "Wald- und Wiesen-" Häuser/Labore angestellte Assistenz-/Fachärzte?

blond
16.03.2012, 20:58
ich konnte es mir nicht verkneifen, sorry:
http://www.rippenspreizer.de/4images/details.php?image_id=15

Ex-PJ
17.03.2012, 13:33
Zitat "oder suchen zunehmend auch "Wald- und Wiesen-" Häuser/Labore angestellte Assistenz-/Fachärzte? "
--> Ja, aber meist Fachärzte für Laboratoriumsmedizin und nur recht selten 'reine' Mikrobiologen.

Praia-do-Forte
17.03.2012, 15:16
Ich lasse Fata Morgana noch den Vortritt....
(als selbst nur MiBi-Mitläufer)

FataMorgana
17.03.2012, 20:34
Ich hab momentan nicht genug Zeit, wirklich mal aus dem Nähkästchen zu plaudern. Bist Du ein Langschläfer? Das wäre nicht so gut für die Mikrobiologie. Mit frühem Arbeitsbeginn muss gerechnet werden (teilweise mit Chirurgie vergleichbar).

Praia-do-Forte
17.03.2012, 20:48
Hehe, bei uns beginnen die MiBis um 8.30 oder 9.00 Uhr.
Kommt also darauf an wo man landet....

Was die Beschäftigung im Labor bzw. am Telefon angeht würde ich schätzen:
so etwa 3 - 4 Stunden im Labor, etwa 1 Stunde am Telefon (pro Tag und zusammengerechnet natürlich)

FataMorgana
18.03.2012, 08:29
Wir haben ein Schichtsystem und fangen zwischen 7 und 12 an. Ich führe durchschnittlich ca. 40 Telefonate pro Tag, das ergibt auf jeden Fall mehr als 1 h. Labor im Schnitt geschätzt 2-3 h pro Tag. Nicht zu unterschätzen ist auch die Arbeit am PC (Validation u. a.). Zeit für Forschung = 0.

Praia-do-Forte
18.03.2012, 09:18
Bei uns verteilen sich die Telefonate auf mehr Leute als auf die "reinen" MiBis (inkl. mir), daher nicht ganz so extrem.

Richtig, PC-Tätigkeit ist groß, hauptsächlich Validation, aber auch Literaturrecherche, Vorbereitung für Vorträge, Ausarbeitung neuer Verfahren etc.

bipolarbär
18.03.2012, 09:23
Praia-do-Forte, bist du an einer Uni angestellt? Gibt es überhaupt irgendwo die möglichkeit in diesem gebiet neben der diagnostik zu forschen, wenn ja, an welchen schwerpunkten?

Und wenn ihr mal zeit habt, könnt ihr so einen arbeitstag von euch beschreiben bzw. mal den fazit ziehen ob es sich gelohnt hat, das stethoskop abzugeben und "nur" noch "theoretisch" zu arbeiten? Was würdet ihr als interessant bei eurer arbeit beschreiben, was eher als störend?

Dr. Glucosidase
18.03.2012, 19:45
Richtig, PC-Tätigkeit ist groß, hauptsächlich Validation, aber auch Literaturrecherche, Vorbereitung für Vorträge, Ausarbeitung neuer Verfahren etc.

Das wäre ja schon mal mehr "Forschung" als ich momentan hab ;-) Bist du an ner Uni oder ner größeren Klinik?

Praia-do-Forte
19.03.2012, 08:01
Weder noch ;-)
Ein MVZ für Labormedizin.....

Man kann im Prinzip bei uns auch noch nebenbei ein bißchen forschen, wobei natürlich der Hintergrund gegeben sein muss, dass das Ergebnis Verbesserungen für das eigene Labor einbringt ;-)
Das heißt, Grundlagenforschung ist da eher nicht dabei. Das Ganze wird natürlich durch die Faktoren "vorhandene Ressourcen" und "Geld" begrenzt.... :-)

FataMorgana
20.03.2012, 01:46
Und wenn ihr mal zeit habt, könnt ihr so einen arbeitstag von euch beschreiben

Also, mein Arbeitstag kann sehr unterschiedlich aussehen (bin in einer mikrobiologischen Abteilung, auch MVZ, also quasi Privatlabor).

In unserer Abteilung arbeiten derzeit 9 Akademiker, davon 7 Ärzte und 2 Biologen. Reihum macht immer einer pro Woche Frühdienst, d. h. ab 7 h Ablesen von Varia-Proben aus Krankenhäusern. Einer macht Spätdienst, d. h. ab 12 h den "Libero" spielen, bis die komplette tägliche Routinearbeit erledigt ist (derzeit meist ca. 20-21 h). Die anderen arbeiten "normal", d. h. beginnen zwischen 8 und 9 h.

Hauptaufgaben: Validieren (Befunde am PC freigeben), Mikroskopieren (v. a. Blutkulturen, einige IFTs), Ablesen (s. o.), Telefonieren (Gespräche mit Fragen der Einsender entgegennehmen, Blutkulturbefunde übermitteln), Meldungen nach IfSG machen, Besprechungen mit Kollegen (da gehr durchaus auch eine ganze Menge Zeit rein) und - ganz wichtig - dafür sorgen, dass der Laden läuft.


bzw. mal den fazit ziehen ob es sich gelohnt hat, das stethoskop abzugeben und "nur" noch "theoretisch" zu arbeiten?

Ja, hat sich meiner Meinung nach gelohnt. Ich liebe die Mikrobiologie und möchte sie auf gar keinen Fall mehr missen.


Was würdet ihr als interessant bei eurer arbeit beschreiben, was eher als störend?

Interessant ist es z. B., neue Methoden im Labor zu etablieren. Oder aber einfach die ganzen spannenden Fälle zu sehen. Unsere Abteilung ist so groß, dass eigentlich nie Langeweile aufkommt. Die interessanten Fälle kommen nur so dahergeschwommen, man muss im Prinzip nur ein kleines Netz aufspannen, dann hat man einen gefangen. Störend ist der doch sehr hohe Arbeitsanfall, der einem nur wenige Freiräume lässt - z. B. für Forschung, wenn man diese gerne betreiben möchte.

bipolarbär
21.03.2012, 08:10
Umfasst "validieren" und "ablesen" auch Differentialdiagnostik?

Praia-do-Forte
21.03.2012, 10:29
Wie meinst Du das, "umfasst Differentialdiagnostik"?
Beim Ablesen sitzt Du z.B. neben den MTAs. Die zeigen Dir die Platten, ob was gewachsen ist oder nicht, Du schaust auf den Überweisungsschein nach (hoffentlich vorhandenen) klinischen Angaben, versuchst zu erkennen welches Bakterium hinter etwaigen Kolonien steckt, vergleichst mit dem mikroskopischen Präparat, ordnest z.B. Subkulturen oder spezielle Resistenztestungen an, schaust was MaldiTof oder Vitek ausgespuckt haben, rufst vielleicht den Einsender an und besprichst was Du gesehen hast, empfiehlst vielleicht eine Antibiose etc. etc...
Beim Validieren sitzt Du am PC und gibst die Teil- oder Endbefunde frei, schaust ob das alles zusammenpasst und ob alles wie üblich durchgeführt wurde bevor du Deine (digitale) Unterschrift druntersetzt.

bipolarbär
21.03.2012, 13:42
Wie meinst Du das, "umfasst Differentialdiagnostik"?
... "versuchst zu erkennen welches Bakterium hinter etwaigen Kolonien steckt, vergleichst mit dem mikroskopischen Präparat, ordnest z.B. Subkulturen oder spezielle Resistenztestungen an, schaust was MaldiTof oder Vitek ausgespuckt haben" ... "empfiehlst vielleicht eine Antibiose"

Das was ich rauszitiert habe würde ich z.B. als Differentialdiagnose mit Therapiemempfehlung sehen. Das Validieren hört sich dagegen etwas langweilig an. Ich hab mal mit einer Mitpraktikanten gequatscht die MTA war und sich ein wenig über die geistigen Anforderungen für Laboratoriumsmediziner lustig gemacht hat, die angeblich den ganzen Tag nur lesen und auf "ok" drücken müssen.

FataMorgana
22.03.2012, 04:40
Das was ich rauszitiert habe würde ich z.B. als Differentialdiagnose mit Therapiemempfehlung sehen. Das Validieren hört sich dagegen etwas langweilig an.

Das kann man so und so sehen und auch betreiben. Es ist nun mal das Tagesgeschäft, da kommt man nicht drumrum. Sonst ist man sowohl in der Mikrobio als auch in der Labormed falsch.


Ich hab mal mit einer Mitpraktikanten gequatscht die MTA war und sich ein wenig über die geistigen Anforderungen für Laboratoriumsmediziner lustig gemacht hat, die angeblich den ganzen Tag nur lesen und auf "ok" drücken müssen.

Hat die Gute evtl. geistig und körperlich verwechselt? Wenn nicht, spricht das nicht gerade für ihren geistigen Horizont.

fom11
03.04.2012, 17:24
Also, mein Arbeitstag kann sehr unterschiedlich aussehen (bin in einer mikrobiologischen Abteilung, auch MVZ, also quasi Privatlabor).

In unserer Abteilung arbeiten derzeit 9 Akademiker, davon 7 Ärzte und 2 Biologen. Reihum macht immer einer pro Woche Frühdienst, d. h. ab 7 h Ablesen von Varia-Proben aus Krankenhäusern. Einer macht Spätdienst, d. h. ab 12 h den "Libero" spielen, bis die komplette tägliche Routinearbeit erledigt ist (derzeit meist ca. 20-21 h). Die anderen arbeiten "normal", d. h. beginnen zwischen 8 und 9 h.

Hauptaufgaben: Validieren (Befunde am PC freigeben), Mikroskopieren (v. a. Blutkulturen, einige IFTs), Ablesen (s. o.), Telefonieren (Gespräche mit Fragen der Einsender entgegennehmen, Blutkulturbefunde übermitteln), Meldungen nach IfSG machen, Besprechungen mit Kollegen (da gehr durchaus auch eine ganze Menge Zeit rein) und - ganz wichtig - dafür sorgen, dass der Laden läuft.



Ja, hat sich meiner Meinung nach gelohnt. Ich liebe die Mikrobiologie und möchte sie auf gar keinen Fall mehr missen.



Interessant ist es z. B., neue Methoden im Labor zu etablieren. Oder aber einfach die ganzen spannenden Fälle zu sehen. Unsere Abteilung ist so groß, dass eigentlich nie Langeweile aufkommt. Die interessanten Fälle kommen nur so dahergeschwommen, man muss im Prinzip nur ein kleines Netz aufspannen, dann hat man einen gefangen. Störend ist der doch sehr hohe Arbeitsanfall, der einem nur wenige Freiräume lässt - z. B. für Forschung, wenn man diese gerne betreiben möchte.

Was meinst du mit "spannenden Fällen"?
Und noch eine Frage: wie unterscheidet sich der Arbeitsalltag eines Mikrobiologen vom Arbeitsalltag eines Laborarztes?
Wenn ich die Weiterbildungsordnung der beiden Fachrichtungen lese dann ist es alles das gleiche.
Gibt's denn großen Unterschied zwischen einem Laborarzt und einem Mikrobiologen?

Praia-do-Forte
07.04.2012, 20:32
Also.
Du hast im Alltag in den Fächern doch grob gesehen mit verschiedenen Dingen zu tun.
Bei uns z.B. ist es so:
Die Laborärzte machen: Klinische Chemie, Häma, Infektionsserologie, Autoimmundiagnostik, Allergologie etc.
Die MiBis machen: Bak incl. TB-Labor
Überschneidungen gibt´s in der PCR-Abteilung.
Klar gibt es innerhalb der klinischen Fälle viele Überschneidungen, was das auch spannend macht. Wo man sich zusammen hinsetzt und sagt: So, bei der Pat. hab ich dies und das in den bakteriologischen Proben, was habt ihr in der Infektionsserologie? Aha, und was habt ihr anderen in der Häma/Chemie passend dazu? Brauchen wir noch PCR?
Oder so.
Spannende Fälle hat man immer wieder.
Z.B. Unklare Hepatopathie, bei der letztendlich: Chemie, Autoimmundiag, Infektionsserologie, PCR und BAK bemüht wurden.
(Anamnestisch war nix wegweisendes herauszufinden; Pat. sehr jung).

Hartie
02.06.2013, 13:05
Ich grabe den Thread mal aus, da ich mich auch für die Mikrobiologie interessiere. Zum einen würde mich die Stellenlage interessieren. Es handelt sich ja eher um ein "Nischenfach". Kommt man zur Zeit trotzdem gut an Assistenzarztstellen? Ausgeschrieben sind ja nicht besonders viele... . Außerdem würde mich die Bezahlung interessieren, und zwar ob man im Normalfall tasächlich nach TV-Ä bezahlt wird, oder ob man öfter als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt wird (auf mehreren Institutshomepages werden die Assis nämlich nicht unter "Assistenzärzte" sondern eben unter "wissenschenschaftliche Mitarbeiter" vorgestellt.