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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vorgehen bei hypertoner Dehydratation bei Kindern



FruitFly
27.03.2012, 11:08
Ein scheinbar banales Thema. Bin grad seit zwei Monaten an einer neuen Klinik (zweite Stelle) und auch hier machts irgendwie jeder so wie er meint. Und ich würd das doch so gern verstehen. ;-)

Daher mal bitte Eure Meinung: Ein Kind mit hypertoner Dehydratation und ausgeprägter Exsikkose bei ansonsten normwertigen Elektrolyten, normwertiger Glucose und fehlender metabolischer Azidose. Wie würdet ihr hier die i.v.-Rehydrierung fahren? Wann BGA-Kontrollen?

Irgendwie verwirrt mich das grad alles...

Besten Dank für Eure Hilfe!

Ersa
27.03.2012, 17:48
Wie jetzt, hyperton oder normwertige Elektrolyte? Therapieregime und Kontrollen hängen primär vom Ausmaß der Elektrolytentgleisung an.

wjsl
27.03.2012, 22:58
Hier ist erstmal eine Übersicht:
http://www.rch.org.au/clinicalguide/cpg.cfm?doc_id=5203

Allerdings soll laut AMWF Leitlinien immer zuerst die orale Rehydratation versucht werden, bevor i.v. begonnen wird. Prinzipiell enthält isotone Kochsalzlösung mehr Natrium als das Plasma, weshalb man zumindest bei Erwachsenen eher Vollelektrolyte gibt, auch um eine hyperchlorämische Azidose zu vermeiden. Da die auch bei einem exsikkierten Kind sicher nicht förderlich wäre, verzichtet man wohl darauf(sofern die Ursache nicht starkes Erbrechen wäre, aber dann wäre es auch nicht hyperton).

Ob und wie viel Glukose nötig ist, ist auch eine kritische Frage; umso mehr, je kleiner das Kind ist. Zumindest bei Kindernarkosen habe ich es schon gesehen, dass bei den ganz Kleinen teilweise nur der Zugang offen gehalten und das benötigte Volumen in Form von Boli gegeben wurde.

Sicher wäre Glukose effektive Zufuhr von freiem Wasser, da sie abgebaut wird, allerdings kann das auch schnell zum Hirnödem führen. Generell sind starke und schnelle Änderungen nach oben oder unten bei den meisten Elektrolyten fast kritischer als entgleiste Werte. Wie oft man BGAs braucht ist auch davon abhängig, um wie viel man wie schnell senken oder steigern will. Bei kritischen Ausgleichen waren es bei uns auf Intensiv meist um die 2-3 pro Stunde, aber so was war sehr selten.

Besonders für Kinder ist eine Pauschalaussage wohl noch schwerer zu treffen, weil sich das je nach Alter stark unterscheidet. Sofern die Exsikkose so weit ist, dass eine i.v.Rehydratation notwendig ist, würde ich in jedem Fall einen Facharzt hinzuziehen.

Evil
28.03.2012, 06:30
Sag mal, wjsl, willst Du uns hier für dumm verkaufen? Was soll denn die Threaderstellerin mit Aussagen wie "da würde ich einen Facharzt hinzuziehen", wenn sie als Anfängerin in einer Klinik unter Anleitung eines Oberarztes arbeitet?
Und auch das Hereinkopieren von Lehrbuchtexten in diesen Thread war nicht gewünscht, sondern die persönliche Vorgehensweise und die Erfahrungen von Assistenten, die in der Pädiatrie mit solchen Dingen beschäftigt sind. Und damit bist Du eindeutig nicht angesprochen, Deine Äußerungen grenzen an Spam.

McBeal
28.03.2012, 08:51
Ich schließe mich Ersas Fragen an: Die Elyte können ja nicht normwertig sein. Über welchen BE-Bereich sprechen wir hier? Bei uns würde z.B. bei -10 und weniger gepuffert.
"Normale" Exsikkosen werden prinzipiell erstmal mit NaCl/Glc 5%-Infusionen (also Halbelektrolyten) behandelt, je nach Höhe der Elyte könnte es da aber auch anders aussehen. Also - mehr Infos wären wünschenswert. :-)

LG
Ally

THawk
28.03.2012, 09:49
Bzgl. normale Elyte und hypertoner Dehydration würde ich dich auch bitten näher zu definieren.
Wir haben keine feststehende Prozedur für den Umgang mit der Dehydration. Gepuffert wird bei uns sehr zurückhaltend, ich würde primär immer erstmal das zu Grunde liegende Volumendefizit beheben, dann ist in vielen Fällen imho keine Pufferung notwendig.
Wenn du von ausgeprägter Exsikkose (i.S. > 10% Gewichtsverlust?) redest wäre meine Initialtherapie bis 20 ml/kg in der ersten Stunde NaCl 0,9%. Nach erfolgreicher Urinausscheidung Umstellung z.B. auf Halbelektrolyt mit Glukose und geringerer Laufrate, bei ausgeprägter Hypernatriämie weiterhin Vollelektrolyte um Na langsam zu senken (max. 0,5mmol/l/h). Astrup-Kontrolle je nach initialem Ausmaß der Hypernatriämie, Verlauf und wie sich die Entwicklung initial zeigt. Zwischen 1h und 4h vielleicht.
In den meisten Fällen mit weniger als 10% Gewichtsverlust bevorzuge ich die orale Rehydrierung mittels Magensonde.

zur Evidenz a.e. http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/068-003_S1_Akute_infektioese_Gastroenteritis_04-2008_04-2013.pdf

wjsl
01.04.2012, 21:09
Ich habe keine Lehrbuchtexte hineinkopiert. Und im Anästhesietertial mehrfach mit solche Fällen zu tun gehabt und von einem Oberarzt diesbezüglich auch viel vermittelt bekommen. Außerdem wollte ich darauf hinweisen, dass Äußerungen in einem Forum eben nie verbindlich aufgefasst werden sollten, vor allem da, wie die anderen schreiben, auch zu wenige Informationen zum speziellen Fall vorhanden sind. Aber natürlich ist jeder Satz, der nicht von einem Pädiatrieassistenten stammt automatisch wertlos.

Wertlos sind allerdings auch diese ständigen Anfeindungen in diesem Forum. Sicherlich findet man das im Netz an vielen Stellen, aber hier ist es teilweise schon sehr extrem.

So viel dazu. Ich schlage vor, zum Thema zurückzukehren.

THawk
01.04.2012, 22:09
Allerdings soll laut AMWF Leitlinien immer zuerst die orale Rehydratation versucht werden, bevor i.v. begonnen wird. Prinzipiell enthält isotone Kochsalzlösung mehr Natrium als das Plasma, weshalb man zumindest bei Erwachsenen eher Vollelektrolyte gibt, auch um eine hyperchlorämische Azidose zu vermeiden. Da die auch bei einem exsikkierten Kind sicher nicht förderlich wäre, verzichtet man wohl darauf(sofern die Ursache nicht starkes Erbrechen wäre, aber dann wäre es auch nicht hyperton).

Um mal mehr ins fachliche zu gehen: Das ist falsch. Die AWMF-Leitlinie führt mehrere Indikationen auf, in denen definitiv ab Beginn eine intravenöse Rehydrierung empfohlen wird. Siehe das verlinkte Dokument.


Ob und wie viel Glukose nötig ist, ist auch eine kritische Frage; umso mehr, je kleiner das Kind ist. Zumindest bei Kindernarkosen habe ich es schon gesehen, dass bei den ganz Kleinen teilweise nur der Zugang offen gehalten und das benötigte Volumen in Form von Boli gegeben wurde.
Die Glukosemenge würde ich im Zweifelsfall an der Menge Kohlenhydrate / kg KG / d alterabhängig wie bei der vollparenteralen Ernährung orientieren. Damit ist es imho weniger kritisch; passt meist aber ungefähr mit unseren glukosehaltigen Standardlösungen. Kindernarkose ist mit einer hypertonen Dehydration auf Normalstation / ITS m.E. nicht zu vergleichen. Und die baldige Realimentation nicht vergessen, dann mag sich viele schon ganz automatisch geben.



Sicher wäre Glukose effektive Zufuhr von freiem Wasser, da sie abgebaut wird, allerdings kann das auch schnell zum Hirnödem führen. Generell sind starke und schnelle Änderungen nach oben oder unten bei den meisten Elektrolyten fast kritischer als entgleiste Werte. Wie oft man BGAs braucht ist auch davon abhängig, um wie viel man wie schnell senken oder steigern will. Bei kritischen Ausgleichen waren es bei uns auf Intensiv meist um die 2-3 pro Stunde, aber so was war sehr selten.

Besonders für Kinder ist eine Pauschalaussage wohl noch schwerer zu treffen, weil sich das je nach Alter stark unterscheidet. Sofern die Exsikkose so weit ist, dass eine i.v.Rehydratation notwendig ist, würde ich in jedem Fall einen Facharzt hinzuziehen.

wjsl
01.04.2012, 23:50
Danke für die Info; vermutlich war die Formulierung in den Leitlinien etwas missverständlich:

"Liegt bereits eine Dehydration vor, sollte innerhalb von 3 - 4
Stunden rehydriert und anschließend wieder Nahrung gegeben werden. Laufende Verluste durch
Erbrechen und Durchfall während der Realimentation sind durch ORL zwischen den Mahlzeiten zu
ersetzen (z.B. 50 - 100 ml pro Erbrechen oder wässrigem Stuhl)
Liegt keine Dehydration vor, müssen die laufenden Verluste ersetzt werden, die Nahrungszufuhr muss
nicht unterbrochen werden. Etwa 95% der Säuglinge und Kinder mit leichter bis mäßiggradiger
Dehydration können oral erfolgreich rehydriert werden, entweder zu Hause oder unter ärztlicher
Aufsicht (ambulant in Praxis, Nothilfe oder stationär). Bei schwerer Dehydration mit
Bewusstseinstrübung und Kreislaufschock ist eine initiale orale oder enterale Rehydrierung
kontraindiziert. Diese wenigen, sehr schwer erkrankten Patienten müssen individuell
intensivmedizinisch behandelt werden.
Grundsätzlich ist eine engmaschige klinische Verlaufsbeobachtung notwendig."

Nur weil die meisten oral rehydriert werden können, muss das tatsächlich nicht automatisch bedeuten, dass es die Therapie der Wahl ist. Außerdem ist die Leitlinie auch nicht S3.

Brutus
07.04.2012, 13:46
Allerdings soll laut AMWF Leitlinien immer zuerst die orale Rehydratation versucht werden, bevor i.v. begonnen wird.
Das wäre mir neu! Zumindest den IMPP-Geschädigten sollte ein "immer" irgendwie zu denken geben. Wenn ich alleine an die ganzen Py's denke... die wurde ALLE iv ausgeglichen.


Ob und wie viel Glukose nötig ist, ist auch eine kritische Frage; umso mehr, je kleiner das Kind ist. Zumindest bei Kindernarkosen habe ich es schon gesehen, dass bei den ganz Kleinen teilweise nur der Zugang offen gehalten und das benötigte Volumen in Form von Boli gegeben wurde.
WER macht denn sowas? Da gibt es eine wunderschöne Empfehlung des Arbeitskreises Kinderanästhesie: Link! (http://www.ak-kinderanaesthesie.de/files/2006_10_A&I_Infusionstherapie.pdf)
Erhaltungsbedarf nach der 4-2-1 Regel, Boli nur für präoperatives Defizit und für Korrekturbedarf und (Blut-) Verluste. Bei den ganz Kleinen lief daher IMMER ein Perfusor mit der Erhaltungsdosis mit, die hielt auch den Zugang offen. Die Boli wurden dann bei Bedarf über den 3-Wege-Hahn appliziert.


Tab. 2: Perioperativer Flüssigkeitsbedarf bei Kindern.

Teilmenge Volumen Infusionslösung
Präoperatives Defizit Erhaltungsbedarf x Nüchternzeit (h) VELG*1, VEL*2

Erhaltungsbedarf 4 ml/kg/h (0-10 kg) VELG*1, VEL*2
2 ml/kg/h (10-20 kg)
1 ml/kg/h (20-30 kg)
Korrekturbedarf 2-4-6-10-30 ml/kg/h VEL*2,(VELG*1)

Blutverlust nach Bedarf VEL2
HÄS, Gelatine
Blutprodukte

*1 Vollelektrolytlösung mit 1-2% Glukosezusatz
*2 Vollelektrolytlösung (z.B. Ringeracetat oder Ringerlaktat).


Sicher wäre Glukose effektive Zufuhr von freiem Wasser, da sie abgebaut wird, allerdings kann das auch schnell zum Hirnödem führen. Generell sind starke und schnelle Änderungen nach oben oder unten bei den meisten Elektrolyten fast kritischer als entgleiste Werte. Wie oft man BGAs braucht ist auch davon abhängig, um wie viel man wie schnell senken oder steigern will. Bei kritischen Ausgleichen waren es bei uns auf Intensiv meist um die 2-3 pro Stunde, aber so was war sehr selten.
Und genau deshalb wird ja keine G5%-Lösung benutzt! Die wäre nämlich letztendlich freies Wasser. Man nimmt stattdessen eine VEL und setzt 1-2% Glukose zu. Mit so einer Mischung kannste endlos lange Narkosen fahren, ohne dass die Kinder in eine Hypoglykämie rutschen oder ausdörren.
Wir haben im OP in der Regel stündlich BGA gemacht. Wenn es etwas auszugleichen gab, brauchste bei den geringen Volumina ja auch einiges an Zeit, so dass 1h / 1 BGA auch wieder passt. Bei großen Verlusten (Blut, etc.) halt noch einmal zwischendurch...


Besonders für Kinder ist eine Pauschalaussage wohl noch schwerer zu treffen, weil sich das je nach Alter stark unterscheidet. Sofern die Exsikkose so weit ist, dass eine i.v.Rehydratation notwendig ist, würde ich in jedem Fall einen Facharzt hinzuziehen.
So! Und jetzt kommt das Problem! ICH BIN DER FACHARZT! Und ich stehe zur Not ganz ALLEINE im OP mit dem lütten Frühgeborenen / Säugling / Kind. Wen soll ich denn anrufen? Wer will mein Telefonjoker sein?
Eben dafür gibt es die 4-2-1 Regel! Die ist altersunabhängig, brauchen tust Du nur das Gewicht! Und das steht zur Not auf dem Narkoseprotokoll. Und die Regel ist ganz einfach: für die ersten 10kg rechnest Du 4ml/kgKG, für die nächsten 10kg kommen auf die 40ml noch mal 2ml/kgKG drauf, und für jedes kg über 20kg noch einmal 1ml/kgKG dazuaddieren! Damit hast Du die Erhaltungsbedarfsdosis pro Stunde. -> Perfusor anstellen und gut ist...
Als Nüchternzeit noch mal pro Stunde Nüchternheit die Erhaltungsdosis als Bolus und die OP kann starten!

Und was im OP gut ist, kann auf der ITS nicht schlecht sein. Da muss man dann halt nur noch gucken, dass man die iv- und orale Gabe gegenrechnet. Nicht dass die Kinder alle "dick" werden... :-))

FruitFly
20.04.2012, 13:53
Eine zugegebener Maßen sehr verspätete Antwort. Jedenfalls eine sehr rege Diskussion, die man mit einer vermeitlich simplen Frage lostritt. Wobei: So simpel scheints dann ja doch nicht zu sein.

Also: Ich wollte mit der Aussage "ansonsten normwertige E'lyte" das Ganze ein wenig vereinfachen; sprich: lediglich hypernatriämisch, sonst keine E'lyt-Störungen.

Um also auf die Ursprungsfrage zurückzukommen: Bei hypertoner Dehydratation erstmal nur eine NaCl 0,9% (z.B. über 1 oder ggf. 2 Std. als Bolus), soweit klar. In der Checkliste ist dann z.B. von Drittellösungen als i.v.-Therapie die Rede. Alles irgendwie nicht so praxisnah, ich habe das jedenfalls noch nirgendwo als Anordnung gesehen. Ihr würdet also bei milder Hypernatriämie nach NaCl-Gabe und nach Beginn der Urinproduktion ggf. wieder auf eine Halbelektrolytlsg. mit 5% Glc umschwenken?

McBeal
20.04.2012, 14:11
Lol, Brutus, ich habe mich gerade mehrmals am Kopf gekratzt, wie Du auf die komischen 4ml/kg bei <10kg KG kommst, weil mir das völlig unbekannt war... bis ich dann gecheckt habe, dass Du pro Stunde rechnest und ich mit 100 pro Tag. :-D

LG
Ally

Brutus
21.04.2012, 17:32
:-)) Gerade erst gelesen! Ich rechne doch nicht auf den Tag hoch. :-))
Sooo lange will ich doch gar nicht im OP verschollen sein! Außerdem können meine Perfusoren im OP maximal 99ml/h. Da kannst Du mit den Infusomaten ja ganz andere Hausnummern erzielen! :-))
Ich bin doch froh, wenn ich die ganz Kleinen wieder bei Euch abgeben kann... :-)