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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Plötzlicher Herztod



crossie
20.05.2012, 17:48
Hallo zusammen,

ich beschäftige mich grad interessehalber mit o. g. Thema. Dabei ist mir jetzt an verschiedenen Stellen die Aussage begegnet, dass etwa 10-15% der Fälle junge Menschen betrifft (was je nach Quelle bis zu 20.000 p.a. in Deutschland sind), die vorher keinerlei Anzeichen eines cardialen Problems gezeigt haben.
Wenn ich das richtig verstanden habe, ist es aber eher so, dass die in der Regel schon irgendeine path. Veränderung am Herzen hatten, die aber bisher nicht diagnostiziert worden war. D.h. wenn man bei den betreffenden vorher mal eine Basisuntersuchung (Ruhe-EKG, Auskultation) gemacht hätte, hätte man schon was gesehen? Und vermutlich haben die Betreffenden auch vorher schon irgendwelche Bescherden gezeigt (Tachykardie, Atemnot unter Belastung, usw.), die aber nicht registriert?

Sehe ich das richtig?

dantheg
20.05.2012, 19:18
Sehe ich das richtig?

Ja, vermutlich könnte man bei ein Paar von diesen Leuten schon vor einem plötzlichen Herztod was erkennen (aber nicht bei allen). Primäre Prävention ist generell schwierig, teuer und in diesem Fall nicht zielführend. Prinzipiell geht es um Leitungsstörungen (etwa Brugada, Long-QT, WPW) und Kardiomyopathien (etwa HOCM, ischämisch) die zu diagnostizieren wären.

Ich beziehe mich hierbei auf die Erwachsenenmedizin, es gibt noch ein Haufen pädiatrischen Fehlbildungen die auch zu einem plötzlichen Herztod führen können aber die manifestieren sich *meist* im Kindesalter.

wjsl
20.05.2012, 21:27
Ich dachte viele von den oben genannten Krankheitsbildern könnte man durchaus auch im normalen EKG sehen, und so selten ist es auch bei Jüngeren nicht, dass das mal geschrieben wird.

Coxy-Baby
20.05.2012, 21:39
Bei wievielen absolut asymptomatischen gesunden Jugendlichen wird denn ein EkG geschrieben?

Eilika
20.05.2012, 21:44
Also mein EKG war laut Computer "pathologisch". Ich seh das anders ;-)

Viele der oben schon genannten Ursachen des plötzlichen Herztodes machen eben bis zur dann malignen Arrhythmie keinerlei Symptome. Das ist ja das gemeine dran. Und die meisten Patienten sind sicher keine jungen Menschen, sondern eher Arrhythmien im Rahmen einer reduzierten EF bei jedweder (am häufigsten wohl ischämischer) Kardiomyopathie.

WackenDoc
20.05.2012, 21:47
Wenn die Theorie stimmen würde, müssten wir ja einige sonst asymtomatische Patienten mit EKG-Veränderung rausfischen.
Bei uns werden da verhältnismäßig viele Ergometrien (mit vorherigem Ruhe-EKG) bei symptomlosen und sonst gesunden jungen Menschen durchgeführt.
Außer mal ner Belastungshypertonie ist da in der Regel nichts zu finden.

Und ich hab auch einige prä-OP-EKGs für unsere Chirurgen von nicht mehr ganz so gesunden und jungen Patienten befundet- da findet man eher ST-Streckenveränderungen als irgendwas am Rhythmus.

Coxy-Baby
20.05.2012, 21:53
Naja klar sind hauptsächlch alte Leute betroffen, dem TE gings aber um junge Leute und da ist dann ja ne ischämie bzw relevante EF Minderung selten, oder?

Eilika
20.05.2012, 21:57
Das ist da wirklich selten, dann schon eher das oben von dantheg genannte Spektrum.

milz
20.05.2012, 22:26
Myokarditis wurde noch nicht erwähnt.

Wie sieht es eigentlich aus mit PHT bei jungen (Leistungs)Sportlern, die plötzlich tot umfallen? Da gibt es doch bestimmt Untersuchungen zu den Ursachen und ihrer Häufigkeitsverteilung?

Evil
21.05.2012, 07:19
Wenn die Theorie stimmen würde, müssten wir ja einige sonst asymtomatische Patienten mit EKG-Veränderung rausfischen.
Bei uns werden da verhältnismäßig viele Ergometrien (mit vorherigem Ruhe-EKG) bei symptomlosen und sonst gesunden jungen Menschen durchgeführt.
Außer mal ner Belastungshypertonie ist da in der Regel nichts zu finden.
Liegt aber eher daran, daß es so selten ist, die 20.000 Fälle p.a. halte ich für übertrieben. Leitungsstörungen erkennt man in den meisten Fällen eben doch in Belastungsuntersuchungen, nur werden die halt nur in Ausnahmefällen bei jungen Patienten durchgeführt.

Hat jemand mal eine vernünftige Quelle wegen der Häufigkeit?

WackenDoc
21.05.2012, 07:37
Sollte eigentlich auch ein Argument für die Seltenheit sein.
Bei 20.000 Fällen pro Jahr bei jungen, sonst gesunden Meschen, müssten wir ja entweder mehr auffällige Ergometrien haben (so denn man da tatsächlich relevante Veränderungen findet) und/oder regelmäßig Fälle von plötzlichem Herztod haben.

Vielleicht haben ja auch noch die erfahrenen Notärzte persönliche Erfahrungen zu dem Thema.

Brutus
21.05.2012, 08:47
Naja klar sind hauptsächlch alte Leute betroffen, dem TE gings aber um junge Leute und da ist dann ja ne ischämie bzw relevante EF Minderung selten, oder?
Nun ja, ich finde, dass die Häufigkeit schon zunimmt mit den ischämischen Ursachen. Mittlerweile haben wir auch jüngere (wobei man eben jünger mal etwas genauer definieren sollte) Patienten, die mit relevanten Stenosen auffällig wurden im Sinne eines Infarktes. Jüngster war ein Lehrer mit 31 Jahren, der in der Coro eine 85% Stenose der RCX hatte. Und nicht zu vergessen dieser Patient, der mit 35 Jahren nach fulminantem Myocardinfarkt im Rahmen eines RIVA-Komplettverschlusses verstorben ist... (http://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?t=77994)


Sollte eigentlich auch ein Argument für die Seltenheit sein.
Bei 20.000 Fällen pro Jahr bei jungen, sonst gesunden Meschen, müssten wir ja entweder mehr auffällige Ergometrien haben (so denn man da tatsächlich relevante Veränderungen findet) und/oder regelmäßig Fälle von plötzlichem Herztod haben.
Vielleicht haben ja auch noch die erfahrenen Notärzte persönliche Erfahrungen zu dem Thema.
Macht ihr denn so viele Ergos in "Deiner Firma" (ich gehe mal davon aus, dass Du Y-Reisen meinst...).
Ich finde persönlich die Zahl von 20000 auch sehr hoch gegriffen. Gut, manchmal häufen sich die Zeitungsmeldungen, weil mal innerhalb von 2 Wochen 2 Sportler tot umgefallen sind. Aber 20000 ist zu hoch angesetzt. Vor allem, wenn man die Häufigkeit insgesamt mal sieht: 100000-200000/Jahr in Deutschland. Das hieße ja, dass 1/5 der Patienten Junge Menschen wären...
Interessant finde ich folgenden Artikel: Artikel (http://www.thieme.de/local_pdf/fz/kardiologie-u2d_leseprobe.pdf).
Dort sind zwar sehr schön die unterschiedlichen Ursachen des plötzlichen Herztodes aufgelistet, allerdings schweigen sich die Autoren zur Häufigkeit der jugendlichen Herztode aus. Lediglich die Zahl 100000/Jahr in D wird erwähnt, allerdings für ALLE Altersgruppen...

WackenDoc
21.05.2012, 09:06
Oh, ja, bei y-Tours mache wir sehr viele Ergometrien. Ich bin immer wieder überrascht, dass zivile Allgemeinmedizinassistenten da ein wenig Probleme haben, ihre Zahlen voll zubekommen.

Die Fahrradtests an den Zentren für Nachwuchsgewinnung sind da noch nichtmal mit eingerechnet- die radeln zwar auch, aber ohne EKG.
Und zwar muss bei uns inzwischen jeder Laufbahnwechsler, jeder Statuswechsler und jeder der seine Dienstzeit verlängern will, auf´s Ergometer.
An manchen Standorten auch jeder, der ne Auslands-und Tropentauglichkeit will (ansonsten ab 40, Übergewichtige und bei Vorerkrankungen). Und für bestimmte Lehrgänge und für die Borddienstverwendungsfähigkeit ist es auch gefordert.

Dazu kommen dann noch Untersuchungsaufträge von den KWEAs, den Zentren für Nachwuchsgewinnung und der Offizierbewerberprüfzentrale bei Auffälligkeiten in der körperlichen Untersuchung- bei einem großen Teil davon geht es um Hypertonieabklärung.

Edit: Die Vorsorger bekommen auch alle eins.

Und dann natürlich im Rahmen der Abklärung bei Beschwerden, Verlaufskontrollen nach kardialen Erkrankungen etc. (so wie bei "normalen" internistischen Patienten auch.

Im Rahmen meins Praktikums hatten wir tatsächlich auch nen 35-Jährigen mit massivem Vorderwandinfarkt und zwar mit typsicher Symptomatik wie man sie gar nicht mal so häufig sieht. Ging direkt nach erfolglosem PTCA-Versuch in den OP. Ist alles gut gegangen. Gab aber auch keine Rhythmusprobleme während des Einsatzes.

Mein Favorit bei den jungen Sportlern für nen echten plötzlichen Herztod wären tatsächlich Myokarditiden.

Was ich mal interessant fände, wäre die Entwicklung unterkannter Erkrankungen durch den Wegfall der flächendeckenden Musterung. DA wurden ja tatsächlich hin und wieder mal Herzgeräusche, Hypertonus, Hernien etc. gefunden.

Peter_1
21.05.2012, 13:41
Das ganze ist eine Frage der Statistik. Ich postuliere wenn wir eine flächendeckende Vorsorgeergometrie ab dem 20 LJ einführen, dann freuen sich die Katheterlabore. Der pos. präd. Wert einer Ergometrie bei einem beschwerdefreien 20 J. Patienten ohne kard. RF ist wahrsch. vergleichbar mit dem von Tarotkarten (ich übertreibe, sorry). Wir produz. wenn wir Pech haben bei einem Haufen Gesunder falsch positive Befunde, die dann wieder weiter (schlimmstenfalls invasiv) abgeklärt werden, mit mit Sicherheit größerem Gesamtschaden für die Bevölkerung als die 0,00001% wirklich Kranken die wir so erwischen. Bei einem 35j. mit typ. Beschwerden und evtl. noch vorh. RF sieht die Rechnung schon ganz anders aus. Da ist durch den Vortest (Anamnese, RF) die Wahrscheinlichkeit wirklich krank zu sein bei einer pos. Ergo deutlich höher. Ein Ruhe EKG beim beschwerdefreien PAtienten könnte zwar ein Long QT Syndrom, ein WPW usw. möglicherweise frühzeitig detektieren, hier ist es aber viel wichtiger eine gescheite Familienanamnese durchzuführen, bzw. die Bevölkerung zu sensibilisieren, dass Herzerkrankungen/-tod im frühen Lebensalter in der Familiengeschichte ein Grund sind mal nachzuforschen.
Wir Ärzte müssen bei unserer Diagnostik leider immer noch im Einzelfall abwägen was bei welchem PAtienten Sinn macht. Dazu muss uns aber auch das Risiko falsch positiver Untersuchungen geläufig sein. Es gibt immer mal wieder so die Vorstellung von Patienten und auch Ärzten: ach wir checken mal alles so standardmäßig durch (wie beim Auto), Da kann schlimmstenfalls richtiger Blödsinn bei rauskommen!