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Brutus
30.06.2012, 15:41
weil das Barbiturat zu schwer verfügbar ist ...
:D Nette Umschreibung! Tja, wenn das einzige US-Unternehmen, dass diesen Wirkstoff hergestellt hat, der Regierung die Freundschaft kündigt, weil man sich moralisch nicht mehr in der Lage fühlt, das Medikament für Hinrichtungen herzustellen, und außerdem die Kameraden in der EU ihrerseits die Lieferung einstellen, weil sie die Todesstrafe ablehnen, dann muss man sich eben nach Alternativen umsehen.
Die Krankenhäuser hatten eine Zeitlang echt Probleme, weil eben Thiopental doch weit verbreitet war und es peu à peu zu Lieferengpässen kam. Dann hat man sich eben umgestellt und zum Propofol gegriffen. Sollte dies jetzt das "neue" Medikament bei den Hinrichtungen werden, und sich die Hersteller und Drittländer wieder zu einem "Boykjott" aufraffen, dann dürfte es langsam eng werden in der Anästhesie in den USA... :-nix

Eilika
30.06.2012, 16:04
Das Thiopental scheint ja echt knapp zu sein. Wir müssen die Indikation immer gut stellen, wenn wir damit Einleiten wollen. Aber wenn wir es denn nehmen wollen, dann machen wir das auch... Aber dass ich in einem guten Jahr Anä erst zweimal damit eingeleitet habe, zeigt ja doch, dass es nicht mehr sooo weit verbreitet ist. Oder ist das in anderen Häusern anders?

Hellequin
30.06.2012, 16:26
Ich glaube Brutus hat es speziell auf US-Krankenhäuser bezogen, da diese ja dann auch von einem Lieferboykott betroffen sind.

Brutus
30.06.2012, 16:32
^^ Jo, hatter! :-)

Wir haben das Trapanal eigentlich nur bei den Sectiones benutzt. Ansonsten eigentlich nur noch Propofol.
Ich glaube auf der ITS hatten wir EINMAL einen Patienten, der mit Trapanal sediert war... Ansonsten war dort entweder Propofol oder Dormicum angesagt.

Markus-HEX
30.06.2012, 17:05
Das Thiopental scheint ja echt knapp zu sein. Wir müssen die Indikation immer gut stellen, wenn wir damit Einleiten wollen. Aber wenn wir es denn nehmen wollen, dann machen wir das auch... Aber dass ich in einem guten Jahr Anä erst zweimal damit eingeleitet habe, zeigt ja doch, dass es nicht mehr sooo weit verbreitet ist. Oder ist das in anderen Häusern anders?
Eigentlich ist es hier nicht knapp, außerdem preisgünstig.
Wir nutzen es eigentlich auch nur bei sehr wenigen Indikationen (Sojaallergie, RSI...) sonst ist propofol das Standardhypnotikum.

Eilika
30.06.2012, 17:09
Wir nehmen es gelegentlich bei kardial wirklich schlechten Patienten. Dafür nehmen wir sowohl bei Sojaallergie als auch bei RSI Propofol... Fast immer ist eine Sojaallergie eine Allergie gegen Sojaeiweiss, fast nie gegen Sojaöle. Ich hab da irgendwo ein gutes Paper zu, aber ich finde es gerade nicht.

Michael72
30.06.2012, 17:55
Trapanal soll ja jetzt gegen Propofol ausgetauscht werden weil das Barbiturat zu schwer verfügbar ist ...

Macht ja auch Sinn. Es ist viel billiger und dass es schon alleine tödlich sein kann hat die breite Masse zuletzt an M. Jackson gesehen...

Sebastian1
30.06.2012, 18:24
Wir nehmen es gelegentlich bei kardial wirklich schlechten Patienten.
Das erstaunt mich. Früher haben wir dafür Etomidat genommen, das ist bei uns aber aus dem Repertoire geflogen wegen der NNR-Suppression. Wir haben Thiopental zur Verfügung, nehmen es aber eigentlich auch fast ausschliesslich für Notsectiones sowie bei Sojaunverträglichkeit. Aber bei kardial schlechten Patienten aus explizit diesem Grunde Thiopental? Klar, mach ne schön tiefe, schnelle Narkose, aber auch ordentlich Kreislaufdepression, gefühlt eher mehr als Propofol...

Eilika
30.06.2012, 19:17
Keine Ahnung. Wie gesagt, wir nehmen das so gut wie nie und das war noch zu Beginn meiner Anä-Zeit. Vielleicht hab ich da auch was verpeilt...

Evil
01.07.2012, 12:17
Vor 6 Jahren wurde es in meiner damaligen Klinik noch bei Patienten mit zerebralen Krampfleiden bevorzugt eingesetzt, vor allem bei Kindern. Mittlerweile ist die Datenlage da zugunsten von Propofol aber glaube ich besser, oder was meint ihr?

chil-i
01.07.2012, 12:20
Was mich in dem Zusammenhang wirklich gewundert hat, war eine Aussage aus den Medien.
Es solle nun geprüft werden, ob Propofol für Hinrichtungen verwendbar sei...

Meiner Meinung nach stellt sich diese Frage doch überhaupt nicht? Es schaltet das Bewusstsein aus und wirkt kreislauf- und atemdepressiv.

Ich hatte mich übrigens auch gewundert, warum man einen Dreifachcocktail verwendet, insbesondere das Relaxans. "Gründlich" zu sein, ist vielleicht ein Argument, auch wenn sich mir der Sinn davon nicht wirklich erschließt, da es, wie bereits von anderen erwähnt, den Sterbeprozess nicht beschleunigen dürfte. (es sei denn, das Thiopental wirke zu kurz.)
Kennt jemand die üblichen Dosierungen für Hinrichtungen?

Brutus
01.07.2012, 13:51
Tja, das Relaxanz kann man sich am ehesten noch so erklären: wenn das KCl seine Wirkung am Herzen erfüllt hat, und dieses entweder am Flimmern oder bereits asystol ist, und die Wirkung vom Trapanal oder eines anderen Hypnotikums nachlässt, dann könnte ja u.U. das Atemzentrum doch noch einmal anspringen und es zu Schnappatmung kommen. Da fällt es dann wahrscheinlich schwer, den Tod festzustellen. Und da ist es doch "schön", wenn das Muskelrelaxanz hier erforderlichenfalls eingreift und dem Atemzentrum die "Karte" zeigt...
Zu den Standarddosierungen: da in Deutschland die Todesstrafe ja doch seit einigen Monaten nicht mehr fabriziert wird, kann ich keine validen Dosierungen angeben. Jedoch aus meiner Erfahrung sollten bei einem Menschen die Dosierungen für die Induktion einer Allgemeinanästhesie ausreichend sein. Damit hat man ja in der Regel einen muskulären Block von ca. 30-45 Minuten...

Im Übrigen dürfte es reichlich egal sein, welches Hypnotikum man nimmt. Der Grund für das Hypnotikum ist m.E. in erster Linie die "Humanität" des Verfahrens. In den großen US of A muss selbst die Hinrichtung ja möglichst "gnädig" und "human" sein. Deswegen nimmt man das Hypnotikum, um dem Menschen das Bewußtsein zu nehmen und ihm die Relaxierung und das Kammerflimmern zu ersparen. Ob man da jetzt Thiopental, Propofol, Dormicum oder wasauchimmer nimmt, ist relativ wurscht...

Sunflower
01.07.2012, 14:23
Bei uns wird Thiopental gar nicht sooo selten verwendet. Indikationen sind u.a. Epilepsie und (medik.eingestelltes) Restless-Leg-Syndrom.
Hab es jetzt schon ein paar mal genutzt, und obwohl ich vorher über die stärkere Kreislaufdepression als bei Propofol gewarnt wurde, hatte ich gefühlt eher den gegensätztlichen Eindruck.

Ist zwar off-topic aber ich hätte mal eine kurze Frage zu der erwähnten Soja-Allergie und Propofol/Thiopental. Ich hatte letzten den Fall, dass eine Patientin eine Erdnussallergie hatte, wir also offiziell kein Propofol nehmen konnten (steht in der Packungsbeilage), also habe ich hin und her überlegt. Meine Pflege schlug Etho vor, aber ich dachte: "naja, das ist ja auch soja drin, also lieber doch Trapanal/Thiopental". Mein Vorgesetzter hat mein Vorgehen hinterher allerdings produktiv kritisiert, und gesagt, ich hätte doch lieber Etho nehmen sollen, da Thiopental aufgrund der Histaminausschüttung eine höheres Allergenpotential hätte.
Wie seht ihr das, bzw. wie wird das an eueren Häusern gehandhabt?
Würde mich über ein paar Rückmeldungen sehr freuen! Danke!

Brutus
01.07.2012, 15:04
Hmmm. Ich finde ja, dass man nach neuer Studienlage eigentlich Etomidate verbannen sollte. Im Grunde genommen gibt es keine wirklich harte Indikation mehr für Etomidate. Die angeblich bessere Kreislaufstabilität von Etomidate kann man mit Propofol, so man es langsam verabreicht und vorher adäquat mit Opiaten gearbeitet hat, auch erreichen!
Und warum sollte es bei der Histaminausschüttung ein erhöhtes Allergenpotential geben? Ich denke, lieber ein bißchen Flush und ein gerötetes Dekolletée als eine anaphylaktische Reaktion mit allem drum und dran...
Wenn ich so argumentiere, dann hätte man auf alle drei Medikamente verzichten sollen und statt dessen mit Dormicum/Ketanest, oder zum Beispiel per inhalationem einleiten können?!

WackenDoc
01.07.2012, 15:20
Man könnte ja die Etomidate-Reste an die USA verticken.

Brutus
01.07.2012, 15:29
^^ Stimmt, da ist es eh egal, ob die Nebennierenrinde den Geist aufgibt...

Logo
08.07.2012, 11:42
Man sollte bei der ganzen Debatte nicht vergessen, dass es in der Regel keine Docs sind, die die Viggo legen etc. ... Wenn das Ding para liegt, wird es sowieso recht ungeschmeidig. Kann man nur hoffen, dass zur Psycho-Hygiene der Beisitzer zuvor straff fixiert/gefesselt wurde...
Und auch wenn alles "richtig" läuft, fährt man wohl lieber "mehrgleisig" - Hypnotikum-Überdosis + Relaxans + KCL rasch und großzügig minus Beatmung etc. ist ja sogar im Kliniksetting ne solide Basis für nen Critical Incident ;-)
Ich meine in einer Veterinär-Zeitung mal gelesen zu haben, dass die US-Behörden den Einsatz von T61, Release und Co als Ersatzpräparate geprüft hätten...
Die ganze Veranstaltung ist insgesamt zynisch und menschenverachtend.

Einen schönen Sonntag noch
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wjsl
12.07.2012, 16:40
Es gibt auch Leute, die versuchen sich nur mit KCL umzubringen; da scheint ja einiges an "Empfehlungen" in Internet und ähnlichem zu kursieren, das dann zu ziemlichen Katastrophen führt. Den wenigsten dürfte bewusst sein, dass auch das kein angenehmer Tod ist. Andererseits haben die zu den anderen Sachen auch keinen Zugang...

Meuli
19.07.2012, 17:19
eben in der hiesigen Zeitung gelesen:


Texas executes man with 1 drug
HUNTSVILLE, Texas – A Texas man convicted of carjacking and fatally shooting a stockbroker was put to death Wednesday, becoming the first prisoner in the nation's most active capital punishment state to be executed under a procedure using one lethal drug instead of three.

Texas Department of Criminal Justice officials announced last week they were modifying the three-drug injection method used since 1982 because the state's supply of one of the drugs -- the muscle relaxant pancuronium bromide -- has expired. Yokamon Hearn, 33, was executed using a single dose of the sedative pentobarbital, which had been part of the three-drug mixture since last year.

Ohio, Arizona, Idaho and Washington have already adopted a single-drug procedure, and this week Georgia said it would do so, too.

Hearn showed no apparent unusual reaction to the drug as his execution began. He was pronounced dead about 25 minutes after the lethal dose began flowing.


Read more: http://www.foxnews.com/us/2012/07/18/texas-executes-its-1st-inmate-using-single-drug/#ixzz215NdSPqr

Brutus
22.07.2012, 08:57
Hearn showed no apparent unusual reaction to the drug as his execution began. He was pronounced dead about 25 minutes after the lethal dose began flowing.

Tja, so ist das wohl, wenn man nach dem Hypnotikum vergisst, dass Beatmungsgerät anzuschließen. Zumindest hat er nix von seinem Ersticken mitbekommen (wenn die Dosis vom Barbiturat (hoffentlich!) hoch genug war!). Ob DAS jetzt aber die "humane" Hinrichtungsmethode ist, wenn jemand 25 Minuten zum Sterben braucht, weiß ich gerade nicht. Klar, dass der nicht gezuckt hat / sich offentsichtlich gequält hat. Aber nur weil er wegen des Barbiturates "ruhig" dalag heißt das ja noch lange nicht, dass er nix mitbekommen hat... Aber was will man von den Leuten übern Teich schon erwarten...