PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Studium in Berlin



retsam
26.06.2012, 21:18
Hallo,

ich möchte in Berlin an der Charite´ studieren.

Meine Fragen:

Wie sind eure Erfahrungen hierzu?

Wie sieht es mit der Zahl der Studenten im Modellstudiengang aus?

Was hat euch gefallen?

Wie sieht es mit Wohnungen aus? Preise? Entfernung?

pvdb
28.06.2012, 17:32
Ich studiere aktuell im ersten Semester, habe aber zuvor bereits auf Bachelor studiert im Ausland. Meine Erfahrungen sind rein subjektiv natürlich und ich kann es nicht mit anderen HM-Fakultäten in Deutschland vergleichen.

Leider muss ich sagen, dass ich in vielen Teilen echt riesig enttäuscht bin jetzt nach knapp 3 Monaten. Das liegt wohl auch daran, dass die Erwartungshaltung bei der so hochgelobten Charite vielleicht größer sind. Der Modellstudiengang an sich scheint eine gute Idee zu sein. Die Umsetzung ist allerdings auch im 4. Durchlauf inzwischen immer noch mehr als mangelhaft meiner Meinung nach. Man lernt bruchstückhaft, bekommt immer wieder irgendwelche Brocken vorgeworfen ohne das man es irgendwo sinnvoll einbauen kann in ein Wissensgerüst. Eine echte Logik im Aufbau habe ich bisher jedenfalls eindeutig vergeblich gesucht. Da es das Physikum in Berlin nicht mehr gibt, wird man wohl erst gegen Ende des Studiums wissen, wo man im Vergleich mit allen anderen HM-Studenten in Deutschland steht. Wenn es dann mal nicht zu spät ist...

Grundsätzlich sind es 320 Studenten, die sich in 40 Kleingruppen à 8 Studenten aufteilen mit denen mal für 1 Jahr fast sämtliche Veranstaltungen zusammen hat. 2-3 Kleingruppen zusammen haben dann jeweils die Praktika und Seminare. Wie gesagt denke ich, dass das Konzept gut ist, aber es vor allem an der fachlichen Umsetzung noch hapert. Nur schade, dass man eigentlich nur einen winzigen Teil des Studiengangs wirklich kennenlernt, denn eigentlich hat man nur mit 7 wirklich und mit 15 weitere ein bisschen was zu tun. Wirklich positiv finde ich den Untersuchungskurs von der ersten Woche an und auch das Problem-gesteuerte Lernen in der Kleingruppe jede Woche mit einem Fall in dem wir unsere eigenen Lernziele finden ist klasse. Für kompensiert es nicht im entferntesten die Schattenseiten.

Wirklich grausig wird es allerdings beim Zustand der Lehrgebäude. Ich fühlte mich spontan in die 40er Jahre zurückversetzt. Die Hörsäle könnten aus Büchern mit alten schwarz-weiß Fotos stammen und in unserem Seminarraum kommt fast die Decke runter... und das ist eigentlich noch nett ausgedrückt. Ansonsten kann die Fahrerei an manchen Tagen zwischen den verschiedenen Standorten ganz schön nerven. Man ist effektiv doch immer ewig unterwegs, denn direkt in Mitte wo die meisten Veranstaltungen stattfinden, lässt sich nur schwer bezahlbarer Wohnraum finden. Grundsätzlich lässt sich in Berlin mit etwas suchen und entsprechender Fahrbereitschaft bei sehr guten öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich immer eine bezahlbare Wohnung finden.

Ich werden nach einem Semester die Charite wieder verlassen und auf anderem Wege weiter machen, da sich mir die Chance dazu bietet. Ich hätte es wohl auch durchgezogen wäre die Chance nicht da, aber so überragend wie die Charite sich selbst zum Teil präsentiert ist es nun wirklich bei weitem nicht. Allerdings muss ich noch einmal betonen, dass mir die Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Fakultäten in Deutschland natürlich fehlt. Aber ich habe von anderen Studenten schon besseres gehört.

zyna
28.06.2012, 18:11
Zu den genauen Abläufen im Modellstudiengang kann nichts beitragen, da ich im Regelstudiengang bin. Nur ein paar Ergänzungen hätte ich:



Grundsätzlich sind es 320 Studenten, die sich in 40 Kleingruppen à 8 Studenten aufteilen mit denen mal für 1 Jahr fast sämtliche Veranstaltungen zusammen hat. 2-3 Kleingruppen zusammen haben dann jeweils die Praktika und Seminare. Wie gesagt denke ich, dass das Konzept gut ist, aber es vor allem an der fachlichen Umsetzung noch hapert. Nur schade, dass man eigentlich nur einen winzigen Teil des Studiengangs wirklich kennenlernt, denn eigentlich hat man nur mit 7 wirklich und mit 15 weitere ein bisschen was zu tun.
Das ist beim Regelstudiengang (und ich bin mal so frei zu behaupten, an anderen Unis auch) nicht viel anders, nur dass unsere Gruppen viel größer sind. Eine Kleingruppe von 8 Studenten ist gigantisch! So lernt es sich viel besser und die Hemmungen die man vielleicht bei Rollenspielen oder was auch immer hat sinken erheblich. Dass man auch andere Leute kennenlernt ergibt sich dann über die Zeit hin, wenn man mal in andere Gruppen kommt o.ä. Das war bei uns auch so und würde ich nicht zwingend als Nachteil auslegen.



Wirklich grausig wird es allerdings beim Zustand der Lehrgebäude. Ich fühlte mich spontan in die 40er Jahre zurückversetzt. Die Hörsäle könnten aus Büchern mit alten schwarz-weiß Fotos stammen und in unserem Seminarraum kommt fast die Decke runter... und das ist eigentlich noch nett ausgedrückt.

Soweit ich weiß, wurde dieses Semester der neue Vorklinikbau eröffnet, in dem in Zukunft die ganzen Seminare usw stattfinden sollen. Also alles neu gebaut. Das dürfte meines Wissens nach nur noch eine Frage der Zeit sein, bis alles dorthin umgezogen ist.
Die Hörsäle würde ich eher als geschichtsträchtig einstufen, statt als baufällig. An baufälligen Hörsälen fällt mir nur der in der hessischen Straße ein und der wurde zu meinen Vorklinikzeiten schon deswegen gesperrt. Ansonsten finde ich es eher toll, wenn man auf alten Fotos oder in Filmen (der Vorleser) seinen Hörsal wieder erkennt.



Ansonsten kann die Fahrerei an manchen Tagen zwischen den verschiedenen Standorten ganz schön nerven. Man ist effektiv doch immer ewig unterwegs, denn direkt in Mitte wo die meisten Veranstaltungen stattfinden, lässt sich nur schwer bezahlbarer Wohnraum finden. Grundsätzlich lässt sich in Berlin mit etwas suchen und entsprechender Fahrbereitschaft bei sehr guten öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich immer eine bezahlbare Wohnung finden.
Bezüglich Mitte und Wohnraum kann ich nur sagen: Schaut euch im Wedding oder Moabit um. Das ist im Schnitt 15min mit dem Fahrrad vom Campus entfernt, was will man mehr? Der Campus Virchow (für die Klinik dann interessant) ist auch in etwa in der gleichen Fahrzeit erreichbar. Nur nach Steglitz muss man halt länger fahren, aber dafür fährt die U9 direkt zwischen Wedding und Steglitz, also auch ganz ok.
Und günstig ist es dort auch. Meiner Meinung nach die beste Lage für uns Campus-Pendler.
Im Übrigen war es bei uns nie so, dass wir mehrfach am Tag hin und her fahren mussten. Das sah im Schlimmsten Fall so aus, dass wir z.B. vormittags was in Mitte hatten, dann über den Mittag 1- 1,5h Zeit in denen man nach Steglitz fährt und das wars. Und selbst das kam nicht allzu oft vor. Kann jetzt anders sein, weiß ich nicht.

Ja soweit das, was mir noch auf der Seele lag.
Ich habe keine direkten Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Unis und weiß nur das, was mir Freunde und Bekannte erzählen. So im Großen und Ganzen würde ich sagen, jede Uni hat irgendwo ihr Defizit, worüber man schimpfen kann, ob die Charité den anderen da relevant hinterher ist, mag ich bezweifeln. Und vielleicht entschädigt das berliner Leben ja auch ein bisschen für so manches Ärgernis, wie z.B. das Pendeln.

Im Übrigen gibt es schon einen Thread zum Modellstudiengang, dort findest du vielleicht noch ein paar mehr Meinungen dazu.

retsam
28.06.2012, 18:12
Hallo,

viele Dank für die Erfahrungsberichte.

zyna
28.06.2012, 18:24
Hallo retsam, ich kann dich leider nicht anders kontaktieren, da du irgendwo angehakt hast, dass du keine Nachrichten bekommen magst. Am Besten du schickst mir deine E-Mail Adresse nochmal auf dem gleichen Weg, wie die Nachricht eben.

retsam
28.06.2012, 18:32
"Neben dem Unterricht in klassischen Vorlesungen und Seminaren, wird in kleinen Gruppen gelernt und geübt. Unterrichtsformate hierfür sind: Problemorientiertes Lernen (POL), Untersuchungskurse, praktisches wissenschaftliches Arbeiten, Kommunikation, Interaktion & Teamarbeit (KIT), Simulation, Blockpraktikum und Praxistage. "

http://www.charite.de/studium_lehre/studieren_an_der_charite/grundstaendige_studiengaenge/modellstudiengang_medizin/

Könntest du etwas zu den einzelnen Formaten sagen.

pesanserinus
29.06.2012, 14:22
Dann gebe ich mal auch noch meinen Senf dazu. Ich bin übrigens mit pvdb in einer Seminargruppe. ;)

Es stimmt schon, dass man manche Sachen nicht sofort einordnen kann, aber die Dinge die wir bisher behandelt haben hatte man zumindest in den Grundzügen schon einmal im Abitur gehört und so sollte das darauf aufbauen nicht allzu schwer fallen. Wer kein Bio, Chemie oder Physik hatte, der bekommt reichlich Möglichkeiten Tutorien zu besuchen, um dieses Wissen aufzuholen oder aufzufrischen. (Es gibt wirklich wahnsinnig viele Tutorien zu allen möglichen Themen!)

Zu den Räumlichkeiten: Die sind alt, sie sind nicht immer schön und die Hessische Straße ist eine Katastrophe, aber im Großen und Ganzen geht es. Da fand ich die Bauklotzräume an der FU (Rostlaube) schlimmer als die historischen Räumlichkeiten der Charité.

Zu den Formaten:

POL - Kann Spaß machen, kommt auf die Gruppe an. Man muss sich eben gut arrangieren, dann klappt es auch und kann echt viel Spaß machen, weil man freie Hand hat und selber aussucht, was man lernen möchte.

KIT - Macht auch irgendwo Spaß (zumindest die Rollenspiele), aber für das erste Semester finde ich es teilweise etwas schwierig, Dinge nachzuvollziehen, da die meisten noch keinen Patientenkontakt hatten (Ich habe vorher schon im med. Bereich gearbeitet, daher erschließt sich manches doch eher, da ich Patienten und ihre "Eigenheiten" bereits kenne).

U-Kurs - Super Sache wenn der Dozent gut ist. Teilweise ist es etwas mühsam die Themen zu erarbeiten, wenn man erstmal klären muss, dass der Mensch vier Herzklappen hat, weil die halbe Gruppe das noch nicht weiß, aber es ist ein riesen Motivationskick wenn man im Kittel auf der Station unterwegs ist und Gespräche mit echten Patienten führen darf. Wenn sich alle in der Gruppe gut mit dem Handbuch vorbereiten, kann man daraus sicher viel mitnehmen.

Seminare - Gruppengröße ist super, kleiner als eine übliche Schulklasse. Bei den Dozenten muss man eben Glück haben, manche sind sehr gut, manche eben nicht, aber das war ja in der Schule nicht anders (wobei man dort mit einem Lehrer mitunter mehrere Jahre verbrachte, mit Seminardozenten vielleicht 90 Minuten oder auch mal noch ein zweites Seminar...)

Vorlesungen - Auch abhängig vom Dozenten, Fallvorstellungen sind sehr interessant, wenn dann auch ein echter Patient dabei ist. So sind die Krankheitsbilder sehr einprägsam. Sind leider schon mehrmals ausgefallen ohne Ankündigung, was dann ärgerlich ist, aber es wird sich dann auch schnell um einen Ersatztermin gekümmert.

Praktika - Lerninhalte bleiben gut im Kopf wenn man die Versuche selber gemacht hat, aber manchmal sind die Dozenten einfach nicht gut, dann muss man viel selbst nacharbeiten, weil z.B. Versuche nicht klappen etc.

Insgesamt muss ich sagen, gefällt mir gut, dass man sehr viel selbstständig arbeiten MUSS (leider kriegen das einige im Semester noch nicht so gebacken, da sie noch die Schule gewohnt sind, wo einem alles vorgesetzt wird). Einen Vergleich kann ich nur zu Gießen ziehen, da dort ein Freund studiert. Wir haben es hier SEHR GUT und LOCKER! So wenige Präsenzstunden wie im Modellstudiengang hatte ich nicht im Lehramtsstudium, welches ich vorher angefangen hatte. Man hat also sogar Zeit nebenbei noch ein paar Euros zu verdienen, wenn man die Zeit gut einteilt. In Gießen ist der Zeitplan super straff, da wird mal eben verlangt in drei, vier Wochen die komplette Anatomie zu lernen und solche Sachen. Dort wird man außerdem von einem Testat zur nächsten Klausur gescheucht, das haben wir hier ja nicht. Es werden nur am Semesterende Prüfungen geschrieben.

Wenn man also bereit ist selbstständig zu arbeiten und dem neuen Konzept eine Chance zu geben, kann man sehr aus dem Modellstudiengang profitieren. Man muss sich aber bewusst sein, dass noch nicht alles perfekt läuft und man überall noch mitwirken kann und soll! Die Studenten haben extrem viel Einfluss auf den Studiengang, das sollte betont werden.