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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wieviel darf in den Arztbrief?



Lava
19.07.2012, 09:36
Geht es euch manchmal auch so, dass ihr im Konflikt seid, etwas Bestimmtes in einen Arztbrief zu schreiben oder nicht? Beispiel: ich hatte neulich einen Patienten in der ZNA, der innerhalb weniger Tage das zweite Mal gestürzt war und eine fiese Kopfplatzwunde hatte. Er hat zwar adäquat geantwortet und bis auf die Frage, ob er blutverdünnende Medikamente einnimmt (er hat gesagt, er nimmt Marcumar, obwohl auf dem Medi-Plan nur ASS stand), auch alles richtig war, hatte man das Gefühl, da stimmt irgendwas nicht. Im CCT sah man dann auch regressive Veränderungen des Hirns, die vielleicht schon etwas weit fortgeschritten waren für das Alter. Jedenfalls hab ich im Arztbrief empfohlen, mal einen Demenzabklärung zu machen. Den Brief bekommt bei uns aber immer der Patient in die Hand gedrückt. Der findet das bestimmt nicht toll, dass ich ihn für dement halt... anderes Beispiel: hatte neulich einen Patienten mit Schulterlux, der zwar zugegeben hat, betrunken zu sein, Drogen aber verneint hat. So, wie der drauf war, hätte ich aber wetten können, dass er auch gekifft hatte. Kann ich das im Brief erwähnen? Gestestet habe ich es nicht (wozu auch) und eine Konsequenz hat es eigentlich auch nicht wirklich... aber irgendwie fand ich es schon wichtig, das zu erwähnen. Eine gewisse Rolle kann es ja spielen was die Compliance und das Reluxationsrisiko angeht...

Brutus
19.07.2012, 09:59
Also, ich habe in die Arztbriefe alles an objektiven Befunden reingeschrieben. Wenn ich einen Alkoholtest gemacht habe, und der war positiv, dann kommt das auch rein. Bei Vermutungen wäre ich vorsichtig! Das kann schnell nach hinten losgehen. Also entweder testen oder weglassen...
Ansonsten: alles was man medizinisch begründen kann, kann auch in den Arztbrief. Wenn wir der Ansicht waren, dass ein Patient nicht mehr alleine den Haushalt bewältigen kann, dann haben wir das auch so in den Brief geschrieben, à la: eine Unterbringung in einem Pflegeheim / betreutem Wohnen sollte mit dem Patienten / Angehörigen besprochen werden, weil... ... ...
Ich habe auch konsequent psychische Faktoren reingeschrieben. Wenn Dich der Patient ständig verarscht, sprich Medis nicht einnimmt, Therapien verweigert und eh nur ins KH kommt, um einen Rentenantrag begründen zu können, o.ä., dann habe ich das auch so an den HA geschrieben. Zum Teil war das Chef / OA nicht sooo recht, aber geändert haben sie es dann doch nicht! :-)

FUMANCHU
19.07.2012, 09:59
was man reinschreibt sollte man auch mit dem Patienten besprochen haben, besonders was so Sachen wie empfehlung Demenzabklärung angeht, sind schon Leute irgendwo runtergesprungen deswegen...;)

Lava
19.07.2012, 10:03
Ich wollte eigentlich den Sohn anrufen und das mit dem besprechen, aber der war nicht zuhause.

Eine Demenzabklärung mit einem Patienten besprechen? Naja.... die meisten reagieren mit "ich bin nicht verrückt" und das war's dann.

FirebirdUSA
19.07.2012, 10:16
Ich wollte eigentlich den Sohn anrufen und das mit dem besprechen, aber der war nicht zuhause.

Eine Demenzabklärung mit einem Patienten besprechen? Naja.... die meisten reagieren mit "ich bin nicht verrückt" und das war's dann.

Sohn anrufen kann auch nach hinten losgehen (ärztliche Schweigepflicht!). Entweder der Patient ist einverstanden, dass der Befund mit dem Sohn besprochen wird oder eben nicht. Wenn einer keine Demenzabklärung wünscht ist das sein gutes Recht, gut behandlungsfähige Ursachen (NPH, Tumor, etc.) hast du ja mit dem CCT schon ausgeschlossen.

Ein Problem unseres aktuellen Gesundheitssystems ist, dass man für solche Patienten eigentlich keine Zeit mehr hat in Ruhe den Befund zu erklären bzw. sogar ein Gesprächstermin mit dem Sohn anzubieten. Ich denke in der ZNA bleibt dir nicht viel mehr übrig als die betonte Atrophie und die empfohlene Demenzabklärung zu erwähnen...

Ich musste der letzt mal einem Patienten erklären was ich mit "infratentoriell über das altersentsprechende Maß betonte Folienzeichnung" im Befund gemeint ist. Alkohol als Ursache war am wahrscheinlichsten, in so einer Situation zwischen Tür und Angel aber natürlich eine doofe Situation.

Lava
19.07.2012, 10:30
Ich musste der letzt mal einem Patienten erklären was ich mit "infratentoriell über das altersentsprechende Maß betonte Folienzeichnung" im Befund gemeint ist. Alkohol als Ursache war am wahrscheinlichsten, in so einer Situation zwischen Tür und Angel aber natürlich eine doofe Situation.

Wieso? Wenn er trinkt, kann ihm ruhig mal sagen, dass man schon Folgen davon am Gehirn sieht. Ist ja kein Geheimnis, dass Alkohol schädlich ist.

FUMANCHU
19.07.2012, 15:23
Ich meinte das auch mehr so, das man mit dem Patienten besprechen sollte, was drinsteht, damit der nicht später ne Überaschung erlebt. So wie " Demenzabklärung? ich bin dement?, oh mein Gott, ich bring mich um ( so gunter sachs mässig)
sonst lieber kurz Hausarzt anrufen und erklären, oder Sohn, aber es ist schon ein Dilemma! Keine Zeit, unangenehmer Verdacht usw.....

psycho1899
19.07.2012, 17:04
Ich finde, wegen einer etwas überaltersgemäßer Hirnvolumenminderung bei einem älteren Menschen direkt eine Demenzabklärung zu empfehlen... naja... vielleicht etwas too much. Wenn man die Zeit nicht hat, danach selber zu screenen, entweder nur beschreiben als objektiver Befund. Oder halt mit diskretem Hinweis auf den HA verweisen (...zeigte sich eine temporal betonte etwas überaltersgemäße Hirnvolumenminderung. Bei entsprechender Klinik ist ggfs. eine weiterführende neuropsychologische Diagnostik sinnvoll).

Bzgl. des THC-Beispiels... ehrlich, das gehört nicht in den Brief, wenn der Patient es verneint und man keine Diagnostik durchgeführt hat. Bin fast ein wenig überrascht, wie man sowas überhaupt zur Diskussion stellen kann. Wie fändest Du das denn, wenn Du nach der Blutentnahme am Vortag beim Betriebsmediziner und vielleicht ein wenig übernächtigt durch Dienste mal in einer ZNA landest und der ärztliche Kollege auf Grund der Einstichstelle Dir einen i.v. Drogenabusus unterstellt und in den Brief schreibt? ;-)

FUMANCHU
19.07.2012, 17:26
Ja, so würde ich's auch empfehlen, entweder einen schönen Euphemismus/Terminus technicus finden, und um Kontrolle bitten, ansonsten, was man diagnostiziert und reinschreibt gehört kommuniziert. So als Beispiel aus der Psychiatrie , ich find es doof wenn Kollegen so ad hoc Persönlichkeitsstörungen diagnostizieren, in den Kurzarztbrief schreiben und nicht besprechen.

netfinder
19.07.2012, 21:35
Aus der Sicht des Radiologen muessten die Kliniker dann bei jedem eine Demenzabklaerung machen, der ein gewisses Alter erreicht hat.^^

Hellequin
19.07.2012, 21:43
Ich sehe es eigentlich so wie die meisten hier, man sollte das in den Brief schreiben was man dem Patienten oder dem gesetzlichen Betreuer auch so direkt ins Gesicht sagen würde. Man sollte auch bedenken das auf Unterlagen durch die elektronische Dokumentation dtl. länger zugegriffen werden kann. Insbesondere Sachen wie einen vermuteten, nicht bewiesenen Drogenkonsum würde ich nicht in einem Brief schreiben. Das kann für den Patienten Jahre später noch Konsequenzen haben und wenn du falsch liegst oder auch wenn der Patient dagegen vorgeht kann das strafrechtliche und zivilrechtliche Folgen für dich haben.

Lava
20.07.2012, 08:38
Dass der Patient THC konsumiert, hat er ja zugegeben. Dass er es an diesem Tag getan hat, habe ich nur vermutet, und das auch so geschrieben. OK, es war vielleicht unnötig. Aber bei einer so relativen OP Indikation wie einer Schulter-ASK mit Labrumrefixation muss man sich halt schon zweimal überlegen, ob man das machen will bei einem Patienten, der unzuverlässig ist und beim nächsten Rausch halt wieder drauf fliegt :-nix Da ich ja nicht IMMER im Krankenhaus bin, muss ja irgendwie dokumentiert werden, dass die Compliance des Patienten zumindest fraglich ist :-nix

psycho1899
20.07.2012, 13:16
Ich finde, es gehört ich rein... nur weil jmd. kifft, ist er ja nicht zwingend incompliant. Du hättest schreiben können, dass er gelegentlich/regelmäßig (je nach Anamnese) THC konsumiert, aktuell jedoch einen Konsum verneint und mit x.xx Promille im AAT intoxikiert war. Zu schreiben, dass man glaubt, der Patient habe THC konsumiert, obgleich er es verneint, halte ich für vollkommen inadäquat. Ich hätte mich zumindest als Patient an offizieller Stelle darüber beschwert und eine Korrektur des Berichtes verlangt.

suz
20.07.2012, 18:23
bin mir nicht sicher wie das in anderen häusern gehandhabt wird, aber bei uns bekommt bzw. hat jeder der in die ambulanz/zna kommt eine ambulanzkarte. und in diese notiere ich dann eben neben der diagnose solche auffälligkeiten (incompliance, alkoholgeruch, (in unserem fall) auffällige/unfreundliche eltern).
kommt er ein weiteres mal wissen alle gleich bescheid.

Lava
22.07.2012, 13:10
In der Elektivambulanz haben wir auch Karten, aber nicht in der ZNA. ;-)