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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Basismaßnahmen der Reanimation ohne (Mund-zu-Mund) Beatmung?



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schlaufuchs
19.07.2012, 11:18
Hallo,

mich würde mal eure Meinung zum Thema Mund-zu-Mund-Beatmung im Rahmen der einfachen Herz-Lungen-Wiederbelebung interessieren.
Ich frage deshalb weil diese Frage neulichst bei uns im Notfallmedizin-Kurs aufgetaucht ist und unser Tutor sich unter der Hand klar gegen die Mund-zu-Mund Beatmung im Notfall ausgesprochen hat, nach dem Motto: "Weiß ich was der Penner der vorm Penny umkippt alles für Infektionskrankheiten hat?" - Ich denke hier vor allem an Krankheiten wie Hep B etc., die prinzipiell auch über Speichel übertragbar sind, man selbst hat vielleicht kleine Haarrisse in der Haut oder Mundwinkelragaden. (Also jetzt mal ganz unabhängig vom Ekel-Faktor der bei manchen Menschen sicher eine Rolle spielt.)
Es gibt ja diese "Face-Shields" fürs Portemonnaie oder als Schlüsselanhänger, aber ganz ehrlich habt ihr euch diese "Atemspendefolien" mal angeschaut, die sind eher Spielerei und mit Sicherheit kein Schutz vor Infektionskrankheiten. Zumal die so eng gefaltet sind, das ich weder auf die Geschlossenheit der Folie noch des Ventils vertrauen würde.
In unserem Kurs hat uns unser Tutor geraten Mund-zu-Mund-Beatmung (d.h. ohne verfügbare Maske+Beatmungsbeutel) letztlich nur bei Leuten durchzuführen die wir gut kennen, wie Familienmitglieder oder gute Freunde.
Wenn also eine euch unbekannte Person vorm Supermarkt oder im Flugzeug umkippt und vor viel Publikum basis-reanimiert werden muss, ohne das ihr sonst was dabei habt, würdet ihr nur drücken, oder auch Atemspende geben?

Viele Grüße!

dreamchaser
19.07.2012, 12:22
Warst du schonmal in einer solchen Situation oder hast eine Reanimation gesehen? Wenn ja, dann weisst du, dass es da viele Dinge gibt, die ggf. aus dem Mund kommen und nicht wirklich ästhetisch sind (z.B. Erbrochenes) - das hält viel eher davon ab, eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchzuführen.
Das Wichtigste in einer solchen Situation ist, dass du den Notruf absetzt und dann zumindest anfängst zu drücken. Und in städtischen Gebieten ist dann auch schon fix der Rettungsdienst da.

WackenDoc
19.07.2012, 12:57
Hepatitis B wäre in dem Zusammenhang eine meiner geringeren Sorgen.
Und wenn man mit dem Speichel des anderen nix zu tun haben will, geht ja auch die Nase.

Evil
19.07.2012, 14:07
In den aktuellen Empfehlungen ist die Beatmung ganz klar nachrangig. Im Fall der Fälle erst alarmieren, dann Drücken. Und wenn man es dann 100%ig machen will, kann man über Mund oder Nase beatmen, das ist aber nicht entscheidend. Im Gegensatz zu den beiden ersten Punkten!

fuchx
19.07.2012, 16:11
Ich würde vorallem "drücken", die Initialatemspende wird ja so oder so nimmer empfohlen...

FirebirdUSA
19.07.2012, 21:20
Wie Evil schon gesagt hat ist es (von Kindern abgesehen) primär erstmal wichtig zu drücken, deswegen gibt es ja diese coole Video von der British Heart Foundation Vinnie Jones' hard and fast Hand-only CPR (http://www.youtube.com/watch?v=ILxjxfB4zNk). Privat hab ich einen günstigen Ambubeutel im Auto (nur glüssig- oder gassterilisierbar, im Zweifel wird es dann halt ein neuer), da ich die Vorstellung auch etwas komisch finde.

Hellequin
19.07.2012, 22:31
Wie Evil schon gesagt hat ist es (von Kindern abgesehen) primär erstmal wichtig zu drücken, deswegen gibt es ja diese coole Video von der British Heart Foundation Vinnie Jones' hard and fast Hand-only CPR (http://www.youtube.com/watch?v=ILxjxfB4zNk). Privat hab ich einen günstigen Ambubeutel im Auto (nur glüssig- oder gassterilisierbar, im Zweifel wird es dann halt ein neuer), da ich die Vorstellung auch etwas komisch finde.
Die gleiche Empfehlung bzgl. einer "Hands only" Laienreanimation gibt es auch von der American Heart Association, die werben dafür mit Ken Jeong(Hangover) (http://www.youtube.com/watch?v=n5hP4DIBCEE).

schlaufuchs
20.07.2012, 17:12
Ok, das ganze nennt sich also Hands-Only-CPR und wird von den großen Herz-Organisationen sogar so promoted, gut zu wissen :-top. Die Videos sind ja echt lustig gemacht!

Feuerengelchen
21.07.2012, 23:55
Ich finde es etwas bedauerlich, dass euer Kurs so ausbildergefärbt wirkt. Sicher gibt es persönliche Meinungen dazu, aber "Rat" zu erteilen ist sich nicht das was ein professioneller Ausbilder tun sollte. Es gibt einige Punkte in verschiedenen Kursen die ich unterrichte und mit denen ich aus persönlicher Meinung nicht übereinstimme, aber ich habe mich an einen gewissen Konsensus zu halten. Wenn die Fragen aufkommen, antworte ich mit ausdrücklicher Betonung auf "eigene Erfahrung" und "persönliche Meinung" und zeige bei Möglichkeit am passenden Fallcasus auf warum.
Letztendlich wird jeder bei mir in Reanimationskursen die Mund- zu Mund/Nase-Beatmung lernen. Vielfach wird jedoch von den Anwendern im Kurs bemerkt dass das nicht sooo einfach geht, geschweige denn auch noch unter Stressbedingungen - dann ist es legitim zu erwähnen dass es mittlerweile wissenschaftlich untersucht wurde, dass auch die sog. compression-only-CPR möglich ist, um eine gewisse Zeit bis zum Eintreffen eines professionellen Systems effektiv zu überbrücken.

Aus meiner Erfahrung als Leitstellendisponentin habe ich positive Eindrücke von Notrufern bekommen, wenn diese in der Reanimation von mir angeleitet werden. Es hat bisher kein einziger die Durchführung von dererlei Maßnahmen abgelehnt! - im Gegenteil waren sie froh, im Stress und in der vergangenen Zeit verloren gegangenes Wissen und Fertigkeiten erklärt zu bekommen. Wie die meisten meiner Kollegen leite ich standardgemäß zur korrekten Überprüfung der Atmung an und unternehme zumindest bei Angehörigen und EH-Kurs-Besuchern im Anschluss an 30 Kompressionen den Versuch einer angeleiteten Atemspende - wenn das nicht klappen sollte, leite ich nur noch compression-only-CPR an. Raten von bis zu 70% primär positiver Reanimationen sprechen für diesen sog. dispatch life support (Quelle müsst ich leider erst wieder mal suchen gehn) WICHTIG: Hauptsache GEDRÜCKT wird!

Persönlich vor Ort habe ich in meinem PKW einen Ambubeutel älteren Datums dabei, ansonsten habe ich bisher nur einmal als "Laie" reanimiert, und das mit erfolgreicher Mund-zu-Nase-Beatmung - für mich einfach der Eindruck einer Spur mehr Hygiene. Beatmungstücher finde ich umständlich.

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24.07.2012, 21:56
Ich finde es etwas bedauerlich, dass euer Kurs so ausbildergefärbt wirkt. Sicher gibt es persönliche Meinungen dazu, aber "Rat" zu erteilen ist sich nicht das was ein professioneller Ausbilder tun sollte. ...

Why not? Man sollte das alles nicht zu verkrampft sehen. Ich erlebe viele "prof. Ausbilder" nach wie vor als extremst Konsensus/Leitlinien versklavt. Dressierte Äffchen, die sich am liebsten klonen würden.
Es wird in der letzten Zeit immer mantrahaft betont, dass es am wichtigsten sei "etwas" (Suboptimales) zu tun, als gar nichts... Wenn es dann aber konkret darum geht in der Darstellung solch eine für den potentiellen Ersthelfer extremst (Versagens-) Angst-behaftete Situation zu entschärfen und durch Individualratschläge, Methodentoleranz und Laissez-faire Hemmungen abzubauen, zucken die Ausbilder meist zurück und flüchten ins Technokratische - und genau DAS verunsichert IMO die angehenden Ersthelfer...

Brutus
25.07.2012, 16:56
Aus gegebenem Anlaß: bevor man sich Gedanken macht, ob man bei der HLW beatmen muss oder nicht, sollte man erst mal in die Köppe der Leute reinmeißeln, dass man überhaupt erstmal anfängt! Erst heute wieder erlebt: älterer Herr im AH, bei der Grundpflege Schnappatmung bekommen und hat nix mehr gesagt und gemacht! Und was macht Altenpflegerin? - 112 - Ja, hier bewußtlos! - Als wir ankamen (wir saßen noch im NEF und waren innerhalb 5 Minuten IM Zimmer) hielt sie die Füße ein wenig hoch! Die Schnappatmung hat SIE sehr wohl registriert, aber vorsichtshalber hat man mal sonst nix gemacht. Mein "Fahrer" und ich haben uns nur angeguckt und nach Blickdiagnose entschieden, dass der Mann mal umgehend auf den Boden musste, zwecks Einleitung einer schicken Reanimation, wobei wir die Pflegerin erstmal haben schön drücken lassen...
Insofern, solange selbst "ausgebildetes" Personal nix macht, mache ich mir keine Gedanken über initiale Beatmung bei Patienten. Persönlich habe ich einen Ambubeutel im Auto, und wenn der nicht verfügbar, wird erstmal gedrückt. Innerhalb ein paar Minuten ist ja ein RTW da, und der sollte ja einen haben...

Ach so, noch zum Thema überhaupt was machen: hier hätte einfach ein bißchen Drücken schon gereicht! (http://www.derwesten.de/staedte/nachrichten-aus-moers-kamp-lintfort-neukirchen-vluyn-rheurdt-und-issum/cafe-besucher-in-moers-leisteten-mann-nach-herzinfarkt-keine-erste-hilfe-id6914395.html) Beobachteter Kollaps, Lungen sollten noch gefüllt sein mit guten 21% O2 und der Rettungsdienst war schnell da... Aber gebracht hats ihm nix...

WackenDoc
25.07.2012, 17:43
Auffinden einer Bewusstlosen Person ist in den EH-Kursen, die ich gebe, immer so ziemlich der erste Ausbildungsinhalt. Geht dann nahtlos in stabile Seitenlage und HLW über. Mein Kumpel und ich hoffen zumindest, dass die so nicht auf irgendwelche komische andere Ideen kommen.

Und das wird wieder und wieder aufgegriffen.

Neben den normalen, schulmäßigen Inhalten, gibt´s immer noch Szenarien, die dann in der Gruppe abgearbeitet werden müssen und das in tunlichst realistischer Umgebung (also nicht im Unterrichtsraum)- einfach damit die Teilnehmer sich dran gewöhnen, an den Patienten ran zu gehen, ABC zu prüfen, dann zu handeln und ggf. noch das Drumrum zu koordinieren.

Ansonsten versuchen wir auch immer die Angst, was falsch zu machen, abzubauen und das Ganze möglichst einfach zu halten.

Miss_H
25.07.2012, 18:26
Ich habe mal ne doofe Frage, wenn man jemanden Bewusstlosen findet, dann schaut man zu erst mal in den Mund. Hört, ob er noch atmet und tastet den Puls. So weit richtig? Sollte er jetzt eine ganz flache Atmung haben und man hört nix und denkt ohhh keine Atmung. In der Aufregung findet man auch keinen Puls ohhh er hat keinen Puls. Dann fängt man kräftig und schnell anzudrücken. Falls sein Herz doch noch schlägt, macht man dann irgendetwas kaputt? (Das klingt sehr unqualifiziert. Aber mein 1. Hilfe Kurs ist schon knapp 10 Jahre her und in der Vorklink lernt man so etwas nicht.)

THawk
25.07.2012, 19:09
Nein, man macht nichts kaputt.
Außerdem ist der Algorithmus ein bisschen anders:
1. Eigenschutz, Überblick gewinnen
2. Bewusstseinskontrolle -> Um Hilfe rufen
3. Atemkontrolle -> Differenzierung zwischen "normaler Atmung" und "nicht normaler Atmung"
4. Notruf
5. Bei normaler Atmung -> Stabile Seitenlage; bei nicht normaler Atmung (und das ist alles(!) was du als nicht normal empfindest, z.b. auch die Schnappatmung) beginnst du die Reanimation.

s. auch ERC.edu

WackenDoc
25.07.2012, 19:14
Du fängst dann übrigens mit dem Pumpen und nicht mit dem Beatmen an. Unterschiede zwischen Einhelfermethode und Zweihelfermethode gibbet auch nicht mehr.

Mach doch einfach mal nen Auffrischkurs.

Miss_H
25.07.2012, 20:39
Vielen Dank für Eure Tipps!
Auffrischkurs ist eine gute Idee, aber bis dahin kann ja viel passieren. Daher ist so eine kurze Anleitung doch ganz nett :)

FirebirdUSA
27.07.2012, 11:40
Aus gegebenem Anlaß: bevor man sich Gedanken macht, ob man bei der HLW beatmen muss oder nicht, sollte man erst mal in die Köppe der Leute reinmeißeln, dass man überhaupt erstmal anfängt! Erst heute wieder erlebt: älterer Herr im AH, bei der Grundpflege Schnappatmung bekommen und hat nix mehr gesagt und gemacht! Und was macht Altenpflegerin? - 112 - Ja, hier bewußtlos! - Als wir ankamen (wir saßen noch im NEF und waren innerhalb 5 Minuten IM Zimmer) hielt sie die Füße ein wenig hoch! Die Schnappatmung hat SIE sehr wohl registriert, aber vorsichtshalber hat man mal sonst nix gemacht. Mein "Fahrer" und ich haben uns nur angeguckt und nach Blickdiagnose entschieden, dass der Mann mal umgehend auf den Boden musste, zwecks Einleitung einer schicken Reanimation, wobei wir die Pflegerin erstmal haben schön drücken lassen...


Das Schnappatmung nicht normal ist sollte man glaube ich in EH-Kursen deutlicher sagen, hatten hier erst einen ähnlichen Fall: In einem Dorf JWD, ca. 20 Minunten von der nächsten Klinik: Ehemann langt sich an den Kopf, schreit noch "Aua", kippt dann um und ist bewusstlos. Ehefrau ruft Notarzt und fängt bei fehlender Atmung mit der Reanimation (incl. Mund-Nase-Beatmung) an. Nach 5 Minuten hat ihr Mann wieder eine Schnappatmung, die Frau hört mit der Reanimation auf und wartet auf den Notarzt der nach ca. 12 Minuten (also ca. 5-6 Minuten später) eintrifft... Pat. kam dann zu uns, hatte eine SAB, im Verlauf leider Demarkation eines hypoxischer Hirnschaden.

Evil
29.07.2012, 17:06
Dann fängt man kräftig und schnell anzudrücken. Falls sein Herz doch noch schlägt, macht man dann irgendetwas kaputt? (Das klingt sehr unqualifiziert. Aber mein 1. Hilfe Kurs ist schon knapp 10 Jahre her und in der Vorklink lernt man so etwas nicht.)
Nö, passiert nix. Hab das auch schon erlebt, daß bei einer bewußtlosen Patientin kein Puls zu tasten war, ich hab angefangen zu drücken, da schlägt sie die Augen auf: "Herr Doktor, Sie tun mir weh!" :-))

Brutus
01.08.2012, 13:33
Aus aktuellem Anlaß, und weils hier eben so gut reinpasst:
Beitrag aus dem Rettungsdienstforum (http://www.medi-learn.de/foren/showthread.php?t=64458&p=1549870&viewfull=1#post1549870)
Solange eben niemand anfängt zu drücken haben selbst solche Patienten, die ein potentiell gutes Outcome haben könnten, einfach keine Chance! Und was bringt mir ein gut laufender Motor, wenn im Kopf die Lichter ausgegangen sind?
Und wie oft denke ich dran, ob sich was ändern würde, wenn man bei den Personen, die greifbar sind, eine Strafanzeige bei der Polizei stellen würde... Allerdings denke ich, dass dann selbst der Notruf nicht mehr getätigt wird, und noch mehr weggesehen würde. :-nix
Mal abgesehen davon, dass die meisten Verfahren wohl eh eingestellt würden...

JJ*
01.08.2012, 13:59
Den Leuten noch mehr Angst machen halte ich für keine gute Idee.