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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Einsatz RTW/NEF: Verbrennung bei Säugling



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Sebastian1
16.08.2012, 11:50
Hallo,

heute mal ein Fallbeispiel, beim welchem es nicht um das erkennen der korrekten Diagnose, sondern um Einschätzungen, Entscheidung und Handling geht.

Ihr seid als Notarzt in einer Stadt mit ca 100.000 Einwohnern tätig. Am Vormittag - ihr kommt gerade noch von eurem letzten Einsatz - geht euer Melder und ihr begebt euch zu Eurem NEF.
Über Funk erhaltet ihr die Meldung: 9 Monate alter Säugling mit Verbrennung.

Wenige Minuten später trefft ihr am Einsatzort, einer beschaulichen Straße mit Ein- und Zweifamilienhäusern, ein. Bereits auf der Straße hört ihr ein Baby laut weinen. Ihr betretet die Wohnung und seht das Kind bei der sichtlich schockierten Mutter auf dem Arm, in nasse Handtücher eingewickelt. Das Kind schreit und hat sichtlich starke Schmerzen.

Der RTW ist gleichzeitig mit Euch eingetroffen und hat noch keine Informationen für Euch.

WackenDoc
16.08.2012, 13:05
Erstmal die Mutter fragen, was überhaupt passiert ist.
Wie lange ist das her?
Kind auspacken(lassen) und das Ausmaß der Verbrennung herausfinden.

Schreiendes Kind ist prinzipiell schonmal gut.Das macht zur Zeit genau das,was es soll.

McBeal
16.08.2012, 13:49
Ich würde die Mutter dann auch gern mal nach dem Gewicht des Kindes fragen und frühzeitig was zur Analgesie verabreichen wollen - was habt Ihr denn da? Bin ja keine NÄ.

LG
Ally

WackenDoc
16.08.2012, 14:11
Fenta ist auf jedem NEF und würde sich anbieten.Alternativ haste noch Ketanest/Dormicum und oft auch Dipi.

Aber vorher würde ich schon sehen wollen, was überhaupt los ist. Außerdem muss das Kind aus den nassen Handtüchern raus.

Kackbratze
16.08.2012, 14:20
Kind aus den Handtüchern und der Windel (!) raus, kurz checken, wenn stabil von Mama in Krankenwagen tragen lassen, um dort weiterzumachen. Oder wie sieht die Lage aus?

Sebastian1
16.08.2012, 15:04
Okay, also: Das Kind ist 9 Monate alt und wiegt laut Mutter ziemlich genau 10 kg.
Die Mutter berichtet, dass das Kind gerade anfängt, sich an Tischen, Schränken etc hochzuziehen und daran entlangzulaufen. Dabei habe es ein Kabel des Wasserkochers erwischt, dieser sei dann über den Rücken gekippt. Dies geschah unmittelbar vor der Alarmierung; eure Anfahrt hat weniger als 5 Minuten gedauert.
Ihr entfernt die Tücher vom Rücken und seht, dass von den Schultern abwärts der Rücken in voller Breite bis hin zur oberen Lendenwirbelsäule großflächig betroffen ist. Epidermiolyse auf der gesamten betroffenen Fläche, der Wundgrund ist größtenteils tiefrot, einige wenige zentral gelegene Stellen auch weisslich.

An Analgetika haben wir Morphin, Fentanyl, Ketanest an Bord. Desweiteren Voltaren supp oder Novalgin.

Wie schätzt ihr die Lage ein? Wieviel Körperoberfläche ist nach der Beschreibung in etwa betroffen und welchen Grades sind die Verbrennungen? Wie geht ihr nach der ersten Inspektion jetzt weiter vor?

Lava
16.08.2012, 15:15
Ca. 18%, würde ich sagen (hab vielleicht auch kurz gegoogelt :-blush), vielleicht sogar mehr. Größtenteils °IIa, teilweise vielleicht schon °IIb.

Also ich würde sagen, das Kind braucht ein wenig Flüssigkeit und was zur Analgesie... dazu bräuchte es natürlich einen Zugang.... ist das machbar?

Und parallel würde ich mal checken, wo das nächste Verbrennunszentrum ist... glücklicherweise lässt sich wenigstens ein Inhalationstrauma ausschließen.

Kackbratze
16.08.2012, 15:16
Bis GradIII verbrannt (die weissen Areale). scchmerztherapie in der Situation, ich würde zu Morphium greifen. Intraossärer Zugang, Flüssigkeit anhängen. Ich gehe von 18% KÖF aus der hohlen Hand heraus aus.

pourdoc
16.08.2012, 15:35
müssten ja knapp unter 18% sein, da nicht der ganze Rücken betroffen ist....
da es aber wiederum ein Säugling ist, und dieser einen vergleichsweise großen Rumpf besitzt, sinds dann doch wieder 18%... :-nix

Sebastian1
16.08.2012, 15:35
Gut, Google hatten wir grad nicht an Bord, aber wir sind auch von einer Verbrennung von ca 15-20%, größtenteils Grad 2a, teilweise Grad 2b ausgegangen (wobei ich hier auch Einteilungen kenne, die Grad I-III unterscheiden, dafür dann 2a und 2b haben, andere, die von I-IV gehen. Ich gehe davon aus, das KB und Lava hier vom selben reden).

Ein paar Stichworte wurden ja schon genannt: Wärmeerhalt, Flüssigkeit, Analgesie. KB hat hier auch mit der intraossären Nadel auch schon einen schnellen, sicheren Zugang erwähnt, das doofe ist nur: aus irgendeinem Grund sind keine geeigneten Nadeln im Koffer des EZ-IO. Und eine Erwachsenennadel wollt ihr nun wirklich nicht nehmen.
Also peripherer Zugang: Die kleinste Nadel, die ihr habt, ist eine 24G-Nadel. Davon gibt es genau 3 Stück im Kinderkoffer. Und der Kleine ist, wie Säuglinge in diesem Alter nun mal sind: mit reichlich Babyspeck gesegnet.

Bezüglich der weiteren Versorgung: Die Stadt, in welcher ihr fahrt, hat einen Maximalversorger inklusive Kinderklinik, jedoch ohne Verbrennungsbetten. Die nächstgelegenen Kliniken, die das bieten, sind mit Alarmfahrt, die mit diesem Patienten sicher nicht bei hoher Geschwindigkeit durhcgefphrt werden kann, mindestens 30 Autominuten entfernt, eher länger.

Was machen wir jetzt?

Miss
16.08.2012, 16:02
Der Einschätzung des Verbrennungsgrades zw. 2a und 2b plus Fläche von ca. 15-20% hätte ich mich angeschlossen. Bei uns wäre Paracetamol aufm Auto, davon würde ich 125mg rektal verabreichen. Sorry, das bringt uns ja nicht weiter. Voltaren ist unter 1 Jahr m.E. nicht zugelassen, dann brauchen wir auf jeden Fall nen Zugang, ein Opioid ist ja in dem Fall sowieso das Mittel der Wahl. Bei dem Lebensalter und der Verbrennung in dem Ausmaß am Thorax ist auf jeden Fall eine Spezialklinik indiziert. Wie lange würde das jetzt dauern, viel mehr als 30min? Dann würde ich doch mal einen Hubi anfordern. War das zu ner entsprechenden Tageszeit?
Wenn das mit dem Zugang klappt (ich persönlich wäre ja ziemlich aufgeregt), dann Flüssigkeitszufuhr von 15, eher 20ml/kg KG/ h, also 150 bis 200ml/ h, am liebsten dann via Perfusor.
Genau, und dick einpacken!

THawk
16.08.2012, 16:54
Ich wäre auch für etwa 20 ml/kg/h Infusion, kann initial ruhig Vollelektrolyt sein. Ziel ist es Zeit zu vermeiden. Wenn Zugang machbar für den NA (vergesst die schönen Kopf-Venen nicht): Ketanest / Dormicum i.v. oder Fentanyl. Alternativ intranasale Analgesie. Paracetamol supp. finde ich deutlich zu wenig.
Wenn der Maximalversorger eine größere Päd-ITS hat würde ich diesen primär anfahren für die weitere Erstversorgung, dann sekundäre Verlegung.

WackenDoc
16.08.2012, 18:13
Die beiden Fragen wären jetzt,ob man nen Zugang rein bekommt und wie schnell wir das Kind in nen Verbrennungszentrum bekommen.Da gehört es mit der verbrühten Fläche und Tiefe nämlich hin.
Ansonsten den Rücken einpacken- haben wir was passendes auf dem Auto? Z.B.was in die Richtung von Brandwundenverbandpäckchen(die Bundis sollten wissen,was ich mein.) Außerdem das ganze Kind trocken und warm einpacken wegen Wärmeverlust.
Alternative Zugangswege für zumindest Keta/Do wäre nasal und i.m.

Ich hab übrigens mal gelesen, dass der Flüssigkeitsbedaf in der ersten Stunde gerne mal überschätzt wird.20ml*10kg würde ich auch nehmen.

Miss
16.08.2012, 18:45
Ich wäre auch für etwa 20 ml/kg/h Infusion, kann initial ruhig Vollelektrolyt sein. Ziel ist es Zeit zu vermeiden. Wenn Zugang machbar für den NA (vergesst die schönen Kopf-Venen nicht): Ketanest / Dormicum i.v. oder Fentanyl. Alternativ intranasale Analgesie. Paracetamol supp. finde ich deutlich zu wenig.
Wenn der Maximalversorger eine größere Päd-ITS hat würde ich diesen primär anfahren für die weitere Erstversorgung, dann sekundäre Verlegung.

Ich dachte nur an PCM supp. zur Überbrückung bis der Zugang liegt. Die nasale Applikation ist in jedem Fall super, ist das auf den meisten Autos vorhanden?

Ich persönlich find die Kopfvenen auch schon wieder unheimlich :-nix bzw. Unterscheidung zu Arterien, aber klar, die würde ich auch versuchen.

THawk
16.08.2012, 19:17
Ich dachte nur an PCM supp. zur Überbrückung bis der Zugang liegt. Die nasale Applikation ist in jedem Fall super, ist das auf den meisten Autos vorhanden?

Ich persönlich find die Kopfvenen auch schon wieder unheimlich :-nix bzw. Unterscheidung zu Arterien, aber klar, die würde ich auch versuchen.


Achso, okay, zur Überbrückung mag man's geben. Wobei ich einen relevanten Effekt kaum erwarte (max. Plasmakonzentration nach 3-4h) und mir die Zeit dafür ersparen würde.
Mit nasal habe ich bisher nur Erfahrungen mit Dormicum und Fentanyl. Hier haben wir es vor Einführung der MAD-Zerstäuber einfach per Insulin-Spritze verwendet, hat auch gut funktioniert. Würde da nur großzügiger dosieren (bei Dormicum 0,1mg/kg in jedes Nasenloch statt 0,1mg/kg i.v.).

Keine Angst vor Kopfvenen - was soll passieren? Man sticht ja nicht gerade mittig über der großen Fontanelle. Aber an der Seite oder ganz vorne in die Zornesvene... Die Teile rollen nicht weg und liegen wunderbar oberflächlich. Und wenn's doch die Arteria temporalis war wird's eben kurz weiß im Versorgungsgebiet wenn du einen NaCl-Bolus zum Durchspülen spritzt (ich weiß schon, ich steche die routinierter, dafür intubierst du mit deutlich mehr Routine ;-) ).

Sebastian1
16.08.2012, 20:25
Kleione Korrektur meinerseits: Oben steht fälschlicherweise Voltaren supp., gemeint waren natürlich Ibuprofen supp. Diese wären auch zugelassen und potenter als PCM, aber sicher auch noch nicht ausreichend.

Eigentlich hatte ich schon einen Beitrag fertig, da hat mich der Funk nochmal rausgehauen und nu isser wech :-/
Also, 3 Probleme/Aufgaben:

1. Zugang: Da hatten wir tatsächlich ein Problem. Erster Zugang sitzt (Fußrücken), durch Feuchtigkeit und einen unaufmerksamen Moment leider ein Strampler, und *flatsch* war er wieder draussen, bevor irgendetwas relevantes darüber gegeben werden konnte. Zweiter Zugang - Vene zu punktieren, nicht vorzuschieben, futsch. Dritter Zugang schweren Herzens eine Kopfvene (schweren Herzens einfach deswegen, weil ich das nunmal nicht routiniert mache), die waren aber trotz des Brüllens kaum sichtbar, insgesamt sehr feine Gefäße, es blieb bei dem Versuch. UNd dann waren keine 24G-Nadeln mehr da, was ich leider erst erfahren habe, als die letzte weg war.... *oops*

2. Wärmeerhalt: Die Tücher und die Pampers haben wir ziemlich direkt entfernt. Leider gab es keine Burnpacks, sondern nur die normalen Wärmefoiliendecken plus normale Decken. Also im Sommer bei 25 Grad Aussentemperatur die Bordheizung angeworfen. War für uns nicht schön, aber das ist sicher nachrangig, für den Wärmehaushalt war es sicher besser so.

3. Zielklinik. Ich war zunächst versucht, in die örtliche Klinik zur Primärversorgung zu fahren, zumal das (gleich zu Anfang angeleierte) abklären nach Hubschrauber und Zielklinik vermeintlich dauerte. Das war aber eher vielen Rückfragen geschuldet, die der Leitstellendisponent der Zielklinik beantworten sollte (wie ich im Nachhinein auf der Wache erfahren habe) - letztlich unproblematisch, denn kaum bekam ich die Info, dass wir einen Hubschrauber bekommen, war dieser auch schon im Landeanflug.
Der Versorger vor Ort wäre sicherlich geeigneter gewesen als Zeit auf der Straße zu verdaddeln. Hätte ich auch eher gemacht als primären bodengebundenen Transport. Die definitive Versorgung wäre dort aber nicht möglich gewesen.

Wacken hat's dann schon gesagt: Alternative zu nicht vorhandenem Zugang (neben der intranasalen Applikation, die zur Verfügung gestanden hätte) ist zB Ketanest und Dormicum i.m.

Okay, dann mal weiter: Ihr seid jetzt mit NEF-Fahrer, 2 RAs vom RTW, 2 Notärzten und einem RA vom Hubschrauber da.
Was soll denn jetzt das Kind bekommen? Wohin? Wieviel? Wie aufgezogen? Was wollen wir für den Transport machen?

WackenDoc
16.08.2012, 21:15
Ich denke mal,dass der Hubi noch Zugänge mtigebracht hat?
Also außer den 200ml Ringer gibbet erstmal 1mg Dormicum und 20 S-Ketamin. Parallel basteln wir das Monitoring dran und der Kollege beruhigt die Eltern und fragt nach Vorerkrankungem und Besonderheiten in Schwangerschaft und Geburt.
Und sobald der Zugang drin ist werden wir wohl noch was nachgeben.

Miss
16.08.2012, 21:24
Ich dachte, i.m. wäre eher nur für den absoluten Notfall bei Verbrennungen? (ganz naive Frage)
Dann würde ich ja eher nasal vorziehen...da gibt man 3-5mg/kg KG Ketanest. Dormicum so in etwa doppelte Menge im Vergleich zu i.v., so mind. 0,2mg/ kg KG.

Sebastian1
17.08.2012, 17:17
Beides legitime Wege, denke ich, jedenfalls muss ich gestehen, dass ich den Einwand "i.n. nur im absoluten Notfall" jetzt nicht kenne - warum das? Wegen der Invasivität und allgemeinen Komplikationen von i.m.-Injektionen? Oder im verbrennungsfall im Speziellen?

In diesem Fall haben wir tatsächlich genau mit den von Wacken angegebenen Dosierungen i.m. eine Sedierung herbeigeführt, intranasal via MAD wäre sogar ebenfalls vorhanden gewesen, hat schlicht und ergreifend keiner dran gedacht (zumindest nicht laut). Nach der Sedierung gelingt es jetzt auch endlich, einen i.v. Zugang am Arm zu etablieren und sicher zu fixieren.

Wie machen wir jetzt weiter?

WackenDoc
17.08.2012, 18:04
Ganz so angenehm ist die nasale Gabe nichtmal.Kann brennen und das Dormicum schmeckt fürchterlich bitter wenn es in den Rachen läuft.Kann auch sein,dass so nen Säugling das nicht ganz so prall findet, wenn er eh schon gestresst ist und dann noch jemand was im Gesicht will..Hab's im letzten Dienst erlebt, wie Dormicum nasal bei nem Erwachsenen nicht funktioniert hat.Hat den Kopf weggedreht und nen Großteil wieder ausgeschnaubt.
Aber prinzipiell geht nasal schon.
Hab bisher super Erfahrungen mit i.m. gemacht-deswegen war es jetzt mein Favorit. man glaubt es kaum- aber es wirkt wirklichinnerhalb von 2-3min.Nachteil ist,dass mansich schlechter an die richtige Dosierung rantitrieren kann

Jetzt wo der Kleine friedlicher ist,bekommen wir auch brauchbares Monitoring dran. Wie sehen die Werte denn aus? Und je nach dem wie platt er jetzt ist,brauchts nochwas gegen die Schmerzen nach.