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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Horopterkreis



bipolarbär
21.08.2012, 16:02
Im Seminar hat man uns erzählt, es gebe genau einen einzigen Horopterkreis mit definiertem Fixpunkt, der in der Kindheit erlernt wird und an dem sich das stereoskopische Sehen dann orientiert. Irgendwie widerspricht das aber den Aussagen der (grauenhaften) Physio-Bücher, wo der Horopterkreis durch die beiden Knotenpunkte des Auges und einem fixierten Gegenstand bestimmt wird. Aber wenn ich den Fixpunkt durch Akkomodation in Nähe oder Ferne verlagere ergeben sich doch weitere Horopterkreise, oder nicht? Bonusfrage: was ist die genaue Definition von korrespondierenden Netzhautarealen?

Vielen Dank!

bipolarbär
03.09.2012, 11:06
Keine Augenärzte hier? :-oopss

Hoppla-Daisy
03.09.2012, 11:09
Doch, aber eine meiner Lieblingsschamaninnen ist gerade off-duty ;-). Und die andere arbeitet brav ;-).

Hab Geduld, junger Padavan.

Feuerblick
03.09.2012, 11:46
Ich melde mich heute Abend dazu. Kann man nicht in zwei Sätzen beantworten ;-)

Feuerblick
03.09.2012, 18:56
So, nun habe ich etwas Zeit und auch eine vernünftige Tastatur:
Die Antwort auf deine Bonusfrage ist eigentlich die zentrale Grundlage für den Horopterkreis. Korrespondierende Netzhautstellen sind (normale Zusammenarbeit beider Augen vorausgesetzt!!) nämlich Netzhautorte, die an den beiden Augen in gleicher Entfernung und Richtung zur Fovea liegen. Soll heißen: Die Fovea ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt für die Zusammenarbeit beider Augen. Auf die beiden Foveae fällt im Normalfall jeweils das fixierte Objekt. Alle einzelnen Netzhautstellen die um die Fovea herum bis in die Peripherie der Netzhaut lokalisiert sind, müssten somit im Idealfall ebenfalls gleiche Bilder bekommen und das Gehirn kann aus diesen jeweils gleichen Bildern auf den gleichen Punkten ein gemeinsames Bild errechnen, d.h. die Netzhäute "übereinander legen". Wenn du diese ganzen korrespondierenden Netzhautstellen nun quasi umstülpst und in den Raum um das Fixierobjekt legst (wie eine gebogene Wand etwa), hast du den Horopter. Natürlich verändert sich die Wölbung dieses Kreises je nachdem, wie nah dein Fixierobjekt an deinem Auge ist. Insofern gibt es nicht DEN Horopter sondern eben für jede Fixierentfernung einen passenden Horopter.

][truba][
03.09.2012, 20:49
So Feuerblick,

ich habe da auch gleich mal eine Frage weil meine Freundin und ich uns hier über die Physiologie unter anderem des Horopterkreises nicht einig sind. Wie er funktioniert und das es für jedes fixierte Objekt einen neuen gibt, ist klar. Jetzt geht es eher um die Punkte die innerhalb- bzw. außerhalb des Kreises liegen. Die werden ja eben nicht auf dem Kreis abgebildet.

Ich sage das, wenn ein Punkt inner/außerhalb des Kreises wird er als näher bzw. weiter weg als der fixierte Punkt gesehen (soweit klar). Es geht jetzt um die Diplopie. Meiner Meinung nach wird der Punkt, auch wenn er nicht auf korrespondierenden Netzhautstellen abgebildet wird, so lange als "ein Bild" gesehen bzw. durchs Hirn verrechnet bis er einen bestimmten Wert an Winkelminuten überschreitet.

Sprich, ich fixiere das Fenster und sehe meine Hand, wenn ich sie in mein Blickfeld nehme (und das fenster fixiert lasse) genauso doppelt wie den Kirchturm in weiter ferne. Meine Freundin meint sie sieht ihn nur unscharf, nicht doppelt. Das kommt doch auf grund der zerebralen Verrechnung das es nicht "richtige" Doppelbilder sind, oder?

Bin verwirrt und seh auch nicht so recht durch.
MfG Thomas

Feuerblick
03.09.2012, 20:58
Es gibt um den Horopter herum das sogenannte "Panum-Areal", d.h. einen Bereich, in dem Tiefenwahrnehmung stattfindet und noch keine physiologische Diplopie entsteht. Alles was außerhalb dieses Areals davor oder dahinter liegt, sieht man physiologischerweise doppelt, weil die Bilder nicht auf korrespondierende oder gerade noch zu verrechnende Netzhautstellen fallen. Unscharf ist es auch. Deine Freundin kann, um sich die Diplopie bewusster zu machen, mal ein Auge schnell auf und wieder zu machen. Dann sieht man das zweite Bild meist besser. Aber es ist und bleibt doppelt ;-) Echte Doppelbilder dagegen unterscheiden sich dadurch, dass in der Regel das Fixierobjekt schon doppelt ist (und der Rest meist auch).
Mach dir nix aus deiner Verwirrung. Ich kenne so einige Augenärzte, die bei "Horopter" und ähnlichen Ausdrücken einen Haufen ?????? über dem Kopf haben ;-)

bipolarbär
03.09.2012, 21:44
Perfekt, danke Feuerblick :-) Ich wünschte, es gäbe einen Facharzt für Augen-, Innenohr- und andere Sinnesmodalitäten, dann hätte ich mein Berufsziel. Hast du auch eine Quelle bezüglich der vielen Horopter, auf die man sich beziehen kann, falls man mal wieder einen ahnungslosen Prof hat?

Feuerblick
03.09.2012, 22:54
Ich vermute mal, dass das im "Kaufmann" auf jeden Fall drinsteht oder in dicken Physio-Wälzern. Wie es bei normalen Augenheilkunde-Büchern ist, weiß ich nicht. Ist schon sehr spezielles Wissen, das man so nur in der Vorklinik hört.

bipolarbär
04.09.2012, 09:06
Ich wünschte, es wäre so. Man kann es sich natürlich denken, aber definitiv steht es in keinem Buch drin, das ich bislang hatte. Genau das gleiche mit den korrespondierenden Netzhautarealen oder dem Panum-Areal. Im Gegenteil, Physiobücher stiften eher mehr Verwirrung als nicht. Hab aber auch das Gefühl dass selbst die Dozenten an unserer Uni zu dem Thema eh nicht so den Durchblick haben (haha), was man ja unschwer am Eingangspost erkennen kann.

Feuerblick
04.09.2012, 09:40
Ist wie gesagt ein sehr spezielles Thema, das unter den Augenärzten auch nur die beherrschen, die Strabologie machen. Den besseren Durchblick hat man da als Orthoptistin, weil das quasi zum Handwerkszeug gehört und man die Definitionen im Schlaf aufsagen können sollte ;-)

KoelnerMedizin
04.09.2012, 12:22
Ich kann mich auch hier wieder nur auf den Schmidt-Lang beziehen, der meiner Meinung nach ein sehr gutes Physiologie-Lehrbuch ist, wenn man Verstaendnis fuer die Materie mitbringt. Ich habe den Horopterkreis damit ganz gut verstanden und der Mechanismus des Tiefensehens wird dort auch mit Bezug auf korrespondierende Netzhautstellen ganz gut dargelegt. Die amerikanische Literatur ist beim Thema Neuro- bzw. Sinnesphysiologie ja eher nicht so doll, aber der Boron (Medical Physiology) ist schon ein sehr ausfuehrliches Buch. Habe ihn gerade nicht zur Hand, aber vielleicht liefert der dir noch nuetzliche Information. ;-)

bipolarbär
04.09.2012, 15:45
Kann mich dir leider nicht anschließen Koelner. Den Horopter zu verstehen kann man auch mit dem Kurzlehrbuch, und das auch noch schneller und ohne diesen ganzen Ballast aus dem Schmidt-Augenkapitel mitzuschleifen. Ich bin mal frei zu zitieren: "Der Fixationspunkt fällt in beiden Augen auf die Foveae, die damit korrespondierende Netzhautstellen sind" Was diese korrespondierenden Stellen sind kann ich mir mit der Abbildung denken, aber das Buch gibt mir keine didaktisch griffige Definition davon, sodass ich ohne zu zeichnen beim Testat echt in trouble wär. Genauso "Der Horopter verändert sich mit jeder Blickbewegung". Schließt das auch Akkomodation ein? Kann ich mir natürlich denken, aber selbst wenn Dozenten, die dieses Kapitel wohl irgendwann mal gelesen haben sollte (der Schmidt ist bei uns die Bibel) dies nicht beantworten können sollte man vielleicht das Problem nicht beim eigenen Verständnis suchen ;-)

Ich halte es auch sehr gewagt, den Schmidt als gutes Werk zur Neuro- und Sinnesphysiologie zu bezeichnen... aber jedem das seine.

KoelnerMedizin
05.09.2012, 12:31
Es gibt sicher wesentlich bessere Werke fuer den Bereich der Sinnes-/Neurophysiologie, die eignen sich aber meiner Ansicht nicht, um den Stoff in der gegebenen Zeit zu bewaeltigen. Aber wie gesagt, fuer einzelne Fragestellungen eignen sich eben diese grossen Referenzwerke ;-)
Jeder hat auch eine andere Strategie, die gegebenen Informationen im Lehrbuch zu verarbeiten, mir hat der Schmidt/Lang sehr gut gefallen und ich konnte auf dessen Basis die Physiologie ganz gut erfassen, wobei ich natuerlich einige Dinge etwas weiter vertiefen musste mit entsprechender Literatur ;-)