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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Einsatz RTW/NEF: Nicht ansprechbare Person



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Sebastian1
31.08.2012, 22:29
Auch wenn Lupina gerade parallel ein Fallbeispiel laufen hat (danke dafür :-) ), hier auch mal wieder Fall von mir.

Ihr schiebt NEF-Dienst in einer Großstadt (sprich, für den Fall: alles bis zur Uniklinik ist mit kurzer Fahrtzeit und bodengebunden erreichbar)
Ihr habt gerade schon fast 24 Stunden Eures Dienstes hinter Euch gebracht. Die hochsommerlichen Temperaturen haben dazu geführt, dass ihr nur noch Feierabend haben wollt, um möglichst schnell unter die Dusche zu kommen. Der Dienstgott jedoch will es anders, und 10 Minuten, bevor ihr den Funk abgebt, meldet sich dieser noch einmal zu Wort: ***beeep**** Meierstrasse 1, nicht ansprechbare Person....

Nach kurzem Verfluchen des Dienstgottes findet ihr Euch in eurem NEF wieder und seid schon auf der Anfahrt. Der Funk spuckt noch an Info aus, dass die Ehefrau des Patienten angerufen habe, als sie ihren Mann bewusstlos in der Küche liegend aufgefunden habe. Nach kurzer Anfahrt kommt ihr in einer netten Wohngegend an, der RTW trifft zeitgleich mit euch ein.

Als ihr die Wohnung betretet empfängt Euch die vorgenannte Ehefrau mit sichtlich besorgter Miene und läuft hektisch vor: "So habe ich ihn gerade gefunden" sagt sie, und deutet auf ihren Mann, der nach wie vor auf dem gefliesten Küchenboden liegt (aber immerhin auf den ersten Blick erkennbar spontan atmet). Patient und Frau sind - grob geschätzt - Ende 40, Anfang 50.

Dann mal los :-)

Mondschein
31.08.2012, 22:51
Aalso, wir sprechen ihn an und schütteln ihn mal ein bissl. Macht er da irgendwas? Notfalls kann man auch mal aufs Sternum reiben oder so...
Und dann ABCD, steckt was im Hals, atmet er wirklich, hat er Puls (erst Carotis und wenn da was ist, würd ich auch mal an die Radialis langen für eine grobe RR-Abschätzung).
Hat er Schutzreflexe?
Wenn das erst mal alles halbwegs lebensfähig wirkt, machen wir mit einem Bodycheck weiter (Pupillen? Allgemeine Inspektion, Hautton etc, irgendwelche sofort sichtbaren Verletzungen? Riecht er irgendwie komisch? Lunge bds. belüftet?) und fragen ein bissl die Ehefrau aus (wann hat sie ihn vorher zuletzt gesehen sprich wie lang liegt er da schon rum und hat er vorher Beschwerden geäußert, hat er Vorerkrankungen, nimmt er Medikamente?). Und verfrachten ihn erst mal in die stabile Seitenlage...
Nebenbei könnte schon mal jemand einen Zugang vorbereiten und aus der Nadel machen wir nen BZ-Stixs, wenn das geht.
Und irgendwann wäre auch ein bissl Monitoring (Pulsoxy und EKG) gut.

Wenn es nicht so lebendig wirkt hingegen, dann läufts eher in Richtung Atemwege sichern oder Rea oder so, je nachdem...

Sebastian1
31.08.2012, 23:13
Ihr geht an den auf dem Rücken auf dem Küchenfußboden liegenden Patienten ran und rüttelt ihn am Arm. Er schlägt träge die Augen auf, ist mit der Verarbeitung Eures Anblickes sichtlich überfordert, reagiert aber (sehr) träge auf Ansprache. "Herr Meier, können sie mich verstehen?" - ".....jaaa...". Okay, das ist ja schon mal was. Auf den ersten Blick scheint er keine Verletzungen zu haben, ihr tastet einmal orientierend am Hinterkopf, aber auch da scheint alles okay zu sein.
Die Ehefrau erzählt, sie sei gestern abend gegen 23 Uhr schlafen gegangen, ihrem Mann sei es da "schon nicht so gut gegangen" und sie wollte, das er ins Krankenhaus fährt, das habe er aber abgelehnt. Sie habe dann erst heute morgen beim Aufwachen bemerkt, dass ihr Mann offenbar gar nicht ins Bett gekommen sei und dann habe Sie ihn dort gefunden und natürlich sofort den Notruf verständigt. Auf Eure Nachfrage, was denn "geht nicht so gut" konkret bedeute, sagt sie, er habe müde und verlangsamt gewirkt.

Die Pulse sind auch radial gut tastbar, regelmäßig und bei einer initial geschätzten Frequenz um 90/min.
Allgemein wirkt der Patient gepflegt. Er ist vollständig bekleidet, die Kleidung ist sauber, nirgendwo ist zB Blut durchgesickert. In der Auskultation hört ihr beiderseits ein vesikuläres Atemgeräusch.

Die mit Euch eingetroffenen Kollegen vom RTW beginnen, die Überwachung anzuschliessen. Die SpO2 liegt bei 97%, das EKG zeigt einen Sinusrhythmus mit ca 90 bpm, die RR-Messung liegt bei 110/65 mmHg.

Miss_H
31.08.2012, 23:17
Ich habe keine Ahnung. Aber in die Augen leuchten ist doch eine Idee.

Leelaacoo
01.09.2012, 00:06
Jaaa...Pupillen, auch mal den Finger verfolgen lassen (wenn er es versteht und umsetzen kann), orientierend neurologisch checken (Hemi? Meningismus? Nystagmus? Allg. Kraft? Kann er sich aufsetzen? Eingenässt? Zungenbiss?). Fühlt er sich eher hypo- oder hypertherm an? Dann schön Nadel rein und BZ messen. Medikamente abfragen, Vordiagnosen/ KH-Aufenthalte? RR an beiden Armen messen und periphere Pulse tasten, Bodycheck. Wenn alles unauffällig ist und nichts für ne HWS-Verletzung spricht (ergo dann kein Stiff neck) ... kann er aufstehen? Sitzen? Oder wie kommen wir in den RTW? Dort wär noch ein 12-Kanal-EKG schön.

LG Lee

Sebastian1
01.09.2012, 07:39
Ok, du schaust und leuchtest in die Pupillen. Befund: Mittelweit, lichtreagibel, jedoch deutliche Anisokorie li > re. Der Patient hat deutliche Schwierigkeiten, deine Aufforderungen zu verstehen, einen validen Folgeversuch bekommt er nicht hin. Keine Hemisymptomatik, Kraft allseits deutlich gemindert. Kein Einnässen, kein Zungenbiss.
Nicht sonderlich hypo- oder hypertherm, halt etwas kühl, er liegt offenbar schon länger dort auf dem Boden.
RR seitengleich wie oben geschrieben.
Bodycheck ohne Hinweis auf Verletzungen, auch keine offensichtliche Verletzung der Wirbelsäule, also verzichtet ihr auf ein Stiffneck. Aufstehen und Sitzen klappen nicht, dafür ist er zu kraftlos.

Vorerkrankungen weiss die Frau zu berichten. Ihr Mann sei Diabetiker und habe auch schonmal einen Herzinfarkt gehabt. Er habe eine Polyneuropathie, mit den Augen sei es auch nicht mehr so gut und vor 2 Jahren habe er einen Herzinfarkt gehabt.

Inzwischen habt ihr ihm auch einen Zugang gelegt und aus der Nadel einen BZ gemacht, euer Gerät zeigt jedoch nur "Err." im blinkenden Wechsel mit "Hi.", auch in einer Kontrollmessung lässt sich kein anderes Ergebnis erzielen.

Syringa
01.09.2012, 08:14
Die Frage nach dem Geruch hattest du nicht beantwortet, fällt da etwas auf? EKG?

Und da kein BZ-Wert möglich, vielleicht ex juvantibus etwas Glukose?

McBeal
01.09.2012, 08:28
Ähm, bei "Error High" würde ich keine Glucose, sondern lieber NaCl anhängen. Ansonsten stört mich persönlich akut eher die Anisokorie, den BZ senken wir dann schöööön langsam in der Klinik.

Ich (keine NÄ) würde jetzt, wenn der Patient schön verkabelt ist, in den RTW, vielleicht noch ein 12-Kanal-EKG schreiben, wenn noch nicht erfolgt und den Patienten dann schleunigst in eine große Klinik mit CT fahren wollen.

Wahrscheinlich habe ich ganz viel vergessen. ;-)

LG
Ally

Eilika
01.09.2012, 08:31
Wenn mit den Augen was nicht stimmt: ist da schon mal was operiert worden, was die Anisokorie erklären könnte? Oder ist diese der Frau bekannt/vorbestehend? Und steht #Hi# bei eurem BZ-Gerät für oberhalb vom Messbereich?

McBeal
01.09.2012, 08:32
Achso, das mit "Hi" hatte ich jetzt so vorausgesetzt, bei uns ist das so.

WackenDoc
01.09.2012, 08:33
Typ 1 oder 2 Diabetes? Wie wird der behandelt? Misst er regelmäßig selber? Wie waren die Werte die letzten Tage?War die letzten Tage krank im Sinne eines Infektes?
Was mir aber gar nicht gefällt, ist die Anisokorie- die kommt sowohl als Ursache als auch Folge des Sturzes in Frage.

@Syringa: Ne- da stand dich HI- also wird der BZ oberhalb des Messbereichs liegen, der bei vielen Geräten so ca. bei 500 endet.

Naja- normales EKG haben wir ja schon- meinetwegen können wir das 12-Kanal-EKG auch im Auto schreiben. Gibt es einen Arztbericht, in dem ein Vorbefund bzgl. des EKG beschrieben ist?

TIP an die Kollegen: Ich geb meinen Patienten mit kardialen Vorerkrankungen oder EKG-Veränderungen ganz gerne nen Ausdruck des EKGs mit, damit die es zu ihren Entlassungsberichten/Gesundheitsunterlagen legen können. Falls diese Patienten dann mal den RD brauchen, gibt´s dann ne Vergleichsmöglichkeit.

Sebastian1
01.09.2012, 08:53
Stimmt, die Frage nach dem Geruch hatte ich nicht beantwortet. Es fällt aber auch kein pathognomonischer Geruch irgendeiner Art auf. Der Ehefrau gibt an, er sei Typ-1-Diabetiker und spritze halt Insulin, das Schema kenne sie nicht, das würde ihr mann alles immer selbst machen wollen.
Dafür reicht Sie euch den Medikamentenplan, welcher aber relativ unspektakulär ausfällt, Betablocker, ACE-Hemmer, ASS 100, Lipidsenker. Zu der Anisokorie kann die Frau nichts sagen.

NaCl läuft. Da so oder so noch das Bergetuch geholt werden muss (schmale Treppe im Hausflur), hat ein RA schon mal das 12-Kanal-EKG angebastelt. SR, Linkstyp, Frequenz 88/min, AV-Block I°, fehlende R-Progression V1-4, hohes T ohne Veränderung der ST-Strecke.

WackenDoc
01.09.2012, 09:39
Wie ist denn die Atmung allgemein? Und die Haut? Temperatur können wir ja im Auto messen.
Wäre jetzt eh ned soo entscheidend, die Hyperglykämie haben wir ja so oder so,- aber nett für die DD.
Das EKG ist auch ned hübsch- ich würd ja eher ne Hypokaliämie erwarten mit entsprechenden T-Wellen-Veränderungen.
Die fehlende R-Progression kann sowohl noch nen Rest des alten Infarktes sein als auch frisch.
Nur mit der Aniokorie würd ich auch kein ASS und Heparin geben wollen.

Ich glaub, präklinisch werden wir nicht so wirklich raus bekommen, was genau sein Problem ist.
Wir hätten ja im Angebot:
- BZ-Entgleisung
- V.a. ICB
- V.a. Myokardischämie
- V.a. E-Lyt-Entgleisung.

An sich hilft nur noch NaCl laufen lassen für den BZ, Patient weiter überwachen und ab zum Maximalversorger mit CT und Kathetermöglichkeit.

Leelaacoo
01.09.2012, 10:02
Ich denke eher an eine Hyperkaliämie...zum einen wegen der hohen Ts, zum anderen hat der Pat. wahrscheinlich eine knackige Ketoazidose, da ja Typ 1...ergo zunächst mal hyperkaliäm. Ich würde ordentlich NaCl frei laufen lassen und sonst nichts und ab in den RTW...die Anisokorie KANN durchaus mal bei heftiger metabolischer Entgleisung auftreten/ zunehmen...muss noch nicht unbedingt was intracranielles sein, aber auf jeden Fall abklärungsbedürftig...also Haus mit freiem ITS-Bett, CT (primär), MRT akut zumindest nicht nötig (aber wenns da wär, wär man nicht traurig) und wenns ne NCh hätte...ok, wenn nicht, könnte man immer noch sekundärverlegen.

Ach ja, kann man die Frau denn noch fragen, ob er in den letzten Tagen einen Infekt hatte und wie der BZ am Vorabend war...oder vielleicht hat er ja sogar genaue Aufzeichnungen, Typ1-Männer zw. 40 und 50 haben ja manchmal genau ausgearbeitete Tabellen oder gar ne App dafür.

LG Lee

Leelaacoo
01.09.2012, 10:08
Ich korrigiere mich...NCh wär doch ganz fein, oder zumindest Neuroradiologie zwecks möglicher Angio...mag jetzt weit hergeholt sein, aber der Pat. ist in der Azidose, exsikkiert und RELATIV langsam mit der HF...das hatte ich schon häufiger bei SABs. Die machen auch EKG-Veränderungen und ASS/Heparin würde ich da auf Verdacht auf keinen Fall geben.

LG Lee

WackenDoc
01.09.2012, 10:22
Der Betablocker könnte aber auch der "Schuldige" sein.
Aber NCH schadet sicher nix, wenn wir einen bekommen können.

Evil
01.09.2012, 10:42
Theoretisch kann auch mal ein fieberhafter Infekt dahinterstecken, wenn das Fieber durch das Auskühlen verdeckt wird. Aber alles nix, was wir vor Ort feststellen können.
Also, Patient ist transportstabil, derzeit schmerzfrei, damit ab in die nächste Klinik mit Innerer und Neurologie, ggf Stroke (ICB halte ich jetzt nicht für sooo wahrscheinlich).

Matzexc1
01.09.2012, 10:46
Schliesse mich an.
Bei den Vorerkrankungen ist ein Apoplex sehr wahrscheinlich.

Miss
01.09.2012, 11:07
Wenn mit den Augen was nicht stimmt: ist da schon mal was operiert worden, was die Anisokorie erklären könnte? Oder ist diese der Frau bekannt/vorbestehend? Und steht #Hi# bei eurem BZ-Gerät für oberhalb vom Messbereich?
Genau, das würde ich auch hinterfragen. Ne Augen-OP würde u.U. die Anisokorie ja erklären.
12 Kanal-EKG finde ich auch gut, kann ja unter Umständen auch erklären, warum es zu dieser Symptomatik gekommen ist. (HRST wie VHF -> Embolus o.ä.).
Ich würde den Patienten dann zügig in eine Klinik mit vorhandener Neuro/CT-Kapazität transportieren. Da Du ja sagtest, es wäre alles in Reichweite, würde ich auch dazu tendieren, eine Neurochir. /Coro-Labor mit einzuschließen.
Ich persönlich wäre bisher für die Einweisung zum Auschluß Apoplex/ ICB, V.a. Hyperglykämie.
Edit: und natürlich zum Ausschluß eines Myokardinfarkts o.a.

Miss
01.09.2012, 11:10
Okay, das EKG zeigt einen SR, muß aber ja nicht ganze Zeit so gewesen sein. Das ist jetzt aber nicht das wichtigste, nur im Hinterkopf behalten.