PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Harnwegsinfekte



Seiten : [1] 2

WackenDoc
15.09.2012, 11:49
Ich quäl mich ja grad durch die Facharztlernerei und bin bei den HWIs gelandet.

Jetzt steht in der Leitlinie "Brennen beim Wasserlassen", dass Nitrofurantoin beim unkomplizierten Einsatz als Off-Label-Use eingestuft ist, gleichzeitig sagt die Empfehlung, dass es neben TMP Mittel der ersten Wahl ist.

Wie handhabt ihr das so im Alltag? Gibt jemand von euch noch Cotrim forte? Bei uns ist das nämlich das Standardmedikament, ist aber wohl nicht mehr leitliniengerecht.

Evil
15.09.2012, 12:58
Bisher hab ich entweder Norfloxacin oder Cefuroxim gegeben, wobei sich die Resistenzraten von 30% bei beiden angleichen. Ampicillin ist out, bei Resistenzraten um 50% kann man genausogut eine Münze werfen.

Nach einigen resistenten HWIs bei uns und da ich aus dem gleichen Grund wie DU grad die Leitlinien durchgehe ;-), teste ich jetzt mal Trimethoprim im Praxiseinsatz, bei Therapieversagern gibt es dann Nitrofurantoin. Blöd bei letzterem ist nur, daß es das ausschlißelich inder N2-50er-Packung von ratiopharm gibt.

WalterSobchak
15.09.2012, 13:05
Nö, bei uns gibts regelhaft Cephalosporine - vorzugsweise 3. Generation. Bei komplizierter PN und Säuglingen <6 Monate wegen Enterokokkenlücke dazu noch Ampicllin.
Zumindest bei Kindern sind Cephalosporine Mittel der ersten Wahl. TMP hat halt das Problem, dass die Colis zunehmend resistent werden... :-nix Würds deshalb ohne Antibiogramm nicht nehmen :-)

WackenDoc
15.09.2012, 14:19
Ich glaub, ich werd mal mit unserer "OÄ" sprechen, ob wir TMP statt Cotrim bestellen.
Beim Nitrofuantoin hätte ich nur Bedenken wegen Off-Label-Use. Ist aber wahrscheinlich unbegründet, weil´s ja explizit in der Leitlinie steht und wohl bei kurzzeitiger Einnahme keine Probleme gibt.
Das mit der Packungsgröße wäre bei uns nicht das Problem- wir bestellen den Kram ja über unsere eigene Apotheke und haben es dann vorrätig. Würde sich anbieten, dann jeweils die passende Menge mitzugeben.


Macht ihr eigentlich bei den Männern vorher grundsätzlich noch ne Kultur?

morgoth
15.09.2012, 14:58
Ich geb eigentlich gerne Monuril.

Evil
15.09.2012, 16:10
Nö, bei uns gibts regelhaft Cephalosporine - vorzugsweise 3. Generation. Bei komplizierter PN und Säuglingen <6 Monate wegen Enterokokkenlücke dazu noch Ampicllin.
Zumindest bei Kindern sind Cephalosporine Mittel der ersten Wahl. TMP hat halt das Problem, dass die Colis zunehmend resistent werden... :-nix Würds deshalb ohne Antibiogramm nicht nehmen :-)
Das geht aber nur stationär, ich wüßte kein drittgenerations-Cephalosporin, was nicht parenteral gegeben werden muß. Mittelfristig erwarte ich da aber auch größere Probleme durch ESBL.


Macht ihr eigentlich bei den Männern vorher grundsätzlich noch ne Kultur?
Hatte bisher noch keinen männlichen Patienten mit HWI, aber wahrscheinlich nur bei Therapieversagern.

dantheg
15.09.2012, 16:53
Bei uns in den USA ist Nitrofurantoin wieder sehr in und ich benutze es recht oft. Welches Medikament zur Erstbehandlung genommen werden soll hängt allerdings davon ab welche lokalen Resistenzen vorkommen...

Ich würde bei Männern immer eine Kultur machen denn Harnwegsinfekte bei Männern immer komplizert sind. Und man kann mit derselben Probe Chlamydia und Gonorhöe ausschließen.

Moonchen
15.09.2012, 17:03
Das geht aber nur stationär, ich wüßte kein drittgenerations-Cephalosporin, was nicht parenteral gegeben werden muß. Mittelfristig erwarte ich da aber auch größere Probleme durch ESBL.

Also bei uns in der Pädiatrie bekommen die ambulanten Patienten Cefixim p.o., aber wir haben natürlich auch nicht so große Probleme mit ESBL...

Stephan0815
15.09.2012, 17:26
Bei uns empfehlen sie beim unkomplizierten HWI entweder Fosfomycin oder Trimethoprim. Cotrimoxazol wird nicht mehr empfohlen. Und beim aufgestiegenen geben sie gerne Fluorchinolone, wie Ciprofloxacin.

WackenDoc
15.09.2012, 17:54
Fosfomycin ist laut Leitlinie ne Alternative zu TMP und Nitrofurantoin.
Und Cipro bei den Aufsteigenden.

Ist schon interessant, wie sich manche Therapieformen tradieren, ohne dass mal jemand in die Leitlinien schaut.
Ich find die auf jeden Fall sehr hilfreich zum Lernen und werd auch versuchen die bei uns umzusetzen.

In meiner bisherigen Weiterbildung sind die irgendwie an mir vorbei gegangen.

Relaxometrie
15.09.2012, 18:09
Wacken, suchst Du Dir die Leitlinien bei den entsprechenden Gesellschaften im Internet heraus? Für den Facharzt würde das ja jede Menge Arbeit bedeuten, da so viele Leitlinien für alle möglichen Fachgebiete relevant sind, und es bestimmt auch Erkrankungen gibt, für die es unterschiedliche Leitlinien gibt. Beim Harnwegsinfekt könnte ich mir vorstellen, daß es vielleicht eine urologische Leitlinie gibt, die sich wiederum von der internistischen Leitlinie unterscheidet? Das macht die Lernerei dann irgendwie mühsam. Aber aus dem Studium ist man das ja gewohnt, daß es unterschiedliche Meinungen zu vielen Sachverhalten gibt.
Oder hast Du ein top-aktuelles (wahrscheinlich mindestens 3000-seitiges :-))) Lehrbuch für die Facharztprüfung, in dem alle aktuellen Leitlinien für die für den FA relevanten Erkrankungen stehen?

Evil
15.09.2012, 18:39
Auf der Website der DEGAM gibt es 15 Leitlinien, u.a. für den Harnwegsinfekt.
http://leitlinien.degam.de/index.php?id=fertiggestellteleitlinien

Strodti
15.09.2012, 19:45
Die DEGAM Leitlinien konnte man ne Zeit als Android-App testen :-)

WackenDoc
15.09.2012, 19:50
Ich such mir natürlich nicht alle raus,die es überhaupt gibt,sondern vor allem die von der DEGAM und ansonsten,die die ich für halbwegs interessant finde. Die bis zu 250 Seiten schrecken natürlich erstmal ab,aber wenn man mal Einleitung und Methodenteil weg lässt,gehts. Ich finde auch,dass die sich vergleichsweise gut lesen lassen.
Und du hast immer die Empfehlungen zusammengefasst oder nimmst halt gleich die Kurzversion.

Gibt eben eine für " Brennen beim Wasserlassen" von der DEGAM-also speziell für den Allgemeinmediziner.
Ich denke mal,dass das reichen wird. Die passende Uro-Leitlinie ist dann wohl zu speziell.
Nein,man braucht kein Buch-kann man sich kostenlos runterladen.Z.T. auch mit recht praktischen Patienteninfos.

WalterSobchak
15.09.2012, 20:50
Das geht aber nur stationär, ich wüßte kein drittgenerations-Cephalosporin, was nicht parenteral gegeben werden muß. Mittelfristig erwarte ich da aber auch größere Probleme durch ESBL.

Öhm... Cefpodoxim? Cefixim? Wegen der ESBL-Geschichte sollte man Cephalosporine auch nicht zur Prophylaxe geben (machen tatsächliche einige), bzw. nur, wenn alle anderen "Standard"prophylaxe-Mittel nicht wirken... Aber Harnwegsinfektionsbehandlung bei Kindern und Erwachsenen ist sowieso ein völlig anderer Schnack ;-)

Logo
16.09.2012, 20:39
Aufgrund des multimorb. Klientels leider meist Cipro (kalkuliert) oder ein Cephalosporin nach Resistogramm, obwohl laut Leitlinie ja beide nicht First-Line-Therapie sind... Fosfo und Nitro haben ja leider schon einige KIs.
Nebenbei vergleiche ich gerade Cranberry-Extrakt plus Blasentee vs. Nephronorm plus Tee als Komedikation :-)

Evil
17.09.2012, 12:16
Öhm... Cefpodoxim? Cefixim? Wegen der ESBL-Geschichte sollte man Cephalosporine auch nicht zur Prophylaxe geben (machen tatsächliche einige), bzw. nur, wenn alle anderen "Standard"prophylaxe-Mittel nicht wirken... Aber Harnwegsinfektionsbehandlung bei Kindern und Erwachsenen ist sowieso ein völlig anderer Schnack ;-)
Das stimmt.
Orale Drittgenerations-Cephalosporine hab ich tatsächlich bisher noch nicht im Einsatz erlebt, im Krankenhaus wird ja doch meist Ceftriaxon verwandt. Wieder was gelernt :-top

WackenDoc
18.09.2012, 18:30
So-sobald das Cotrim forte in meinem Raum aufgebraucht ist (oder die Kollegen genug geschnorrt haben), wird es nicht mehr nachbestellt, sondern gegen TMP ausgetauscht.

SuperSonic
18.09.2012, 18:47
Warum?! Weder Cotrimoxazol noch Trimethoprim alleine gelten als Mittel der 1. Wahl bei HWI.

WackenDoc
18.09.2012, 18:53
Dooch-bei einfachen HWIs gilt es laut den Leitlinien neben Nitrofurantoin als Mittel der Wahl. Cipro ist Mittel der ersten Wahl bei aufsteigenden
Das Sulfamethoxazol im Cotrim hat laut Studienlage keinen zusätzlichen Nutzen zur alleinigen Gabe von TMP, dafür halt mehr Nebenwirkungen.