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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Reha Assistenzarzt Arbeitsalltag



dqw79
07.10.2012, 18:30
Hallo
Ich wollte mal fragen wie so der Arbeitsalltag in einer Rehaklinik (Innere) ist?
Worin unterscheidet sich dieser von einem normalen Arbeitsalltag in der Inneren?
Meistens gibt es in der Reha ja keine Notfallambulanz / Aufnahme, der Alltag müsste doch so etwas ruhiger sein?
Was für untersuchungen machen die Assistenzärzte?
Würde mich über eure Erfahrungen sehr freuen.

blackcat86
07.10.2012, 20:31
Da läuft meines Wissens nach auch sehr viel Diagnostik, an die du da wohl auch eher rankommen würdest als in Akutkrankenhäusern, wo für Lehre vermutlich weniger Zeit bleibt.

Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, ob man da schon anfangen könnte; aber wenn du schon eine Stelle hast, ist das sicherlich möglich. Wenn dein Chef die volle Weiterbildungsermächtigung besitzt und der Facharztkatalog des jeweiligen Bundeslandes keine Zeit in Akutkliniken verlangt (meines Wissens nach hat jedes Land eine eigene Weiterbildungsordnung), dann sollte es schon gehen dort Facharzt zu werden.

PMR-Doc
07.10.2012, 22:42
Mein Erfahrungsschatz aus knapp 2 Jahren kardiologische Reha:

Du musst dort auf jeden Fall Notfälle managen können. Du hast zwar keine Notaufnahme, dafür x Hochrisikopatienten im Haus. Ganz besonders im Dienst mit den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten einer besseren Hausarztpraxis. Natürlich hast du den Notarzt und die Möglichkeit einer Verlegung ins nächstgelegene Krankenhaus quasi als Telefonjoker, da Rehakliniken aber meist in idyllischer Lage aufm Dorf sind, können aber schon mal 20min bis zum Eintreffen des Notarztes vergehen. Ein Reanimationsteam gibt es natürlich nicht, im Dienst ist man (mutterseelen)alleine. Die Pflege ist oftmals für Akutsituationen nur spärlich qualifiziert (AltenpflegerInnen), OA hat Hintergrunddienst zuhause.

Wir hatten auch herzchirurgische Patienten, die Verlegung erfolgte oft am 2.-3. Tag nach Verlassen der ICU, bei elektiven Bypässen auch am 3. Tag post OP... Ansonsten eben AHBs nach Infarkt, elektiver PTCA/Stenting, div. Klappengeschichten....
Tagesablauf war so, dass 7.30 bis 8:00 Blutentnahmen waren und Befunde vom Vortag checken, kurze Übergabe von Problempatienten mit der Pflege. 8:15 dann Morgenbesprechung (am Frühstückstisch:-)) mit Chefs. Danach Visiten, Abschlussuntersuchungen, noch mehr Befunde und Schreibkram, Schreibkram, Schreibkram. Ratzfatz wars Mittag, es gab was zu essen und danach die Aufnahmen. Diagnostik machten der Chef und der OA, wenn Zeit war durfte man natürlich auch selbst. Standard ist, dass jeder Patient 2 Ergometrien bekommt, zu Beginn und kurz vor Ende der Reha, und mindestens 1 Echo. Zusätzlich hatten wir normales EKG, 24h EKGs und RRs, andere Sonografien, Schlafapnoescreening, Röntgen, Lungenfunktion, Labor, oGTT und bestimmt noch mehr, was ich in der Zwischenzeit vergessen/verdrängt habe. Da gabs also immer etwas zu tun. Und seitenlange Arztbriefe zu diktieren. Nachmittags um 16.30 war meistens relativ pünktlich Feierabend.
Der Diensthabende blieb dann in der Klinik, um 16.30 begann die Bereitschaftszeit, die dauerte bis um 7.30. Wurde in aller Regel zum Aufarbeiten der liegen gebliebenen Diktate und sonstigem Schreibkram genutzt und natürlich zum Schlafen. 100%iges Durchschlafen war selten, lebensbedrohliche Notfälle eigentlich auch. Kleinere Sachen wie Schmerzen oder V.a. Rhythmusstörung waren aber an der Tagesordnung. Am nächsten Tag musste vormittags ganz normal gearbeitet werden, mit Feierabend um ca. 13:00. Ober- Und Chefärzte hatten Hintergrunddienste und waren telefonisch erreichbar, ich habe es nie erlebt, dass der Chef mal abends/nachts in die Klinik gekommen wäre (hätte auch nix genutzt, bei der Fahrzeit).
Weterbildungsermächtigung hatte der Chef für 1 Jahr Innere und 1 Jahr Sozialmedizin, die Chefin für 1 Jahr PMR und 6Mo. Orthopädie nach irgendeiner alten WBO.
Ich habe dort als Berufsanfängerin begonnen, hatte nach knapp 8 Wo meinen ersten Dienst (stand nach 5Wo schon aufm Plan, konnte den Dienst aber wegtauschen) und war nach den 22 Monaten versiert in kardiologischen Not- und Zwischenfällen, EKGs, 24h-EKGs und -RRs, Ergometrien, Lungenfunktionen, Blutdruckeinstellungen und natürlich Anamnesen und klinischen Untersuchungen. Zudem hatte ich die Basics der Diabeteseinstellung und der Echokardiografie mitbekommen.

Evil
08.10.2012, 11:18
Da läuft meines Wissens nach auch sehr viel Diagnostik, an die du da wohl auch eher rankommen würdest als in Akutkrankenhäusern, wo für Lehre vermutlich weniger Zeit bleibt.
Leider stimmt Dein Wissen da gar nicht. Außer Blutentnahmen, EKG und Sonographie (die aber nicht gelehrt wird, sondern nur das Gerät bereitgestellt), läuft in den Rehakliniken kaum Diagnostik, dafür gibt es sehr viele interdisziplinäre Teambesprechungen.

dqw79
08.10.2012, 19:26
Hallo
Vielen Dank schonmal für eure Antworten.
PMR Doc: Darf man fragen wo du arbeitest?
Welche Notfälle sind denn häufig zu behandeln in einer Reha?
Wenn die Reha also eine Weiterbildungsermächtigung für Innere oder Chirurgie hat kann man sich die einfach anrechnen lassen? Wäre also das gleiche wie wenn man direkt auf der Inneren arbeitet?
Besten Dank schonmal

blackcat86
08.10.2012, 21:47
Ein Bekannter fing in der Onkologie an, dekompensierte dort aber schon nach kürzester Zeit und ging dann in eine Rehaklinik. Er meinte das sei viel besser und er könne dort auch den Facharzt machen. Ist aber sicher nicht repräsentativ. Wollte nur sagen, dass es vermutlich grundsätzlich möglich ist.

Das mit den Notfällen klingt aber in der Kardio schon einleuchtend; was die Befürchtung bestätigt, dass die vermutlich eher Leute mit ein wenig Erfahrung bevorzugen. Hast du denn schon eine Stelle?

LolaBlau
09.10.2012, 15:41
Ich denke der Arbeitsalltag variiert sicherlich stark von Klinik zu Klinik. Es hängt sicherlich auch davon ab welche Patienten man übernimmt, also in der Neurologie z.B. ob man auch Phase B-Patienten hat oder nur C oder D.
Wir haben bei uns im Haus eine angeschlossene neurologische Frührehabilitation in die jeder Assistent für einige Monate rotiert. Die Patienten dort sind wirklich krank, die meisten kommen direkt von einer Intensivstation dorthin und wenn man im Dienst reanimiert, dann zumeist dort.
Der Alltag wird aber von Bürokratie bestimmt (war zumindest mein Eindruck), man schreibt Zwischenberichte für Krankenkassen, beantragt weiterführende Rehas (und wundert sich welche abgelehnt werden und welche nicht...) und sitzt in wunderbaren Teamkonferenzen. Ich für meinen Teil habe gelernt, dass ich dort nicht glücklich werde, aber ich mag auch in der Notaufnahme und auf Intensiv sehr gerne arbeiten und brauche einfach mehr Abwechslung.
Ein Vorteil war, dass man die Pat. sehr lange betreut hat (eigentlich immer 6-8 Wochen), man auch Fortschritte gesehen hat. Wobei auch sehr nervige Pat. (son HOPS nach SAB kann einen in den Wahnsinn treiben) und Angehörige halt sehr lange bleiben. Aber eine solche Frühreha ist halt sehr oft auch sehr frustrierend, weil halt über sehr lange Zeit sehr wenig passiert, vorallem wenn man junge apallische Pat. dabei hat.

Ex-PJ
13.10.2012, 13:43
Zitat Balckcat:
"Er meinte das sei viel besser und er könne dort auch den Facharzt machen"
--> Im allgemeinen: NEIN!
Weiterbildungsermächtigungen für Innere Medizin, Orthopädie und ggf. Chirurgie oder Neurolgie umfassen in Reha-Kliniken typischerweise nur 6 Monate bis max. 2 Jahre

PMR-Doc
15.10.2012, 10:29
PMR Doc: Darf man fragen wo du arbeitest?

Grundsätzlich ja, das oben Beschriebene ist aber Vergangenheit. Da mein damaliger Chef inzwischen in Rente ist und die Cefin auch nicht mehr dort arbeitet, weiß ich über die aktuellen Verhältnisse in dieser Klinik nicht mehr bescheid.


Welche Notfälle sind denn häufig zu behandeln in einer Reha?
Kommt drauf an. In der Kardiologie wars das volle Spektrum von Re-Infarkt, Stentthrombose, Rhythmusstörungen, entgleister DM, hypertens. Krisen, TIAs usw.
Aktuell, orthopädische Klinik, ist es nicht so wild. Von 240 Patienten sind aber sicher 75% über 60 und davon 30-50% über 75 Jahre alt. Da kann immer was sein, die typischen Geschichten des hohen Lebensalters eben. Meistens sind es aber Stürze, mit und ohne Verletzung, und HTEP-Luxationen, die einem den Nachtschlaf rauben.


Wenn die Reha also eine Weiterbildungsermächtigung für Innere oder Chirurgie hat kann man sich die einfach anrechnen lassen?

Anrechnen ja klar, die volle Weiterbildungszeit hat eine Rehaklinik jedoch selten. Ausnahmen sind möglicherweise Kliniken im Bereich der Psychosomatik und für das Fach PMR eben.

PS: Jemandem, der in der Akutmedizin wegen Stress und/oder sprachlichen Schwierigkeiten am Dekompensieren ist, möchte ich eine Reha-Stelle nicht unbedingt empfehlen. Bestimmt gibt es gemütlichere Kliniken als unsere, (Oder wo kommen die Gerüchte vom easy-going sonst her?) aber der Stress verlagert sich eben nur. Statt Notfallmedizin ist dann Schreibtischarbeit gefragt, statt auf Station 15 Patienten zu betreuen sind es plötzlich 35. Nachts im Dienst warten keine Aufnahmen sondern Entlassungsberichte und Gutachten etc. pp....

dqw79
21.10.2012, 18:19
Hallo PMR-Doc
Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Er hat mir schon sehr weitergeholfen.
Hattest du während deiner Dienste immer alle Stationen zu versorgen?
War es eine Reha mit einem akut Krankenhaus zusammen?
Was hat dich damals bewogen in einer Reha anzufangen?
Ich freue mich über eure Antworten.
Besten Dank

PMR-Doc
21.10.2012, 21:05
Hallo dqw79!

Der Grund in der Reha anzufangen war relativ banal. Ich war damals auf der Flucht vor der großen Jungärzte-Arbeitslosigkeit in Österreich. Hinter der bayrischen Grenze herrschten aus österreichischer Sicht damals schon paradiesische Arbeitsmarktverhältnisse.
Ich wollte eigentlich immer Orthopädie machen, ungünstigerweise wurde aber damals der Facharzt Orthopädie/Unfallchirurgie eingeführt und auf Unfallchirurgie hatte bzw. habe ich so gar keine Lust. Dann bekam ich relativ schnell eine Anstellung in einer Rehaklinik mit orthopädischen und kardiologischem Schwerpunkt. Dass ich trotz meiner ganzen orthopädischen Referenzen primär in der Kardiologie eingesetzt werden soll, wurde mir im Vorstellungsgespräch verschwiegen... hat mir ne ganze Menge Freizeit zum Lernen und Pantozol gegen die Magenschmerzen gekostet... im Nachhinein gesehen habe ich aber wahnsinnig viel fürs Leben gelernt. Vom 24h EKG bis zum sicheren Umgang mit einem cholerischen Professor als Chef. Erst später konnte ich in die orthopädische Abteilung wechseln und wurde von der dortigen Chefin motiviert, PMR als Fach zu machen. Nach knapp 2 Jahren hatte ich in dieser Klinik alles gesehen, was es dort zu sehen gab und die Weiterbildungszeiten beinahe ausgenutzt.
Und dann stellte sich die Frage, ob es sich noch lohnt nach Österreich zurück zu gehen oder in D den Facharzt zu machen. Da eigentlich nur das "zuhause-Feeling" für Österreich sprach bin ich also geblieben, weit in den Norden gezogen und habe hier die Weiterbildung abgeschlossen. Und beinahe nur noch konservative Orthopädie und orthopädische AHB gemacht. Manchmal sehne ich mich schon nach dem OP, auf Polytraumen nachts um halb 3 und Ähnliches bin ich aber nach wie vor nicht scharf, das dürfen gerne die Männer operieren, ich kümmere mich dann um die Re-Mobi ;-)...

Ich kenne es nur so, dass man im Dienst für das ganze Haus zuständig ist. Nachts sind noch 2 Nachtschwestern/-pfleger da, am WE tagsüber ein reduziertes Pflegeteam. Ober- oder Chefarzt hat Hintergrunddienst mit Rufbereitschaft, d.h. er/sie sollte bei Bedarf innerhalb von 20min vorort sein.
Im Prinzip musst du im Dienst die selbe Entscheidung treffen wie der Hausarzt in der Praxis: Muß der Patient ins Krankenhaus und wenn ja, als Notfall oder als geplante Verlegung am nächsten Morgen, oder bekomme ich das Problem mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln in den Griff?

LG

dqw79
21.10.2012, 21:18
Hey
besten dank für deine ausführliche Antwort. Also bist du jetzt Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin?
Glückwunsch.
Du sagst du bist nun weit in den Norden gegangen, arbeitest du in einer der Helios Kliniken?
Hast du vor weiter im Krankenhaus zu arbeiten oder willst du dich selbstständig machen?
Kann man sich als Facharzt für PRM genauso einfach wie ein Hausarzt selbstständig machen?
Ich freue mich über deine Antwort.
Besten Dank schonmal.

PMR-Doc
23.10.2012, 19:58
Danke!
Ja, ich habe es nach einigen Widrigkeiten endlich geschafft und bin seit 6 Wochen Fachärztin.
Mit Helios haben wir (IMHO zum Glück) nichts zu tun. Finds nicht schön, was da bei den "Nachbarn an der Küste gegenüber" im Frühjahr und Sommer los war...
Im Moment bin ich gerade in einer Such- und Findephase, irgendwie weiß ich noch nicht so wirklich was ich will. Einerseits keine Dienste mehr, andererseits doch nicht in die Praxis... Kann mir gut vorstellen, noch ein Jahr Weiterbildung dran zu hängen für Spezielle Schmerztherapie und die für Sportmedizin möchte ich auch bald fertig haben.
Selbstständig machen ist so eine Sache... einmal finde ich mich noch viiieeeeel zu jung und unerfahren dafür. Außerdem wüsste ich als Migrantin zur Zeit gar nicht wo. Hier aufm Dorf ist es schwierig, mir in der Großstadt einen KV-Sitz zuzulegen, wo ich weder ArztkollegInnen noch TherapeutInnen zwecks Zusammenarbeit kenne, ist auch riskant. Privatpraxis in Österreich geht eigentlich nur nebenberuflich, setzt also eine dazupassende Oberarztstelle voraus. Kassenarzt in Österreich kann ich in den für mich interessanten Regionen wahrscheinlich vergessen, die Kassensitze sind relativ frisch an noch recht junge KollegInnen vergeben, bis die wieder frei werden bin ich selbst alt und grau.
Eine Praxisgemeinschaft oder MVZ mit operativ tätigen Orthopäden, das würde mich reizen, das ergänzt sich irgendwie... der eine macht die operativen Behandlungen, der andere die konservativen.
Natürlich kann man sich als PMR-Facharzt auch selbstständig machen - das setzt aber ein dichteres Netz an Kooperationspartnern voraus als es z.B. ein Hausarzt braucht. Einerseits mit Therapeuten, andererseits auch mit den Ärzten der Umgebung, damit du die Patienten auch zugewiesen bekommst. Den Hausarzt/Internisten/Augenarzt findet jeder Patient alleine, was ein Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation macht, wissen die Wenigsten auf Anhieb.